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Soundtrack Board

Sebastian Schwittay

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Alle Inhalte von Sebastian Schwittay

  1. Was war denn Ende Januar / Anfang Februar hier los? Mega Aktivität im Board - und seit 10 Tagen ist wieder tote Hose.
  2. Ich wunderte mich nur etwas, da Filmmusikfans immer so gerne monothematische Konzepte loben, gerade bei Goldsmith - aber wenn ihnen dann in der aktuellen Filmmusik eine spannende Manifestation desselben vor die Flinte kommt, wird es nicht mal zur Kenntnis genommen. Ich verstehe, dass der Score einen klanglich vor gewisse Herausforderungen stellt. Aber die Struktur sowohl der Einzeltracks als auch der Gesamtarchitektur des Scores ist musikalisch so dermaßen sinnvoll und "rund", dass man schnell ein Gefühl für die Musik bekommen sollte, auch wenn sie kakophon klingt. Und wenn es trotzdem zu abstrakt bleibt: der Film läuft ja gerade rauf und runter in den Kinos, da kann man sich ohne Schwierigkeiten ein Bild von der Musik im Filmzusammenhang machen.
  3. Kriminelle Albumlänge, aber der Score ist schon ziemlich hörenswert. In drei Sessions habe ich die 78 Minuten durchbekommen. Neoklassizistische Vibes à la Strawinskys "Dumbarton Oaks" (tolle Klavier- und Bläsersätze throughout, besonders im ersten Track!) treffen auf dezent Jazziges und kraftvolles Ruder-Actionscoring. Die Steigerung in den letzten 2-3 Minuten von "We Were Never Eight" (Track 13) ist wirklich wahnwitzig. Mein Varèse-Schnitt von knapp 33 Minuten: 1. The Boys in the Boat (4:21) 2. Joe's Solitude (3:24) 3. Getting Stronger (2:06) 4. Training (0:56) 5. Boat Ride (3:03) 6. We Were Never Eight (5:46) 7. USA Rowing Team - Alternate Version (4:03) 8. Poughkeepsie (9:30)
  4. Noch ein paar weitere tolle Tracks. Neben INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY ist das der Score, der den Oscar am ehesten verdienen würde.
  5. Es ist schon etwas schade, dass Jerskin Fendrixs POOR THINGS hier so überhaupt keine Liebe und Aufmerksamkeit bekommt. Eine wirklich herausragende Filmmusik. Nicht nur ein unfassbar originelles avantgardistisches Konzept, Fendrix verfolgt dabei auch einen echt griffigen, regelrecht eingängigen monothematischen Ansatz, der Bella Baxters Empowerment-Thema von der Misfit-Kakophonie bis zum finalen Sieg der Dur-Tonalität durchläuft. So eng verzahnt mit der Psychologie und Erzählung der Hauptfigur ist dieses Jahr kein anderer der Oscar-nominierten Scores. Klassisch-monothematisches, und zugleich avantgardistisches Scoring, wie man es heute nur noch selten zu hören bekommt. Wer von sich behaupten möchte, Jerry Goldsmith nur annähernd zu verstehen, muss diesem Score Wertschätzung entgegenbringen.
  6. Arne Elsholtz mag ich auch lieber als seine echte Stimme. Aber lieber seine als Joachim Tennstedt, uff.
  7. Seit den 2010ern habe ich alle Hanks-Filme OmU oder OV im Kino gesehen.
  8. Stimmt, da habe ich Tennstedt und Danneberg durcheinander gebracht... Meine Expertise zu deutschen Schauspielern tendiert leider gegen null. Ändert aber nichts dran: mit Tennstedt - Synchronstimme von John Malkovich, Jeff Bridges? - habe ich Hanks noch nie gehört, glaube ich. Kenne ihn nur mit Elsholtz.
  9. Kann mir Hanks überhaupt nicht mit der Schwarzenegger-/Stallone-Stimme vorstellen. Hab auch noch nie eine Tennstedt-Hanks-Synchro gehört. (Aber ich kenne eh nur wenige frühe Hanks-Filme - vielleicht zum Glück, denn der frühe Hanks ist nicht wirklich mein Fall. Sowohl BIG als auch THE MONEY PIT finde ich eher unlustig, und ich bin auch nicht der größte Fan von THE 'BURBS.)
