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27/52 MARY SHELLEY`S FRANKENSTEIN by Patrick Doyle


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Wenn ich schon mal dabei bin mach ich gleich weiter bei Mr. Patrick Doyle. Der 1994 erschienen Frankenstein stellte nach Henry V, Dead again und Much Ado about Nothing die vierte Zusammenarbeit mit Regisseur und Freund Kenneth Branagh dar. Der Film versucht mit großem Staraufgebot (Robert DeNiro, Kenneth Branagh, John Cleese, Helena Bonham Carter, Tom Hulce, Aidan Quinn, Ian Holm...) und großem finanziellen Aufwand, eine werkgetreue Umsetzung des 1818 erschienen bekannten Romans von Mary Shelley. Das Drehbuch stammte unter anderem auch von Frank Darabont und produziert wurde der Streifen von Francis Ford Coppola. Trotzdem war dem Film weder ein finanzieller noch künstlerischer Erfolg beschert. Over the top, schlechtes Drehbuch, zu egozentrisch lauteten viele Kritiken, und das nicht ganz unberechtigt. Als Branagh Fanboy hab ich mir den Film damals viermal im Kino angesehen und war vollauf begeistert. Heute über zwanzig Jahre später mag ich den Film ob seiner überbordenden Größe und wegen seinem Pathos immer noch, aber wie sage ich es Vorsichtig - es sicher nicht Branaghs bester Film.

Gleich großartig wie damals, finde ich aber heute noch die Musik von Patrick Doyle. Die CD gehört sicher zu den von mir am häufigsten gehörten Soundtracks (neben Papillon, Sneakers und Russia House) und so musste ich die CD auch schon einmal austauschen - ich hatte sie irgendwie zu Tode gehört :) . Ich kann mich auch noch genau erinnern wo ich die CD gekauft habe und das ich dafür extra mit dem Zug eine Stunde in die nächst größere Stadt gefahren bin. Die CD ist dann einen Monat lang in Dauerschleife gelaufen - ich schätze mal das dürften mindestes 50 Hördurchgänge im ersten Monat gewesen sein. Ich kann mich nicht erinnern das ich jemals eine andere CD in so kurzer Zeit so oft angehört habe. Heutzutage wandert Doyle´s Oper ohne Worte natürlich nicht mehr so häufig in meinen Player, aber so einmal alle zwei Monate wenn das Trommelfell mal wieder so richtig durchgeputzt werden muss oder wenn es latente Aggressionen zum Abbauen gilt, greife ich gern zur grünen Scheibe. Da ich auch den Film gefühlte 30 mal gesehen habe, kenne ich auch jeden Musikeinsatz - ich würde Film wie Musik glaube ich nach nur einer oder zwei Sekunden erkennen - insofern habe ich auch zu dieser Musik von Patrick Doyle eine ganz innige Beziehung und ist somit eine der wichtigsten CD´s in meiner Sammlung.

Die Musik entstand auf dem Höhepunkt von Patrick Doyles Schaffenskraft in den 90er Jahren. Bis zu seiner Leukämieerkrankung (1997/1998) war er meiner Meinung nach der beste Filmkomponist der 90er Jahre - eine gewagte These, aber ich bin davon überzeugt. Dead again, Henry V, Viel Lärm um Nichts, Sinn und Sinnlichkeit, Needflu Things, Indochine, Carlito´s Way, A Little Princess oder Hamlet die alle in dieser Periode erschienen sind, zeugen auch objektiv betrachtet von eindrucksvoll großem Talent. 

 

Die Musik zu Mary Shelley´s Frankenstein kommt einer großorchestralen Achterbahnfahrt im Drogenrausch gleich. Die Musik ist für großes Orchester inklusive Orgel komponiert und das Blech kommt in der Musik besonders prominent zum Einsatz. Vom Charakter her ist die Musik düster, Unheil verkündend, kraftvoll, ungemein energiegeladen und vorallem eins - wie sein besessener Hauptcharakter - rastlos. Eine eindrucksvolle akustische Widerspiegelung, des auf der Leinwand zu sehenden. 

Zum einen gibt es hier einen absolut furiosen, frenetisch ausgelassenen Actionmarsch mit Tanzcharakter (würde mich über eine korrekte Bezeichnung dieser Art von Musik sehr freuen - bitte um Hilfe) der (unter anderem) den Schöpfungswahn und die absolute Bessesenheit Frankesteins perfekt darstellt (am besten zu Hören in Elizabeth ab 2´29). Ein Thema wie ein Vorschlaghammer, nicht wirklich subtil - aber hallo es ist Frankenstein, da heißt es klotzen nicht kleckern. Und wie der kleine Schotte klotzt - am eindrucksvollsten vielleicht in der Schöpfungsszene selbst (The Creation). Eine 2 minütige orchestrale tour-de-force die ihresgleichen im Werk von Doyle sucht. Besonders eindrucksvoll in der Szene ist wie Doyle die Soundeffekte quasi rhythmisch in seine Komposition einbaut - hier empfiehlt sich die unbedingt die Sichtung der schweißtreibenden Sequenz.

