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Soundtrack Board

Italienische Genre-Filmmusik der 50er-70er Jahre


Mephisto
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Empfohlene Beiträge

vor einer Stunde schrieb Mephisto:

Also IL GRANDE SILENZIO und UN BELLISSIMO NOVEMBRE wurden von Beat Records auf einer CD veröffentlicht. Ich fand die Musiken ziemlich unterschiedlich und IL GRANDE SILENZIO hat weniger spröde Streicher, als eine sehr zarte und fast fragile Lyrik, dazu noch eine grandiose "barocke" Passage.

In diesem Zusammenhang empfehle ich Dir auch unbedingt Morricones LA MONACA DI MONZA, der ein Jahr später, also 1969, komponiert wurde, weil es da nämlich ganz ähnliche solche grandiose "barocke" Passagen gibt. Hör Dir nur mal etwa "Falsa tranquillità" aus der Musik an, denn das ist wirklich ganz nah dran an so was wie "Invito all´amore" aus GRANDE SILENZIO. Der Anfang mit dem Klavier ist sogar fast identisch.
Wird Dir garantiert gefallen:

 

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vor 16 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

Dein Freund hat im Film aber wohl sehr genau hingehört. :)
Denn nur in einer einzigen Szene im Mittelteil von UN BELLISSIMO NOVEMBRE erklingt für sicher nicht mal eine Minute aus einem Radio das Hauptthema aus IL GRANDE SILENZIO. Ansonsten besteht allerdings keinerlei Beziehung zwischen den beiden Filmen und Musiken.

Es stimmt also überhaupt nicht, daß etwa große Teile von GRANDE SILENZIO hier gar wiederverwendet worden wären. Das ist schon eine ziemlich verquere Aussage.

Es war gar nicht von "großen" Teilen die Rede, nur von "Teilen". :) Habe gerade auch nochmal nachgefragt: er meinte tatsächlich nur das eine Stück. Danke jedenfalls, dann ist das geklärt. 

vor 16 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

Zwei der etwas spröden, morbiden Tracks ("La zia e la veglia" und "Notte profonda") fehlen auf der CD gegenüber der Intermezzo-LP. 

Ich habe die Beat-CD leider nicht, fehlen diese spröderen Streicherpassagen dort somit gänzlich? Dann müsste ich, wenn ich diese Passagen mal losgelöst vom Film betrachten wollte, ja eher zur LP greifen, oder?

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vor 43 Minuten schrieb Sebastian Schwittay:

Ich habe die Beat-CD leider nicht, fehlen diese spröderen Streicherpassagen dort somit gänzlich? Dann müsste ich, wenn ich diese Passagen mal losgelöst vom Film betrachten wollte, ja eher zur LP greifen, oder?

Die Beat-CD habe ich selbst nicht, ich habe nur die alte Intermezzo-LP und da eigentlich früher viel öfters die A-Seite mit LA MONACA DI MONZA gehört denn UN BELLISSIMO NOVEMBRE.
Allerdings kann ich es vom Tracklisting her schon eindeutig sagen: Mit "Sensi" (2:43 Minuten) und "Buio mattino" (3:05 Minuten) sind noch zwei der avantgardistischer gehaltenen Tracks auf der Beat-CD mit oben. Dagegen fehlen eben merkwürdigerweise "La zia e la veglia" (2:21 Minuten) und "Notte profonda" (1:15 Minuten), die durchaus Deinen Geschmack treffen würden. Diese 3 1/2 Minuten gibts daher bislang nur auf der LP.

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vor 3 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

Allerdings kann ich es vom Tracklisting her schon eindeutig sagen: Mit "Sensi" (2:43 Minuten) und "Buio mattino" (3:05 Minuten) sind noch zwei der avantgardistischer gehaltenen Tracks auf der Beat-CD mit oben. 

Bei "Sensi" hatte es mich schon im Film gewundert, dass Morricone diesen Maultrommel-Sound für dieses Setting gewählt hat. Passt ja nicht so ganz rein, und wäre in einem Italowestern wohl tatsächlich sinniger gewesen.

Das Stück ist es jedenfalls schon mal nicht, was ich oben mit dem "Schnittke-Flair" meinte. Dann bleibt nur noch "Buio Mattino" (ist nur leider nicht auf YouTube)... ich versuche mein Glück mal mit der Beat-CD. 

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vor 26 Minuten schrieb Sebastian Schwittay:

Das Stück ist es jedenfalls schon mal nicht, was ich oben mit dem "Schnittke-Flair" meinte. Dann bleibt nur noch "Buio Mattino" (ist nur leider nicht auf YouTube)... ich versuche mein Glück mal mit der Beat-CD. 

Kleiner Tipp: "Buio mattino" erklingt in der Youtube-Version vom Film ab Minute 29:40. Ist ohne Maultrommel und entspricht wohl schon eher dem, was Du suchst:

 

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Ja, genau das ist es, danke! Erinnert mich irgendwie an den zweiten Satz aus Schnittkes "Konzert zu dritt". Ich mag solche brüchigen Linien von Solo-Bratsche mit weiten Sprüngen ungemein gerne. :) 

Auf den Gedanken, nach dem kompletten Film zu suchen, kam ich leider nicht.^^

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  • 4 Monate später...

ANDREMO IN CITTA  -  Ivan Vandor

Während des zweiten Weltkrieges lebt die jüdischstämmige Lenka (ganz bezaubernd: Geraldine Chaplin) alleine mit ihrem kleinen Bruder in Jugoslawien. Der Faschismus überzieht Europa und Lenka wird zunehmend Ziel antisemitischer Anfeindungen.

Den aus Ungarn stammenden Komponisten Ivan Vandor hatte ich bisher überhaupt nicht auf dem Schirm. Seine Musik zu diesem bewegenden Kriegsdrama habe ich mir jetzt allerdings sofort nach Ansicht des Films bestellt. Sie ist schlicht und einfach großartig. Eine herrliche Musik von großer, melodischer Anmut, die von Tragik und Hoffnung erzählt, durchzogen vom Flair balkanischer und jüdischer Folklore. In der Titelmusik wird das Hauptthema vorgestellt, konzertant von Klavier und Streichern dargeboten. Dieses Thema hatte dann abseits des Films noch ein Eigenleben geführt, und zwar in einer von Iva Zanicchi gesungenen Form. In Deutschland wurde daraus "Weißt du noch?" von Alexandra.