  10. Vielleicht unterscheiden sich die beiden Synchronisationen hier leicht. Es gab eine Kinosynchro von 1986 mit Joachim Tennstedt und eine DVD-Synchro aus den frühen 2000ern mit Arne Elsholtz. Auf der Bluray sind beide drauf, auf der DVD nur die neue. @scorefun Die Küchenszene ist tatsächlich die witzigste Szene des Films. Was Slapstick in baufälligen Häusern betrifft, bleibe ich aber lieber bei Gore Verbinskis MOUSE HUNT, den finde ich um einige Ecken dynamischer und flotter inszeniert.
  11. Der Film hat zweifellos seine Qualitäten, aber die Musik gehört da eben absolut dazu, und ohne wäre der Film schon noch eine ganze Ecke trister und träger. Was habt ihr zuletzt gesehen? - Seite 405 - Film & Fernsehen - Soundtrack Board (soundtrack-board.de)
  12. FAIL SAFE (Sidney Lumet, 1964) Hanebüchen konstruiertes und zeitweise sehr trockenes Atomkonflikt-Kammerspiel der Marke „Alte Männer in Schaltzentralen der Macht“. Die zweite Hälfte zieht die Spannungsschraube immerhin merklich an, und die Szenen, in denen US-Präsident Fonda mit seinem Russisch-Übersetzer an der Strippe nach Moskau hängt, sind tatsächlich nervenzerrend. Letztlich hätte der Film sehr von einer sinnlicheren Inszenierung und ein paar Tupfern Score profitiert (man vergleiche den ähnlich gelagerten, aber packenderen SEVEN DAYS IN MAY von John Frankenheimer/Jerry Goldsmith; ganz zu schweigen von John Badhams/Arthur B. Rubinsteins WARGAMES, der das Doomsday-Feeling schon regelrecht übermusikalisiert). THE MONEY PIT (Richard Benjamin, 1986) Eine dieser Kultkomödien, die man wohl als Kind gesehen haben muss, um sie wirklich liebhaben zu können. Tatsächlich ist THE MONEY PIT ziemlich steif und teilnahmslos inszeniert (DOP Gordon Willis, really?), besetzt mit einer schrecklich uncharismatischen Hauptdarstellerin (die ursprünglich vorgesehene Kathleen Turner hätte den Film deutlich aufgewertet), und die vielen lauen Slapstick-Gags zünden auch nur zeitweise. Immerhin: Alexander Godunov macht Laune. THE VERDICT (Sidney Lumet, 1982) Die Exposition von Paul Newmans alkoholkranker Verlierer-Figur in den ersten 15 Minuten ist von derart subtiler Perfektion, dass einem der Atem stockt: allein die stille Depressivität der ersten Einstellung, in der Newman mit schalem Bier vor einem Spielautomaten steht, ist unbezahlbar gut, und zeitigt eine der intensivsten ersten Einstellungen im amerikanischen Kino überhaupt. Zur völlig jenseitigen Ultrakunst findet der Film auf dem Höhepunkt seiner Expositions-Sequenz, wenn Newman im Suff sein Anwaltsbüro verwüstet, und dazu von Johnny Mandels dunkel flackerndem Score – mit unfassbarem Einsatz eines Männerchors! – in die tiefsten Abgründe seiner Alkoholiker-Hölle gezogen wird. (Mandels Cue zu dieser Szene heißt „The Bottom“ – ein selbstbewusstes „De profundis“ wäre hier fast noch angebrachter gewesen.) Leider hat THE VERDICT nach diesen ersten 15 Minuten seine intensivsten Momente bereits hinter sich. Mit Aufnahme des Gerichtsverfahrens entwickelt sich Lumets Film zunehmend in Richtung eines zwar hervorragend gespielten (James Mason!), aber doch von einer beachtlichen Trägheit befallenen Qualitätskinos, das vor allem ehrbare Botschaften an den Mann bringen will (die Betonung liegt hier auf Mann, denn Frauen spielen im gravitätischen Muff dieser Gerechtigkeits-Diskurse leider überhaupt keine Rolle; entweder treten sie als heulend-verschüchterte Vertreterinnen der Nebenklage auf, liegen im Koma, oder es sind falsche Schlangen wie Charlotte Ramplings Figur, die Sphinx-haft in der Gegend herumstehen, und denen Paul Newman am Ende mit aller Rechtmäßigkeit aufs Maul hauen kann). Und so wie die ersten Minuten des Films zu den vielleicht stärksten Expositionen des US-Kinos zählen, so zählt das esoterische Blabla von Newmans Abschlussplädoyer dann leider auch zu den kitschigsten, althergebrachtesten und behäbig-weihevollsten Cringe-Momenten desselben. Im Abspann manifestiert sich der Kampf um Gerechtigkeit dann nochmal auf spannendere Weise, wenn Johnny Mandels „End Title“ den düsteren Männerchor langsam im strahlenden Frauenchor aufgehen lässt, und eine himmlische Gerechtigkeit nun tatsächlich hergestellt zu sein scheint (eine Gerechtigkeit, die mit den Rechtsvorstellungen des irdischen Kirchenapparats natürlich überhaupt nichts zu tun hat; insofern steht der Männerchor von Beginn an nicht nur für die Dämonen des Protagonisten, sondern auch für die Ungerechtigkeiten irdischer, männlich dominierter Institutionen). Neben Andrzej Bartkowiaks großartig verdunkelten, unterweltlichen Bildkompositionen sind dies die abstrakten Momente, aus denen THE VERDICT doch noch genügend Reiz zieht, und die seine miefigen Qualitätskino-Vibes ausreichend transzendieren.
