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Die Klassische Moderne


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Ich finde es verdammt interessant, dass unter (Film-)Komponisten die modernistische klassische Musik des 20. Jahrhunderts so beliebt ist - und dagegen bei den meisten Filmmusikhörern so unbeliebt... Konkret: was unter Score-Fans Ohrenschmerzen verursacht (mich und einige andere ausgenommen), wird von den Filmkomponisten selber hoch geschätzt.

Ich bin ebenfalls ein sehr großer Freund der klassischen Moderne. Werke wie Carmina Burana, Die Planeten, Le Sacre du Printemps, Schostakovitschs fünfte und Pacific 231 sind doch genießbar ohne Ende. Mit dieser Musikrichtung sollten sich Filmkomponisten am meisten beschäftigen.

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Wobei man bedenken muss, dass die "Planeten" schon 1914 entstanden, also gerade mal drei Jahre nach Mahlers Tod und noch bis ins Mark Spätromantisch sind, allerdings mit einigen interessanten modernen Elementen. "Sacre" war wirklich ein Meilenstein, aber Ravel ist eher Impressionist und Schostakowitsch war auch von gemäßigter Moderne mit spätromantischem Einschlag. Nichts, was ich bis auf "Sacre" als Stellvertreter der Moderne bezeichnen würde.

Da wären dann eher Charles Ives (insbesondere die dritte und vierte Symphonie), Schönberg mit "Pierrot Lunaire", dem "Buch der hängenden Gärten", Alban Berg mit "Wozzeck", Webern ab seinen sechs Orchesterstücken, Zimmermanns "Soldaten", Ligeti, Lutoslawski, Nono, Henze (die letzten fünfzig Jahre), Boulez, insbesondere Varèse, Stockhausen und natürlich Bartok sowie der frühe Hindemith.

Aber es stimmt schon, die fehlende Anerkennung für diese Werke kann ich im Forum auch immer schwer nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass die Komponisten, für die sich hier viele begeistern, sich genau auf diese modernen Meister berufen, denn schließlich gab es wirklich wenige Filmkomponisten, die vollkommen innovativ arbeiteten wie z.B. North, der einen grellen Personalstil hat. Viele andere Komponisten hieften halt die Neue Musik in die Filmmusik und räumten mit dem spätromantischen Golden Age auf, das hier ja auch nicht so inflationär gehört wird. Goldsmith z.B., der sich mit "Freud" an der Wiener Schule orientierte oder in "Planet der Affen" eine völlig atonale Musik einsetzte.

Ich hatte früher immer gehofft, dass Filmmusikhörer sich mehr für die Neue Musik begeistern könnten, als herkömmliche Klassik-Konsumenten, die ja auch die Filmmusik verschmähen, aber leider zeigt sich in diesen Kreisen, dass der Hörer der Musik seiner Zeit ungefähr 100 Jahre hinterher ist und das ist sehr schade, denn nur weil das Publikum nicht in die Gänge kommt, können Komponisten doch nicht wieder zehn Schritte zurück machen. Natürlich stellt sich dann auch die Frage, arum man noch spätromantische Klavierstücke schreiben sollte, wenn Chopin davon doch genug komponiert hat. Warum noch eine fette große Symphonie mit heroischen und zarten Themen wenn ich Mahler, Schostakowitsch und Rachmaninov hören kann? Eben, eine spätromantische Stilkopie wie sie von vielen Rezipienten indirekt gefordert wird hat halt nur eine begrenzte Daseinsberechtigung, denn wieso die Fälschung, wenn es unübertroffene Originale gibt?

Außerdem ist auch die Schere zwischen Film und Musik sehr interessant. Während viele sich vehement weigern, Filme aus der Zeit vor den 90ern anzusehen, so grenzt man jedoch 100 Jahre Musikgeschichte einfach aus. Man sieht sich doch auch zeitgenössische Bilder an und liest zeitgenössische Bücher, aber zeitgenössische Musik...

Zum Schluss fällt mir da ein kleiner Wortwechsel zwischen dem Komponisten Dieter Mack und einer Studentin ein, die ihn fragte "Ist es also Ihrer Meinung nahc wichtiger, sich als heutiger Mensch eher mit Neuer Musik zu beschäftigen als jetzt Beethoven-Symphonien zu kennen?" und seine Antwort war ein kurzes knappes aber bestimmtes "Ja."

Denn das, was heute komponiert und geschrieben wird, geht uns doch alle etwas an wie die Tagesschau, die heute Abend läuft. Da sehe ich doch auch keine alte Sendung aus den 70ern. Aber in Sachen Neue Musik sind da leider viele Felle mittlerweile weggeschwommen und die Kulturbranche mit dem ewigen Barock-Gedudel im Radio macht's da auch nicht einfacher.