 

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vor 3 Stunden schrieb Angus Gunn:

ANDREMO IN CITTA  -  Ivan Vandor

Den aus Ungarn stammenden Komponisten Ivan Vandor hatte ich bisher überhaupt nicht auf dem Schirm. Seine Musik zu diesem bewegenden Kriegsdrama habe ich mir jetzt allerdings sofort nach Ansicht des Films bestellt. Sie ist schlicht und einfach großartig. Eine herrliche Musik von großer, melodischer Anmut, die von Tragik und Hoffnung erzählt, durchzogen vom Flair balkanischer und jüdischer Folklore.

Diese Musik liegt mir auch sehr am Herzen seit ich sie vor rund 20 Jahren das erste Mal gehört habe.
Das Besondere an am alten Album war, daß es - obwohl ein italienischer Film - davon nur eine japanische LP von ca. 1966 gab, während in Italien selbst im gleichen Jahr einzig und allein eine Cinevox-Single mit den zwei Hauptthemen ("Oltre la Notte"/"Tema d'Amore") erschienen ist. Es handelt sich folglich um eine der ersten japanischen Soundtrack-LPs überhaupt. Und bei den Japanern war es damals anscheinend üblich, daß die Platten nach Ablauf einer bestimmten Zeit - wenn sie also vom Markt genommen wurden - von den Händlern und Labels vernichtet wurden. Selbst wenn es vielleicht eine Auflage von etwa 1000 Exemplaren damals gab, dürften davon heutzutage nicht mehr als an die 100-200 existent sein. Ich habs vor dem Erscheinen der CD an 2011 auch jahrelang versucht, ein LP-Exemplar zu ergattern, aber es ist fast unmöglich gewesen, an eins ranzukommen. Daher mußte ich mich nur mit einem LP-Transfer zufriedengeben, da ich wenigstens einen LP-Top-Sammler kannte, der sie hatte. Auch Claudio Fuiano, der die Saimel-CD produziert  und gemastert hat, kannte die Japan-LP nicht - ich hatte ihm deshalb auch eine Kopie zukommen lassen als er an der Saimel-CD arbeitete.
Vandor war übrigens wie auch Morricone ein Schüler von Goffredo Petrassi gewesen, was man in den leicht dissonant gefärbten Abschnitten der Partitur durchaus ganz gut raushört. ANDREMO IN CITTÀ ist sicherlich der schönste Score , den ich von ihm kenne, er ist tief berührend und ein absoluter Geheimtipp. Von vorn bis hinten großartig komponiert und instrumentiert, wobei sich vor allem zwei herrlich ausdrucksstarke Hauptthemen durchziehen. Auffallend ist natürlich gleich von Beginn an das stark hebräische Kolorit, aber auch ungarisches Flair durchzieht die Musik und ab und an scheint sogar leicht die herbstliche Melancholie von Rózsa´s Spätwerk PROVIDENCE durch. Jedenfalls ein herrlicher Score, den ich absolut nicht in der Sammlung missen möchte.
Leider war die CD für Saimel damals ein totaler kommerzieller Flop und davon dürften wohl  kaum mehr als ein paar Dutzend Exemplare verkauft worden sein. Aber natürlich ist klar, daß weder Komponist noch Musik irgendeinen Bekanntheitsgrad oder gar Kultstatus in der Szene besitzt und somit nicht viel laufen kann.

Im Übrigen ist auch Vandors UNA SPIRALE DI NEBBIA von 1977, der ebenfalls 2011 auf einer Doppel-CD von Digitmovies zusammen mit dem eher schwachen OEDIPUS ORCA von James Dashow erschienen ist, eine recht anspruchsvolle und hörenswerte Musik - allein deshalb lohnt sich eine Anschaffung dieser Doppel-CD. Ich könnte mir vorstellen, Angus, daß das vielleicht auch noch was für Dich wäre.

 

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vor einer Stunde schrieb Stefan Schlegel:

Leider war die CD für Saimel damals ein totaler kommerzieller Flop und davon dürften wohl  kaum mehr als ein paar Dutzend Exemplare verkauft worden sein. Aber natürlich ist klar, daß weder Komponist noch Musik irgendeinen Bekanntheitsgrad oder gar Kultstatus in der Szene besitzt und somit nicht viel laufen kann.

Einleuchtend. Ich habe die damals ja auch übersehen, bzw. nicht beachtet. Reiner Zufall, dass ich jetzt durch den Film darauf aufmerksam geworden bin. Die Infos bezüglich der Veröffentlichungs-Geschichte dieser Musik sind sehr interessant.

vor einer Stunde schrieb Stefan Schlegel:

Im Übrigen ist auch Vandors UNA SPIRALE DI NEBBIA von 1977, der ebenfalls 2011 auf einer Doppel-CD von Digitmovies zusammen mit dem eher schwachen OEDIPUS ORCA von James Dashow erschienen ist, eine recht anspruchsvolle und hörenswerte Musik - allein deshalb lohnt sich eine Anschaffung dieser Doppel-CD. Ich könnte mir vorstellen, Angus, daß das vielleicht auch noch was für Dich wäre.

Die habe ich mir tatsächlich auch schon bestellt!  Bin gespannt.

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UNA SPIRALE DI NEBBIA - Ivan Vandor 

Eine Doppel-CD mit drei Filmen von Eriprando Visconti (Neffe von Luchino), die mir allesamt unbekannt sind.

UNA SPIRALE DI NEBBIA ist ein schöner, sehr melodischer Score. Durchgehend ruhig und elegisch mit gelegentlichen Dissonanzen, die aber keineswegs störend aus dem Rahmen fallen. Exponierteste Instrumente sind die Streicher, die in jedem Track ausgiebig aktiv sind. Die Intonation der Melodielinien geschieht meißt durch die Holzbläser. Weiteres Instrumentarium taucht nur als gelegentliches Beiwerk auf, ein Harfenglissando hier, eine angeschlagene Klaviertaste dort, und das Hauptthema wird behutsam auch mal von der Gitarre übernommen. Von der Stimmung her etwas trübsinniger und vielleicht nicht so eindrucksvoll wie der oben vorgestellte ANDREMO IN CITTA, aber eine empfehlenswerte, angenehm zu hörende halbe Stunde.

OEDIPUS ORCA besteht aus käsig hingewurschtelten Elektroniktracks mit Freejazz-Einschüben vom Saxophon. Zum Teil immerhin recht stimmungsvoll, hauptsächlich aber nervtötend. Von daher hat es mich überrascht zu lesen, dass der Amerikaner Dashow ebenfalls Petrassi-Schüler ist. LA ORCA (Federico Arduini) hat instrumentalen Schlagerkitsch, gespielt von Synthie und Orchester. Nix dolles, und dazu noch von überraschend mäßiger Tonqualität.