  13. Eins der schönsten Stücke des Jahres, wie ich finde:
  14. Habe gestern zum ersten Mal Sidney Lumets THE VERDICT gesehen. Wahnsinn, was Mandel mit seiner Musik allein in der ersten vertonten Szene ("The Bottom") für eine abgründige dramatische Dichte erreicht, gerade auch durch den Einsatz des Männerchors. Der Chor ist überhaupt ein hochspannendes Element in der Musik, und die Aufhellung der Chorregister mit dem Frauenchor im "End Title" wirklich der musikdramatisch schönste Ausdruck des Sieges der Gerechtigkeit, den man sich vorstellen kann. Schade, dass sowas an den meisten Kinobesuchern natürlich total vorbei geht - gestern nach der Kinovorstellung mit ein paar Leuten gesprochen, denen ist die Musik kaum aufgefallen, erst recht nicht die Verwendung des Chors.
  15. Vorsicht: bei Giacchino sind es 17 Minuten okayes Material, bei Kamen wären es 17 Minuten herausragendes Material, und der Rest ist okay.
  16. Die Top-Contender ausgehend von der ersten Runde (der Übersicht halber eine Top 9, sonst wär's eine Top 15): INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY (John Williams) - 15 Stimmen NOSFERATU (Christopher Young) - 9 Stimmen THE BOYS IN THE BOAT (Alexandre Desplat) - 7 Stimmen CHICKEN RUN: DAWN OF THE NUGGET (Harry Gregson-Williams) - 7 Stimmen THE CREATOR (Hans Zimmer) - 7 Stimmen GODZILLA MINUS ONE (Naoki Sato) - 7 Stimmen NAPOLEON (Martin Phipps) - 7 Stimmen SOCIETY OF THE SNOW (Michael Giacchino) - 7 Stimmen OPPENHEIMER (Ludwig Göransson) - 6 Stimmen
  17. Wir haben das Feld annähernd halbiert: es sind 26 Scores in die zweite Runde gekommen. Qualifiziert hat sich alles, was 3 Stimmen oder mehr bekommen hat. WÄHLT NUN BITTE EURE 10 FAVORITEN. (Bitte nutzt alle 10 Stimmen aus!) Die zweite Runde läuft bis Sonntag, den 18. Februar, 23:59 Uhr.
  18. Da der Umfragen-Ersteller gestern Abend leider verhindert war, aber sich den Spaß an der Sache nicht nehmen lassen möchte, muss er seine Stimmen leider nachträglich einbringen. Der Transparenz zuliebe - und da sich dadurch auch verändert, wer weiterkommt - werden sie hier aufgeführt: BEAU IS AFRAID +1 (= 2 Stimmen) THE BOYS IN THE BOAT +1 (= 7 Stimmen) THE CREATOR +1 (= 7 Stimmen) EVIL DEAD RISE +1 (= 5 Stimmen) INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY +1 (= 15 Stimmen) MON CRIME + 1 (= 4 Stimmen) NAPOLEON +1 (= 7 Stimmen) NOSFERATU +1 (= 9 Stimmen) PLANE +1 (= 3 Stimmen) POOR THINGS +1 (= 3 Stimmen) SALTBURN +1 (= 3 Stimmen) SILENT NIGHT +1 (= 3 Stimmen) SUPERCELL +1 (= 4 Stimmen) THANKSGIVING +1 (= 1 Stimme) Es kommen damit alle Scores weiter, die 3 Stimmen oder mehr bekommen haben. MON CRIME wäre dann jetzt bei 5 statt 4 Stimmen. Hätte tatsächlich keinen Unterschied gemacht.
  19. Da der Score erst nachträglich veröffentlicht werden wird, haben wir ja nun schon einen Favoriten für die Jahresumfrage 2024.