Bearbeitet von Mephisto
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"Sacre" war wirklich ein Meilenstein, aber Ravel ist eher Impressionist und Schostakowitsch war auch von gemäßigter Moderne mit spätromantischem Einschlag. Nichts, was ich bis auf "Sacre" als Stellvertreter der Moderne bezeichnen würde.

Du meinst doch hoffentlich Stravinsky. Der ist nämlich kein Impressionist sondern Komponist der klassischen Modernen.

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Also Stravinsky habe ich mit "Sacre" schon in dem Satz abgehakt und ging dann zu Ravel über. Tut mir Leid, wenn es zu Missverständnissen gekommen sein sollte.

Ach so, der Satz hatte sich für mich so angehört, als ob Sacre von Ravel sei. Ich nehm alles zurück :D

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Außerdem ist auch die Schere zwischen Film und Musik sehr interessant. Während viele sich vehement weigern, Filme aus der Zeit vor den 90ern anzusehen, so grenzt man jedoch 100 Jahre Musikgeschichte einfach aus. Man sieht sich doch auch zeitgenössische Bilder an und liest zeitgenössische Bücher, aber zeitgenössische Musik...

Was ist denn die zeitgenössische Musik? Wenn ich diesen Begriff lese, passiert das immer in Kombination mit Namen von Komponisten, die schon tot sind oder es bald sein werden.

Was wird derzeitig komponiert, was interessant und kein Aufguss alter Sachen?

Die neuste Musikrichtung, die mir bekannt ist, ist die Postmoderne und ich bin nicht so ganz überzeugt davon, dass man sie als Musikrichtug sehen kann, kenen mich für ein entsprechendes Urteil aber auch zu wenig aus.

Ich frage am besten mal anders: Gab es seit der Klangkomposition und der elektroakustischen Musik Musik, die wie eben diese eine neue Herangehenweise erfordern?

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... Warum noch eine fette große Symphonie mit heroischen und zarten Themen wenn ich Mahler, Schostakowitsch und Rachmaninov hören kann? Eben, eine spätromantische Stilkopie wie sie von vielen Rezipienten indirekt gefordert wird hat halt nur eine begrenzte Daseinsberechtigung, denn wieso die Fälschung, wenn es unübertroffene Originale gibt?

Außerdem ist auch die Schere zwischen Film und Musik sehr interessant. Während viele sich vehement weigern, Filme aus der Zeit vor den 90ern anzusehen, so grenzt man jedoch 100 Jahre Musikgeschichte einfach aus. Man sieht sich doch auch zeitgenössische Bilder an und liest zeitgenössische Bücher, aber zeitgenössische Musik...

Denn das, was heute komponiert und geschrieben wird, geht uns doch alle etwas an wie die Tagesschau, die heute Abend läuft. Da sehe ich doch auch keine alte Sendung aus den 70ern. Aber in Sachen Neue Musik sind da leider viele Felle mittlerweile weggeschwommen und die Kulturbranche mit dem ewigen Barock-Gedudel im Radio macht's da auch nicht einfacher.

Goldenthal hat mit seiner durchaus noch auf spätromantische Wurzeln, aber auch auf minimalistische und zumindest soundmässig naja sagen wir mal modern dissonante Musik bisher gezeigt, dass es "fette Symphonik" auch ohne epigonal zu wirken geben kann.

Wie ich schon an anderer Stelle bemerkt habe beruht der momentan ganz besonders stark ausgeprägte Innovationsmangel der Filmmusik nicht daran vielleicht noch stärker in der Spätromantik zu verharren, sondern die Ursache dafür scheint vielmehr der Drang zu sein um jeden Preis unbedingt plump massenkompatibel für das ganz junge Publikum zu sein. Nach dem Motto schön laut, einfache hölzerne Themen, poppiger Eindruck... Da bleibt allerdings nicht viel Platz für Techniken einschlägiger moderner Komponisten.

Filmmusik ist nach wie vor ein Genre mit Chancen, nur sieht es derzeitig in der Tat überhaupt nicht so aus, als ob sie diese auch wirklich nutzt. Die Tatsache, dass die Erfahrungen der Musikgeschichte der letzten 90 Jahre nicht ausreichend genutzt wird liegt aber in erster Linie daran, dass der Kommerz die alles überstrahlende Übermacht hat. Und der Kommerz steht nun mal auf plattes bumm bumm bumm!

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Goldenthal hat mit seiner durchaus noch auf spätromantische Wurzeln, aber auch auf minimalistische und zumindest soundmässig naja sagen wir mal modern dissonante Musik bisher gezeigt, dass es "fette Symphonik" auch ohne epigonal zu wirken geben kann.

Bei goldenthal würde ich eher davon sprechen, dass er minimal musik macht, die wie spätromatik klingt.

