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Der amerikanische FILM NOIR von 1941 - 1958


Angus Gunn
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Der Versicherungsagent Walter Neff verfällt der berechnenden Schönheit Phyllis und wird von ihr in ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann verwickelt um eine hohe Versicherungssumme einzustreichen.

DOUBLE INDEMNITY ist einer der stimmigsten Noirs überhaupt und besitzt seinen Klassiker-Status völlig zu Recht. MacMurray und Robinson sind vorteilhaft gegen ihre sonstigen Rollenmuster besetzt, und Barbara Stanwyck ist imposant in der Rolle der Femme Fatale. Imposant ist auch die Musik von Miklos Rozsa. In der Vorspannsequenz sehen wir die Silhouette eines an Krücken gehenden Mannes, der sich langsam auf die Kamera zubewegt. Dazu erklingt eine dramatisch-düstere, auf einer Folge von 4 Tönen aufbauende Titelmusik, die bereits für die kommenden Ereignisse kein gutes Ende in Aussicht stellt. Mit dem gleichförmigen Rhythmus, der das Stück begleitet, bekommt man den Eindruck einer fatalen, unentrinnbaren Abwärtsspirale, die nur im Desaster enden kann. Und so kommt es dann ja auch.

Beim ersten Zusammentreffen von Neff und Phyllis läßt die Inszenierung keinen Zweifel an ihrer intellektuellen und sexuellen Überlegenheit. Sie erscheint, nur mit einem Badetuch bekleidet, oben an der Treppe und blickt während der Konversation auf ihn herab. In dieser Szene bringt Rozsa erstmals das anmutige Liebesthema zu Gehör. Ein mehrfach wiederkehrendes Motiv ist auch eine unruhige Streicherfigur, die im Booklet als Verschwörungsthema bezeichnet wird.

DOUBLE INDEMNITY ist kein Actionfilm, und doch steckt der Score voller dramatischer Spannung, mit der Rozsa die aufgewühlten Emotionen auf akustischer Ebene erfahrbar macht bis eine Solo-Violine Neffs fatales Ende einleitet.

Viele Jahre hat die James-Sedares-CD ihre wertvollen Dienste geleistet. Inzwischen, nach dem Erscheinen der Originalaufnahme, kommt mir die Sedares-Version längst nicht mehr so wertig vor wie dereinst. Zu schwerfällig und zu glatt erscheint mit die Einspielung gegenüber dem dynamischeren, prägnanteren von Irvin Talbot geleiteten Original.

https://www.youtube.com/watch?v=wshGMhd65Nc

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DOUBLE INDEMNITY habe ich erst dieses Jahr zum ersten Mal gesehen - ein wahrhaft fantastischer Film! Ich finde Deine Artikelserie mal wieder sehr inspirierend - auch, was zukünftige Filmsichtungen angeht. REIGN OF TERROR hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm. Der scheint ja auch eher unter der Historienflage zu segeln.

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vor 3 Stunden schrieb Angus Gunn:

DOUBLE INDEMNITY ist kein Actionfilm, und doch steckt der Score voller dramatischer Spannung, mit der Rozsa die aufgewühlten Emotionen auf akustischer Ebene erfahrbar macht bis eine Solo-Violine Neffs fatales Ende einleitet.

Viele Jahre hat die James-Sedares-CD ihre wertvollen Dienste geleistet. Inzwischen, nach dem Erscheinen der Originalaufnahme, kommt mir die Sedares-Version längst nicht mehr so wertig vor wie dereinst. Zu schwerfällig und zu glatt erscheint mit die Einspielung gegenüber dem dynamischeren, prägnanteren von Irvin Talbot geleiteten Original.

https://www.youtube.com/watch?v=wshGMhd65Nc

 
Ein bißchen schade ist es natürlich schon, daß an die drei Minuten aus mit der wichtigsten Sequenz von DOUBLE INDEMNITY - nämlich der berühmten Mordszene -, wo sich Rózsa's Musik intensiv steigert, für die Intrada-CD-Fassung der Schere geopfert wurde. Ist nicht mal als Bonus Track dabei - wenn man bedenkt, was sonst nicht alles für Nichtigkeiten etwa bei expandierten Goldsmith-Titeln in der Regel noch hinzugefügt werden.
Der Music & Effects-Track hier beinhaltet dagegen die komplette Sequenz:

https://www.youtube.com/watch?v=uhzbFpKFGWc

Der harte Schnitt ist bei Track 10 auf CD 1 bei Minute 2:33 schon gut zu hören, wenn man da mal darauf achtet. Die ganzen eigentlich darauf folgenden drei Minuten hat man für die CD einfach geschnitten und nur die letzten 30 Sekunden ganz am Ende (die scheinen als reiner Music Track wieder vorgelegen zu haben) dafür an der Stelle rein editiert. Der Grund ist wirklich nur der gewesen, daß beim M &E-Track während diesen drei Minuten eben ein paar zuschlagende Autotüren und dann Zuggeräusche im Hintergrund zu hören sind. Ich persönlich wäre da lang nicht so empfindlich gewesen und mich hätte so was auf CD nun nicht besonders gestört - zumal die Originalmusik ja sowieso nicht anders mehr zu retten ist.
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Immerhin können wir davon ausgehen, dass auch diese Passage jetzt gut gemastert vorliegt und es vielleicht noch auf ein anderes Album schafft. Bei FSM sind dann ja auch plötzlich Stücke aus bereits veröffentlichten Titeln auf einem völlig anderem Album erschienen, weil da noch Platz war.

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vor 13 Stunden schrieb Mephisto:

Immerhin können wir davon ausgehen, dass auch diese Passage jetzt gut gemastert vorliegt und es vielleicht noch auf ein anderes Album schafft. Bei FSM sind dann ja auch plötzlich Stücke aus bereits veröffentlichten Titeln auf einem völlig anderem Album erschienen, weil da noch Platz war.

Die Zeiten von FSM sind doch längst vorbei. Auf welches Album soll denn das noch kommen, wenn es jetzt nicht gemacht wurde? Das Kapitel Rozsa-Paramount ist ohnehin abgeschlosen für Intrada. Da braucht man sich nun wirklich keinen Illlusionen irgendeiner Art hingeben. Das ist gelaufen und das wird nirgends mehr draufgepackt in Zukunft. Forget it, denn das Fan-Gekreische um jeden einzelnen Track wie etwa bei Goldsmith gibts hier ja eh nicht.

