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Der große Schostakowitsch-Thread


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Seit ungefähr einem Jahr beschäftige ich mich nun mit einem der wohl interessantesten Komponisten-Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts - ein Komponist, der erst im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte in unserem westlichen Kulturkreis bei einer breiteren Hörerschicht „angekommen“ ist. Lange Zeit war Dmitri Schostakowitsch (1906 - 1975) für viele doch eher ein Mitläufer im Stalin-Regime, ein Opportunist und linientreuer Sowjet-Künstler. Als schließlich 1978, drei Jahre nach seinem Tod, seine Memoiren vom Musikwissenschaftler Solomon Volkow veröffentlicht wurden, wurde der breiten Öffentlichkeit im Westen schließlich bekannt, was dem interessierten „Hinhörer“ wohl schon von Anfang an klar war: Schostakowitsch war keinesfalls ein linientreuer Diener der Diktatur, der ergeben nach den stilistischen und ästhetischen Vorgaben des sogenannten „sozialistischen Realismus“ komponierte. Viel mehr war ein sich selbst und seinen Gefühlen gegenüber ehrlicher Künstler, der das komponierte was er wollte und sich dabei bei der Parteiführung nicht selten unbeliebt machte und einige Male sogar in akuter Gefahr schwebte, diversen „Säuberungsaktionen“ zum Opfer zu fallen (Näheres weiter unten im Zusammenhang mit seiner 1930 - 1932 entstandenen und 1934 uraufgeführten Oper „Lady Macbeth von Mzensk“).

Schostakowitschs Werk ist enorm umfangreich: er schrieb insgesamt 15 Sinfonien (die erste 1925, im Alter von 19 Jahren (!), die letzte 1971, vier Jahre vor seinem Tod), des Weiteren 15 Streichquartette, 6 Solo-Konzerte (jeweils zwei Violin-, Cello- und Klavierkonzerte), 2 Opern und ein Opern-Fragment, 3 Ballettmusiken, 2 Klaviertrios, ein Klavierquintett, mehrere Sonaten (eine Violinsonate, eine Cellosonate, eine Bratschensonate, zwei Klaviersonaten), diverse Lieder, Suiten und Romanzen sowie insgesamt über 30 Filmmusiken.

Was mich an der Musik Schostakowitschs begeistert? Es ist zum einen das Stürmisch-Revolutionäre, nicht selten auch Überdreht-Groteske des Frühwerks, in dem Triviales (Elemente der Unterhaltungsmusik) mit Anspruchsvollem vermischt wird - andererseits, und fast noch wichtiger, fasziniert mich das Wesen seiner Musik ab Mitte der Dreißiger Jahre bis zu seinem Tod, also aus der Zeit, in der er unter der stalinistischen Diktatur zu leiden hatte, unter dem Druck des Parteiapparats komponieren musste und er dauernd mit der Sorge zu kämpfen hatte, bei der Partei in Ungnade zu fallen und des Nachts vom Geheimdienst entführt und exekutiert zu werden. Viele Künstler, Kollegen Schostakowitschs, sind zu dieser Zeit, in den Dreißiger und Vierziger Jahren, unter Stalin umgekommen, etwa der berühmte Theater-Regisseur Wsewolod Meyerhold oder der Komponist Nikolai Schiljajew, mit dem Schostakowitsch eng befreundet war. Hierzu Schostakowitsch selbst:

„Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben lang gemartert haben, viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“

Tragisch-dunkel, von Angst geprägt, aber fast immer auch verstörend grotesk, bissig ist seine Musik dieser Zeit - er versuchte weiterhin die Musik zu machen, die in seinem Kopf war, musste sich aber oft zurücknehmen, um nicht den Zorn der Partei auf sich zu ziehen. So brodelte seine Musik immer intensiver unter einer nur auf den ersten Blick geordnet scheinenden Oberfläche, wurde mit der Zeit immer rätselhafter, unzugänglicher, verschlüsselter, bissig-satirischer im Tonfall. Trotz einiger Erfolge (etwa mit der 5. und 7. Sinfonie) war Schostakowitsch somit immer ein Komponist, in dessen Werk sich Angst, Schmerz und sarkastisches Aufbegehren gegen unerträgliche politische Verhältnisse spiegeln.

Nach Stalins Tod im Jahr 1953 entspannte sich die Lage nur bedingt - viele Kultur-Ideologen trieben weiterhin ihr Unwesen. Dennoch konnten nun einige seiner Werke aufgeführt werden, die unter Stalin noch „für die Schublade“ komponiert worden waren, etwa das zynisch-dissonante erste Violinkonzert. Mit der 10. Sinfonie erlaubte es sich Schostakowitsch im Jahr von Stalins Tod sogar, mit dem Diktatur abzurechnen, ein schmerzhaft-brutales Werk zu komponieren, in dem er das „schreckliche Gesicht Stalins“ musikalisch wiederzugeben versuchte.

