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Filmmusik vs. Realität?


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Filmmusik ist bekanntlich dazu gedacht, die Bilder eines Films zu verstärken und zu untermalen. Ist das aber schon mal jemandem passiert, dass sich die Musik dann über selbst erlebte Situationen quasi einfach drüber legt? Mir ist das nach unserer Flutkatastrophe in NRW und RLP vom 14./15.07.2021 auf ziemlich erschreckende Weise passiert:

Seit Erscheinen des Films „Interstellar“ von Christopher Nolan fasziniert mit Hans Zimmers Soundtrack einfach. Das Zusammenspiel einer großen Preifenorgel mit Perkussion, Elektronik und klassischen Instrumenten fand ich seither faszinierend.

Dann kam bei uns der 14. Juli 2021. Die Folgen sollten jeden hier noch halbwegs bekannt sein. Wir waren hier in der Region mitten drin. Während eines solchen Ereignisses hat man keinen Kopf für Musik, da ist man eher auf reine „Lebenserhaltung“ ausgerichtet. Im Nachhinein wurden die Assoziationen von  Zimmers Musik allerdings bei mir vollkommen umgeklemmt: Vom Film auf das realer Erlebnis einer echten Katastrophe, egal ob man das wollte oder nicht - wobei die Thematik beider Dinge spätestens beim Titel „Mountains“ gar nicht so weit voneinander entfernt ist.

Mit am stärksten ausgeprägt ist das allerdings beim Titel „Dust“ des genannten Soundtracks. In den Wochen nach der Flutkatastrophe gab es einige heisse und trockene Tage, die die Überschwemmungsgebiete in Staubwüsten verwandelten. Das Bild hat sich vor allem aus den Eindrücken im Ahrtal eingebrannt, inklusive der Gerüche und dem Engegefühl im Hals - wer weiss schon, was in dem Staub alles drin war… Als ich später das Stück hörte haben mich die Erinnerungen fast umgehauen. Nicht nur der visuelle Eindruck, sondern auch das Unerbittliche und Resignierende, was der Track zum Ausdruck bringt, zumindest in meinen Ohren. Dann sehe ich wieder die riesigen Müllberge, zerstörte Häuser soweit das Auge reicht, und Kolonnen von Hilfsfahrzeugen, die das ganze Tal mit dem aufgewirbelten Staub ausfüllten, dass einem der Hals brannte.

Mich beschäftigt das auch zwei Jahre danach noch, und Zimmers „Interstellar“ wird für mich für immer mit diesem Ereignis verbunden bleiben. Dabei ist es ja auch irgendwie ambivalent: Letztlich „Unterhaltungsmusik“ mit einer realen Katastrophe in Verbindung zu bringen, bei der ja alleine in unserer Region über 180 Menschen gestorben sind.

Mich würde mal interessieren, ob meine Gedanken jemand soweit folgen kann.   

 

PS:

Insbesondere im Ahrtal sieht es auch zwei Jahre danach immer noch schlimm aus. Viele Menschen haben tatsächlich aufgegeben. Da ist noch nichts vorbei… 

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vor 1 Stunde schrieb TroubadixRhenus:

Mich würde mal interessieren, ob meine Gedanken jemand soweit folgen kann.  

Ja, Deine Schilderung liest sich sehr eindringlich und nachvollziehbar. Sowas wollte ich nicht erlebt, gesehen, gerochen haben.

 

Ich selbst verbinde Musik im Allgemeinen und Filmmusik im Besonderen nie mit irgendwelchen Bildern, Eindrücken, Erinnerungen oder gar Film-Szenen. 

Wenn ich Filmmusik bzw überhaupt Musik höre, spielt sich nix ab vor meinem geistigen Auge oder meiner Erinnerung, ich genieße einfach „nur“ Musik als Musik und die Klangschönheit des Orchesters. Mehr nicht.

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Unterschiedlich, tatsächlich verbinde ich Musik manchmal mit einem bestimmten Lebensgefühl, das ich in der Zeit empfand, als ich eine bestimmte Musik zum ersten Mal hörte. Wir hatten ja erst letztens über First Blood geschrieben. Da werde ich bis heute in die bestimmte Stimmung und Atmosphäre hineinversetzt, die ich die ersten Monate des Jahres 2007 empfunden habe, vor allem die kühlen ausklingenden Tage vor Frühlingsbeginnn.

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Mit dem echten Leben verbinde ich da nichts. Wenn ich Soundtrack XYZ höre, habe ich in der Regel den Film dazu gesehen und "sehe während des Hörens den Film dann vor Augen". 

