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34/52 THE GHOST AND MRS. MUIR by Bernard Herrmann


Markus Wippel
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Ich bin bereits bei Nummer 34 angekommen und nach Durchsicht der Liste musste ich erschreckt feststellen, das Bernard Herrmann erst zweimal vertreten ist. An sich bin ich eher der Fan von Herrmanns Thriller bzw. Hitchcock Soundtracks – für seine romantischen Soundtracks konnte ich mich bisher weniger erwärmen. Auf meiner persönlichen Herrmann Bestenliste ist Vertigo meine absolute Nummer eins und auch sonst bevorzuge ich seine kantigen, aggressiven Kompositionen. Einer seiner wenigen leitmotivischen Soundtracks (obwohl die Leitmotive eher eine Stimmung verbreiten) – Herrmann bezeichnete ihn als „my Max Steiner score“ – stellt hier eine Ausnahme dar. Die romantische Geistergeschichte „The Ghost and Mrs. Muir“ war Bernard Herrmanns erst siebente Filmmusik.  Unter den ersten Werken befinden sich filmmusikalische Meisterwerke wie Citizen Kane, The Magnificent Ambersons, Jane Eyre oder Herrmanns Oscarmusik The Devil and Daniel Webster.

Welch brennendes, emotionales Herz in Herrmanns Brust schlug durfte allerorts bekannt sein. Seine Wutausbrüche und Aussagen sind legendär. Genau dieses emotionale Herz prädestiniert Herrmann natürlich für das schreiben romantischer Scores.

 

„Well, I don’t see any use to write a language no one understands. I don’t understand Boulez. Last month, in London, he said, “I will never conduct Tchaikovsky, Strauss, or Puccini.” Who gives a damn? I suppose the crap he’s doing is better. I mean, he’s a talented man, but he doesn’t have any feeling.“

 

The Ghost and Mrs. Muir (1947) entstand in einer turbulenten Zeit für Bernard Herrmann zum einen Versuchte er sich einen Namen als Konzertkomponist und Dirigent zu schaffen und zum Anderen stand seine erste Ehe kurz vor dem Ende. Seine Oper „Wuthering Heights“ entstand 1943 – 1951 und einige Motive der Filmmusik finden sich in der Oper wieder. Beide Werke beschäftigen sich mit dem Tod, spielen im historischen England und haben starke Frauenfiguren als Hauptcharaktere. Die Filmmusik nahm bei Herrmann einen besonderen Stellenwert ein, Interviews zu Folge war es seine persönliche Lieblingsfilmmusik – er bezeichnete ihn als poetisch, romantisch und sehr persönlich. Die sehnsüchtige, lyrische, ungemein romantische und teilweise traumgleiche Musik widerspiegelt romantische Sehnsüchte und die Hoffnung auf spirituelle Transzendenz durch den Tod.

 

“Musically I count myself an individualist. I believe that only music that springs out of genuine human emotion is alive and important. I hate all cults, fads, and circles. I feel that a composer should be true to his own innate instincts and tastes, and develop these to the best of his ability, no matter what the present vogue may be . . . I am not interested in music, or any work of art, that fails to stimulate appreciation for life and, more importantly, pride in life. ”

 

Herrmann orchestrierte die Musik wie üblich selbst für mittelgroßes Orchester mit einer prominenten Holzbläsersektion. In der gegenwärtigen Filmmusik kommt ja kaum noch Holz vor, insofern sei diese Filmmusik allen wärmstens ans Herz gelegt.

Bereits in der Eröffnungsmontage stellt Herrmann seine wichtigsten Motive. Das traumgleiche auf und absteigende Seemotiv oder das wunderschöne lyrische Thema für die Hauptfigur Lucy. Für mich eine der musikalisch gehaltvollsten, schönsten und bezauberndsten Eröffnungssequenzen überhaupt – das alles vor dem Hintergrund einer Englischen Steilküste mit lebhafter Brandung.

 

„The trouble is, good composers, when they do a film, for some reason or other, they’re brainwashed, and they write rubbish. They’re afraid to write. The only one I know who doesn’t is Copland. Korngold also. But generally they say, “This is the Hollywood style, let’s write for it.” Of course that’s all wrong, what they do

 

Herzzerreisend schön ist auch die Musik als Lucy sich in ihren Verehrer (George Sanders) verliebt (Romance/Love/Farewell) – tief empfundene, filigrane, romantische Musik direkt aus dem Herzen Herrmanns – für mich einer seiner schönsten Stücke. Ein echter Tränendrücker!

Die Filmmusik zu "The Ghost and Mrs. Muir" versprüht über die gesamte Länge ein starkes Gefühl der Einsamkeit und, meinem Empfinden nach, Todessehnsucht – Gefühle die Herrmann nicht Fremd waren, wenn man seine Biografie liest.

 

Eine Filmmusik voll von Höhepunkten, die von der ersten bis zur letzten Sekunde emotional fesselt und eine traurig schöne, schauderhafte Geschichte über Einsamkeit und Sehnsucht erzählt. Ein Meisterwerk eines Meisters der Filmmusik!

Zu empfehlen ist sowohl die Varese CD (Originalaufnahme) als auch die Neueinspielung von Elmer Bernstein.

Eine eindrucksvolle Persönlichkeit und ein 100%iger Künstler der keine Kompromisse machte – die Stephen Smith Biografie „A Heart at Fire´s Center“ sei jedem wärmstens ans Herz gelegt.