In den letzten Jahren seines Schaffens, als er und seine Werke in einem ruhigeren politischen Klima nach und nach „rehabiliert“ wurden, häufen sich schwere Erkrankungen - die Auseinandersetzung mit dem Tod kennzeichnet viele seiner letzten Werke, etwa die letzten Streichquartette und die 15. Sinfonie. Seine Musik gleitet in ein Extrem ab, in ein Extrem der Reduktion: alles konzentriert sich auf das Wesentliche, seine Musik wird immer karger und verrätselter, ähnlich wie in der Zeit der Angst unter Stalin, nur noch extremer. Dunkle, sperrige Todesvisionen, konzentrierte Musik, die mit dem nötigsten auskommt, keine Note zuviel verwendet.

„Im letzten Satz seiner allerletzten Sinfonie, der Fünfzehnten, zitiert er das Nornenmotiv aus Wagners Götterdämmerung - drei düstere Akkorde, die sich wie ein großes Fragezeichen wider die Welt und gegen das eigene Schaffen zu erheben scheinen. Es folgt eine letzte Passacaglia mit Totentanzcharakter, die katastrophisch in sich zusammenbricht. Am Ende bleibt ein Orgelpunkt aus leeren Quinten, über dem Schlagwerkgeklapper zu hören ist. Ein zappelndes Skelett, das sich mit dem finalen Decrescendo in der Ferne verliert. „Das ist also von der Musik geblieben“, schreibt der Musikpublizist Dietmar Holland, „ein gleichsam in sich hineinkicherndes Spielwerk, das nur noch sich selbst genügt und niemandem mehr zugänglich ist.““ (Aus einem Artikel von Claus Spahn aus „Die Zeit“, 28. September 2006, Nr. 40)

Am 9. August 1975 stirbt Schostakowitsch - einer der wohl wichtigsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts - in Moskau.

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Nach diesem kurzen Abriss über Schostakowitschs Leben und Werk sowie der Aufzählung der Merkmale seiner Musik, die mich besonders begeistern, möchte ich nun einige meiner Lieblingswerke von ihm besprechen, dazu die jeweils von mir favorisierten Einspielungen.

Was seine Sinfonien anbelagt, so bin ich mit meiner 2006 bei EMI erschienen Box mit Einspielungen unter Mariss Jansons (der wohl kompetenteste Schostakowitsch-Interpret der Gegenwart) äußerst zufrieden. Die mit verschiedenen hochkarätigen Orchestern (Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunkes, Berliner Philharmoniker, St. Petersburger Philharmoniker, u.v.a.) vorgenommenen Einspielungen sind unglaublich intensiv, emotional aufgeladen, kehren die Extreme der Musik nach außen und lassen den Hörer teils in wahrhaftige Höllenschlunde hinabblicken. Das Zynisch-Satirische ist brillant herausgearbeitet, das Tragisch-Schwere wird mit unglaublicher Hingabe musiziert. Für mich sind diese Jansons-Interpretationen modernde Referenz-Aufnahmen - die viel gelobten Einspielungen unter Rudolf Barshai mit dem WDR-Sinfonieorchester (erschienen bei Brilliant Classics zu sehr günstigem Preis) haben zwar ebenfalls Klasse, sind aber etwas sachlicher im Ton; Jansons kriecht dagegen richtig rein in die Musik und macht die extremen Emotionen hinter den Werken hörbar. Meiner Meinung nach ein echter Volltreffer, wenn auch zu etwas höherem Preis als etwa die Barshai-Aufnahmen. Dazu ist die Box wunderbar aufgemacht, tolles Cover, gibt ein dickes Begleitheft dazu und die Klangqualität ist superb - wenn auch etwas leiser aufgenommen als die Konkurrenz.

Zu meinen Lieblings-Sinfonien gehört hier die avantgardistische, revolutionär-stürmische Zweite (mit nur 19 Minuten Spieldauer), eine Art sinfonische Dichtung in zwei Teilen: zuerst ein modernistisch-dissonanter Teil, mit Ligeti-haften „Klangnetzen“ und brachialen Klangballungen, im zweiten Teil schließlich ein heroisches Chorfinale auf Grundlage eines kommunistischen Revolutions-Gedichts. Schostakowitsch hat sich später von dem Werk distanziert, weil er den Text, auf dem das Chorfinale basiert, für plump-propagandistisch befand. Hochinteressant ist für mich dennoch der Gegensatz zwischen dem avantgardistischen Anfangsteil und dem ideologisch getränkten Lobgesang auf den Kommunismus im Finale - eigentlich ja ein Widerspruch. Nun denn, ist jedenfalls ein Werk, bei dem sich die Musikwissenschaftler noch nicht so ganz einig sind in der Interpretation. Da ist für die Zukunft noch ein bisschen was an Forschung zu tun, denke ich. Jedenfalls war solch kühn-moderne, avantgardistisch-dissonante Musik zu dieser Zeit (die Zweite entstand 1927) noch „toleriert“ - das sowjetische Kulturleben wurde erst mit Beginn der dreißiger Jahre kontrolliert, zensiert und eingeschränkt.

