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Soundtrack Board

WOODEN ANGEL (experimenteller Kurzfilm-Score)


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Hallo liebes Board,

 

ich möchte euch an dieser Stelle gerne meine (nach A CHERRY TALE) zweite Kurzfilm-Vertonung vorstellen - vielleicht hat sie ja schon der ein oder andere in Annes Halloween-Sendung gehört, aber hier nun noch mal ausführlicher:

 

WOODEN ANGEL, Musik für einen Kurzfilm (2012)

für präpariertes Klavier, Violine, Schofar, Löwengebrüll, Cembalo und Percussion

 

https://soundcloud.com/sebastian-schwittay/wooden-angel

 

Der knapp über 3-minütige Kurzfilm ist, genau wie A CHERRY TALE, ein studentisches Projekt der Filmwissenschaft Mainz und handelt von einer jungen Frau, die in einem Waldstück verfolgt und umgebracht wird. Der kühle, düstere Film zeigt die Verfolgung, den Mord, die Beseitigung der Leiche - und überlässt alles andere dem Zuschauer. Das Motiv der Täter bleibt unklar, genau wie die Folgen des Verbrechens. WOODEN ANGEL zeigt einen kurzen Ausschnitt aus einer kalten, brutalen, vielleicht auch sinnlosen Welt.

 

Das Konzept der Musik verzichtet auf Melodie, sowie auf traditionelles thematisches oder motivisches Material fast vollständig. Im Mittelpunkt der Musik stehen stattdessen verschiedene, atmosphärische Klangfelder, die immer wieder von punktuellen Klangereignissen kontrapunktiert, teils sogar regelrecht "zerrissen" werden. Lediglich am Ende des Stücks erklingt ein entrücktes, gebrochen und deformiert anmutendes "Thema" für verstimmtes Klavier - ein letzter Nachhall der Menschlichkeit der getöteten Frau, inmitten völliger musikalischer Dunkelheit.

 

Dieses Konzept (Abstieg in eine klangliche "Hölle") habe ich mit verschiedenen, exotischen Instrumente umgesetzt: das an einen Tierlaut erinnernde Raunen, das direkt am Anfang, aber auch im letzten Drittel der Musik in Erscheinung tritt, ist die Schofar, ein jüdisches Horn, gefertigt aus dem Horn einer Antilope. Schon Jerry Goldsmith hat das Instrument in den 60er und 70er Jahren zur Erzeugung ungewöhnlicher Klangeffekte eingesetzt (etwa in PLANET OF THE APES, TORA! TORA! TORA! und ALIEN).

 

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Zum Einsatz kam weiterhin das sogenannte Löwengebrüll - eine Trommel, deren Resonanzfell mit einem durchgespannten Faden in Schwingung versetzt wird. Dadurch entsteht ein "brüllender", donnernder Klang, in der Musik immer dann eingesetzt, wenn es im Film zu extremen Gewaltspitzen kommt (z.B. 0:46 - 0:52).

 

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Neben einer archaischen Rassel aus getrockneten Fruchthülsen sind außerdem noch drei traditionelle Instrumente mit an Bord, werden jedoch auf ungewöhnliche Weise gespielt: zum einen das Klavier (verstimmt und direkt auf den Saiten gespielt, wobei die Saiten entweder geschlagen, gestrichen oder gekratzt werden), die Violine (z.B. ein mit hohem Bogendruck gespieltes, Tremolo-artiges "scratching", das sich immer weiter nach oben schraubt, siehe 0:37 - 0:43), oder das Cembalo, das ebenfalls direkt auf den Saiten gespielt wird.

 

Soviel also zum Konzept der Musik und zum Instrumentarium - würde mich jetzt interessieren, was ihr von der Musik haltet. Über Kopfhörer klingt die Musik übrigens am besten, da kommen alle Details auch am besten zur Geltung.

 

Wer Interesse am Film hat, dem brenne ich übrigens gerne eine DVD. Die Macher wollten den Film nicht im Internet.