  20. Schöne Entdeckung in der Tat, höre den Score im Zuge der Jahresumfrage gerade um ersten Mal. Vor allem scheinen hier auch Überlegungen in die Zusammenstellung des Albums geflossen zu sein, denn die Track-Abfolge ist äußerst abwechslungsreich und musikalisch sinnvoll gestaltet. Hat jemand den Film gesehen, und weiß, ob das chronologisch ist? Ich vermute nicht.
  21. Wenn man sich durch die 71 Minuten geschaufelt hat, kommt man immerhin auf ca. 17 Minuten (haha) einigermaßen hörenswertes Material: 1. First Scout (1:32) 2. I See the Sky (2:02) (wenngleich auch ziemlich trist in Giacchinos Basic-Kindergarten-Harmonik) 3. Andes Ascent (4:16) 4. Onward (3:17) 5. Found (6:24) Giacchino ist ein Faulenzer vor dem Herrn - nicht nur kompositorisch, sondern auch bei der Zusammenstellung seiner "Alben". Ich werde wohl weiterhin einen Bogen um seine Veröffentlichungen machen, denn die Zeit, die ich da investiere, wird mir einfach nicht vergolten. Für 17 Minuten okayes Material wühle ich mich nicht durch >1 Stunde belangloses Scoring-Session-Material.
  22. Höre den gerade auch mal, fühle mich nach 25 Minuten aber schon wieder arg genötigt (danke, Jahresumfrage...). Der "Albumschnitt" ist wirklich die Hölle. Du ziehst dieses ereignislose Geplätscher tatsächlich einem Kamen vor? Wow!
  23. (Im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt findet im Januar und Februar eine Sidney-Lumet-Retrospektive statt. Diesen Monat laufen noch FAIL-SAFE (1964), THE VERDICT (1982), PRINCE OF THE CITY (1981), THE OFFENCE (1973), THE HILL (1965), DANIEL (1983) und BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU'RE DEAD (2007). Alles auf 35mm. Für Forumsmitglieder aus dem süddeutschen Raum sicher lohnenswert.)
  24. Meine interessantesten Film-Sichtungen im Januar: DEADLY FRIEND (Wes Craven, 1986) NIGHTMARE ON ELM STREET war nur der Anfang. Nun zieht die Jugend der Craven-Suburbias in den offenen Krieg gegen die Gesellschaft der Elterngeneration – bewaffnet mit Wissenschaft und futuristischer Technologie. Im Trauma der weiblichen Hauptfigur gehört DEADLY FRIEND vielleicht sogar zu den unangenehmsten Abrechnungen mit Familienhöllen, die es in Cravens Filmographie zu bestaunen gibt. MAN ON FIRE (Élie Chouraqui, 1987) Verglichen mit Tony Scotts (bekannterem) Remake von 2004 ist Élie Chouraquis originaler MAN ON FIRE eher poetische Charakterstudie als Actionthriller – tatsächlich wirkt der Film in den Action- und Genre-Elementen sogar etwas unbeholfen. Ein erfahrenerer Genreregisseur, vielleicht der auf Euro-Action spezialisierte John Frankenheimer, hätte hier zweifellos mehr rausgeholt. Die Dynamik zwischen Creasy und seinem Schützling, die Inszenierung der Landschaft am Lago di Como, und nicht zuletzt die romantische Filmmusik von John Scott heben MAN ON FIRE '87 hingegen deutlich von der tristen Mitt-2000er-Videoclip-Ästhetik des Remakes ab. – Filmmusikhistorisch spannend: das Hauptthema aus MAN ON FIRE wurde ein Jahr später in der Finalsequenz von DIE HARD verwendet, und gelangte erst durch diesen Film zu größerer Bekanntheit. THE PALACE (Roman Polanski, 2023) Wie schön, dass Polanski nach der stocksteifen ZDF-History-Tristesse von J’ACCUSE wieder zu seinem Leib- und Magengenre, der grotesken Komödie, zurückgefunden hat. Ein ausgesprochen sorgloser Quatsch mit Mut zur Geschmacklosigkeit – und mit Blick auf Polanskis Bio- und Filmographie dennoch so vielfältig interpretierbar! Ich hoffe, ich finde irgendwann die Zeit, nochmal einen ausführlicheren Text zum Film zu schreiben. THE MORNING AFTER (Sidney Lumet, 1986) Der einzige Film in Sidney Lumets Karriere, der in Los Angeles gedreht wurde, und trotz Lumets ausgeprägter Hollywood-Abneigung (fast alle seine Filme spielen in New York oder New Jersey) ist THE MORNING AFTER von