Toll finde ich außerdem die gigantisch-monströse 4. Sinfonie aus dem Jahr 1935, sein wohl komplexestes Werk überhaupt. Schostakowitsch steigert hier sozusagen Mahler ins Extrem, ins Übermächtige, sprengt jeden formalen Rahmen und erschafft einen gigantischen musikalischen Monolithen, der in der Geschichte der Sinfonie einzigartig sein dürfte. Die Harmonik ist sperrig, das Werk strotzt vor Dissonanzen, ist gespickt mit abartigen Steigerungen und Ausbrüchen, dass man glaubt, die Welt gehe unter. Schostakowitsch war so klug, die Sinfonie kurz vor der Uraufführung in der Schublade verschwinden zu lassen - eine öffentliche Aufführung wäre einem Selbstmord gleichgekommen, von Seiten der Partei hätte man einen solchen musikalischen Brocken nicht toleriert. Die Sinfonie wurde erst rund 30 Jahre später, in den 60ern, das erste Mal aufgeführt.

Nach der 4. Sinfonie und insbesondere dem Debakel mit seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, die von Stalin persönlich verdammt wurde, wurde Schostakowitsch unter dem Druck des Regimes mit seiner 5. Sinfonie (1937) etwas „zahmer“, traditioneller. Für die Partei war es eine vorläufige Wiedergutmachung und Schostakowitsch selbst betitelte das Werk vordergründig mit dem Etikett „Antwort eines sowjetischen Kunstschaffenden auf gerechtfertigte Kritik“. Doch ist die Fünfte keinesfalls linientreuer „sozialistischer Realismus“, nein, es ist eine zwar zurückgenommene, aber dafür unterschwellig umso satirischere, gewitzte Musik, die vordergründig traditionell und heroisch klingt, aber „hintenrum“ für den musikalisch sensiblen Hörer einiges an versteckter System-Kritik, zynischen Untertönen und „giftiger Fröhlichkeit“ versprüht. Wie ich finde, auch eine tolle Sinfonie - obgleich sicher weniger zukunftsweisend und kühn-modern als die 2. und 4. Sinfonie oder die Oper „Lady Macbeth“. Insgesamt eins seiner eingängigeren, einfacher anzuhörenden Werke und auch überhaupt die weltweit populärste seiner 15 Sinfonien.

Die Streichquartette! Wenig bis kaum hab ich mich bisher mit ihnen beschäftigt - da hab ich noch einiges zu entdecken. Bisher kenne ich nur das relativ fröhlich-muntere 1. Quartett, sowie das tragisch-schwere 8. Quartett gut. Ich hab die oben abgebildete Box vom russischen Label Melodyia mit dem Borodin Quartett - optimale Klangqualität, sehr zupackend und knackig gespielt. Auf jeden Fall empfehlenswert. Das 8. Streichquartett (wohl auch das Bekannteste des Komponisten) gibt es aber noch in einer anderen sehr guten Einspielung, und zwar auf der CD „Black Angels“ des Kronos Quartet ([ame=http://www.amazon.de/Black-Angels/dp/B000005J0D/ref=sr_1_4?ie=UTF8&s=music&qid=1217026388&sr=1-4]Amazon.de: Black Angels: Kronos Quartet, George Crumb: Musik[/ame]). Für mich die beste Aufnahme der Nummer 8 - erschütternd intensiv, vor allem in den schnellen Sätzen einfach nur messerscharf und ungeheuer temperamentvoll. Vom 8. Streichquartett existiert auch eine Adaption für Streichorchester durch Rudolf Barschai, welche als Kammersinfonie gezählt wird. Zu den Streichquartetten sonst erstmal nix von mir - wer möchte, kann hier gerne noch Interessantes ergänzen (auch andere Einspielungen betreffend).

So, nun kommen wir mal zu den Konzerten, die für mich zum Besten vom Besten gehören, was Schostakowitsch je zu Papier gebracht hat. Insbesondere die beiden Cello-Konzerte aus den Jahren 1959 und 1966 haben es mir angetan und zählen zur besten und ausdrucksstärksten Musik, die ich je in meinem Leben gehört habe. Zum ersten Cellokonzert habe ich mal etwas ins Cinemusic-Forum geschrieben, was ich jetzt einfach mal hier rein kopieren möchte:

„Die beiden Cellokonzerte würde ich seit nunmehr 4-monatiger Beschäftigung mit Schostakowitschs Schaffen zu meinen Lieblingswerken küren. Das erste Cellokonzert ist hierbei das stürmischere, wohl auch unmittelbar eingängigere Werk - peitschend-kurzatmige Motive und klare, prägnante Rhythmik zeichnen die beiden schnellen Ecksätze aus, ein gebrochenes, aber dennoch wunderschönes, tragisch-melancholisches Thema, welches im Verlauf fast schmerzhaft intensiv gesteigert wird, prägt den zweiten Satz.

Irgendwie macht das Werk auf mich einen sehr gequälten Eindruck: die unerbittliche, treibende Rhythmik in den schnellen Sätzen bohrt sich dem Hörer regelrecht ins Ohr, vermittelt den Eindruck einer ununterbrochen arbeitenden, hysterisch-agitierenden Maschinerie, die alles mit brutalem Druck unter Kontrolle hält. Dementsprechend "demoliert" und niedergeschlagen klingt das resignierende Thema im zweiten Satz, dass sich dann gegen Ende, wie schon erwähnt, qualvoll aufbäumt und letzten Endes in den dritten Satz, die Solo-Kadenz, überleitet.