Das relativ sparsam eingesetzte Haupthema (wenn es denn das Hauptthema ist) ist düster und vor allem eins - Unheil verkündend (To Think of a Story). "Yes I Speak" ist einer der wenigen ruhigen Momente der Musik und zugleich ebenso ein Höhepunkt. Schwere, melodramatische, tragische Musik untermalt das Gespräch zwischen Frankenstein und seiner Schöpfung.

Aber das piece-de-resistance ist das Liebesthema zwischen Frankenstein und Elizabeth.Das Stück wurde bereits vor Drehbeginn geschrieben und sollte auch mit Text (Byron) versehen werden. Leider kam es nicht dazu - trotzdem ist das Thema durch und durch Patrick Doyle - müsste ich ein Musikstück auswählen das die Musik von Doyle am besten widerspiegelt, dann wäre es dieses Liebesthema (am besten in Wedding Night zu hören). Für mich einfach das schönste Liebesthema der Filmmusikgeschichte!

Abgerundet wird das ganze von einem 6 minütigen Grand Finale, das die wichtigsten Ideen nochmals eindrucksvoll zusammenfasst (inklusive Goldenthal feeling 5:02 - dieses zwei ton Motiv hat sich bei mir auf ewig ins Gedächtnis gebrannt) - das große epische Orgelfinale kommt einer Katharsis gleich.

 

Einen Kritikpunkt gibt es aber - leider hat Doyle keinen großen Chor für diese Musik verwendet - das wäre seine gothic opera geworden!

 

Wie fasse ich es am besten zusammen - nichts für Feingeister - ich liebe diese Filmmusik einfach - oder wie ein guter Freund von mir immer sagt "A Wöödscore"

 

Hier kämpft sich Diego Navarro durch Wedding Night und The Creation

 

 

 

 

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Feind würde ich nicht sagen; aber ja, ich finde, das überbordend Dramatische ist nicht Doyles Stärke. Es ist alles eher grobschlächtig und thematisch auch kein großer Wurf. Die Lautstärke und der Mangel an Zwischentönen ist mir damals auf Premiere schon unangenehm aufgefallen, und da war ich weißgott noch verzeihender bei solchen Sachen.

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find den auch eher anstrengend. Viel zu dicke, erst recht auf die Bilder von dem peinlichen Film... gott war der furchtbar.

 

Ein paar gute Tracks natürlich, aber insgesamt ist das einfach nur laut laut laut und viel zu wild und dabei doch sehr grobschlächtig.

 

Da hat Doyle viel Besseres geschrieben.

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Ich habe zu Film und Musik ein sehr enges Verhältnis. Ich erinnere mich noch, wie ich damals aus der Coppola-Dracula-Begeisterung heraus Branaghs Frankenstein entgegengefiebert habe. Die Filmmusik lief schon rauf und runter, bevor dann der Gang ins Kino anstand. Ich war überrascht, wie schlecht der Film allgemein aufgenommen wurde. Ich glaube bis heute, dass Branaghs Frankenstein ein wenig missverstanden wurde bzw. wird. Die überbordende opulente theaterhafte Inszenierung ist genau so gewollt und so arbeitet die Inszenierung mit Überzeichnung, groben Pinselstrichen und einer opernhaft überdimensionierten Filmmusik. Branagh inszeniert Frankenstein als wäre es Shakespeare und in dieser Hinsicht macht auch die überspitzte Schlusswendung Sinn, die es so im Buch nicht gibt. Ich kann verstehen, wenn man diesen Ansatz nicht  mag. Ich hatte allerdings nie ein Problem damit und konnte mich herzhaft darauf einlassen.
 

Ich habe Doyles Vertonung heute noch einmal gehört. Beim besten Willen: Opulent und laut ist sie, aber es gibt auch genügend Zwischentöne. Und vom Wall to Wall-Krach vieler aktueller Produktionen ist das anno 1994 noch weit weit weg. Auch Debneys Cutthroat Island ist deutlich schlichter und grobschlächtiger (mag ich aber auch in Maßen). Thematisch stark finde ich Frankenstein auch. Alleine das Liebesthema oder die Ouvertüre in "To think of a story" - das kann ich auch nach all der Zeit noch summen,

 

Aber wie gesagt: Diese Einschätzung ist sehr subjektiv geprägt und vielleicht auch ein bisschen nostalgisch verklärt. Aber so richtig habe ich die Kritik an Film und Musik ehrlich gesagt trotzdem nie ganz verstanden.

 

Gruß,

Mike

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Auch wenn der Score wirklich an vielen Stellen extra dramatisch und bombastisch ist, mag ich ihn immer noch sehr gerne.

 

Und "The Creation" wird wohl immer einer meiner absoluten Lieblings-Score Tracks sein! ;)

 

Der von Sebastian angesprochene "Needful Things" ist aber um einiges filigraner, subtiler und erfüllender!

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