Zum Inhalt springen
Soundtrack Board

Italienische Genre-Filmmusik der 50er-70er Jahre


Mephisto
 Teilen

Empfohlene Beiträge

vor 4 Stunden schrieb Stefan Schlegel:
 
Wie kommst Du denn darauf, daß BANDIDOS Macchi´s erste Filmmusik gewesen sein soll? Das stimmt niemals, denn Macchi hat bereits seit 1961 diverse Musiken zu Abenteuerfilmen, aber auch zu Dokumentarfilmen komponiert. Ich habe sogar eine Filmmusik von 1963 mit dem Titel ITALIANI COME NOI als Platte hier – das ist auch ein recht schöner melodischer Score (übrigens dirigiert von Bruno Nicolai und damit wohl eine seiner frühesten Dirigententätigkeiten für den Film), bei der man auch nicht unbedingt den Avantgardekomponisten, der Macchi ja zur selben Zeit durchaus war, erkennen würde.
Bei dem von Dir beschriebenen zweiten Melodieteil mit beschwingtem Charakter aus BANDIDOS assoziiere ich übrigens seit Jahren immer wieder den Refrain “Und das Schiff mit acht Segeln...” aus dem Seeräuber-Jenny-Song von Kurt Weill (aus der “Dreigroschenoper”). Der Melodieverlauf ist ziemlich nahe dran, und ich vermute das dürfte beim intellektuell verspielten Macchi nicht mal unbedingt nur ein Zufall gewesen sein.

Gute Frage, da war ich anscheinend nicht ganz bei der Sache. Kann es höchstens darauf zurückführen, dass bei Soundtrackcollector keine weiteren Werke vor BANDIDOS gelistet sind. Die in der Tat frappierende Ähnlichkeit mit Weill ist mir gar nicht aufgefallen, da ich die "Dreigroschenoper" kaum im Ohr habe - danke für diesen Hinweis!

vor 4 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

Von den drei verfügbaren Lacerenza-Western-Scores ist L´IRA DI DIO meiner Meinung nach schon der beste und vor allem der, der am meisten hängen bleibt und trotz ein paar Wiederholungen Spaß macht. 20.000 DOLLARI kann man sich mal anhören, aber hat doch deutlich mehr Hänger drin, etwas schwächere Themen und muß man daher nicht unbedingt als CD haben.

Ich habe mir über youtube jetzt einige Fassungen von "Kidnapped" angehört und bin zumselben Schluss gekommen. L'IRA DI DIO reicht mir vorerst als einzige Lacerenza-CD. :)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

BANDIDOS kenne ich bisher noch gar nicht, und das liegt einzig und allein an dem Label "Mask", das für mich immer so ein obskurer Bootleg-Laden war, der mäßig klingende Vinyl-Überspielungen auf CD presst (siehe "King Kong"). Deshalb habe ich immer die Finger von der CD gelassen. Und hätte noch zwei Fragen dazu:

Ist die Tonqualität denn soweit in Ordnung? Und ist denn auch der von Nico Fidenco gesungene Song mit drauf?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Also der Song ist nicht auf der CD enthalten. Gegen die Tonqualität habe ich nichts einzuwenden, man hört zwar, dass die Aufnahmen nun 50 Jahre alt sind, aber Knistern und Knacken hat man nicht drin. Woher die (verzichtbaren) Bonusstücke kommen, weiß ich nicht. Aber das wäre vielleicht ein Hinweis darauf, dass mehr als nur eine LP zur Verfügung stand. Vielleicht weiß Stefan mehr.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die CD von BANDIDOS ist im Gegensatz etwa zur klanglich sehr schwachen Morricone-Veröffentlichung mit WHITE DOG/SO FINE (das war die vorhergehende CD Mask 703) kein Bootleg und die Klangqualität ist absolut einwandfrei. Die Rechte am Score liegen beim Cometa-Musikverlag und der ist auch hinten auf dem Back Cover beim Copyright angegeben. Das heißt, das Ganze ist schon völlig legal über Cometa abgewickelt worden, die die Bänder – wie auch Ende der 70er für die LP – im Archiv hatten. Merkwürdig ist nur, warum Cometa die CD nicht wie schon früher die LP auf dem eigenen Label herausgebracht hat, sondern das über Mask ablief.
Den Fidenco-Song gab es nur auf einer Parade-Single an 1968. Daran hat Cometa ganz offensichtlich weder die Rechte gehabt noch irgendein Bandmaterial, weshalb der Song auch nicht mit auf der CD ist (auch nicht auf der früheren LP natürlich).
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

day_anger_PTM001.jpg.1f4c3fd883c88d3cf1ce25c0abc9df38.jpg

 