Ich frage am besten mal anders: Gab es seit der Klangkomposition und der elektroakustischen Musik Musik, die wie eben diese eine neue Herangehenweise erfordern?

Ja. Musik die alternative Skalen (ich weiß nicht wie man das auf deutsch ausdrücken soll: alternate tunings) benutzt. Davon gibt es aber recht wenig. Beauty in the beast von Wendy Carlos fällt mir da ein.

Wobei ich mit alternativen skalen nicht vierteltonmusik meine. Denn das ist sicherlich ne nette spielerrei, aber was wirklich neues macht man damit auch nicht. Wenn ich den Schokoladenkuchen in 8 anstelle von 4 Stücken schneide wird trotzdem nicht Erdbeertorte draus.

Was Carlos gemacht hat sind wirklich gänzlich neue skalen, teilweise mit über hundert stufen pro oktave.

Was ist denn die zeitgenössische Musik?

In Deutschland? Lachenmann-Plagiate ;)

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Was ist denn die zeitgenössische Musik? Wenn ich diesen Begriff lese, passiert das immer in Kombination mit Namen von Komponisten, die schon tot sind oder es bald sein werden.

Was wird derzeitig komponiert, was interessant und kein Aufguss alter Sachen?

[...]

Gab es seit der Klangkomposition und der elektroakustischen Musik Musik, die wie eben diese eine neue Herangehenweise erfordern?

Tia, da wäre etwa die Minimal Music und ihre individuellen Spielformen, etwa von John Adams. Sicher ist der Mann jetzt auch schon etwas älter, und seine wichtigsten Werke sind nun auch schon über 20 Jahre alt. Aber er komponiert immer noch.

Die Postmoderne an sich ist ja kein wirklicher Stil, sondern eher ein abstrakterer Begriff für alle Kunst, die nach der klassischen Moderne entstanden ist. Sicher hat die Postmoderne auch spezifische Merkmale (Stil-Pluralität, Multikulturalismus, Dekonstruktion), aber es fällt insbesondere in der Musik eben so unglaublich viel unter diesen Begriff, von Corigliano bis Takemitsu. Da bedarf es einfach noch genauerer Beschreibung, um einzelne Richtungen und Stile noch genauer "aufzudröseln". :D

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Auffällig ist, dass neuere symphonische Filmmusik der - naja sagen wir mal - "ambitionierteren" Sorte neben immer noch gerne verwendeten Klangwelten der Spätromantik immer mehr auf Elemente der Minimalistik zurückgreifen. Insbesondere das sogenannte Pattern kommt hierbei deutlich zur Anwendung. Schöne Beispiele dafür sind Williams AI, James Newton Howards Lady In The Water, James Horners A Beautiful Mind. Auch Christopher Youngs neueste Arbeit (Priest) scheint ja diesen Weg zu gehen.

Leute wie Michael Giacchino, aber auch Alexandre Desplat oder Javier Navarette hingegen sind da aus meiner Sicht noch einen Schritt weiter. Ich will dessen Musik, wie beispielsweise Giacchinos LOST mal vorsichtig als Postminimalistik bezeichnen. Minimalistische Klangideen werden hier einem anderen nicht näher beschreibbaren, aber dennoch unverkennbar vorhandenem übergeordneten Kompositionsprinzip untergeordnet.

Wirklich durchkomponiert atonale Wendungen habe ich bisher noch nicht in Filmmusik gefunden, liegt wohl daran, dass diese aufgrund der ihnen eigenen scharfen Dissonanzen keinen besonders hohen massenkompatiblen spontanen Hörgefallen besitzen und daher - zumindest in Scores von sogenannten Blockbustern - gemieden werden. In den 1960er und 1970er Jahren wurden aber der Atonalität verdammt nahe stehende Scores verwendet. Diese griffen dann aber zusätzlich oft zu freejazzartigen oftmals stark verzerrten elektronischen Klängen vorsintflutlicher Synthesizer (Lalo Schiffrin, Quincy Jones...). Böse Zungen behaupten ja zu dieser Zeit galt es noch als chic so dissonant wie irgent möglich zu klingen, einfach um den Eindruck "hallo hier wird ernsthafte Kunst betrieben" zu unterstreichen. Nun diese Zeiten wurden mittlerweile überwunden, ja heute darf Filmmusik auch wieder wohlklingend sein - für meinen Begriff eben bisweilen deshalb viel zu oft zu einfach gestrickt.

Goldenthal hat aber auch heute noch immer zumindest klangliche Geschehen in seiner mitunter recht sperrigen Musik, die an das 1960er und 1970er "Gescheppere" erinnern. Das ist hier auf keinem Fall negativ gemeint, ist doch der wohldosierte Einsatz von Dissonanzen bestens geeignet, ja zwingend notwendig "unangenehme" filmische Inhalte passenderweise musikalisch zu untermalen.

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