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FAUSTRECHT DER GROßSTADT (Musik:  Cyril J. Mockridge)

Der hitzköpfige Detective Dixon (Andrews) kommt wegen seiner rabiaten Methoden regelmäßig mit seinen Vorgesetzten in Konflikt. Eine Tages tötet Dixon unbeabsichtigt bei einer Ermittlung den kleinkriminellen Ken Paine, der aufgrund einer Kriegverletzung bereits angeschlagen war. Als Dixon später den Auftrag erhält, nach Paines Mörder zu fahnden, versucht er den Verdacht auf den Gangsterboß Scalise und dessen Handlanger zu lenken, die zu dem Milieu gehören, in dem auch Paine zu verkehren pflegte. Die Sache spitzt sich zu als ein unschuldiger Taxifahrer unter dringenden Mordverdacht gerät und Dixon sich in dessen Tochter (Gene Tierney) verliebt.

WHERE THE SIDEWALK ENDS beginnt mit dem Blick auf den Bordstein, auf den die Credtis mit weißer Farbe geschrieben sind. Die Kamera schwenkt weiter zur Kante und bis zu einem Rinnsteingitter hinter dem das Regenwasser in der Kanalisation verschwindet. Premingers Film ist einer der packendsten Noirs, die mir bekannt sind. Er bezieht seine immense Spannung aus der heiklen Situation des Protagonisten, in einem Mordfall zu ermitteln, bei dem er selber der Täter ist, Indizien aufzugreifen, aber ohne sich selbst vor seinen eigenen Kollegen in Verdacht zu bringen. Spätestens mit dem Auftauchen von Tierney und ihrem Vater wird klar, dass sich die Schlinge um ihn immer weiter zusammenzieht, denn bald findet sich kein moralisch tolerierbarer Mittelweg mehr.

Cyril Mockridge bedient sich in seiner Musik dem "Street Scene"-Thema von Alfred Newman, das zu der Zeit in mehreren Fox-Produktionen zu hören war, und nutzt es als Leitmotiv. Zunächst gepfiffen, dann melodramatisch von Orchester aufgegriffen, taucht es, oft kaum erkennbar angedeutet, in fast jedem Track auf und gibt der Geschichte eine melancholische aber zeitweise auch raue, unbehagliche Note. In der deutschen Fassung ist Mockridges Score löblicherweise dringeblieben, wo immer es möglich war. Gerade in einer der Schlüsselszenen, als Dixon den Kleinganoven niederschlägt und dann realisiert, dass dieser sich nicht mehr rührt, leistet Mockridges dramatischer Score (in beiden Fassungen) wertvolle Arbeit, indem er uns erzählt, was sich in diesem Moment hinter dem stoischen Gesichtsausdruck Dixons abspielt ("Dixon Stiffens" & "Dixon Starts to Walk") Bei einer weiteren Schlüsselszene mußte die Originalmusik aber ersetzt werden:  Die intensive Dialogszene zwischen Tierney und Andrews, bei der er ihr verspricht, dass ihrem Vater nichts geschehen werde, und damit für sich selbst schon eine Entscheidung getroffen hat, wurde in der Synchronistion durch eine zwar ähnliche, aber nur bedingt adäquate Musik ausgetauscht. Denn auch hier spielt Mockridge wieder mit dem Newman-Thema auf eindringe Weise (Auf der CD ist es der Track "Your Dad Never Killed Him"). Dem geübten Ohr wird der Stilbruch aber vermutlich auffallen.

Ein Spitzenfilm, und ein unbedingtes Muß für Freunde der Gattung. Auch die deutsche Fassung würde ich, trotz kleiner Kritikpunkte, als gelungen einstufen.

 

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THE SCARLET HOUR  (Leith Stevens)

Diesen Score aus dem "Paramount"-Set von Intrada möchte ich noch herausgreifen, da er mich sehr positiv überrascht hat. Der Film ist mir unbekannt, und laut "Film-Noir.de" eine Ultra-Rarität, die zumindest in unseren Breiten seit der Kinoauswertung von der Bildfläche verschwunden ist. Zumindest bis Anfang dieses Jahres eine von der "Film Noir Foundation" gehobene Kopie auf einem amerikanischen Filmfestival gezeigt wurde.

Im Lexikon des Internationalen Films steht kurz und knapp folgendes zu lesen: "Psychologischer Kolportagekrimi, Schauplatz Los Angeles. Eine frustrierte Ehefrau stiftet ihren Liebhaber zu einem Diebstahl an, in dessen Verlauf der Ehemann versehentlich getötet wird."

Die Filmmusik von Leith Stevens macht Gebrauch von der Melodie des Livingston/Evens-Songs NEVER LET ME GO, der im Film wohl eine Rolle spielt, und arbeitet diesen bereits in der Titelmusik ein. Dieses PRELUDE ist, mit wuchtigen Orchesterschlägen beginnend, eine der packensten Kompositionen, die ich je in einem Kriminalfilm gehört habe. Voller schroffer Suspense baut es sich zu melodramatischer, sinfonischer Größe auf um dann in düsterer Streichermotivik zu enden. Großartig. Der Score bietet dann noch weitere, gekonnt ausgearbeitete Action- und Spannungstracks, die sich mit diegetischen Jazzstücken abwechseln, bevor es dann mit BREAKUP / CLOSE WATCH auf einen weiteren Höhepunkt zusteuert. Bin sehr angetan und hoffe, dass sich bald die Möglichkeit gibt, sich diesen Film einmal anzusehen.

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Wer erinnert sich noch an diese feine CD-Edition von "Cloud Nine Records", die sich dem Schaffen des oft übersehenen Roy Webb widmete? Wahrscheinlich kaum einer. Dabei ist ihr Inhalt auch und gerade für diesen Faden von Belang, finden sich doch Auszüge aus gleich mehreren "Noir"-Scores der 40er Jahre auf dieser Scheibe, die auch eines der wunderbaren, bebilderten Booklets enthält, für die dieses Label seinerzeit geschätzt wurde.

In OUT OF THE PAST (Goldenes Gift, 1947) betreibt Jeff (Robert Mitchum) im ländlichen Kalifornien eine Tankstelle und wird dort von seiner Vergangenheit als Privatdetektiv eingeholt. Der skrupellose Gangsterboss Sterling (Kirk Douglas) hat noch eine Rechnung zu begleichen, und auch die undurchsichtige Kathie (Jane Greer) verfolgt ihre eigenen Pläne. Diesem Film eilt der Ruf eines echten Klassikers voraus, und was ich hier in zwei Sätzen grob umrissen habe ist in Wirklichkeit ein überaus engmaschig verwobenes Netz aus Intrigen, Verrat und Rache, das ein größeres Maß an Aufmerksamkeit einfordert, will man den Faden nicht verlieren.