I GIORNI DELL'IRA - Riz Ortolani

I GIORNI DELL’IRA gehört ohne Frage zu den interessanteren Beiträgen zum großen Fundus der Italowestern. Regisseur Tonino Valerii verdiente sich seine Sporen als Regieassistent von Sergio Leone bei FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR und FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR. Mit Lee van Cleve und Giuliano Gemma standen ihm zwei absolute Größen der Italowestern-Darsteller-Riege zur Verfügung. In Deutschland wurde der Film – warum auch immer – unter dem Titel DER TOD RITT DIENSTAGS verliehen. Der Film bietet theoretisch eine Alternative zu George Stevens’ SHANE – was wäre, wenn der kleine Junge doch mit seinem Idol mitgegangen wäre?

Die Musik steuerte Riz Ortolani bei, der deutschen Westernfreunden vielleicht besonders durch seine schmissige Musik zu OLD SHATTERHAND in Erinnerung geblieben ist. Ortolani, der auch gerne experimentelle Vertonungsansätze wählte (man denke an seine seichte Popmusik zum blutigen CANNIBAL HOLOCAUST), lieferte zu I GIORNI DELL’IRA eine genremäßig untypische, aber fetzige Musik: Die Titelmusik (und ihre Reprisen im Filmverlauf) fegt mit einer ekstatischen Eröffnung des Orchesters – namentlich des Drumsets und Blechs – den Staub aus den Boxen. Auf diesen schrillen fast schon Big-Band-ähnlichen Klang folgt eins der lässigsten Gitarrenriffs der Filmmusikgeschichte, über den sich ein kerniges Hauptthema in einer weiteren E-Gitarre legt. Die Streicher schalten sich mit einem über weite Oktaven gestreckten Glissando ein – fast psychedelisch wirkt die Musik hier in der scheppernden 70er-Jahre-Abmischung. Schließlich erklingt das Gitarrenriffmotiv nun auch im Blech, über das nun die Trompeten – flankiert von der E-Gitarre, das Hauptthema intonieren – es klingt schrill, verrotzt und ungemein cool. Neben der Titelmusik, die auch im Filmverlauf wiederkehrt, entwarf Riz Ortolani noch ein zweites Thema lyrischen Charakters, das ebenso als Mundharmonikasolo oder der Solotrompete melancholisch über sanften Streicherteppichen intoniert wird, oder aber in der an eine Bigband angelehnten Tuttibesetzung fast als Rockballade arrangiert ist. Jenseits dieser zentralen musikalischen Elemente musste Ortolani natürlich auch mehrere Spannungspassagen komponieren. Diese sind leider ähnlich uninspiriert ausgefallen wie bei seinen Kollegen: Eine E-Gitarre intoniert das Hauptthema in gestreckter Form, während einige Zwischenschläge im Schlagzeug oder auf dem Klangkörper einer Akkustikgitarre eingeworfen werden. Es stellt sich hier bald die Frage, ob die Suspensepassagen nicht auch aus finanziellen Gründen so spärlich vertont wurden, um das Geld für die sonst recht große Besetzung zu sparen.

Ohne Frage lieferte Riz Ortolani für I GIORNI DELL’IRA eine absolute Perle der italienischen Westernmusik ab, insbesondere die rotzige Titelmelodie und das lyrische Thema in der poppigen Version wie auch als Mundharmonika- und Trompetensolo gehören zu den absoluten Höhepunkten der Italowesternmusik. Bereits auf dem 22 Minuten langen Original-Album von 1970 wird deutlich, dass diese vier Hauptarrangements neben den immergleich gestalteten Suspense-Passagen den größten Teil der Vertonung ausmachen, denn auf der LP war fast jedes Stück doppelt in kaum unterschiedlichen Arrangements vertreten.