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Hallo Sebastian,

 

ich habe es ja bereits schon einmal gesagt, jetzt aber noch einmal: ich bin sehr begeistert von diesem Stück. Die Klangfelder, die den größten Teil des Stückes ausmachen, sind äußerst interessant instrumentiert und verfehlen ihre teilweise fremdelnde Wirkung nicht. Das Highlight ist für mich tatsächlich die zum Schluss auftretende musikalische Auflösung auf dem Klavier, die aber eigentlich trotz ihrer im Kontrast freundlicheren Art das vorher gehörte noch einmal im Gefühl bestärkt und sich nicht nach Erlösung anhört.

 

Interessant wäre es natürlich, das noch einmal bebildert zu sehen. Mein Interesse für die DVD besteht also noch.  ;)

 

Zwei Fragen zur Arbeit selbst:

Wie lange hast du denn an diesem Stück gearbeitet, war dir das Konzept von vornherein klar? Zur Schofar und dem Löwengebrüll - wie viel Reminiszenz (Du erwähnst beispielsweise Goldsmith) ist in der Nutzung enthalten?

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Mich würde der Film ebenfalls (zusammen mit "Cherry Tale" interessieren. Außerdem wüsste ich gerne, wie die Aufnahme entstanden ist. Musiker zusammen zu organisieren ist ja immer ein bisschen aufwendig. Welche Präparationen am Klavier hast Du denn vorgenommen und wo bekommt man so ein Widderhorn her?

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Vielen Dank für das positive Feedback, freut mich, wenn das Stück Anklang findet. :)

 

 

Zwei Fragen zur Arbeit selbst:

Wie lange hast du denn an diesem Stück gearbeitet, war dir das Konzept von vornherein klar? Zur Schofar und dem Löwengebrüll - wie viel Reminiszenz (Du erwähnst beispielsweise Goldsmith) ist in der Nutzung enthalten?

 

Mit dem Gesamtpaket Konzeption, Komposition, Instrumentensuche, Aufnahme und Abmischung war ich von Ende Dezember 2011 bis April 2012 beschäftigt. Aber ich habe mir auch Zeit gelassen. ;)

 

Das Konzept war mir recht schnell klar, die Kompositionsphase ging auch relativ schnell - die meiste Zeit verbrachte ich dann mit der Beschaffung der Instrumente, der Aufnahme und der Abmischung. Die Reminiszenz war anfangs eindeutiger geplant, hat sich dann aber (wie oft bei mir) schnell in eine individuelle Richtung entwickelt - anfangs wollte ich das Ganze noch viel stärker nach ALIEN oder THE MEPHISTO WALTZ klingen lassen, aber letztlich ist vom Goldsmith-Einfluss eigentlich nur die Wahl der ungewöhnlichen Instrumente übrig geblieben.

 

Mich würde der Film ebenfalls (zusammen mit "Cherry Tale" interessieren. Außerdem wüsste ich gerne, wie die Aufnahme entstanden ist. Musiker zusammen zu organisieren ist ja immer ein bisschen aufwendig. Welche Präparationen am Klavier hast Du denn vorgenommen und wo bekommt man so ein Widderhorn her?

 

Die Aufnahme habe ich allein bestritten bzw. alle Instrumente einzeln eingespielt und danach abgemischt. Einige Verfremdungen sind auch enthalten, etwa der Klang des getretenen Klavierpedals, rückwärts abgespielt. Was die Klavier-Präparationen betrifft, habe ich die Saiten mit Filz- und Gummi-Teilen, aber auch mit Stiften präpariert, und eben auch direkt auf den Saiten selbst gespielt. Für die "konventionell" gespielten Klavierparts (etwa das Motiv am Ende) habe ich das Klavier leicht verstimmt, allerdings unsystematisch.

 

Für meine Schofar (meine ist ein Antilopen-, kein Widderhorn) habe ich einen Schofar-Seminaristen aus der Nähe von Stuttgart aufgesucht, der mir ein geeignetes Horn "vermittelt" hat. Der Mann veranstaltet seit 2003 Schofar-Seminare und vertreibt die Instrumente auch, hier seine Webseite: http://www.schofardienst.de/

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