Trotz Tourneurs eleganter, stilsicherer Inszenierung kann man an den vorhandenen Schwächen nicht gänzlich vorbeisehen. So wird die Geschichte zum Teil unnötig umständlich erzählt, was auch daran liegen mag, dass man einfach des Guten zuviel hineingestopft hat, und dass auch nicht jede Wendung wirklich nachvollziehbar ist. Das hält den Zuschauer trotz des fulminant aufspielenden Darstellerensembles auf Distanz. Sehenswert ist der Film aber dennoch allemal.

Die Filmmusik ist mit der Overture als Track 1 auf der CD vertreten. Webbs Komposition ist elegant und frönt einer ausladenden Romantik. Als Einleitung für ein Kriminaldrama für meinen Geschmack etwas zu seicht. Eine anmutige Musik, die eher nach gefühlsduseligem Melodram klingt (was der Film bis zu einem gewissen Grad allerdings auch ist), und ruhig etwas kantiger hätte sein dürfen.

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Die folgenen drei Filme haben allesamt keine deutsche Übersetzung erfahren und sind mir bisher unbekannt.

Sehr wirkungsvoll, und wohl auch das intesivste Stück des Albums, ist der MAIN TITLE zum Susan-Hayward-Film THEY WON´T BELIEVE ME. Ein packendes, in dramatisch-düsteren Klängen gehaltenes Thema, das auf die kommenden, tragischen Ereignisse einstimmt.

THE LOCKET ist ein "Noir"-Drama mit komplexer Rückblendenstruktur, Larraine Day als Femme Fatale und einem der trostlosesten Enden im Kino der 40er Jahre. Die charmante, 10-minütige Suite macht über lange Zeit den Eindruck dem Score einer romantischen Komödie zu lauschen. Mal schwelgerisch, mal beschwingt, läßt er erst in den letzten zwei Minuten auf sinistre Vorgänge schließen.

In CORNERED rächt sich ein französisch-kanadischer Pilot nach Kriegsende an den Leuten, die für den Tod seiner Frau verantwortlich sind. Die 4 Minuten dieser Suite sind von grimmiger Art, rauer als alle anderen Webb-Kompositionen, die auf diesem Album sonst zu hören sind.

Es lohnt sich, nach der CD Ausschau zu halten, hat sie doch eine Menge Raritäten zu bieten. Neben den genannten, finden sich noch längere Auszüge aus CURSE OF THE CAT PEOPLE und Hitchcocks NOTORIOUS (beides keine wirklichen Noirs aus meiner Sicht), sowie SINBAD THE SAILOR und einiges mehr.

 

 

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An das Album muss ich schon die ganze Zeit denken, seit dieser Thread eröffnet wurde. Neben Out of the Past ist Webbs vielleicht bester Noir Score die herrliche Musik für den exzellenten Streifen Spiral Staircase. Davon scheint es keine Aufnahmen mehr zu geben. Morgan/Stromberg haben den leider auch nicht für ihr Webb Album auf Marco Polo ausgewählt. 

 

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DAS ist eins der wenigen Stromberg-Alben, die mir noch fehlen. Muss ich unbedingt nachholen. Den Artikel habe ich zugegebenermaßen übersprungen, weil ich den Film erst vor Kurzem auf Blu-Ray bekommen und ihn noch nicht gesehen habe

Vielleicht für diesen Thread auch interessant: Vor kurzer Zeit erschien "Musik im klassischen Film Noir" von Janina Müller bei Königshausen & Neumann. Das Buch enthält zahlreiche Notenbeispielen von den originalen Dirigierpartituren, Particellen und Skizzen.

https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/janina-mueller-musik-im-klassischen-film-noir/hnum/8714379

 

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Am 7.7.2019 um 21:10 schrieb Sebastian Schwittay:

Mich wundert ja eh, wie weit der Stilbegriff oft gefasst wird. In unserem Filmkollektiv-Programm in Frankfurt zum Thema "Pionierinnen des Film Noir" habe ich letztens zum ersten Mal Ida Lupinos THE HITCH-HIKER gesehen, der ja als erster US-Noir gilt, der von einer Frau inszeniert wurde. Dabei weist der Film über einen Anhalter, der zwei Männer als Geisel nimmt und mit ihnen durch Mexiko fährt, nur sehr wenige der typischen Stil- und Inszenierungsmerkmale auf: keine verhängnisvolle Frauenfigur/femme fatale, keine urbane Szenerie, keine Rückblenden, kein Voice Over... höchstens eben die expressiv-verschattete S/W-Fotografie, was aber als alleiniges Merkmal für die Zuordnung nicht ausreicht, wie ich finde. 

HITCH-HIKER habe ich noch nicht gesehen. Auf der Seite "der-film-noir.de" entdecke ich auch viele Filme, die meiner Einschätzung nach dort nichts verloren haben. Und umgekehrt fehlen welche, die dort unbedingt hineingehört hätten. Außerdem pflegt man dort eine generelle Abneigung gegen Synchronfassungen. Davon abgesehen aber eine liebevoll zusammengestellte, empfehlenswerte Seite zum Stöbern und informieren. Nur die Musik findet dort halt kaum Erwähnung. Aber dafür gibt es ja jetzt diesen Faden hier.:)

Unabhängig von seiner Einordnung, ist HITCH HIKER denn sehenswert?

Am 30.7.2019 um 14:40 schrieb Trekfan:

An das Album muss ich schon die ganze Zeit denken, seit dieser Thread eröffnet wurde.

Schön, dass die alte Cloud-Nine-CD nicht vergessen ist. Ich hatte damals schon den Eindruck, dass sie bei Filmmusik-Fans wenig Interesse auf sich gezogen hat. Man braucht natürlich eine gewisse Toleranz gegenüber dem historischen Mono-Klang von Acetat-Überspielungen.

Das Buch ist wohl mehr was für professionelle Musiker, aber ich finde es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet der Musik zum klassischen Noir ganze Bücher gewidmet sind. Ein lohnendes Betätigungsfeld offenbar.