Zum Schluss darf nochmal Herrmann zu Wort kommen:

„I have the final say, or I don’t do the music. The reason for insisting on this is simply, compared to Orson Welles, a man of great musical culture, most other directors are just babes in the woods. If you were to follow their taste, the music would be awful.

 

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Mal abgesehen davon, daß der Klick auf "Gefällt mir" ca 1 Minute zum Verarbeiten brauchte: Mal wieder ein sehr schöner Text von Dir

Der Score tummelt sich in meinem Archiv 4x (FSM Box 01 / Varese Club Box / Varese CD (1997) / Varese LP (1985))

und wird immer wieder gerne gehört...

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The Ghost and Mrs Muir gehört als Musik zu meinen Alltime-Favorites, von daher freue ich mich auch sehr auf die kommende DVD. Ich hoffe doch, dass die alte TV-Synchro aus dem 70ern (80ern?) enthalten ist. Soweit ich mich erinnere, enthielt diese Fassung auch Herrmanns Score, was ja alles andere als selbstverständlich ist (aber genau festlegen möchte ich mich da jetzt nicht).

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Traumhafter Score, bei dem ich vorzugsweise auf die Einspielung von Bernstein zurückgreife, weil sie klangtechnisch hervorragend ist und die Quintessenz des Scores bietet. Steven Smith Biographie ist in der Tat spannend zu lesen weil sie zeigt, dass Herrmann es sich und seiner Umwelt nie leicht gemacht hat aber gerade in diesem hoch sensiblen und mitunter verletzend cholerischem Charakter das Geheimnis seines überragenden musikalischen Schaffens zu finden ist. Wer ihn mal "live" hörenmöchte sei das Interview "A conversation piece" empfohlen, herausgegeben von der SPFM.

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The Ghost and Mrs Muir gehört als Musik zu meinen Alltime-Favorites, von daher freue ich mich auch sehr auf die kommende DVD. Ich hoffe doch, dass die alte TV-Synchro aus dem 70ern (80ern?) enthalten ist. Soweit ich mich erinnere, enthielt diese Fassung auch Herrmanns Score, was ja alles andere als selbstverständlich ist (aber genau festlegen möchte ich mich da jetzt nicht).

 
Nein, die Herrmann-Musik wurde in der ZDF-Synchronisation von 1989, die mit Sicherheit auch auf der DVD sein wird, zum Großteil durch belanglose Archivmusik ersetzt, weil wohl keine oder nur sehr mangelhafte IT-Bänder aus den USA damals für die Synchronfirma mitgeliefert wurden. Die originale Herrmann-Musik taucht leider nur noch in ein paar wenigen Szenen auf, wo es mal längere Zeit keine Dialoge gibt. Daher mag ich diese deutsche Synchronfassung eigentlich auch gar nicht mehr anschauen, weil die ursprüngliche 40er-Atmosphäre fast völlig weg ist und alles somit viel zu modern klingt.
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Höre auch lieber die Bernstein CD - besserer Hörfluss und längere Tracks und noch bessere Klangqualität [emoji4]

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Höre auch lieber die Bernstein CD - besserer Hörfluss und längere Tracks und noch bessere Klangqualität [emoji4]

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Nein, die Herrmann-Musik wurde in der ZDF-Synchronisation von 1989, die mit Sicherheit auch auf der DVD sein wird, zum Großteil durch belanglose Archivmusik ersetzt, weil wohl keine oder nur sehr mangelhafte IT-Bänder aus den USA damals für die Synchronfirma mitgeliefert wurden. Die originale Herrmann-Musik taucht leider nur noch in ein paar wenigen Szenen auf, wo es mal längere Zeit keine Dialoge gibt.

 

Sicher? Ich meine, da gab es diese Szene mit Tierney und Harrison nachts auf dem Balkon mit dem Meer im Hintergrund, und er erzählt irgendwelche düsteren Geschichten. Lief denn während des Dialogs nicht das "Nocturne"?

Aber ist schon ewig her, und die Erinnerung verzerrt auch vieles, von daher... :rolleyes: 

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Ja, hundertprozentig sicher, denn ich kannte die Musik von der FMC-LP und der Varese-CD ja längst schon an 1989, als ich den Film erstmals in der deutschen Fassung gesehen hatte. Ich habe ihn ein paar Jahre später dann auch nochmals auf Deutsch gesehen, aber danach wirklich nur noch im Original, weil es für mich sonst einfach keinen Sinn mehr gemacht hat.

Wie gesagt: Ein paar Passagen vom musikalischen Original, vielleicht so 10, allerhöchstens 15 Minuten, konnten sie belassen, aber alles Andere ist eben reine Archivmusik. Und dadurch, daß noch ein bißchen vom Original auftaucht, kann man sich natürlich täuschen lassen.

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Seine Wutausbrüche und Aussagen sind legendär. Genau dieses emotionale Herz prädestiniert Herrmann natürlich für das schreiben romantischer Scores.

 

„Well, I don’t see any use to write a language no one understands. I don’t understand Boulez. Last month, in London, he said, “I will never conduct Tchaikovsky, Strauss, or Puccini.” Who gives a damn? I suppose the crap he’s doing is better. I mean, he’s a talented man, but he doesn’t have any feeling.“

 

 

 

 

Der Witz ist ja, dass Boulez zu jener Zeit wohl ähnlich rebellisch unterwegs war, Choleriker war er sowieso. Sein Lehrer Olivier Messiaen nannte ihn mal einen "jungen gehäuteten Löwen". Insofern kann Herrmanns Ausspruch auch ein banaler Schwanzlängenvergleich sein. ^_^

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