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38/52 ANNA AND THE KING by George Fenton


Markus Wippel
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Ein großartiger, ungemein routinierter und versierter Filmkomponist der fast in jedem Forum (so auch diesem) viel zu kurz kommt ist der Engländer George Fenton. Der 66 jährige gebürtige Londoner genoss keine akademische musikalische Ausbildung im klassischen Sinne, trotzdem ist seine Musik von ungemein hoher musikalischer und technischer Qualität. Ich persönlich schätze ihn seine musikalisch Fähigkeiten und seine Kompositionen höher ein als die eines Alan Silvestris oder auch James Newton Howard, aber das ist natürlich nur mein persönlicher Geschmack. Fenton begann als Schauspieler und kam über Theaterkompositionen zur Filmmusik. Den Sprung auf die große Bühne schaffte er mit der Zusammenarbeit mit Richard Attenborough für „Gandhi“ 1983, die ihm auch die erste seiner vier Oscarnominierungen einbrachte. Eine „weltweite“ Berühmtheit erlangte Fenton für seine großartigen Klanggemälde zu den BBC Dokumentationen wie zB „The Blue Planet“, „Planeth Earth“ oder „Frozen Planet“. Mit „The Blue Planet“ tourte er auch weltweit sehr erfolgreich.

Immer wieder arbeitet Fenton mit Regisseuren wie Ken Loach, Nicholas Hytner, Richard Attenborough oder Terry Gilliam zusammen. Warum seine Kompositionen, sich keiner größeren Beliebtheit erfreuen lässt sich meiner Meinung nach nicht wirklich erklären. Er ist ein talentierter Komponist mit einer eigenen Klangsprache der schon die verschiedensten Genres erfolgreich mit toller Musik ausgestattet hat. Seiner Komödienmusik kann ich zugegebener masen eher weniger abgewinnen – ich bin ein Freund seiner großorchestralen romantischen Soundtracks wie Shadowlands, Dangerous Beauty, Ever After, Memphis Belle oder In Love and War.  Ein Insidertip den die wenigsten kennen dürften ist seine großartige Musik zur etwas missglückten Komödie „We´re no Angels“ mit Robert DeNiro und Sean Penn von Neil Jordan. Hier zeigt er wie großartig er auch dunkle, dramatische Actionmusik komponieren kann – eine wirklich eindrucksvolle Komposition die sehr von Bernard Herrmann inspiriert ist, leider ist die CD schwer zu bekommen (limitierte Varese Club CD).

 

Den größten und nachhaltigsten Eindruck hat Fenton jedoch bei mir mit seiner Komposition zu „Anna and the King“ hinterlassen. Fenton hatte in den Jahren davor eben mit Dangerous Beauty und Ever After schon bewiesen das er romantische Dramen eindrucksvoll vertonen kann. Aber sein großorchestraler Score mit ethnischen fernöstlichen Soloinstrumenten stellt für mich den absoluten Höhepunkt in George Fentons Karriere dar. Der sehr altmodische Film routiniert von Andy Tennant inszeniert beschwört die Glanzzeiten des alten Hollywood herauf. Obwohl der Film weder bei den Kritikern noch an der Kinokasse besonders erfolgreich war, glänzt er mit edler Optik und auch guten schauspielerischen Leistungen von Chow-Yun Fat oder Jodie Foster. Der Film schreit geradezu nach einem üppigen, ausladenden, romantischen und farbeprächtigen Soundtrack. Fenton liefert genau das ab und noch einiges mehr – die 90er Jahre gehören sicher zur stärksten Phase von George Fenton.

Besonders interessant und sicher ein Ausnahmefall war auch die Entstehungsgeschichte der Filmmusik. Fenton hatte schon früher mit Andy Tennant zusammengearbeitet (Ever After) und so vertraute er Fenton nahezu blind. Der Regisseur ließ Fenton absoluten Freiraum und wollte nicht einmal die Musik vor der recording session hören.