 

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ON DANGEROUS GROUND  -  BERNARD HERRMANN

Mit zunehmender Verbitterung führt Jim Wilson seinen Job als Ordnungshüter in der Großstadt aus. Als ihn seine unberechenbaren Gewaltausbrüche mal wieder in Konflikt mit seinen Kollegen bringen, versetzt ihn sein Chef in die Provinz, wo er in einem Mordfall an einer jungen Frau ermitteln soll. Dabei stößt er auf die blinde Mary, deren geistig behindeter Bruder der Täter zu sein scheint.

Wilson (Robert Ryan) ist der prototypische Hardboiled-Detective. Er ist alleinstehend, zynisch, desillosioniert ("Cops have no friends, noboby likes a cop. On either side of the law, nobody." - "Is that what you want? People who like you? Than you´re in the wrong business.")  Selten sahen die Gassen und Hinterhöfe der namenlosen Stadt so abweisend aus wie hier. Die Vorgänge in der ersten halben Stunde laufen ins Leere, dienen nur dazu, den Wilson-Charakter zu porträtieren. Als musikalische Entsprechung hätte man Wilson nun eine melancholische, gebrochene Melodie beiseite stellen können, aber Herrmann beschreitet einen anderen Weg. Mit seinem schroffen, äußerst aggressiven PRELUDE konzentriert er sich auf Wilsons gefährliche Unberechenbarkeit, auf dessen aufgestauten Hass und zeichnet die Stadt (die wir in der Vorspannsequenz aus subjektiver Sicht durch die Windschutzscheibe sehen) gleichzeitig als menschenfeindlichen Moloch voller Unmoral und Gewalt. Erst später, bei der Begegnung mit einem kleinen Jungen, der auf der Straße spielt, bekommt Wilson ein traurig-resigniertes, jazzig angehauchtes NOCTURNE mit auf den Weg.

Der Tonfall ändert sich mit dem Zusammentreffen mit Mary (Ida Lupino). Hier setzt die Handlung erneut an. Der Täter steht schnell fest, und es geht auch nur vordergründig um die Jagd nach einem Mörder. Wilson entwickelt Zuneigung zu der ebenfalls allein lebenden Mary, was von Herrmann mit einem anrührenden Streicherthema (Virginia Majewskis Solo-Violine ist sogar im Vorspann genannt) begleitet wird. In den beiden Jagdsequenzen HUNT SCHERZO und der durch die Gerhardt-Enspielung legendären DEATH HUNT, kehren die aggressiven Strukturen der Titelmusik wieder zurück, und es ist in der Tat atemberaubend, was Herrmann hier an Wildheit und Dramatik auffährt.

ON DANGEROUS GROUND ist auch als Film sehenswert. Das meiste ist erkennbar nicht im Studio gedreht, gelegentlich werden für die Zeit ungewöhnliche Handkamera-Szenen (z.B. im Wageninnern durch die Scheiben nach draußen gefilmt) eingesetzt. Ein nicht unerheblicher Schwachpunkt ist allerdings das versöhnliche und aufgesetzt wirkende Happy-End, das durch RKO-Chef Hughes aufgezwungen wurde, und leider ein nachwirkendes Kloß-im-Hals-Ende vermasselt. Der Film existiert nur in Originalfassung. Meine italienische DVD ist in Ordbnung, wirkt aber etwas ausgebleicht und kontrastarm. Inzwischen ist auch eine BD im Umlauf.

Die Musik ist unverzichtbar, und eine meiner drei Herrmann-Lieblings-Scores. Die Azetat-Laufgeräusche, die die Aufnahmen auf der großartigen FSM-CD zum Teil begleiten, werden aber leider viele abschrecken.

 

 

 

 

 

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ENTSCHEIDUNG IN DER SIERRA (Adolph Deutsch)

Der Film beginnt mit der Panoramaaufnahme eines Bergmassivs über das zur ebenso aufwühlenden wie wuchtigen Titelmusik die Vorspanncredits laufen. Dann wechselt die Szenerie in die Stadt. Der Ganove Roy Earle (Bogart) wird aus dem Gefängnis entlassen. Seine Freilassung verdankt er der Intervention des einflußreichen Gangsterbosses Big Mac, der ihn und seine Erfahrung für einen geplanten Raubüberfall benötigt. In einer Hütte im Gebirge trifft sich Earle zur Planung mit drei angeheuerten Mitstreitern. Einer davon hat seine Freundin Marie (Lupino) dabei, die sich in Earle verliebt, was zu weiteren Konflikten führt.

Der Score ist klassisch-sinfonisch gearbeitet, beschreibt schroff und würdevoll die Gebirgsszenerie und schlägt häufig auch stille, differenzierte Töne für die zwischenmenschlichen Spannungen an. In der deutschen Fassung wurde die Musik fast zur Gänze ersetzt. Allerdings hat man sich hier sehr bemüht, angemessene, der Stimmung der Originalmusik entsprechende Stücke zu verwenden, was im Großen und Ganzen auch akzeptabel gelungen ist, aber hier und da auch weniger zu überzeugen vermag.

Zwei Negativ-Beispiele möchte ich herausgreifen:
Zum einen der Dialog zwischen Bogart und Lupino am Küchentisch, den Deutsch mit einem empfindsamen und etwas resignativ klingenden Stück begleitet, das exakt zum Zwigespräch zweier angeschlagener Charaktere paßt. In der deutschen Fassung hat man eher den Eindruck dem Finale eines romantischen Liebesfilms zu lauschen, was der Szene einen Teil ihrer Wirkung nimmt.
Ähnlich verhält es sich gegen Ende. Earle flüchtet einen Steilhang hinauf. Von unten wird er von Polizisten mehrmals zur Aufgabe aufgefordert, über ihm nimmt ihn ein Scharfschütze ins Visir. Dieses Finale erzielt mit der hitzigen, dramatischen Musik von Deutsch (zu hören als APPREHENDED auf der CD) eine wesentlich stärkere Wirkung, als es die Archivmusik der Synchronfassung vermag.