Dies wurde umso deutlicher, als das kleine Label Penta Music 2016 erstmals die vollständige Musik zusammen mit dem Original-Album auf eine CD presste. So schön es auch ist, die vollständige Musik nun in stereo hören zu können, so wenig stellt ein kompletter Hördurchgang derselben zufrieden: Es wird auf Dauer einfach zu eintönig. Die LP-Zusammenstellung vermag jedoch große Freude zu bereiten und ich lege jedem Interessenten an Italowesternmusik dieses herrliche Album ans Herz – allein schon wegen der großartigen Titelmusik!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Da bin ich aber froh, dass du das auch so siehst!  Ich finde den auch richtig klasse, aber ich könnte mir vorstellen, dass er nicht jedermanns Geschmack trifft. Ich hatte mal die alte RCA-CD, und selbst in deren Booklet fanden sich kritische Ammerkungen zum Score. Ortolani wolle um jeden Preis originell sein, oder "...too jazzy to be a believable Western Score" stand da zu lesen. Ich kann es nicht mehr wörtlich zitieren, aber es war schon ungewöhnlich im Booklet selbst solche kritischen Anmerkungen vorzufinden.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gute Werbung sieht jedenfalls anders aus :D, aber wenn man die CD schon gekauft hat und dann erst das Booklet liest, ist's zu spät. Ich finde die CD absolut grandios und möchte sie nicht mehr missen!

vor 19 Stunden schrieb ataraxus:

zum Thema Peplum halte ich den:

Sette a Tebe von Savina  und

Il Gladiatore invincibile von Franci

auch noch für eine Erwähnung wert.

Man findet ja IL GLADIATORE INVINCIBILE und ALL`OMBRA DELLE AQUILE auf youtube. Ersterer schien mir ziemlich krawallig zu sein, ALL`OMBRA DELLE AQUILE macht schon etwas mehr her, aber SETTE A TEBE hat mich wirklich umgehauen von den Hörbeispielen auf SAE. Herrlich furios und mtreißend - ist vorgemerkt!

SETTE GLADIATORI findet sich ja ebenfalls auf youtube. Angus, ich bin wirklich gespannt auf Deine Rückmeldung, denn im Film hört man eigentlich nur dröges Suspensegetrommel mit einigen dissoannten Bläsereinwürfen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Nur dröges Suspensegetrommel... na, da steht mir ja einiges bevor...:rolleyes:

vor 3 Stunden schrieb Mephisto:

Man findet ja IL GLADIATORE INVINCIBILE und ALL`OMBRA DELLE AQUILE auf youtube.

Sind mir beide auch nicht bekannt. Habe den GLADIATORE INVINCIBILE gerade mal angespielt. Es ist natürlich etwas unfair, aufgrund des leiernden Gescheppers, was da bei YT zu hören ist, gleich die ganze Musik beurteilen zu wollen, aber besonders toll kam mir das jetzt auch nicht vor. SETTE A TEBE liebäugel ich schon lange mit, hatte den aber schon wieder ganz vergessen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Es gibt leider keine Hörproben von GLADIATORE INVINCIBILE bei SAE. Zwischen der Titelmusik von ALL`OMBRA DELLE AQUILE auf youtube und der "bereinigten" Hörproben bei SAE liegen ja auch Welten. GLADIATORE hört sich nach viel Täterä und Bummbumm an, aber ohne die mitreißende Kraft oder wirklich ausgefeilte Orchestrierung. Ein bisschen so, als würde man ausschließlich diegetische Märsche von Rozsa hören ohne die fetzigen Schlacht- und Titelmusiken drumherum.

Angus, ich hoffe, dass das, was ich da von 20 Minuten VHS-Mitschnitt gehört habe, nicht repräsentativ für SETTE GLADIATORI ist. Bin daher sehr gespannt auf Deine Rückmeldung.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 17 Stunden schrieb Mephisto:

ALL`OMBRA DELLE AQUILE macht schon etwas mehr her, aber SETTE A TEBE hat mich wirklich umgehauen von den Hörbeispielen auf SAE. Herrlich furios und mtreißend - ist vorgemerkt!