Im weitesten Sinne real-life verbunden war: Als ich mit dem Auto auf einer Überlandstrecke mit Ackerflächen links und rechts von mir unterwegs war, kam ich in ein furchtbares Gewittergeblitze. Der Himmel wurde schlagartig dunkler. Starker Wind schunkelte das Auto hin und her und Hagelkörner prasselten auf die Scheibe. Und genau in dieser Situation lief TWISTER von Mark Mancina vom CD-Player. 

Ich fühlte mich beim Ausweichen von Gegenständen wie Bill Paxton und dachte, jetzt fehlt nur noch Helen Hunt neben mir und alles wäre perfekt.

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vor 7 Stunden schrieb Stese:

Ich fühlte mich beim Ausweichen von Gegenständen wie Bill Paxton und dachte, jetzt fehlt nur noch Helen Hunt neben mir und alles wäre perfekt.

Na, dass war sicher auch eine interessante Situation! 😀

Ich fahre ab und an gerne bei uns mit unserer "ollen Goethe" durch das Mittelreintal. Das ist ein altes Schifff, Baujahr 1913. Aus Spass habe ich mich dann mal vorne überm Bug auf das Freideck gesetzt und James Horners "Titanic" rauf und runter gehört. Der Effekt war schon überraschend "geil"! Davon habe ich sogar mal eigene Filmchen gemacht, mit der Musik als Hintergrund. Würde das auch hier verlinken, aber da möchte ich vorher lieber die Forumsleitung fragen, aber das aus urheberrechtlichen Gründen hier überhaupt möglich ist. Wären Youtube-Links, denn Youtube hat sich ja bekanntlich mit der GEMA dahingehend geeinigt, dass man so etwas auf Youtube hochladen und veröffentlichen darf. Ob ein Link davon hierher erlaubt ist, möchte ich daher hiermit zunächts mal fragen.

Ich habe allerdings auch schon ganz andere Musik, die nichts mit Filmen zu tun hat, zu meinem persönlichen Soundtrack gemacht. Ich finde sowas immer wieder schön!

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Wir sind gestern erstmalig zu Fuß durch den bekannten Strassentunnel gegangen (die Absperrung ist mittlerweile weg). Wer den Zustand unmittelbar nach der Katastrophe nochmal sehen möchte, der bemüht am besten eine Suchmachine mit den Stichworten „Altenahr“ und „Tunnel“, denn ich möchte hier keine fremden Bilder posten. Erst wenn man zu Fuß in diesem breiten Strassentunnel steht, kapiert man so richtig welche Gewalt das Wasser dort hatte! Der Strassentunnel diente damals als regelrechtes „Druckwasserrohr“, und muss im kompletten Querschnitt Wasser geführt haben. Auch der Eisenbahntunnel links war teilweise geflutet, und die Brücke davor wurde zerstört. An die 1000 Kubikmeter je Sekunde müssen dort lang gerauscht sein. Davon existieren allerdings keine Bilder, weil das erstens bei Dunkelheit geschah, und auch weil der Aufenthalt in diesem Bereich absolut tödlich war. 

Erkenntnis:

Natur ist nicht nur „Blümchen und Schmetterlinge“, sondern zuweilen ein unglaublich brutales Monster. 

Da kommt in meinem Kopf wieder Hans Zimmer ins Spiel: Beim Stück „Mountains“ läuft bei mir dazu mittlerweile an ganzer Film im Gedächtnis ab: Das „Tic tac“ am Anfang: Die Zeit läuft, als sich die Wetterprognosen zuspitzen und die Karten immer mehr rote und violette Flächen bekommen. Dann beginnt beim leisen quirligen Orgelspiel langsam der Regen, der sich immer mehr steigert, bis erste Bäche ihre Gräben verlassen und eigene Wege zu suchen. Schliesslich bricht bei den tiefen, fast in den Infraschall absinkenden Tönen das Wasser mit einer Wahnsinns Kraft durch und reißt alles mit, was sich ihm in den Weg stellt: Autos, jahrhundertealte Bäume, Brücken, Häuser, ganze Strassen... Zum Schluss tauchen die in den Medien bekannt gewordenen Drohnenaufnahmen der breiten Wasserwalze von Kreuzberg vor meinem inneren Auge auf.

DIESE Bilder kenne ich glücklicherweise auch nur aus den Medien, kann mich aber nicht davon lösen. Insbesondere gestern in der großen Tunnelröhre kam mir das wieder in den Sinn. Vielleicht kann Musik ja tatsächlich ein wenig dazu beitragen, wieder mehr Respekt vor Umwelt und Natur zu entwickeln, denn die kann uns mit einer lässigen Handbewegung einfach von der Platte putzen. Das ist ja auch sogar das eigentliche Thema des Films „Interstellar“, nur dass wir wohl auf absehbare Zeit keine Fluchtmöglichkeit von unserem Planeten haben werden. 

Nicht zusetzt ist das alles hier mit der Musik vielleicht auch etwas „Konfrontationstherapie“ für mich selber…

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