Ein sehenswerter Klassiker mit einer großen Filmmusik ("filled with memorable melodies and strong themes, it is certainly Deutsch´s most "Steinerish" music on this album"), von der das rührige Morgan/Stromberg-Team eine 13-Minuten-Suite destilliert hat, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

 

 

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RÄCHER DER UNTERWELT / DIE KILLER (1946)
Zwei fremde Männer betreten eine Schankwirtschaft und sperren einen Gast und den Koch in einen Nebenraum. Sie haben die Absicht, den Schweden Ole Anderson (Burt Lancaster) zu töten, der in der Tankstelle arbeitet und jeden Abend zum essen kommt. Doch ausgerechnet heute kommt er nicht. Er liegt zu Hause apathisch auf dem Bett, als die Killer zu Treppe hochkommen. Obwohl Anderson vorher noch gewarnt wurde, unternimmt er keinen Fluchtversuch und wartet ohne Gegenwehr auf seinen Tod. Ein Versicherungsdetektiv (Edmond O´Brien) ermittelt in dem Fall und rollt die tragische Vergangenheit des ehemaligen Boxers auf. Burt Lancasters Leinwanddebüt ist ein Musterexemplar für ein mitreißend erzähltes, anspruchsvolles Kriminaldrama in ausgefeilter Schwarz-weiß-Dramturgie.

ZELLE R 17 (1947)
Die Häftlinge im Westend Penitantiary haben unter dem sadistischen Aufseher Munsay zu leiden. Die fünf Insassen von Zelle R 17 planen einen Ausbruch. Ein unglaublich dramatischer Film mit Szenen von außerordentlicher Brutalität, der auf ein erschütterndes Finale zusteuert. Ein Kritikpunkt wäre vielleicht der, dass er es dem Zuschauer zu einfach mit der Sympathievergabe macht. Jeder der fünf Zellengenossen sitzt entweder unschuldig ein, hat seine Tat aus moralisch nachvollziehbaren Beweggründen begangen, o.ä.  Ein in Gefängnisdramen seit jeher beliebter, dramaturgischer Kniff, der dem Publikum die Unbequemlichkeit abnimmt, selber über das Identifikationspotenzial der Protagonisten zu entscheiden.

STADT OHNE MASKE (1948)
Dieser Film wählt einen semi-dokumentarischen  Ansatz. Seine Schauplätze sind echt, die Großstadt rauh und menschenfeindlich. Und die Geschichte, die hier erzählt wird, ist nur eine von achtmillionen, wie es uns Produzent Mark Hellinger selber im Prolog erklärt. Es geht um den Mord an einem Fotomodell, die Ermittlungen durch Detective Muldoon und um die vielen, scheinbar beiläufigen Vorkommnisse drumherum. Dassin zeigt eindrücklich ein ernüchterndes, unglamouröses New York, das von Korruption zersetzt zu werden droht, erlaubt sich am Schluß aber auch eine genregerechte, versiert inszenierte Verfolgungsjagd, ohne einen Bruch zum bisher vorherrschenden Quasi-Doku-Charakter zu riskieren.

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Diese drei Filme haben nicht nur ihren Produzenten gemeinsam, sondern auch den Komponisten Miklos Rozsa. Zu jedem der drei gibt es mehrere Möglichkeiten, sich die Musik ins heimische Sammler-Regal zu stellen. Auf Zusammenstellungen in Form von Auszügen oder als mehr oder weniger vollständiger Score. Neu eingespielt oder in der Originalaufnahme.
Da mag jeder seine eigenen Präferenzen haben. Ich persönlich hege eine besondere Vorliebe für jene Suite, die Rozsa selber unter dem Titel BACKGROUND TO VIOLENCE eingespielt hat, und die im Jahr 1956 erstmals auf Vinyl gepreßt wurde. Zunächst noch in Mono, gab es wenige Jahre später dasselbe nochmal in einer Stereo-Abmischung, die seither verschiedentliche Wiederveröffentlichungen erfahren hat, zuletzt auf dem kanadischen Label "Disques Cinemusique".

Warum ist ausgerechnet diese Suite von solch besonderer Güte?
Obwohl sie aus den Scores zu drei Filmen zusammengestellt ist, funktionieren die 21 Minuten als in sich geschlossenes, sinfonisches Werk und als repräsentativer Querschnitt durch Rozsas Gangsterfilm-Schaffen perfekt. Da ist kein Gramm Fett zuviel.

Mit PRELUDE TO MURDER beginnt die Suite mit reißerischen, aufregenden Klängen, bei denen Rozsa wie zu erwarten aus dem Vollen schöpft. Es folgt das umwerfende NOTTURNO in dem sich pastorale Augenblicke von Sehnsucht und Idyll mit dräuender Schwermut verbinden. SCHERZO ist seinem Titel entsprechend verspielt und von leichterer, unbekümmerter Art für die amüsanteren Verschnaufpausen. Stammen die ersten drei Stücke allesamt aus BRUTE FORCE, geht es danach bruchlos mit DESPAIR aus THE KILLERS weiter, dem vielleicht intensivsten Stück der Zusammenstellung, das in expressiver, aufwühlender Verzweiflung kulminiert. Mit PURSUIT aus THE NAKED CITY geht es mit der musikalischen Umsetzung einer rasanten, finalen Verfolgungsjagd weiter, bevor Rozsa zu einem triumphalen Finale (EPILOGUE) ausholt. Als "the happy song of a great city" bezeichnet Rozsa selber in einem bemerkenswerten Anfall von Understatement diesen abschließenden Track. Abgesehen von ihrem musikalischen Wert hat diese Suite den Vorteil eines sehr guten Stereo-Klangs, der aber trotzdem noch die angenehme, authentische Patina einer zeitgenössischen Aufnahme aus den 50er Jahren besitzt.

 

 

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KISS OF DEATH  (David Buttolph)

Nick Bianco (Victor Mature) wird bei einem Raubüberfall gefaßt und landet für drei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung erfährt er, dass seine Frau nicht mehr lebt und seine zwei Kinder im Waisenhaus sind. Offenbar sind seine Komplizen, die nach dem Überfall entkommen sind, nicht unschuldig an ihrem Tod. Aus Rache verpfeift er sie bei der Polizei, doch sie werden aus Mangel an Beweisen freigesprochen, und von nun an steht Bianco auf ihrer Abschußliste.

Ein sehr starkes Kriminaldrama mit einer Gangster-Figur als Sympathieträger und Richard Widmark als infantil grinsender Killer, der eine enorme Gefährlichkeit ausstrahlt und nicht davor zurückschreckt, eine an den Rollstuhl gefesselte Frau die Treppe herunterzustoßen.