 
SETTE A TEBE ist leider mit rund 60 Minuten viel zu lang geraten. Die erste Viertelstunde der CD ist in der Tat recht kraftvoll und energiegeladen geraten, das ist wirklich vielversprechend und thematisch überzeugend, aber dann im Mittelteil hängt der Score auf einmal völlig durch. Dahinschlierende Streichertapeten, Percussion-Ostinati und grummelige Spannungsmusik lassen die Musik zu einem Großteil stagnieren, man verliert plötzlich das Interesse daran. Ab und an kommt natürlich wieder etwas Bewegung rein, sobald das Hauptthema erscheint, aber das ist dann doch nicht mehr so oft wie zu Beginn vermutet. Und gerade die langen Stücke gegen Ende sind viel zu brüchig, holprig und nicht wirklich kompositorisch überzeugend. Insgesamt bleiben dann am Ende immerhin so rund 30 Minuten übrig, die durchaus hörenswert sind. Das ist so in etwa die Hälfte vom Score.
Bei ALL´OMBRA DELLE AQUILE sieht es ähnlich aus, denn nach gutem Beginn versandet die Musik bald in viel stupidem Gepauke und Getrommel, das auf CD nicht viel hergibt. Sie erholt sich ab und an und es gibt schon immer wieder den ein oder anderen interessanten Track, aber die ganze Stunde ist wirklich des Guten absolut zuviel und ermüdet dann doch zu sehr. Eine Reduzierung auf die besten Tracks mit etwa 20 Minuten hätte dem Score gut getan, denn damit wäre eigentlich alles gesagt. 
Am kompostiorisch gelungensten von den Savina-Peplums, wenn auch klanglich schlechter als SETTE A TEBE und ALL´OMBRA DELLA AQUILE, fand ich dagegen L´IRA DI ACHILLE. Der läßt sich noch eher fast in Gänze anhören und es gibt nicht dieses extreme Auf und Ab wie bei den beiden anderen Musiken auf der Digit-Doppel-CD.
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Klar, man kann sich die Savina-Doppel-CD schon zulegen und es ist sicher kein Fehlkauf. 50 Minuten kann man sich durchaus in etwa rausholen. Eine CD mit beiden Scores zusammen wäre somit eine richtig gute Sache gewesen. So nun muß man sich alles erst selbst wieder herausziehen oder beim Durchhören eben einiges überspringen.

GLADIATORE INVINCIBILE habe ich mir gar nicht erst gekauft. Damals, als die CD erschien, habe ich bei Youtube auch mal länger reingehört in den Film. Die Musik hat mich überhaupt nicht angesprochen. Da fehlen einfach starke Themen und interessante Instrumentierungen, das ist mir zu grobschächtig und aufgedonnert, zu funktional und ohne wirkliches Eigenleben. Musikalisch für mich kein Zugewinn - eben aus der zweiten Garde kommend.

Interessant ist ja, daß Komponist Carlo Franci (Jahrgang 1927) dann ab 1965 mit der Filmmusik aufgehört hat und Operndirigent wurde. Er war dann ab Mitte der 70er Jahre sehr oft Gastdirigent hier in Deutschland an der Oper in Frankfurt:

http://www.publicopera.info/opera200506/werther_ffm_makingof.html

 

 

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

So etwas macht ja manchmal auch Laune, aber ich denke, ich habe "davon" schon genug in meinem Regal, deswegen werde ich mich erstmal mit SETTE A TEBE begnügen. Bitte unbedingt weitere Vorschläge hier reinstellen, falls Dir welche einfallen. Nur so können wir auch über Musik diskutieren :)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

ach, ich wünschte ich könnte mitdiskutieren aber ich hab leider weder das Gehör noch das Hintergrundwissen dazu.

ich empfehle das wirklich nur aufgrund meines eigenen schlichten Hörvergnügens.

von daher mach ich doch gleichmal weiter mit:

Maciste nella miniere... & La rivolta delle Gladiatrici & Il Figlio delle sceicco von De Masi weiter und