Interessant finde ich, wie in beiden Cellokonzerten (aber insbesondere im ersten) das Horn als starker Gegenpart zum Cello fungiert. Manchmal könnte man annehmen, man höre ein Doppelkonzert für Horn und Cello.

Die Aufnahme mit Heinrich Schiff aus den 80ern gibt´s auf Philips sehr billig in der "Originals"-Reihe - hab in mehrere andere Einspielungen reingehört, aber keine hat den Biss und die Schärfe, die hier zu hören ist. Absolute Top-Einspielung in brillanter Klangqualität.“

Tia, und ebenso faszinierend ist auch das zweite Cellokonzert, das jedoch schon zum Spätwerk des Komponisten zählt und demnach total rätselhaft-grotesk daherkommt, wie eine geifernde, zuckende Puppe, die Polka tanzt. Marionettenhafte, quäkende Allegretto-Passagen wechseln sich mit bittersüßen Cello-Kantilenen, brachialen Ausbrüchen des Orchesters und bizarrem Schlagwerk-Geklapper ab. Ein wahrhaft surreales Erlebnis.

Die CD mit Heinrich Schiff am Cello ist, wie oben geschrieben, einfach spitzenklasse - das Orchester dirigiert Schostakowitschs Sohn Maxim. Zu dieser Scheibe kann ich nur jedem raten, auch wenn er sich gar nicht näher mit Schostakowitsch beschäftigen möchte: es ist einfach ein Erlebnis - absolut großartige russische Musik des 20. Jahrhunderts.

Das 1948 entstandene Violinkonzert, welches erst nach Stalins Tod uraufgeführt werden konnte (Urauff.: 1955), ist ein weiteres von mir sehr geschätztes und geliebtes Schostakowitsch-Werk. Das längste Konzert des Komponisten kann man beinahe als Sinfonie mit zusätzlicher Solo-Violine bezeichnen - ein breit angelegtes, großartiges viersätziges Werk mit zwei frenetisch-wahnhaften schnellen Sätzen (II. Scherzo, IV Burlesque) und zwei düster-lyrischen langsamen Sätzen, die sich allmählich steigern (eine dunkle Nocturne im ersten und eine erhabene Passacaglia im dritten Satz).

Genial finde ich vor allem die beiden schnellen Sätze, mit ihren unzähligen musikalischen Grimassen und Fratzen und dem wirklich frenetisch-virtuosen Tempo - hier wird dem Solisten wirklich einiges abverlangt. Interessant sind außerdem die dynamischen Ausbrüche und Steigerungen, die Elemente von jüdischer Folklore verarbeiten. In der Sowjetunion herrschte unter Stalin (und auch noch danach) ein gewisser Antisemitismus, den Schostakowitsch in seiner 13. Sinfonie, aber auch in anderen Werken, etwa im Vokalwerk „Aus jüdischer Volkspoesie“ kritisierte. Man könnte sagen, dass er im Violinkonzert Ähnliches tut: die kraftvollen, jüdisch anmutenden Ausbrüche als Verbündung mit der jüdischen Kultur gegen das unterdrückende Regime.

Hier mal der 4. Satz, die Burlesque, auf YouTube:

[ame=http://de.youtube.com/watch?v=BjC_L6gLUz8]YouTube - Shostakovich - Violin Concerto No.1 Mvt.4 - Sayaka Shoji 5/5[/ame]

Nochmal zu den musikalischen Fratzen und Grimassen, die ich oben erwähnt habe: einige Male meint man in den schnellen Sätzen des Konzerts, z.B. im Scherzo, aber auch an einigen Stellen in der Burlesque, eine Art zynisches Kichern in der Violine zu vernehmen - ein verächtliches Kichern über Stalin?

Hier der 2. Satz, das Scherzo, auf YouTube, übrigens mit Hilary Hahn an der Violine (dürfte auch bei Filmmusik-Hörern bekannt sein :konfused: ):

[ame=http://de.youtube.com/watch?v=gTkPL9ydOkQ]YouTube - Hilary Hahn - Shostakovich Violin Concerto (part 3)[/ame]

Ist leider etwas leiser, müsstet eure Lautsprecher etwas lauter aufdrehen. Die Stelle, die ich meine, hört man im Video bei 3:20 - 3:23.

Zur CD: Ich habe lange nach einer für mich perfekten Einspielung des 1. Violinkonzerts gesucht (habe einige Einspielungen hier rumstehen), bis ich schließlich die CD mit Leila Josefowicz und dem City of Birmingham Symphony Orchestra unter Sakari Oramo angetestet habe - und ich muss sagen: das gefällt schon sehr, was die kanadischere Geigerin und das britische Orchester hier vom Stapel lassen. Äußerst expressiv, spitzzüngig, alle „Fratzen“ schön krass rausgearbeitet und durchaus auch mal ein in der Partitur vorgeschriebenes forte ins fortissimo gesteigert. Eigentlich sollte so was ja nicht sein, aber hier bei diesem Werk passt die Ekstase halt einfach, ja was sage ich, sie muss eigentlich da sein!