Komponist David Buttolph ist mir schon mehrfach im Umfeld des Noir-Films positiv aufgefallen, wenn auch viele davon bei uns nie zur Aufführung gelangt sind (z.B. "Within these Walls" (1945), "House on 92nd Street" (1945), "Somewhere in the Night" (1946). Seine Musik ist prägnant, oft schroff im Tonfall und zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Ökonomie im Zusammenspiel mit den Filmbildern aus. Die Musik zu KISS OF DEATH ist dafür ein sehr gelungenes Beispiel, hält sie sich doch über längere Zeiträume gänzlich zurück, um dann in dramaturgisch wichtigen Szenen umso mehr zu glänzen.

Von diesem Film existiert immerhin eine amerikanische BD mit isolierter Musikspur, ansonsten sieht es mit Soundtrack-Veröffentlichungen sehr düster aus.

Hier die prägnante Titelmusik (mit vorangestellter Dialogszene):

Zumindest von KISS OF DEATH gibt es eine amerikanische BD mit isolierter Musikspur, ansonsten sieht es mit Soundtrack-Veröffentlichungen sehr düster aus.

Hier die prägnante Titelmusik (mit vorangestellter Dialogszene):

 

 

 

 

 

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Am 9.8.2019 um 18:56 schrieb Angus Gunn:

Da mag jeder seine eigenen Präferenzen haben. Ich persönlich hege eine besondere Vorliebe für jene Suite, die Rozsa selber unter dem Titel BACKGROUND TO VIOLENCE eingespielt hat, und die im Jahr 1956 erstmals auf Vinyl gepreßt wurde. Zunächst noch in Mono, gab es wenige Jahre später dasselbe nochmal in einer Stereo-Abmischung, die seither verschiedentliche Wiederveröffentlichungen erfahren hat, zuletzt auf dem kanadischen Label "Disques Cinemusique

Warum ist ausgerechnet diese Suite von solch besonderer Güte?
Obwohl sie aus den Scores zu drei Filmen zusammengestellt ist, funktionieren die 21 Minuten als in sich geschlossenes, sinfonisches Werk und als repräsentativer Querschnitt durch Rozsas Gangsterfilm-Schaffen perfekt. Da ist kein Gramm Fett zuviel

Rozsa selbst hatte die Suite "Mark Hellinger Suite" genannt, der Titel Background to Violence wurde durch sein Label Decca erfunden. Die Veröffentlichung auf DC gilt in den USA mal wieder als Bootleg, Varese hat aber vor Jahren Rozsas altes Decca Album mit der Suite zu Lust vor Life auf CD rausgebracht. Höre ich immer wieder gerne.

Bildergebnis für varese rozsa lust for life
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Am 7.8.2019 um 22:29 schrieb Angus Gunn:

ENTSCHEIDUNG IN DER SIERRA (Adolph Deutsch)

Ein sehenswerter Klassiker mit einer großen Filmmusik ("filled with memorable melodies and strong themes, it is certainly Deutsch´s most "Steinerish" music on this album"), von der das rührige Morgan/Stromberg-Team eine 13-Minuten-Suite destilliert hat, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Auch eines meiner liebsten Alben in der Morgan/Stromberg-Reihe, das zeigt, dass es bei WB mehr zu entdecken gibt als Max Steiner. Was das Thema "Noir" angeht, finde ich bis heute bei "Maltese Falcon" Film wie Musik unschlagbar.

https://www.naxos.com/catalogue/item.asp?item_code=8.225169

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Am 9.8.2019 um 18:56 schrieb Angus Gunn:

Mit PRELUDE TO MURDER beginnt die Suite mit reißerischen, aufregenden Klängen, bei denen Rozsa wie zu erwarten aus dem Vollen schöpft. Es folgt das umwerfende NOTTURNO in dem sich pastorale Augenblicke von Sehnsucht und Idyll mit dräuender Schwermut verbinden. SCHERZO ist seinem Titel entsprechend verspielt und von leichterer, unbekümmerter Art für die amüsanteren Verschnaufpausen. Stammen die ersten drei Stücke allesamt aus BRUTE FORCE.

Das "Notturno" in der Background to Violence-Suite stammt übrigens nicht aus BRUTE FORCE, sondern aus THE KILLERS. Da hatte sich Rozsa an 1956 wohl selber ein wenig geirrrt, denn auch die von ihm im Booklet der CD bwz. auf dem Back Cover der LP beschriebene Szene gibt es in BRUTE FORCE so gar nicht. Das habe nicht nur ich, sondern auch schon ein paar andere Rozsa-Sammler in den letzten Jahren bemerkt.

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Am 30.7.2019 um 16:20 schrieb Mephisto:

DAS ist eins der wenigen Stromberg-Alben, die mir noch fehlen. Muss ich unbedingt nachholen. Den Artikel habe ich zugegebenermaßen übersprungen, weil ich den Film erst vor Kurzem auf Blu-Ray bekommen und ihn noch nicht gesehen habe

Vielleicht für diesen Thread auch interessant: Vor kurzer Zeit erschien "Musik im klassischen Film Noir" von Janina Müller bei Königshausen & Neumann. Das Buch enthält zahlreiche Notenbeispielen von den originalen Dirigierpartituren, Particellen und Skizzen.

https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/janina-mueller-musik-im-klassischen-film-noir/hnum/8714379

 

So, CAT PEOPLE (in der Marco-Polo-Version) und MALTESE FALCON waren diese Woche in meinem Briefkasten. Ich kann momentan nicht viel zu diesem Thema beisteuern und überspringe ehrlich gesagt auch die ein oder andere Inhaltsangabe, weil ich mir einige der hier besprochenen Filme erst vor Kurzem zugelegt habe. Aber vielen Dank, Angus, für Deine ganze Mühe und die anregenden Beiträge! :)

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Vielen Dank für Reaktionen, Ergänzungen und Hinweise!

Am 13.8.2019 um 14:17 schrieb Trekfan:

Auch eines meiner liebsten Alben in der Morgan/Stromberg-Reihe, das zeigt, dass es bei WB mehr zu entdecken gibt als Max Steiner. Was das Thema "Noir" angeht, finde ich bis heute bei "Maltese Falcon" Film wie Musik unschlagbar.