 

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Den hatte ich mir auch direkt mitbestellt. FLUCHTPUNKT AKROPOLIS gehört zum Euro-Spy-Genre, und ich habe ihn sogar noch aus früheren 35-mm-Tagen in ganz guter Erinnerung. Ein grimmiger Kriminalreißer mit einer gewissen Härte, eher bodenständig, und ohne die sorglosen Albernheiten wie sie beispielsweise in der Kommissar-X-Reihe vorkamen.

Der Score ist sehr jazzig und die Titelmusik wunderbar reißerisch. Ein weiteres gelungenes Thema ("Gangsters") besitzt einen eher zwilichtigen Charakter. Deneben gibt es viel Gefälliges für Action- und Jukebox-Szenen, Blues, auch ein kurzer Bossa und eine Menge effektiv eingesetztes Bongogetrommel. Ein paar hübsche Sirtaki-Tracks sind dem Ort der Handlung geschuldet und gegen Ende, als man schon gar nicht mehr damit rechnet, kommt auch noch ein feines Liebesthema zu Gehör, das man sich länger gewünscht hätte, und bei dem auch mal die Streicher ganz für sich alleine sind. Zwar gibt es auch hier die für italienische Genrefilme üblichen minutenlangen und eher drögen Suspenseuntermalungen, aber im Großen und Ganzen würde ich BERSAGLIO MOBILE als einen Score bezeichnen der in seinem mit Höhepunkten nicht gerade gesegneten Subgenre zu den überdurchschnittlichen Vertretern zählt. Die Klangqualität ist sehr erfreulich, trotz mono.

Was ich nicht verifizieren konnte ist eine angebliche Beteiligung von Fiorenzo Carpi. In älteren Filmlexika ist Carpi als Komponist genannt, und in der Imdb steht er als "uncredited" vermerkt.

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  • 1 Monat später...

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Ein Synthi-Score aus den 80er Jahren, von Quartet Records gerade wieder zugänglich gemacht. Das Titelthema (Track 6) ist eine offensichtliche, aber sehr coole Variante vom BLADE RUNNER End Title. Reminiszenzen an den Vangelis-Score durchziehen das gesamte Album. Die bluesigen Trompeten- und Saxophon-Soli, z.B. in REDUCI DAL VIETNAM , sind weitere Highlights. Gelegentlich kommt es zu seichtem Synthi-Pop, reinen Klavierthemen, und schrägeren Einschüben mit synthetisch erzeugten Extravaganzen. Im Großen und Ganzen ganz nett, aber zum Patucchi-Fan macht mich das jetzt nicht.
Vielleicht nochmal allgemein zu Patucchi: Ich kenne nicht viel von ihm. Vom Hocker gehauen hat mich davon bisher nichts. SESSO DELLA STREGA ist sehr formelhaft und von geradezu rekordverdächtiger Belanglosigkeit. Der Western-Score BLACK KILLER ist wesentlich gefälliger, aber auf Dauer arg repitiv. SIEGFRIED besitzt ein hübsches, augenzwinkerndes Heldenthema, viel muntere Abwechslung und einige charmante Ideen, wenn auch nicht jeder Track gefällt. LOS AMIGOS ist allerdings ein durchweg reizvolles, unterhaltsames Album mit einem klasse Titelsong. Wenn ich einen Patucchi weiterempfehlen müßte, dann wäre es dieser.

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  • 4 Monate später...

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Carlo Rustichelli - Annibale

HANNIBAL dürfte heute vor allem noch bekannt sein, weil hier erstmals Bud Spencer (Carlo Pedersoli) als auch Terence Hill (Mario Girotti) gemeinsam in einem Film auftraten – wenn auch nicht in einer Szene! Bei dem italienischen Schlachtengemälde mit Victor Mature in der Hauptrolle handelt es sich um einen verhältnismäßig aufwendig inszenierten und ausgestatteten „Sandalenfilm“, der handwerklich solide Abenteuerunterhaltung bietet. Dabei bemühte man sich, die Schauwerte möglichst eindrucksvoll in Szene zu setzen, sodass sich der Marsch über die Alpen im Film fast so lange zieht wie er wahrscheinlich auch in echt gedauert hat.

Für die Musik zeichnet Carlo Rustichelli verantwortlich. Der Komponist befand sich in der glücklichen Lage, dass die zahlreichen Panoramaaufnahmen seiner Musik genügend Raum gaben. Entsprechend der filmmusikalischen Tradition stand dem Komponisten ein voll bestücktes Orchester zu Verfügung, dass teilweise auch um einen Männerchor bereichert wurde. Das Zentrum der Partitur bildet ein aggressives und verbissenes dreitöniges Hannibal-Motiv, das oftmals im Blech über einer gleichförmig stampfenden Begleitung zu einem Marsch ausgebaut wird. In einer treibenden Variante eröffnet der Marsch den Film, begleitet schleppend und ergrimmt den Marsch von Hannibals Heer über die Alpen und blitzt immer wieder in den temporeichen Actionpassagen auf. Das Gegenstück zum Hannbial-Motiv bildet ein sanftes Liebesthema für Hannibal und die Senatorentochter Silvia, mit dem Rustichelli eine sehr schöne und lyrische Melodie gelungen ist. Ein bisschen irritierend wirkt das Triumphthema, das in seinem strahlenden Heroismus ein wenig an die italienische Oper wurzelt und fast schon ins Volksliedhafte umschlägt. Es kann sich daher nicht so ganz in den Rest der Partitur einfügen. Vor allem der Choreinsatz wirkt in diesem Zusammenhang befremdlich, wenn die kräftigen Männerstimmen mit leierndem Vibrato die pathetische Melodie über die triumphale Begleitung des Orchesters vortragen.  Auch exotische Tänze dürfen nicht fehlen, wobei Rustichelli hierfür eine schmissige Variante des Liebesthemas für Saxophon über rhythmische Begleitung arrangiert hat. Damit erhält die Partitur eine weitere Facette, aber ebenso wie das Triumphthema fallen diese Passagen ein bisschen aus dem Gesamteindruck heraus. Insgesamt handelt es sich nämlich um eine klassisch-symphonische Filmpartitur, die sich kompetent an der europäischen Filmmusiktradition und dem „Golden Age“ von Hollywood orientiert.