Marte dio delle Guerra von Gino Marinuzzi jr.  der ist aber zumindest im ersten drittel auch recht martialisch, für Stefan vermutlich 2. Klasse

und noch ne Frage hab ich, Mephisto, auf die Lavagnino Pompeji Geschichte bist du noch gar nicht recht eingegangen. Hast du den schon?

ist zwar kein Peplum Score aber Falstaff mit ihm finde ich auch super.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Lavagninos POMPEJI war in Stefans Empfehlungsliste (unter Vorbehalt) dabei, deswegen wurde der gleich von mir eingetütet. Diese ganzen CDs sind aber noch nicht bei mir - bis auf BARABBAS, den ich als einzigen von Stefans Empfehlungen noch nicht bestellt habe. Es wird aber noch ein paar Wochen dauern, bis ich dazu komme, sie durchzuhören. Morgen gibt's den letzten Western von mir in dieser "Reihe" und dann habe ich hier noch andere CDs rumstehen, die ebenfalls dringenst gehört werden wollen (Henze-Sinfonien, Paul Graener-Einspielungen bei CPO und weiteres).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich hab gestern mal bisschen zu den Komponisten gegoogelt, einige haben ja ein beachtliches Alter erreicht. Beim betrachten der Porträts hab ich mich schon gefragt was die wohl für Charaktere hatten. Nascimbene sieht z.t. sehr nett aus, Rustichelli streng und verkniffen.

Stefan, gibt's denn da Anekdoten? Cipriani beklagte sich wohl einmal das die Leute der alten Garde wie Lavagnino es nicht für nötig gehalten hätten zu grüssen und Piccioni war wohl offenbar in einen Mord verwickelt welchen seinen Vater die politische Karriere ruiniert hat :dedektiv:

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mit Rustichelli habe ich ja an 2002 ein Interview gemacht, als er schon fast blind war. Es war im Prinzip die letzte Gelegenheit, noch so ein Interview mit ihm zu machen, da er zu dem Zeitpunkt schon 85 war und sein Gedächtnis nicht mehr das beste war. Das mit “streng und verkniffen” stimmt überhaupt nicht, er war ein sehr fröhlicher, äußerst bescheidener und warmherziger Mensch. Für mich war das ein sehr bewegendes Erlebnis. Er hat bei allem, was er einem vorgespielt hat, immer mitgesungen – auch bei den Proben zu seinem Konzert, das es in der Villa Medici gab, hat er immer hinter dem Dirigenten noch mitdirigiert und beim Lied “Sinno me moro” aus UN MALEDETTO IMBROGLIO den ganzen Text mitgesungen. Es war einfach köstlich und unvergeßlich.
Die ganze alte Garde in Italien war eng miteinander befreundet – also Lavagnino, Nascimbene und Rustichelli kannten sich sehr gut und trafen sich auch öfters zum Kartenspielen – auch Morricone war da mit dabei. Es gibt da ein schönes Gruppenfoto, wo sie alle – auch Carlo Savina und Franco Ferrara - auf einem Sofa in Nascimbenes Haus bei dessen Geburtstag Mitte der 80er Jahre zusammensitzen. 
 
Als ich 2003 Piccioni interviewte, hatte ich nebenbei überraschenderweise auch noch die Gelegenheit, Stelvio Cipriani kurz zu treffen – der natürlich zu einer ganz anderen Generation gehört(e) und aus dem Pop-Metier kam -  und habe damals auch ein kleines Interview  mit ihm gemacht. Die Geschichte  mit dem "dead character", auf die Du oben anspielst, ging so:
 
“In unserem Metier ist es sehr schwierig, miteinander befreundet zu sein. Nur ein Beispiel:  Manchmal treffe ich Ennio Morricone oder Armando Trovajoli, da wir zum selben Friseur gehen, und unsere einzige Unterhaltung besteht darin, einander “Hallo” und “Auf Wiedersehen” zu sagen. Ein Dialog findet leider nicht statt, obwohl es mir gefallen würde, mich mit ihnen länger über Musik oder Sport zu unterhalten. Ich glaube einfach, daß ich für sie eben ein “dead character” bin, der es nicht wert ist, daß man mehr als ein paar Worte mit ihm wechselt.”
 