Zusätzlich enthalten auf der CD ist die düstere, sehr spät entstandene Violinsonate aus dem Jahr 1968. Auch ein interessantes Stück Musik.

Beim 2. Violinkonzert (1967) bin ich noch am Suchen nach einer perfekten Aufnahme - habe Daniel Hope mit dem BBC Symphony Orchestra und Arabella Steinbacher mit dem BR Sinfonieorchester. Beide gut, aber nicht perfekt.

Das Konzert selbst ist wesentlich zurückhaltender und weniger energisch als das 1. Violinkonzert und besticht eher durch Atmosphäre. Trotzdem gibt es im letzten Satz wieder ein furioses Finale mit spöttelnd-grotesker Streicherbegleitung und aggressiven Einschüben des Schlagwerks.

(((Die beiden Klavierkonzerte lasse ich jetzt mal aus - mir persönlich gefallen sie weniger, da sehr konventionell, unbeschwert und für mich irgendwie kaum nach „richtigem“ Schostakowitsch klingend. Wer möchte, darf auch hier gerne ergänzen in Sachen Werkanalyse, Einspielungen, etc.)))

Zu guter Letzt möchte ich noch eines der aus historischer Sicht wohl bedeutsamsten Werke Schostakowitschs vorstellen, und zwar seine zweite und letzte Oper „Lady Macbeth von Mzensk“. Die durchaus provokante Oper handelt von der unglücklichen, in einer repressiven Gesellschaft gefangenen Katerina Ismailova, die mit einem Liebhaber durchbrennt und sowohl den eigenen Mann als auch den despotischen Schwiegervater umbringt und sich damit schließlich selbst ins Verderben stürzt. Sie scheitert somit an den konservativen gesellschaftlichen Verhältnissen (verkörpert etwa durch den Schwiegervater), die im Stück aufs Schärfste kritisiert werden. Schostakowitsch stellt sich hier deutlich auf die Seite Katerinas und kritisiert die despotische Gesellschaft im Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Die musikalische Umsetzung ist der grausamen Thematik des Stückes angepasst: monströs bäumt sich das Orchester auf, grelle Dissonanzen durchziehen das Werk, grotesk-verzerrt wird der fiese, frauenhassende Schwiegervater dargestellt. Der Geschlechtsverkehr zwischen Katerina und ihrem Liebhaber (der sie übrigens auch nur ausnutzt) wird mit vulgären Bläser-Stößen und „rammelnden“ Streicher-Rhythmen untermalt. Am Ende ist Katerina in einem Gefängnis-Lager in Sibirien, ihre Existenz ist vernichtet - das Opfer einer widerwärtigen, brutalen Gesellschaft, gegen die sie sich aufzulehnen versuchte.

Das Werk feierte 1934 Premiere und lief zwei Jahre sehr erfolgreich. Dann besuchte Stalin eine Vorstellung und war entsetzt. Einige Tage später erschien ein wohl von Stalin selbst geschriebener Artikel über Schostakowitschs Oper in der Prawda, unter dem Titel „Chaos statt Musik“. Dieser Artikel war die größte Bedrohung, der Schostakowitsch je ausgesetzt war - ab diesem Zeitpunkt musste er sich darauf gefasst machen, jederzeit vom Regime als „Volksfeind“ liquidiert zu werden. Ein Auszug aus dem Artikel:

„Von der ersten Minute an verblüfft den Hörer in dieser Oper die betont disharmonische, chaotische Flut von Tönen. Bruchstücke von Melodien, Keime einer musikalischen Phrase versinken, reißen sich los und tauchen erneut unter im Gepolter, Geprassel und Gekreisch. Dieser "Musik" zu folgen, ist schwer, sie sich einzuprägen unmöglich.

Das gilt für fast die ganze Oper. Auf der Bühne wird der Gesang durch Geschrei ersetzt. Gerät der Komponist gelegentlich in die Bahn einer einfachen und verständlichen Melodie, so stürzt er sich sofort wieder, als wäre er erschrocken über ein solches Unglück, in das Labyrinth des musikalischen Chaos, das stellenweise zur Kakophonie wird. Die Ausdruckskraft, die der Hörer erwartet, wird durch einen wahnwitzigen Rhythmus ersetzt. Durch musikalischen Lärm soll Leidenschaft zum Ausdruck kommen. […]

Und das alles ist grob, primitiv und vulgär. Die Musik ächzt und stöhnt, keucht und gerät außer Atem, um die Liebesszenen möglichst natürlich darzustellen. Und die "Liebe" wird in der ganzen Oper in der vulgärsten Weise breitgetreten. […]

Der Komponist hat sich offensichtlich nicht die Aufgabe gestellt, dem Gehör zu schenken, was die sowjetischen Opernbesucher von der Musik erwarten und in ihr suchen. Als hätte er bewußt seine Musik chiffriert, alle Töne in ihr so durcheinandergebracht, daß sie nur für Ästheten und Formalisten, die ihren gesunden Geschmack verloren haben, genießbar bleibt. Er ignoriert die Forderung der sowjetischen Kultur, Grobheit und Primitivität aus allen Bereichen des sowjetischen Lebens zu verbannen.“

So beschreibt nun das Stalin-Regime ein höchst expressives, aufregendes und gesellschaftskritisches Werk - Kunst darf ja keine Probleme anschneiden, nichts Negatives thematisieren… Da wird einem doch bewusst, in was für einer schönen Zeit wir doch heutzutage leben und künstlerische Freiheit genießen. Wäre Schostakowitsch damals nicht so ein populärer Komponist gewesen, der im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, er wäre für diese Oper sofort umgebracht worden...