Darüber hinaus wartet die Musik mit zahlreichen Fanfaren- und Marschpassagen auf, um das militärische Sujet angemessen zu vertonen. Auch in den anonymeren Underscore-Passagen stellt Rustichelli sein handwerkliches Können unter Beweis und arbeitet bevorzugt mit knappen Motiven, die variiert und von rhythmischen Einwürfen flankiert werden. Fanfarenmotive und Holzbläserläufe legen sich über spannungsreiche Streichertremoli, Hornrufe hallen über verhaltene Paukenwirbel und kurze Linien der Holzbläser durchweben die Streicherharmonien. An einigen Stellen schafft der Komponist auch einen „archaischen“ und „altertümlichen“ Eindruck, wenn er ein Oboensolo nur von einer Harfe begleiten lässt oder die Bläser in typischen Quintklängen schichtet. Vor allem zum Ende hin, wenn das ganze (musikalische) Schlachtengetümmel überstanden ist, punktet die Musik noch einmal mit dramatischen und leidenschaftlichen Passagen, als sich für Silvia das Schicksalsblatt wendet. Ein trockener und monotoner Hinrichtungsmarsch bildet ein resignatives Finale, bevor noch einmal die Hannibal-Motivik den Film beschließt.

Die für den europäischen und amerikanischen Markt erstellten Schnittfassungen unterscheiden sich stark im Schnitt und in der Musikbehandlung. So enthält die längere englische Fassung mehr Material, aber weniger Musik, sodass davon auszugehen ist, dass Rustichelli seine Partitur an Hand der italienischen Fassung komponierte. Über die Gesamtlaufzeit von stolzen 72 Minuten stellt sich hin und wieder Leerlauf ein, weil Rustichelli seinen Hannibal-Marsch nicht allzu oft zu variieren vermag und sich die Themen recht häufig wiederholen. Schön gearbeitete pastorale Einwürfe, Fanfaren und Actionmusiken vermögen die Partitur aber immer wieder aufzulockern, sodass die schlechte Klangqualität einen viel größeren Wermutstropfen bildet. Das Orchester klingt so, als wären die Mikrofone in dicke Wolldecken eingewickelt worden. Es natürlich trotzdem sehr löblich, dass Digitmovies die Musik vollständig veröffentlicht und so eine wichtige Lücke im Peplum-Katalog geschlossen hat. Eingefleischte Peplum- und Rustichelli-Fans dürften daher an der Scheibe ihre gehörige Freude haben. Allen anderen würde ich allerdings zur Vorsicht raten, denn auch wenn der Komponist hier eine schmissige Historienfilmmusik geliefert hat, ist sie teilweise doch etwas grobschlächtig geraten und die schlechte Klangqualität kann den Hörgenuss zusätzlich trüben.

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vor 3 Stunden schrieb Mephisto:

Carlo Rustichelli - Annibale

Schön gearbeitete pastorale Einwürfe, Fanfaren und Actionmusiken vermögen die Partitur aber immer wieder aufzulockern, sodass die schlechte Klangqualität einen viel größeren Wermutstropfen bildet. Das Orchester klingt so, als wären die Mikrofone in dicke Wolldecken eingewickelt worden. Es natürlich trotzdem sehr löblich, dass Digitmovies die Musik vollständig veröffentlicht und so eine wichtige Lücke im Peplum-Katalog geschlossen hat.

Ganz vollständig ist der Score auf der Digitmovies-CD nicht, denn um nicht noch eine zweite Scheibe in Angriff nehmen zu müssen, was sich für Digit kaum gelohnt hätte, mußten meiner Erinnerung nach schon so 10-12 Minuten dran glauben, die auf dem Ausgangsmaterial noch zur Verfügung gestanden hätten. Aber alle wesentlichen Tracks sind selbstverständlich auf der CD schon enthalten.
In meiner Rezi der CD von 2009 für die schweizerische Film Music Journal-Seite bin ich auch ein wenig auf die komplizierte Quellensituation eingegangen und werfe das hier unten auch nochmals ein. Leider war die musikalische Sequenz mit der Überquerung der Alpen damals nicht bei der zweiten, klanglich etwas besseren Quelle dabei, was natürlich sehr schade war, da das an sich ein echtes Highlight des Scores darstellt:

"Da ich selbst am Zustandekommen dieser CD nicht ganz unschuldig war, hier noch ein paar Anmerkungen zur Produktion: Leider sind die originalen Musikbänder von Annibale, die sich im Besitz des damaligen Musikverlags Nazionalmusic befanden, schon längst vernichtet. Überlebt hat in Rom einzig und allein eine Kopie der dritten oder gar vierten Generation des ursprünglich wohl etwa 110 Minuten langen Tonbandes mit den kompletten Recording Sessions. Durch einen spanischen Sammler gelangte ich jedoch vor rund zwei Jahren in den Besitz eines CDR-Abzugs der A-Seite dieses Tonbands, d.h. also der ersten Hälfte der Recording Sessions von 1959. Da die Stücke auf dieser Kopie deutlich besser und präsenter klingen als die um Einiges dumpferen und mit leichten Störungen behafteten aus Rom, ist davon auszugehen, dass wir hier um eine oder gar zwei Generationen näher am Original-Mastertape liegen. Durch diese zweite Kopie wurde die jetzige CD-Veröffentlichung auf Digitmovies im Grunde erst möglich.

Leider konnten trotz intensiver Suche quer durch die europäische Sammlerszene die Stücke von der B-Seite des Tonbands und damit die zweite Hälfte der originalen Sessions nicht mehr in derselben Qualität aufgefunden werden, so dass die fehlenden Tracks von der qualitativ schlechteren Rom-Kopie abgenommen werden mußten. Dies erklärt die zum Teil erheblichen klanglichen Schwankungen bei den einzelnen Tracks auf der CD. Man sollte sich aber stets vor Augen halten, dass diese herausragende italienische Golden Age-Musik auf anderem Wege niemals mehr hätte publiziert werden können."

 

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Vielen Dank für die Ergänzung! Tatsächlich ist die Musik im Film zum Teil wieder so auseinandergeschnitten oder in den Hintergrund gemischt, sodass ich kein minutiöses Protokoll erstellt habe. Ich bin natürlich froh über diese Veröffentlichung, aber meine Top-Peplum-Musik wird ANNIBALE wahrscheinlich nicht - mir erscheint die Musik etwas grobschlächtig, aber es kann auch sein, dass einem durch die "archivarische" Klangqualität Details entgehen.

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Wie ist denn Deine Meinung zu Rustichellis I GIGANTI DELLA TESSAGLIA? Hast Du Dir diese CD inzwischen auch zugelegt? Ich persönlich finde diese Musik noch einen Tick stärker, mag aber Geschmackssache sein. Die klanglichen Defizite sind bei der GIGANTI-CD ja auch nicht ganz so ausgeprägt wie bei ANNIBALE.