Andererseits hat mir Piccioni, der bei Lavagnino Filmkomposition studiert hatte, diese wunderbare Anekdote erzählt:
 
“Was ich noch vergessen habe zu sagen: Einer der damals besten italienischen Filmkomponisten, nämlich Angelo Francesco Lavagnino, ist mein Kompositionslehrer gewesen. Mein zweiter Lehrer, was Orchesterleitung angeht, war dann Carlo Savina. Lavagnino hat eine hervorragende Musik beispielsweise für Orson Welles’ Falstaff (1966) geschrieben. Er war wirklich ein Engel (“un angelo”) und wir haben ihn immer “Checco” wegen dem “Francesco” genannt. Und meine tropische Musik für Mondo di Notte (Die Welt bei Nacht,1960)  verdankt seinem wundervollen Score zu Continente Perduto (Der verlorene Kontinent,1955) unheimlich viel.
Lange Jahre hindurch hatte ich nichts mehr von Lavagnino gehört, bis er mir eines Tages im Jahr 1979 anrief und zu mir sagte: “Piero, ich war im Kino und habe den Film Cristo si è Fermato a Eboli gesehen. Ich war so bewegt und ergriffen davon - weil ich ja weiß, daß Du damals noch ein Anfänger warst - zu hören, welche Musik Du für diesen Film geschrieben hast. Es ist ein Meisterwerk und die beste Filmmusik, die ich gehört habe!” Das hat mich sehr berührt. Ich habe dann nie wieder von ihm gehört und er ist gestorben. Dies ist sein letzter Telefonanruf gewesen. Natürlich haben mir alle meine Freunde und Kollegen wie Bacalov, Armando oder Ennio damals gesagt, daß ihnen die Musik gefalle und mir gratuliert, aber der einzige Mensch in ganz Italien, der mir extra angerufen hat, um mir zu sagen, wie sehr er von meiner Musik ergriffen sei, war dieser alte Mann!” 
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

ach, schön, genau das meinte ich, danke sehr für die sehr ausführliche Antwort. Hast du den dieses Gruppenfoto?  Und genau diese Geschichte mit Cipriani hab ich gelesen, wurde das mal in einem Filmmusicjournal veröffentlicht?

hast du noch mehr davon auf Lager?

und noch wegen Rustichelli, ich hab wirklich nur gesagt das es so wirkt (das Porträt auf Ritratto di un autore), nicht das es so ist, ist ja auch bei Musik schwer vorstellbar.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das Gruppenfoto war mal auf einer Nascimbene-Seite im Internet zu sehen. Anscheinend existiert die Seite inzwischen wohl nicht mehr. In einem der letzten belgischen Soundtrack-hefte von 2001, als es dort einen Nachruf zu Nascimbene gab, war es auch drin.

Die ganzen Interviews von mir (Rustichelli, Piccioni und Cipriani) sind alle damals natürlich im Film Music Journal veröffentlicht worden.

Aktuell habe ich - weil ich mich damit gerade beschäftige - noch eine kleine Anekdote zum unvollendeten Orson Welles TV-Film THE MERCHANT OF VENICE von 1969 auf Lager. Fur den 30-minütigen Film hat Lavagnino in zwei Tagen einen Score mit einer knappen Viertelstunde geschrieben und hat das gemacht, ohne dafür irgendwelches Geld haben zu wollen.
Das Honorar, das er von Orson Welles bekam, waren von diesem auf der Rücksetie von Havana-Zigarrenschachteln gemalte Shakespeare-Charaktere - insegsamt derer 12. Welles hat diese Zigarren immer geraucht und war ein guter Zeichner. Die hat er dann während der Recording Sessions für Lavagnino gezeichnet. An 2015, als die restaurierte Fassung des Films bei der Biennale in Venedig gezeigt wurde, gab es dort auch eine Ausstellung mit diesen Shakespeare-Zeichnungen, die im Nachlaß der Lavagnino-Familie noch vorhanden sind.

 

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

 Teilen

×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Wir nutzen auf unserer Webseite Cookies, um Ihnen einen optimalen Service zu bieten. Wenn Sie weiter auf unserer Seite surfen, stimmen Sie der Cookie-Verwendung und der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über Formulare zu. Zu unserer Datenschutzerklärung: Datenschutzerklärung