Auf CD gibt es meiner Meinung nach keine gänzlich perfekte Einspielung (die Aufnahme unter Rostropowitsch aus den Siebzigern ist z.B. ganz ok). Eine wahre Großtat vollbringt allerdings Mariss Jansons (mal wieder…) mit seinem Dirigat zur Inszenierung von Martin Kusej, die 2006 in Amsterdam aufgeführt wurde. Die ganze unbändige Kraft der Musik, das Provokat-Vulgäre, fängt Jansons perfekt ein - das Orchester wird zu einer tosenden Maschinerie. Die Inszenierung ist ebenso extrem: die Bühne voll mit Schlamm, die Sex-Szenen realistisch und provokant dargestellt und an Theaterblut darf auch einiges vergossen werden. Wirklich ein intensives, fesselndes Erlebnis! Die Inszenierung gibt es auf DVD (siehe Cover/Amazon-Link oben) - bleibt zu hoffen, dass eines Tages die Audiospur mit Mariss Jansons´ großartiger Interpretation der Musik auf CD erscheint.

Sodelle, Freunde, das wär´s erstmal von meiner Seite - ich hoffe, einige für Schostakowitsch ein wenig interessiert zu haben und wäre glücklich, wenn auch andere ihre Erfahrungen mit der Musik Schostakowitschs posten würden. An Dramatik und Emotion gibt es kaum einen Komponisten, der mich mit seiner Musik bisher mehr gefesselt hat (gut, außer Elliot Goldenthal vielleicht :D ) - man könnte durchaus auch sagen, dass Schostakowitschs Musik für Filmmusik-Hörer genau das richtige ist, da sie doch etwas von der Theatralik und szenischen Dramatik der Filmmusik besitzt.

Ich übertreibe wohl nicht, wenn ich abschließend sage: Dmitri Schostakowitsch, einer der interessantesten Komponisten aller Zeiten - mit dem es sich zu beschäftigen lohnt!

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Bearbeitet von Sebastian Schwittay
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Wer sich ein wenig von Schostakowitschs Musik anhören will sollte hier schauen:

BBC - Radio 3 - Discovering Music Archive

Dort kann man sich folgende Werke kostenlos anhören.

Cello Concerto No.1

String Quartet no.8

Symphony no.10

Symphony no.5

Dazu gibt es interessante Anmerkungen und Analysen mit nettem britischem Akzent.

Schostakowitsch gehört zu meinen Lieblingskomponisten (ich hab generell ein Faible für russische Komponisten) und freue mich daher umso mehr über deine Würdigung, Sebastian. Große Klasse. :konfused:

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  • 2 Wochen später...

Vielleicht haben es einige wegen der Länge meines Textes übersehen, aber zum Violinkonzert hab ich auch zwei YouTube-Links gepostet, unter denen man sich die beiden schnellen Sätze des Konzerts komplett anhören/ansehen kann.

Neben den von Andre geposteten Links könnt ihr hier ja auch noch ein wenig "reinschnuppern" - eigentlich ein sehr typisches, für den Stil Schostakowitschs relativ repräsentatives Werk. Die beiden Sätze sind auch nicht lang, jeweils etwa 6 Minuten.

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Holla die Waldfee,echt viel Arbeit,darauf hätte ich keine Lust.:)

Da ich momentan ziemlich "drin" bin in der Materie, ging´s mir glücklicherweise recht zügig von der Hand... :D

Dennoch, 7 DIN-A4-Seiten zu füllen, hatte ich anfangs auch nicht vor. :D

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  • 3 Wochen später...

Ich habe jetzt auch mal endlich die Zeit gefunden, deinen ausführlichen Thread zu lesen. Hut ab, muss ich sagen! :D

Dein Thread fand ich sehr interessant und habe daher gestern im Media Markt gestöbert und bin auf folgende CD gestoßen:

Diese Aufnahme ist aus dem Low-Price-Katalog der EMI-Serie. Das Cellokonzert wurde mit dem Bournemouth Symphony Orchestra unter der Leitung von Paavo Berglund eingespielt. Das Cello spielt Paul Tortelier.

Ich bin mit dir, Sebastian, ganz d'accord: Die Shostakovich-Konzerte sind hochinteressant und beileibe die besten Werke des Komponisten! Ich habe selten so ein originelles und extravagantes Konzert gehört. Ein Hörgenuss pur!