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ULYSSES.jpg.79db136f66678543bc84fcc3fd1190c2.jpg

Alessandro Cicognini - ULYSSES

DIE ABENTEUER DES ODYSSEUS gehört theoretisch zu den frühen Beiträgen zum Peplum-Genre: in Italien produzierten „Monumentalfilmen“, die in der griechischen oder römischen Antike angesiedelt sind. Allerdings kann ULYSSE, unter anderem wegen der Verpflichtung des Hollywoodstars Kirk Douglas (er sollte einige Jahre später immerhin die Hauptrolle in SPARTACUS spielen) noch als seriöse Angelegenheit betrachtet werden, während viele spätere Peplum-Filme einiges an Trash-Potential vorweisen.

Als Komponist wurde der Italiener Alessandro Cicognini verpflichtet, der zu ULYSSES eine kraftvolle und reichhaltige Orchesterpartitur komponierte. Nicht nur der orchestralen Besetzung wegen, sondern auch bezüglich des Umgangs mit dem musikalischen Material kann diese Musik als „symphonisch“ bezeichnet werden. Cicogninis Partitur ist hörbar in der Symphonik des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts verwurzelt, man könnte sie zum Teil durchaus als „sperrig“ bezeichnen, selbst die wenigen diegetischen Stücke für Palast- und Badehausszenen sind viel raffinierter gestaltet als das übliche „Source“-Geklimper aus derartigen Historienfilmen. Statt glatter filmmusikalischer Klischees und bildunterstützendem Leerlauf präsentiert uns der Komponist eine großartig durchgearbeitete Partitur, mitreißend, stimmungsvoll, und immer in Aktion.

Schon zu Beginn der Ouvertüre ziehen einen die aufbrausenden Streicherläufe und massigen Blechfanfaren in den Bann, bevor Cicognini sein Hauptthema präsentiert. Dieses geht nicht so leicht ins Ohr wie andere, weitaus heroischere Themen, ist aber dafür auch vor zu schnellen Abnutzungserscheinungen gefeit. Als kräftige Hornfanfare wird es bei Odysseus’ Flucht von der Insel des Zyklopen Polyphemus wieder erklingen, um sofort weiter im Orchester verarbeitet zu werden. Polyphemus selbst erhält mit einer hauptsächlich chromatisch absteigenden Linie in den tiefen Blechbläsern ein eigenes Thema, ebenso bekommt Circe eine sich lasziv windende, oft in schwüle Klangwolken aus Streichern und Vibraphon gekleidete Melodie zugeordnet. Cicognini ruht sich niemals auf seinen Einfällen aus, sondern hält sie in ständiger Entwicklung und gewinnt ihnen immer neue Facetten ab, sodass die Musik immer „Musik“ bleibt und keine „Dienerin des Bildes“ wird. Dabei bewegt sich die Orchestrierung auf dem gleichen hohen Niveau wie sein Umgang mit dem thematischen, melodischen und harmonischen Material, vom kräftigsten Orchestertutti bis zum alleinstehenden Holzbläsersolo nutzt er alle Möglichkeiten seines gut bestückten Apparats. Einzig gewöhnungsbedürftig ist der Einsatz einer elektrischen Orgel für das Thema der Circe, das im Vergleich zum akustischen Klangkörper etwas isoliert und weniger schmachtend als kühl wirkt.

Neben den versiert thematisch durchgearbeiteten Abschnitten der Partitur regte der Film Cicognini zu vielen musikalischen Höhepunkten an, allen voran die furiose Sturmsequenz mit ihren sich auftürmenden Blechakkorden und an Regen erinnernden fallenden Streichertremoli. Oder das großartige, fast jazzig anmutende „groovige“ Scherzo für den betrunkenen Polyphemus, das sich zu einem grotesken und rauschhaft-furiosen Orchestertanz steigert. Auch die elektronisch verfremdeten akustischen Klänge und Gesangsstimmen für die Sirenen fangen die Bedrohung durch die schönen Sängerinnen perfekt ein. Ansonsten setzt Cicognini die menschliche Stimme in Form eines gemischten Chors nur noch in „The Hades, Meeting Achilles, Agamemmnon and Ajax“ sowie beim Finale ein.

Die aktuell erhältliche Fassung von ULYSSE enthält gut 66 Minuten Musik in guter Klangqualität. Natürlich weisen die Aufnahmen die typischen Artefakte auf, aber darüber tröstet der Reichtum dieser Musik schnell hinweg. Das Begleitheft enthält einen kurzen Einführungstext sowie zahlreiche Bilder und Plakatmotive. Ich kann diese Musik nur jedem ans Herz legen, der gute, durchkomponierte symphonische Filmmusik zu schätzen weiß. Diese Musik ist aufgrund ihres hohen kompositorischen Anspruchs vielleicht keine leichte Kost, aber sie ermöglicht es einem, auch beim mehrfachen Hören immer wieder neue faszinierende Details zu entdecken.

 

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Danke für die unterhaltsamen Rezensionen, Mephisto. ANNIBALE kenne ich weder als Musik noch als Film. ULYSSES ist natürlich ein Kindheitsklassiker. Ein Rezensent auf der ofdb schreibt folgendes: "Die scheppernde Musik orientiert sich an der damals üblichen scheppernden Musik anderer Historienfilme.":rolleyes:

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Da war mal wieder ein Fachmann am Werk ;) Hier geht's nun weiter mit "scheppernder Musik" zu

 

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Enzo Masetti - DIE UNGLAUBLICHEN ABENTEUER DES HERKULES

Die HERKULES-Filme können als Mutter der Sandalenfilme betrachtet werden. DIE UNGLAUBLICHEN ABENTEUER DES HERKULES machte seinen Hauptdarsteller Steve Reeves zum Star, zog noch eine Fortsetzung nach sich, und trat eine wahre Welle von italienischen Produktionen los, die in der griechischen oder römischen Antike angesiedelt sind oder sich der Mythologie bedienen.

Die Musik zu beiden Herkules-Abenteuern komponierte Enzo Masetti. Seine Partitur zu DIE UNGLAUBLICHEN ABENTEUER DES HERKULES zeichnet sich durch thematischen Reichtum und eine sehr differenzierte Behandlung des Orchesters aus. Auf melodischer Ebene sehr zugänglich, zeichnet sie sich durch einen leichtfüßigen und optimistischen Grundton aus. Mit mehreren vergnügten Passagen für die reisenden Abenteurer, zarten Klängen für ihre Liebschaften oder einem strahlenden Marsch für athletische Kämpfer versprüht die Musik ihren abenteuerlustigen Geist. Doch auch an lebhaften und aktionsreichen Passagen fehlt es dieser Musik nicht. Hier sind besonders die furiose Musik zu Ioles Wagenfahrt zu Beginn des Films oder die von raschen Streicherläufen, schweren Blechmotiven und gewichtigen Chorakkorden geprägte Musik für eine Sturmsequenz. Die kurzen illustrativen Passagen halten sich stets in Grenzen und schaffen hin und wieder eine spritzige Abwechslung zu den größtenteils melodisch komponierten Stücken, die der Komponist mit seinen zahlreichen Themen bestreitet.