solch entwaffnender Intimität und Wärme, dass es schwer fällt, dem Regisseur sein Unbehagen in der Stadt abzunehmen. Vor allem Jeff Bridges‘ Retterfigur bringt ein sonniges Gefühl der Geborgenheit in den Film – er ist das ‚safety net‘, das den freien Fall von Jane Fondas Figur immer wieder abfängt, egal wie nahe die Todesgefahr des Komplotts an sie herandringt. Dadurch wirkt THE MORNING AFTER fast ein bisschen wie ein wattierter 80er-Jahre-Vorläufer von David Finchers THE GAME: eine therapeutische Hatz, die zwar alles in Frage (und auf den Kopf) stellt, aber ihre Hauptfigur niemals dem Untergang preisgibt. Ein wunderschöner und unglaublich menschlicher Film. THE PAWNBROKER (Sidney Lumet, 1964) Rod Steiger gibt als traumatisierter Holocaust-Überlebender inmitten seiner von Gittern und Metallverschlägen durchzogenen Pfandleiher-Stube im schwarz-weißen Moloch New York Citys zweifellos ein eindrucksvolles Bild ab. Die trockenen, Drehbuch-fixierten Problemfilm-Vibes wird THE PAWNBROKER trotzdem nie ganz los, und selbst Quincy Jones‘ herausragend dynamischer Score lässt den Film nur selten abheben. Trotzdem eine sehens- und hörenswerte Leistung aller Beteiligten. NO HARD FEELINGS (Gene Stupnitsky, 2023) Kluge Komödie über die Verklemmungen unserer Zeit – besonders schön die Partyszene, die zeigt, wie sich Generationenkonflikte heutzutage schon zwischen 20- und 30-Jährigen abspielen. (So gesehen natürlich eher ein Trauerspiel als eine Komödie.) RUNNING ON EMPTY (Sidney Lumet, 1988) RUNNING ON EMPTY lebt von der Verhandlung und Gegenüberstellung bürgerlicher Kultur und revolutionärer (Gegen-)Kultur, allerdings ohne das Thema sonderlich theoretisch oder verkopft anzugehen. Die Geschichte um einen Klavier-spielenden Teenager (River Phoenix), der mit seinen 68er-Eltern ein Leben im Untergrund führen muss, obwohl ihm ein Studium an der Juilliard School of Music offenstehen würde, operiert mit den denkbar einfachsten und unprätentiösesten erzählerischen Mitteln, positioniert die Teenager-Figur dabei intelligent zwischen zwei sehr unterschiedlichen Vater-Figuren – und obwohl er sich sogar die ein oder andere musiktheoretische Anspielung erlaubt, hält Lumet seine Überlegungen zu gesellschaftlichen Gegensätzen so konkret und 'straightforward' wie möglich, und verwurzelt sie durchgehend im Emotionalen: am Ende ist es die Liebe, die die Aufweichung und Versöhnung der Lebensentwürfe ermöglicht und den Jahren der Flucht ein Ende setzen kann. Oder vielleicht doch etwas abstrakter: die 90er Jahre halten Einzug. GUILTY AS SIN (Sidney Lumet, 1993) „I don’t work. Women take care of me.“ Don Johnson als manipulativer, Frauen ausbeutender Psychopath ist mit so breitem Pinsel gezeichnet, dass GUILTY OF SIN zeitweise fast groteske Züge annimmt. Johnsons monströse Darstellung trägt den Film dabei verblüffend gut, und mit dem pornösen Vergießen seiner Gehirnmasse setzt seine Figur auch noch im Finale den spektakulärst möglichen Akzent. Der zweite Star des Films ist Howard Shore, der sich mit seinem Früh-90er-Stil zwischen zärtlicher Eleganz und impulsiver Agitiertheit als idealer Komponist für den Stoff erweist, und dem Film einen unverwechselbaren Stempel aufdrückt (letztlich ist GUILTY AS SIN fast mehr Shore- als Lumet-Film). Unter seinen Thriller-Filmmusiken der 90er Jahre, die immer noch einer Tonträger-Veröffentlichung harren, sicherlich die stärkste und expressivste.
  25. Ich bewundere deine Fähigkeit, aus dem gesichtslosesten Bodensatz aktueller Filmmusik diesen einen Aspekt herauszuklamüsern, der das Ganze doch noch irgendwie "ordentlich" dastehen lässt. Chapeau! Ich kann Musik nicht nebenbei hören, aber da unterscheiden sich unsere Zugänge zu Musik wohl eh ganz grundsätzlich.
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