Das Violinkonzert wurde mit dem New Philharmonia Orchestra unter der Leitung des Komponistensohnes Maxim Shostakovich eingespielt. Den Violinenpart übernimmt der sehr sympathische und erfolgreiche Geiger David Oistrakh. Auch das Violinkonzert büßt nicht von der kompositorischen Glanzleistung, die Shostakovich herbeizauberte, ein: Sehr speziell und in gewohntem, russischen Shostakovich-Manier.

Beide Konzerte wurden Anfang der 70er Jahr aufgenommen und sind unvergesslich genial! Ich bin mit dieser Aufnahme des Cello- und Violinkonzertes völlig zufrieden und widme mich später seinen Nachfolger-, sowie den Klavierkonzerten.

Die Symphonien sind für mich auch der Inbegriff Russlands. Seine Fünfte und Elfte sind mir sehr positiv aufgefallen. Und auch die von dir angesprochene Zehnte weist einen uneremesslichen Originalitätsfaktor auf! Die späten Symphonien (12 -15) liegen mir nicht so. Auch "Babi Yar", die Dreizehnte (wo es ja verschiedene Versionen gibt), ist mir ein bisschen... "langweilig", um es mal so auszudrücken.

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Ich habe heute die Gelegenheit gehabt, mir beide Klavierkonzerte von Shostakovich anzuhören. Ich muss sagen: Beim Hören der Konzerte habe ich vermutet, zwei mir unbekannte Klavierkonzerte von Prokofiev zu hören! :D

Dieser Wahnwitz, diese Ideenvielfalt, die Orchestrierung und der virtuose Klavierpart... all das lässt auf Prokofiev schließen. Da hat sich der Herr Shostakovich die Prokofiev-Konzerte als Vorbild genommen. Das erste Konzert ist eine Art "Triplekonzert": Ein Konzert mit Klavier, Solotrompete und Streichorchester. Aber die musikalische Affinität dieser ist Shostakovich zuzusprechen, denn diese Musik ist klangkoloristisch seine Handschrift.

Das zweite Konzert ist noch traditioneller als das Erste und hat in meinen Augen mehr mit den Prokofiev-Konzerten gemeinsam. Alles an allem sind das zwei wunderschöne und tonale Abendkonzerte.

Die von mir favorisierte Aufnahme stammt ebenfalls aus dem Low-Price-Katalog von EMI:

Es dirigiert Mariss Jansons (wie Sebastian schon erwähnte: Der wohl vermeintlich kompetenteste Shostakovich-Dirigent) das erste Konzert mit den Berliner Philharmonikern und mit dem London Philharmonic Orchestra das Zweite. Mikhail Rudy übernimmt das Klavier. Eine lohenswerte Einspielung; auch ich bin beim ersten Höreindruck mit dieser Aufnahme im Einklang (die erste Symphonie gibt es auch noch mit dabei).

Danach habe ich mich - mit freudigen und erhellenden Erwartungen - dem Cello- und Violinkonzert Nr. 2 gewidmet. Beide Nachfolgerkonzerte sagen mir nicht so zu. Sicherlich sind die Soloparts immer noch recht originell, aber die Gesamtstücke doch recht kühl und gelassen. Diese "Frische", was ich bei Shostakovich immer so bewundere, fehlt hier völlig. In meinen Ohren passiert da zu wenig. Auf Dauer wurde es mir beim Hören schrecklich langweilig. Mich stört an den Konzerten, dass die Soloparts stark überwiegen und das Orchester nur als morsche Begleitung fungiert. Das gesamte Konzertverständnis entfaltet sich bei mir nur, wenn ich meine Augen schließe und das Konzert auf mich einwirken lasse - also quasi als Meditationshilfe. Aber zum interessierten Zuhören ist es weniger geeignet.

Den Link zur CD finde ich bei Amazon nicht, daher einfach nur die Details:

Es spielt das LPO mit Mariss Jansons (Cellokonzert) und das BBC Symphony Orchestra mit Sir Andrew Davis (Violinkonzert). Das Cello spielt Truis Mork und die Violine spielt Dimitry Sitkovetsky.

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  • 9 Monate später...

Über ein Vierteljahrhundert hat es gedauert. Nun endlich gibt es eine neue Einspielung von Dmitri Schostakowitschs expressionistisch-avantgardistischem Opern-Erstling "Nos" ("Die Nase") - die letzte war eine russische Aufnahme unter Gennadi Roschdestwenski aus dem Jahr 1974.

Eine sehr aggressive, kraftvolle Interpretation, die dem kühnen, bissig-satirischen Werk durchaus gerecht wird, allerdings klanglich nicht wirklich zufriedenstellend ausfällt und auch nicht mehr einfach zu bekommen ist (erschienen beim russischen Label Melodiya).

Nachdem auch im Schostakowitsch-Jahr 2006 keine Neueinspielung erschienen ist, hat sich nun Valeri Gergiev der Oper angenommen. Es musizieren die Solisten, der Chor und das Orchester des St. Petersburger Mariinski-Theaters. Scheint also was wirklich Besonderes zu sein. Ich bin extrem gespannt auf das Teil! :)

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Gast NakedSnake

Wirklich klasse Thread! :(

Bin ja nun schon seit ein paar Wochen dabei, die Klassik (bzw. klassische Musik) für mich zu entdecken und bin nun durch deinen Thread auch auf Schostakowitsch gestoßen. Nach erster Skepsis, war ich doch vorher noch weitestgehend Mozart und Beethoven gewohnt, bin ich inzwischen extrem begeistert. Seine Werke reißen mich mit und lassen mich wirklich auch mal negative Gefühle nachempfinden - was auf keinen Fall schlecht ist!