Für den Protagonisten komponierte Masetti ein markantes, signalhaftes Motiv, das mit einer Ausnahme (in "Ercole recuperara i suio compagni" erklingt es düster in den tiefen Streichern) häufig von den Hörnern geschmettert wird und sich besonders in Actionpassagen, z. B. beim Kampf gegen Leone und Rabbia, immer wieder aufbäumt. Es tritt aber verhältnismäßig selten in Erscheinung und tritt somit hinter dem schmachtenden Liebesthema für Herkules und Iole zurück. Dieses wird entweder als intimes Holzbläsersolo über zurückgenommener Orchesterbegleitung interpretiert oder in ganzer Pracht von den Violinen vorgetragen und sanft von den Celli umschmeichelt, bevor es in elegante Linien zerfließt und in „IOLE DOPO LA VITTORIA NEL DISCO“ sogar vom Frauenchor gekrönt wird.

Das Liebesthema ist in der ersten Hälfte des Films stets präsent, wird aber bis zum Finale verstummen, sobald Herkules auf der Amazoneninsel strandet. Hier nähert sich Masettis Musik hörbar dem französischen Impressionismus. Ein wunderschönes, ein wenig an Ravel erinnerndes Thema keimt hier parallel zur Liebe zwischen Jason und der Amazonenkönigin auf. Der Komponist stellt hier sein ganzes Können unter Beweis, wenn er die exotische Welt der Amazonen in seinen prächtigen orchestralen Klängen einfängt, die streckenweise von sphärisch anmutenden Frauenstimmen durchzogen werden. Einen besonders gelungenen Einfall bildet außerdem der Einsatz einer singenden Säge für den Gesang der Amazonen.

Neben dem Herkules-Motiv und den beiden Liebesthemen entwarf Masetti noch mehrere weitere melodische Elemente, mit denen er seine Musik abwechslungsreich gestalten konnte. In Verbindung mit Pelias, Ioles Vater, und dem goldenen Vlies steht eine von kurzen Holzbläsereinwürfen flankierte, von Halbtonschritten geprägte Linie der tiefen Streicher. Das wunderschöne melancholische Thema, das bei Cheirons Tod erklingt, gehört zu den Höhepunkten der Partitur, die bei den lebhaften Gesängen der Seemänner sogar ins Opernhafte umschlägt.

Masettis Musik zur Fortsetzung HERKULES UND DIE KÖNIGIN VON LYDIEN steht der Partitur zum ersten Teil handwerklich in Nichts nach. Sie bildet eine willkommene Ergänzung bzw. Erweiterung der Musik zu DIE UNGLAUBLICHEN ABENTEUER DES HERKULES. Masetti greift natürlich auf thematisches Material aus dem ersten Teil zurück, auf die gesamte Laufzeit der Musik bezogen nimmt es allerdings nur einen geringen Stellenwert ein. Das Liebesthema wird bis auf zwei kurze Ausnahmen ausschließlich im Vor- und im Abspann eingesetzt – hier allerdings sehr prominent, indem es sich jeweils prächtig im Orchester mit zusätzlicher Unterstützung des Chors entfaltet. Für die neue Figur der Königin von Lydien und ihr exotisches Reich entwarf der Komponist gleich eine Handvoll musikalischer Elemente. Die Königin selbst wird mit einer leidenschaftlich, halb klagenden, halb attackierenden Fallenden Melodielinie charakterisiert, während Lydien selbst mit einem exotisch anmutenden pentatonischen Thema bedacht wird. Während impressionistischer Klangzauber im ersten Teil die Welt der Amazonen musikalisch einfing, ergänzt Masetti seine Palette nun um diverse Orientalismen.

Insgesamt wirkt die Musik zu HERKULES UND DIE KÖNIGIN VON LYDIEN düsterer und teilweise auch brutaler als die Partitur zum Vorgänger. Insbesondere das Finale des Films gab Masetti die Gelegenheit, einige furiose Actionpassagen zu komponieren. Eine Aufgabe, die der Komponist mit Bravour meisterte. Treibende Streicherläufe, schrille Holzbläser und massige Motive im Blech begleiten das Kampfgetümmel. Auch für diese Passagen entwarf Masetti mehrere motivisch-thematische Elemente, mit denen er seine abwechslungsreich orchestrierten Actionpassagen strukturiert.

Im Vergleich zum ersten Teil ist auch der Anteil an atmosphärischen und illustrierenden Passagen größer, nimmt aber keine störende Überhand. Die Musik zu HERKULES UND DIE KÖNIGIN VON LYDIEN lässt sich ebenso gut anhören wie die zum ersten Teil.

Insgesamt schuf Enzo Masetti also zwei abwechslungsreiche und überaus ansprechende Abenteuerpartituren, die über ihre gesamte Länge zu unterhalten vermögen. 1984 erschien eine auf 1000 Stück limitierte LP mit rund zwei Dritteln der Musik, bevor Digitmovies die vollständigen erhaltenen Aufnahmen zu beiden HERKULES-FILMEN in chronologischer Reihenfolge auf einer Doppel-CD als Auftakt ihrer mittlerweile umfangreichen Peplum-Reihe veröffentlichten. Diese Ausgabe ist somit auch die einzige Veröffentlichung der überaus hörenswerten Musik zum zweiten Teil.

Als Bonus erhält man von einigen Stücken auch eine „ohne-Chor“-Fassung. Das Begleitheft enthält einen knappen Einführungstext und mehrere Fotos.

Leider ist das Album seit einiger Zeit vergriffen. Es wäre absolut wünschenswert, wenn Masettis abenteuerlustigen HERKULES-Musiken auch einer kommenden Generation von Filmmusikfreundinnen und –freunden wieder verfügbar gemacht werden!

 

 

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Tolle Musik. Ich kannte sie vor der CD-Veröffentlichung noch nicht und war damals auch sehr angetan von der Themenvielfalt und dem spürbaren Elan, den Masetti hier beim Schreiben an den Tag gelegt hat. Heute blickt man eher verächtlich auf diese Filme zurück. Damals waren es, für europäische Verhältnisse, vor allem erfolgreiche Fantasy-Abenteuerfilme, die dem italienischen Genrekino den Weg geebnet haben. Leider waren es Masettis letzte Arbeiten, und es scheint sonst ja auch keinerlei Filmmusik von ihm auf Tonträger zu geben. Eine Empfehlung möchte ich für die deutsche DVD von Luigi Zampas "Die freudlose Straße" abgeben. Nicht nur ein großartiger Film, auch eine gute Gelegenheit Masetti als dramatischen Komponisten kennenzulernen.

