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Philippe D´Aram - LES DEUX ORPHELINES VAMPIRES


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LES DEUX ORPHELINES VAMPIRES war 1997 Jean Rollins Rückkehr zum Vampirfilm. Louise (Alexandra Pic) und Henriette (Isabelle Teboul) sind zwei blinde, verwaiste Mädchen, die ein Leben im Heim in der Obhut von Nonnen verbringen. Unzertrennlich und stets zu zweit unterwegs, tasten sie sich tagsüber mit Blindenstöcken durch die Straßen. Nachts jedoch erwachen ihre vampirischen Instinkte. Sie sehen ihre Umwelt in blauem Dämmerlicht und gehen gemeinsam in der nächtlichen Stadt auf Beutezug.

Rollins Umgang mit dem Thema entspricht natürlich auch in diesem Film wieder seinen ganz eigenen Regeln. Auch in seinem Spätwerk hat er nichts von seiner poetischen Kraft eingebüßt. Wenn seine Vampirmädchen zu nächtlicher Stunde Unterschlupf zwischen den verwitterten Grabmalen eines Friedhofs finden und rundherum die glatten Hochhausfassaden New Yorks in den Himmel ragen, dann erscheint dieser Friedhof mit einem Mal als ein harmonischer Rückzugsort, eine märchenhafte Twilight-Zone inmitten einer feindlichen, modernen und rationalen Umwelt, in die sie sich aber immer wieder hinauswagen müssen, um sich selber am Leben zu erhalten. Der Vampir, das übernatürliche Geschöpf der Nacht, als fragiles Wesen in einer feindseligen Umwelt. Diese Thematik habe ich selten, wahrscheinlich noch nie, überzeugender gesehen als hier.

Auch sonst ist Rollins Werk vollgestopft mit surrealen Einfällen, die er in der für ihn so typischen Bildsprache umsetzt. Sei es nun der bizarre Gastauftritt von Brigitte Lahaie oder die imposante Fledermaus-Königin - das ist alles ganz wunderbar am Maintream vorbeiinszeniert. Auch ein Güterbahnhof (wiederkehrendes Motiv in seinen Filmen) wird hier zu einer Zwischenwelt, zu einem Ort übernatürlicher Begegnungen. Der Blaufilter, der dabei über den Nachtszenen liegt, gibt dem Geschehen einen noch entrückteren, traumwandlerischen Anstrich und erinnert sicherlich nicht zufällig an die blau eingefärbten Bilder der Stummfilmzeit.

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Eine Soundtrack-CD hat es hierzu auch mal gegeben. 1997 als Beilage zum Bildband "Virgins and Vampires" erschienen. Philippe d´Aram war seinerzeit Rollins Haus- und Hofkomponist und hat für das Vampirmärchen eine passende und stimmungsvolle Musik geschaffen.

Die Titelmusik beginnt mit sphärischen, synthetischen Chorälen und dem charakteristischen Klang der Glasharfe, woraus eine betörende Melodie entsteht, die den Hörer unmittelbar in Rollins eigenwillige Welt hineinzieht. Den knapp 40-minütigen Score dominieren düstere Klangfarben und melancholische Melodien. Da offenbar auf die Szenen komponiert wurde, finden sich mehrere kurze Spannungstracks auf der Scheibe, die für sich genommen nicht allzuviel hergeben. Hervorzuheben ist jedoch das knapp 6-minütige PHANTOMS IN NEW YORK. Der modernen Pop-Musik verpflichtet, aber ruhig dahinfliessend, mit zwilichtiger Synthie-Begleitung, hypnotisch und sehr eingängig. CIRCUS kommt dagegen als bizarrer Walzer mit wuchtigen, akzentuierenden Beckenschlägen daher. Eine Flöte setzt einen trübsinnigen Kontrapunkt zu den eher verspielten Klavierläufen in STATUES OF BLOOD. TOGETHER beginnt mit sanft-optimistischem Klavier um dann mit gramvollen Streicherklängen in eine wunderschöne Elegie überzugehen. Eingebettet zwischen D´Arams Musik findet sich ein mir ansonsten unbekanntes Musikstück namens REIS GLORIOS (im Abspann des Films EX GLORIOUS betitelt), dessen Interpretation einer Musikgruppe namens "Ars Antigua" zugeschrieben wird. Es fügt sich mit sphärischen Klangfarben und ätherischer Gesangsstimme wunderbar ins Gesamtbild ein und verfehlt auch im Film selbst seine Wirkung nicht.

Was viele verschrecken wird, ist der Umstand, dass es sich hier um einen Synthesizer-Score handelt, möglicherweise ergänzt durch das ein oder andere akustische Instrument. Manch eine Streicherpassage klingt in der Tat etwas billig, und man hätte d´Arams doch sehr ansprechender Komposition ein höheres Budget gewünscht. Aber unterm Strich bleibt dies eine sehr feine, stimmungsvolle Musik, komponiert mit französischer Nonchalance und mit Sinn für die morbide Sinnlichkeit der Bilder eines wahren Film-Auteurs.

 

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