Trekfan, da bin ich ganz auf Deiner Seite. Es gibt zwar noch drei oder vier Noir-Kandidaten, die ich noch höher einstufen würde, aber der Falke ist wirklich phantastisch. Und weil mir gerade danach ist, schreibe ich noch ein paar Zeilen dazu:

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The stuff that dreams are made off

Privatdetektiv Sam Spade erhält von einer Klientin den Auftrag, ihre Schwester aufzuspüren, die anscheinend mit einem dubiosen Mann in San Francisco untergetaucht ist. Kurz darauf wird Spades Partner auf nächtlicher Straße erschossen, und schon bald sieht sich Spade inmitten eines mysteriösen Falles, in den mehrere zwilichtige Parteien verwickelt sind. Das Objekt der Begierde ist eine geschichtsträchtige Falken-Statue, für deren Besitz gemordet und intrigiert wird. Man mag kaum glauben, dass es sich hierbei um ein Regiedebüt handelt. Der Film war seinerzeit stilprägend und weiß auch heute hoch blendend zu unterhalten. Das Lexikon des Internationalen Films brachte es auf den Punkt: "... perfekt gebaut, bestechend gespielt, zynisch, pessimistisch und voller schwärzestem Humor, präzise in den Dialogen, beeindruckend in der Dichte der "schwarzen" Atmosphäre, die nicht zuletzt durch die Komposition von Licht- und Schatteneffekten in der Tradition des deutschen Expressionismus erreicht wird."

Dennoch muß ich einen kleinen Kritikpunkt anbringen, und der betrifft die Besetzung von Mary Astor. Ihr Schauspiel ist zwar einwandfrei, doch ist sie aus meiner Sicht fehlbesetzt. Ihr mangelt es einwenig an Charisma. Außerdem ist sie schlicht und einfach nicht hübsch genug für eine Femme Fatale, die in der ersten Szene sogar noch mit "She´s a knockout!" angekündigt wird und den zynischen Spade um den Finger wickelt. Man stelle sich einmal Ella Raines in der Rolle vor. Oder Veronica Lake. Oder Paulette Godard. Letztere stand wohl auch tatsächlich zur Auswahl. Das wär´s gewesen, oder?  

Wie so oft wird auch bei diesem Film Musik schnöde übergangen, überhört, oder schlicht und einfach ignoriert.Dabei wären lobende Worte wirklich angebracht. Um den Film nicht zu überfrachten vermied Adolph Deutsch offensichtliche Leitmotive und stattete THE MALTESE FALCON mit einem sehr ernsthaften, teils düsteren und angenehm zurückhaltenen Score aus, den eine Aura des Mysteriösen umgibt. Hauptthema und wiederkehrendes Element ist dabei das aus einer Folge von acht Tönen bestehende Falken-Motiv. Dieses Motiv verwendet Deutsch in der Titelmusik auffallend clever, indem er es unablässig wiederholt und dabei von verschiedenen Instrumentengruppen in unterscheidlichen Rhythmen und Tempi intonieren läßt. Die perfekte Musik für den Film, und man darf froh sein, dass die Wahl nicht auf Max Steiner gefallen ist. Ich bin, ehrlich gesagt, kein großer Freund des steiner´schen Geklotzes. Da ist Deutsch schon ein anderes Kaliber.

Zur deutschen Fassung: Diese ist unter hiesigen Filmfans natürlich ebenso berühmt wie berüchtigt, denn hier hat man sich wirklich der groben Verunstaltung schuldig gemacht. Da gibt´s keine Ausrede mehr. In der Synchronisation dudelt ein Jazz-Score, der in einem Edgar-Wallace-Reißer mit Fuchsberger sicherlich gut funktioniert hätte und der Spades Ermittlungen hartnäckig von beschwingten Klavierläufen begleitet (oder besser: behindert). Auch eine Szene gegen Ende ist bezeichnend: Eingewickelt in Stoff und Papier liegt der Malteserfalke auf dem Tisch, wird von gierigen Händen ausgepackt und von allen Seiten begutachtet, bis sich die Figur als Fälschung herausstellt. Nicht nur wird diese Szene konsequenterweise von hysterisch kreischenden Jazz-Trompeten malträtiert, der Synchronautor jubelt Bogart auch noch den Satz "Nehmt ihm doch die Windeln ab" unter. Es war die Zeit, in der Synchros a la Rainer Brandt sehr populär waren. Schade um die guten Sprecher.

Wer ihn noch nicht kennt und dem Kino vergangener Tage nicht gänzlich abgeneigt ist sollte sich THE MALTESE FALCON nicht entgehen lassen. Und ich empfehle, sich beide Fassungen anzuschauen. Die eine für´s authentische Filmerlebnis, die andere als kurioses Stück deutscher Synchrongeschichte.

 

 

 

 

 

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Dieser Film ist mir bisher unbekannt, aber die Musik von Friedhofer gehört mit zum besten, was mir im Krimi-Genre der 40er/50er Jahre untergekommen ist.

Es geht um eine Frau, die mit einem unehelichen Kind schwanger ist, nach einem Zugunglück in die Rolle einer Toten schlüpft und daraufhin von ihrem Ex-Partner erpreßt wird. Das klingt nach einem düsteren Melodram, das Friedhofer die Möglichkeit für eine seiner unnachahmlichem, psychologisch ausgefeilten, tiefgründigen Kompositionen bot. Das PRELUDE startet mit einem wunderschönen, romantischen Thema, das jedoch auch von dramatischen Akzenten begleitet wird, bevor es dann im PROLOGUE in eine reine Pastorale übergeht.

Ausbrüche von thrillender Spannungsmusik gibt es wenige. TRAIN WRECK AND HOSPITAL ist in dieser Hinsicht das herausragende Stück. So führt uns Friedhofer durch ein virtuoses, 26-minütiges Labyrinth musikalischer Emotionen, auf einer Gradwanderung zwischen beschaulicher Romantik, elegischer Tragik und subtilem Suspense, das mehrmals durchlaufen werden darf und sollte.

 

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Am 15.8.2019 um 22:31 schrieb Angus Gunn:

und man darf froh sein, dass die Wahl nicht auf Max Steiner gefallen ist. Ich bin, ehrlich gesagt, kein großer Freund des steiner´schen Geklotzes. Da ist Deutsch schon ein anderes Kaliber.