 

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Vielen Dank für die Empfehlung, ich kenne von Masetti sonst bisher noch gar nichts.

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Angelo Francesco Lavagnino – SAFFO VENERE DI LESBO

SAPPHO, VENUS VON LESBOS ist heute ebenso in Vergessenheit geraten wie viele andere Peplum-Filme. Zu Recht – wenn mich meine Erinnerung an eine viele Jahre zurückliegende Sichtung nicht täuscht, die sich hauptsächlich aus einem Kampf gegen einen Löwen, knapp bekleideten Schönheiten in einem paradiesischen Garten und finales Schlachtengetümmel zusammensetzt.

Einzig Angelo Francesco Lavagninos Musik bereitet auch heute noch – und vor allem losgelöst vom Film – einige Freude. Lavagninos Stärke waren vor allem lyrische und gesangliche Melodienbögen sowie eine filigrane Instrumentierung. Diese seine Trümpfe konnte der Komponist bei der Arbeit an der VENUS VON LESBOS voll ausspielen. Das sich lang ausbreitende Hauptthema gehört zu den schönsten Würfen des Maestros, der seinen Einfall zuerst von einer Oboe vorstellen lässt, bevor die Hörner übernehmen und schließlich die Streicher das Thema zur Blüte bringen. Lavagnino lässt sein Orchester selten im Tutti spielen, sondern schenkt seine Aufmerksamkeit vielen hübschen Details. So veredelt er zum Beispiel die Schellen des Tambourins oft mit einem glitzernden Triangelschlag oder verleiht der Harfe mit den schimmernden Klängen eines Vibraphons mehr Volumen. Harfe und Streicher spielen in dieser Musik die Hauptrolle, wodurch ihre weiche und lyrische Grundstimmung entsteht. Wie so oft verstärkt Lavagnino diesen Eindruck durch den Einsatz eines vokalisierenden Chors, der die Streichermelodien um eine phantastische Aura bereichert.

Neben dem Hauptthema entwarf der Komponist eine signalhafte Floskel, die gleich zu Beginn in den Flöten erklingt, sowie ein schmachtendes Thema, das die Paradiesbewohnerinnen sanft zur Harfen mit leichter Schlagwerkunterstützung durch Tambourin und Triangel säuseln. Gleich mit dem zweiten Stück auf dem Album beschert uns Lavagnino zusätzlich ein pastorales Scherzo, das den Fokus vor allem auf die Holzbläser und (gezupfte) Streicher legt. Auch hier sorgt ein Glockenspiel für eine Extraportion Glanz.

Die Spannungs- und Actionpassagen fallen gegen die sorgefältig gearbeiteten lyrischen Stücke ab und verharren oft in flächigen und unheilsschwangeren Streicherteppichen mit einigen Schlagzeugzutaten. Wenig markante Hronrufe und ein paar Trompetensignale verbreiten das nötige Peplum-Flair, ohne dass diese Motive im Ohr haften blieben. Erst in Sequenza 19 vermag Lavagnino sein Orchester zu einer kraftvollem Schlachtenmusik zu entfesseln, aber diese Passage ist zu kurz, um das Ruder noch herumreißen zu können.

Immerhin ist die Musik mit 32 Minuten genau richtig bemessen, sodass man weder der sphärisch-säuselnden Chrogesänge überdrüssig wird, noch, dass die Spannungsmusiken, derer es ohnehin nicht viele gibt, sich soweit ausbreiten könnten, um zu langweilen. Einige Stücke sind sogar ganz ohne spürbare Veränderung zu hören, vor allem die Sequenzen 1, 11 und 21 oder 4 und 10. Daher gehe ich davon aus, dass alles verfügbare Material auf der CD zu finden ist. Ich wollte mir aber weder die Mühe einer Spektralanalyse machen noch die Musik mit dem Film abgleichen, weshalb ich für diese Vermutung nicht die Hand ins Feuer legen würde.

Insgesamt ist Angelo Francesco Lavagnino hier eine sehr schöne Musik gelungen, die vielleicht etwas Biss und Detail in den wenigen Spannungsmusiken vermissen lässt, deren starke melodischen Passagen in einer filigranen Instrumentierung über diesen Mangel aber jederzeit hinwegzutäuschen vermögen.

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vor 6 Stunden schrieb Mephisto:

Immerhin ist die Musik mit 32 Minuten genau richtig bemessen, sodass man weder der sphärisch-säuselnden Chrogesänge überdrüssig wird, noch, dass die Spannungsmusiken, derer es ohnehin nicht viele gibt, sich soweit ausbreiten könnten, um zu langweilen. Einige Stücke sind sogar ganz ohne spürbare Veränderung zu hören, vor allem die Sequenzen 1, 11 und 21 oder 4 und 10. Daher gehe ich davon aus, dass alles verfügbare Material auf der CD zu finden ist. Ich wollte mir aber weder die Mühe einer Spektralanalyse machen noch die Musik mit dem Film abgleichen, weshalb ich für diese Vermutung nicht die Hand ins Feuer legen würde.

Die CD wurde ja produziert von Roberto Zamori, der erst vor wenigen Wochen im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Er  dürfte eine Kopie von einem Großteil des originalen Bandmaterials gehabt haben, da er in den 60ern mit ganz vielen italienischen Komponisten - unter anderem auch Lavagnino -  befreundet und sehr oft bei den Recording Sessions zugegen war. Zamori hat also das veröffentlicht, was er selbst in Händen hatte, denn der Musikverlag Zafire hat wie so oft keine Originale aus der Zeit mehr. Die komplette Musik dürfte mit Sicherheit schon so um die 50 Minuten herum gehen, da es insgesamt 73 M-Cues gibt, was eigentlich recht viel ist.
Die Original-Partitur - wie auch alle anderen Partituen von Lavagnino  - befindet sich heutzutage in der Biblioteca Luigi Chiarini im Centro Sperimentale in Rom und die Anzahl der M-Cues sowie die Wiederverwendung eines Tracks aus GLI ULTIMI GIORNI DI POMPEI kann man auch direkt Online sehen, wenn man hier auf "Scheda" klickt:
https://bibliochiarini.sebina.it/opac/resource/saffo-venere-di-lesbo/CSC0160835

Die Übernahme aus dem POMPEI-Score erklingt auf der SAFFO-CD in Track 18.  Zwei Tracks hat Zamori in der Tat gedoppelt, um wohl auf mehr als 30 Minuten zu kommen.