„ I played him one thing actually, because he happened to come to London and when he came round, he said “You don’t have to play me anything, but if  you want to play me anything, you can.” I said, I’ll play you one thing. It’s the only thing I can play you on the piano…, which is of course the main theme, which is a piano theme. And he really liked it. He went away and that was it so Fenton im Interview

Heutzutage dürfte solch ein Arbeitsverhältnis wohl kaum mehr möglich sein, wo bevor eine Note aufgenommen wird zehn verschieden Produzenten noch ihren unqualifizierten Senf dazugeben müssen.

 

Die Vertonung zu „Anna and the King“ brachte Fenton zwei Golden Globe Nominierungen ein, eine für die Filmmusik und eine für den netten Song „How Can I not love you“. Fenton ging beide Male leer aus und verlor zum einen gegen Ennio Morricone (Legende des Ozeanpianisten) und zum anderen gegen Phil Collins (Tarzan).

Das sechsminütige „Arrival at the Palace“ funktioniert gleichzeitig als großartige Suite der Filmmusik denn die wichtigsten musikalischen Elemente der Musik sind hier eindrucksvoll vereint. Eine im besten Sinne altmodische Musik die auf starken einprägsamen Melodien fußt und dramatisch eindrucksvoll funktioniert. Herausragend schön ist das bittere Liebesthema, bei dem die unerfüllte Liebe und der Verlust mitschwingt, das Fenton für Anna und Mongkut komponiert hat, das besonders strahlend in „Moonlit Beach“ und „Anna Returns“ zu hören ist.

Besonders eindrucksvoll ist auch das orientalische Klangkolorit das vor allem  durch die häufig eingesetzte Erhu und ethnische Percussions und durch die Dulcimer erreicht wird. Vorallem die Actiontracks „The Bridge“, „Rajah Attack“ und „Betrayed“ leben von dem eindrucksvollen Schlagwerk – hier beweist Fenton das er auch probate Actionmusik komponieren kann (siehe auch „We are no Angels“) – ein Metier für das George Fenton ja nicht wirklich bekannt ist.

Ein weiteres mitreisend schönes Thema kreiert Fenton für Tuptim, die Konkubine des Königs – atemberaubend schön, aufwühlend und traurig zugleich. Zu hören ist das Thema in „Tuptim“ und am eindrucksvollsten im alles überstrahlenden Track „The Execution“. Mit Sicherheit das schönste, aufwühlendste und ergreifendste Stück Musik aus der Feder von George Fenton bisher. Von Zeit zu Zeit werde ich immer mal geben (das wird euch wohl ähnlich gehen) für Freunde oder Arbeitskollegen eine „Best of Filmmusik“ CD zusammenzustellen – und „The Execution“ aus Anna and the King ist fast jedes Mal dabei. Auch filmisch gesehen ist die Szene der absolute Höhepunkt im Film.

Klavier, Erhu und dumpfe Perkussions untermalen atemberaubend die Hinrichtung von Tuptim und ihren Gefährten – definitiv ein perfekter Tränendrücker!

 

Weiters komponiert Fenton zwei klangschöne Tänze die auch aus der Feder von Patrick Doyle hätten sein können – ein größeres Kompliment kann ich diesbezüglich nicht abgeben – „Anniversary Polka“ und der zweite Teil „I´m the King, I shall lead“

„I have danced with a King“ stellt dann einen krönenden und atemberaubenden Abschluss einer großartigen, altmodischen, romantischen und klangschönen Filmmusik dar.

 

Sollte George Fenton bei euch bisher keinen Platz im CD Regal gefunden haben, so ist Anna and the King sicher der ideale Startpunkt um das eindrucksvolle Werk dieses unterschätzten Komponisten kennen zu lernen.

Musik wie diese ist genau der Grund dafür warum ich Filmmusik so sehr liebe!

 

 

 

 

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mein persönliches george fenton highlight war und ist "high spirits". toller film, noch tollere musik.

 

... aber (leider) eine äußerst bescheidene Klangqualität auf dem Soundtrack-Album. Klingt wie aus dem Blecheimer gespielt.

 

Btw, toller Beitrag mal wieder, Markus. Dennoch ist und bleibt mein Lieblings-Fenton die Musik zu Disneys "Buffalo Bill's Wild West Show".  :D

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