Ich mag viele Scores von Steiner ausgesprochen gerne, allerdings hat er die Neigung zum "Overscoring". Das muss noch nicht einmal "Geklotze" sein. Gerade bei den Warner Bros. Melodramen kann beim Anschauen eines Films seine Klangtapete und das scheinbar endlose Streichergesäusel auf Dauer auch ziemlich nerven. Aber dem stehen gleichzeitig so viele brilliante Dinge gegenüber. Exemplarisch sein sicher bekanntester Score neben "Gone With the Wind", "Casablanca". Qualifiziert sich der Streifen eigentlich als Noir? Stilmittel wurden von den Filmemachern da sicherlich aufgegriffen. Auch hat der Film nicht diese für die Ära so ohne Pause durchgehende Underscore Steiners. Dazu kommt, dass Steiner natürlich neben den auftrumpfenden und donnernden Momenten mit den Zitaten der Marseillaise und der deutschen Nationalhymne Gelegenheiten für delikate Untermalung der Handlung hatte, großteils basierend auf dem Songthema As Time Goes By. Es ist nicht der Tristan-Akkord, aber ein großer Einfall ist auch sein prägnanter Casablanca-Akkord, wenn ich mir hier mal die Wortschöpfung erlauben darf, der für die Interaktion von Bogart und Bergman in der Handlung steht.

Glücklicherweise haben sich eine Handvoll Azetate von Steiners Musik erhalten, die Rhino 1997 aufgefüllt mit Music & Effects- sowie Dialogtracks auf CD rausgebracht hat. Erhalten sind zum Glück gerade die Paris Montage und Ilsa Returns to Rick's, zwei wichtige Passagen in der Musik. Ärgerlich an dem Album ist nur, dass die fünfminütige Eröffnungssequenz, die Rhino ebenfalls 1997 auf dem Sampler "Composed by" von den Azetaten gezogen veröffentlicht hat, hier nicht vertreten ist, sondern Effects und Sprecherstimme zu hören sind. Aber hier wäre ohnehin ein Remastering dieser Azezate mehr als wünschenswert!

Bildergebnis für rhino soundtrack casablanca

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vor 3 Stunden schrieb Trekfan:

Ich mag viele Scores von Steiner ausgesprochen gerne, allerdings hat er die Neigung zum "Overscoring".

Ja, sowas meine ich. Auch viele seiner Themen reißen mich nicht so mit. Das ist einfach eine Sache des persönlichen Empfindens. Ich habe mich beispielsweise durch die Hörproben dieser "Caged"-CD gehört und nichts entdeckt, was mich zum Kauf animiert hätte. Aber es gibt auch Steiner-Scores, die mir sehr gefallen, z.B. "Searchers" und "Casablanca".

Im Fall von CASABLANCA kann ich jedoch mit dem Film wiederum nicht viel anfangen. Er ist überschätzt und der langweiligste aller mir bekannten Bogart-Filme. Die DVD steht bei mir aber dennoch im Regal - aus Gewissensgründen und weil sie eine schöne Doku enthält. Aus meiner Sicht ist CASABLANCA kein Noir, aber er besitzt in der Tat Stilismen, die in diese Richtung gehen. Die Musik ist allerdings hervorragend, gerade die Titelmusik (das ja wohl eigentlich aus THE LOST PATROL stammt) und die Verwendung von As Time Goes By im Score. Und Steiner hält sich hier auch mehr im Zaum. Auch das Finale ist sehr stimmig. Da gebe ich dir vollkommen Recht, CASABLANCA ist eine tolle Musik, und für ein Album mit den überarbeiteten Azetaten wäre ich auch jederzeit zu haben.

 

 

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vor 17 Stunden schrieb Angus Gunn:

Ja, sowas meine ich. Auch viele seiner Themen reißen mich nicht so mit. Das ist einfach eine Sache des persönlichen Empfindens. Ich habe mich beispielsweise durch die Hörproben dieser "Caged"-CD gehört und nichts entdeckt, was mich zum Kauf animiert hätte. Aber es gibt auch Steiner-Scores, die mir sehr gefallen, z.B. "Searchers" und "Casablanca".

White Heat als Noirscore ist auch nichts für dich? Das Caged-Set hat immerhin als Highlight "Key Largo" zu bieten mit einer von Steiners bester Titelmusiken. Der Film wird sogar als "film noir crime drama" charakterisiert. Auch keine so dick auftragende Noirmusik aus Steiners Feder. Einer der Höhepunkte im Score ist das Stück, in dem Steiner den Jazzstandard Moanin' Low verarbeitet, der im Film in einer Schlüsselszene eine wichtige Rolle spielt. Negativ hervorheben muss man das "McCloud"-Thema, das schon arg sentimental ist und die für mich schlimmste Szene, das pathetische Gespräch zwischen Bogart und Barrymore, noch deplatzierter im Film macht. Szene und Musik hätte man gerne aus dem Film streichen können. Entsprach aber sicherlich dem US-Publikumsgeschmack der Zeit.

 

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WHITE HEAT habe ich gerade nicht mehr so auf dem Schirm. Bei KEY LARGO stimmt die Musik weitgehend würde ich sagen. Obwohl die Titelmusik auch schon wieder so üppig aufträgt als handelte es sich um ein Monumental-Epos. Aber im Zusammenhang mit den Luftaufnahmen im Vorspann von Brücke, Meer und Insel kann man es gelten lassen. Hier reicht mir allerdings die Gerhardt-Suite vollkommen.

Ein anderer Steiner-Kandidat ist THE BIG SLEEP, der auch wieder mit einer tosenden Titelmusik beginnt. Dazu sehen wir die Silhouetten von den Zigaretten rauchenden Hauptdarstellern Borgart und Bacall. Hier empfinde ich die Overtüre wieder sehr überzogen, zumal mich das Thema auch nicht wirklich packt. Es wirkt einfach laut und aufdringlich. Der restliche Score ist allerdings zugegebenermaßen sehr gut und auch sinnvoll eingesetzt, auch wenn Steiner sein gelegentliches Mickey-Mousing etwas dezenter hätte gestalten können.

Allgemein zu THE BIG SLEEP: Ein Film, der es trotz unübersichtlicher Handlung schafft, durchgehend zu fesseln. Das liegt am rasanten Erzähltempo und den vielen humorvoll eingestreuten Bonmots. Außerdem erfreut er mit einer ungewöhnlich hohen Anzahl bemerkenswert hübscher Darstellerinnen (Dorothy Malone als Buchhändlerin!), die hier quasi an jeder zweiten Ecke zu finden sind. Besonders amüsant ist die Taxifahrerin. Marlowe bezahlt sie für die Fahrt, sie gibt ihm ihre Karte mit den Worten: "Wenn Sie mich wieder mal brauchen sollten, rufen Sie diese Nummer an."  Marlowe: "Tag und Nacht?" Sie: "Nachts ist es besser. Tagsüber arbeite ich."

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