Mir persönlich gefällt der SAFFO-Score natürlich auch sehr gut., allein das weit ausholende Hauptthema ist einfach herrlich. Ich bin ohnehin der Meinung, dass Lavagnino um 1960 herum sein melodisches Talent am meisten zur Entfaltung bringen konnte und die Inspiration in der Zeit - und das obwohl so vieles ja nur in wneigen Tagen fertiggestellt werden mußte - kaum nachließ.
Es ist im Nachhinein unglaublich wie viele prachtvolle Themen - und natürlich nicht nur innerhalb des Peplum-Genres -  gerade in dieser Zeit entstanden sind, die dem von SAFFO in keinster Weise nachstehen. Ich nenne mal nur die zu THE SAVAGE INNCOENTS, LA GRANDE OLIMPIADE, L´ASSEDIO DI SIRACUSA, ORAZI E CURIAZI  (DUEL OF THE CHAMPIONS), ESTER E IL RE, CONSPIRACY OF HEARTS, LA SPOSA BELLA, SOLEDAD, I BRIGANTI ITALIANI und noch so einige andere. Die Liste ist lang und er hat zu der Zeit fast wie ein Jungbrunnen ein großartiges Thema nach dem anderen komponiert. Themen, die auch wirklich lange Zeit nachwirken und sich im Gedächtnios einbrennen.

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Absolut! Nochmal vielen Dank für Deine ganzen Hintergrundinformationen. Heute geht's mit einem schwächeren Lavagnino weiter.

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Angelo Francesco Lavagnino – NEL SEGNO DI ROMA/PONTIO PILATO

Als Album Nr. 11 veröffentlichte das italienische Label Digitmovies im Rahmen seiner Peplum-Reihe sämtliche erhaltene Aufnahmen zu drei Genre-Beiträgen von Angelo Francesco Lavagnino.

Den Löwenanteil bildet die vollständige Filmmusik zu IM ZEICHEN ROMS, einer überwiegend soliden und funktionalen Musik. Zwar stand dem Komponisten ein mittelgroß besetztes Orchester zur Verfügung, das er mit einer elektrischen Orgel für sphärisch-wabernde Klänge ergänzte, allerdings setzt er sein Ensemble selten im Tutti in. Auch fehlt es fast durchgehend an prägnanten melodischen Einfällen. Fast scheint es, dass Lavagninos Interesse für diese Arbeit schon mit der Komposition seines lyrischen Liebesthemas aufgebraucht wurde. Dieses keimt zart bei einer ersten Begegnung des Liebespaares zu Beginn auf und wird schließlich in der Halbzeit zur vollen Blüte getrieben. Um diese wunderschönen Passagen gruppiert sich hauptsächlich funktionale Spannungsmusik, die üblichen diegetischen Tanz- und Palastmusiken sowie eine ordentliche Portion schmetternder Blechfanfaren über primitive Paukenrhythmen. Auch das Hauptthema besteht aus einem stereotypischen Bläsersatz über einen archaisch anmutenden Rhythmus der Pauke. Im Vorspann kann Lavagnino immerhin auf einen Chor zurückgreifen, allerdings fehlt es dem ganzen Arrangement an Breite und Wucht. Erst beim chorsymphonischen Finale spürt man, was alles möglich gewesen wäre, hätte der Komponist sein gut besetztes Ensemble angemessen in Anspruch genommen. So bleiben auch die Actionpassagen blass und kraftlos, wenn ein Hornmotiv über tremolierenden Violinen immer wieder von kurzen Blechakkorden flankiert wird, die tiefen Streicher immer wieder halbherzig aufbegehren oder die Flöten ein paar schnelle Läufe einwerfen. Hier fällt die Musik als eine Summe einzelner Gesten auseinander, von denen sie kaum getragen werden kann.  

Als wahrer Höhepunkt des Albums entpuppt sich somit die wundervolle Musik zu PONTIOS PILUTS – DER STATTHALTER DES GRAUENS. Lavagninos teils schwelgerische, teils martialische, mal mächtige, mal intime Musik liefert in knapp 13 Minuten all das nach, was IM ZEICHEN ROMS über 54 Minuten vermissen ließ.

Leider sind nur einige Stücke erhalten geblieben, sodass bereits die stürmisch auftrumpfende Vorspannmusik auf dem Album fehlt – ein echter Jammer. Immerhin kann man sie sich (leider stark verhallt) von der DVD ziehen. Nach einem furiosen Ausbruch des ganzen Orchesters stellt Lavagnino sein erhabenes Thema vor, das den Albumblock in einer chorsymphonischen Variante eröffnet. Klangvoll und harmonisch stark sakral angehaucht, versprüht es eine weihevolle und erhabene Atmosphäre. Der markante, für Pauke, kleine Trommel und Blechbläser gesetzte Marsch der Legionen lässt die gestählten Krieger am geistigen Auge vorbeimarschieren und übertrifft das funktionale Getrommel und Getröte aus IM ZEICHEN ROMS mühelos. Lavagninos Meisterschaft kommt natürlich auch hier besonders in den lyrischen Passagen zu Geltung. Die klaren und kühlen, von einigen Harfenakkorden durchwobenen Streicherlinien in Il Suo Nome E Gesu Di Nazareth“ oder das wundervolle Flötensolo aus „Idillo Pastorale“ bilden wahrscheinlich die schönsten Minuten des ganzen Albums. Hier ist wirklich jedes Stück ein Treffer!

Den Abschluss macht eine vier Minuten lange Suite, die Lavagninos Arbeit zu IL COLOSSO DI ROMA abdecken. Der Film wurde überwiegend mit bereits bestehender Musik aus anderen Peplum-Produktionen vertont. Daher stand dem Komponisten lediglich ein kleines Ensemble aus Pauke, Virbaphon, Becken, Harfe, Klavier, elektrischer Orgel, Solo-Horn und Solo-Violine zur Verfügung. Die Musik geht denn über funktionale Gesten kaum hinaus. Verhaltene Rhythmen der Pauke, kurze Signale des Horns, ein sich gewaltig steigerndes Violinsolo und einige bedrohliche Crescendi vermögen kaum derart zu fesseln, dass man gerne zu diesem Hörerlebnis zurückkehren möchte. Es ist natürlich lobenswert, dass Digitmovies den Platz der CD bestmöglich ausgereizt hat und auch eine völlig obskure Arbeit Lavagninos zu Studienzwecken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

Insgesamt muss jeder selbst entscheiden, ob ihm das Geld für dieses Album die großartigen 13 Minuten aus PONTIO PILATO Wert sind. Sie dürften zum Schönsten gehören, was Lavagnino in seiner langen Schaffenszeit geschrieben hat, und es ist nur zu wünschen, dass irgendwann einmal die vollständigen Aufnahmen auftauchen.

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