Gerade in Verbindung mit seiner Biografie wirkt die ganze Musik noch "tiefgehender". Ich hab bis jetzt noch nicht so viel gehört, werde mich also später nochmal dazu äußern. :)

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  • 2 Wochen später...

Ich höre ja in den letzten Tagen mit großer Begeisterung seine 8. Sinfonie c-moll, ebenfalls in einer Einspielung unter Mariss Jansons (aus der von mir empfohlenen EMI-Box). Es spielt das Pittsburgh Symphony Orchestra.

Die 1943 entstandene Achte ist die mittlere der drei "Kriegssinfonien" des Komponisten und spiegelt die Grauen des Krieges wirklich sehr eindringlich wider. Während die berühmte Siebte, die "Leningrader", noch durchaus sehr auf Breitenwirkung zielte und beim Regime auch äußerst beliebt war (man denke an die eindringliche, plastische "Invasionsmusik" der Deutschen im ersten Satz und die einnehmende Sieges-Apotheose im Finale), ist die Achte nicht nur wesentlich düsterer und sperriger, sie fiel auch bei den Sowjet-Kritikern überwiegend durch.

Heroischer Gestus fehlt im Grunde wirklich komplett, stattdessen herrscht Entsetzen vor: katastrophische, alles überrollende Klangwalzen, wie riesige Wellen (v.a. im ersten und letzten Satz) und natürlich beißende Groteske in den schnellen Sätzen 2 und 3. Im noch recht traditionell gehaltenen zweiten Satz ein überschwängliches, ironisches, marschartiges Scherzo und im dritten, dem wohl interessantesten Satz des Werks, eine mechanistisch-motorische Toccata, die das rhythmische Element ganz in den Vordergrund stellt. Hier hat man wirklich ganz und gar das Gefühl, eine perfekte musikalische Illustration des Krieges zu hören, natürlich ein wenig abstrahiert: der Krieg als stumpfe Vernichtungsmaschinerie, die jeder Menschlichkeit zuwider läuft.

Der erste Teil des Satzes ist dementsprechend auch als unbarmherzig fortlaufendes, rhythmisches Band angelegt, über dem kleine, kurzatmige Motive stoßartig zerrissen werden. Schließlich geht der Satz über auf eine grotesk-satirische Ebene, die die fratzenhaft gackernde, heroische Verklärung des Krieges deutlich macht (eine Satire auf Kriegspropaganda): eine stumpfsinnige, rasende Polka mit prägnantem Off-Beat-Becken, über deren stupidem Rhythmus die Trompete ein wahnwitziges Solo abgibt. Schließlich geht alles wieder in die musikalische Faktur des ersten Teils zurück und endet letztlich in einem katastrophischen, mahlerschen Einsturz auf einem grotesken Höhepunkt - und die Musik sinkt hinab in das von stiller Trauer geprägte Largo des vierten Satzes.

Ich hab euch den Satz mal auf YouTube rausgesucht - eine "Anti-War"-Bildmontage, zu der die Musik läuft. Sicher ist das etwas ahistorisch, aber es passt zu meinem eigenen Erstaunen doch sehr gut und verdeutlicht auch die inhaltliche Relevanz der Musik bis in unsere heutige Zeit.

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=MnCq9_Gypjk]YouTube - ANTI-WAR VIDEO (Shostakovich - Symphony 8 - 3nd Mov)[/ame]

Die Einspielung, die hier zu hören ist, dürfte Haitink mit dem Concertgebouw Orchester Amsterdam sein, bin mir aber nicht sicher. Eine gute Einspielung in jedem Fall, aber ich bevorzuge doch den Jansons. Einfach unglaublich, zu was für einer Perfektion der Mann das Pittsburgh Symphony Orchestra getrieben hat, zu was für hundertprozentig perfekten Phrasierungen und überalldies zu einem so grandiosen, strahlenden Trompeten-Solo im Mittelteil. Wirklich eine Top-Einspielung! Hier das Cover, ist auch außerhalb der Box als Einzel-CD erschienen:

Bearbeitet von Sebastian Schwittay
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  • 2 Monate später...

Ich habe mir mal gedacht, dass ich den Thread wieder aufleben lasse und vermehrt Shostakovich zu einer meiner Lieblingskomponisten bekennen möchte. Schön, dass Shostakovichs radikalste Symphonie präsentiert wurde. Man kann sich in Worten und Euphorie baden und kommt letztendlich zu einem knackigen Schluss: Die Achte ist schlichtweg ein Meisterwerk. Das brutale Klanggewand mit dem Gefieder eines gut ausgestattetem Sinfonieorchesters bildet ein originelles Kunstwerk aus Dramatik, Emotionsstärke und (teilweise auch) Larmoyanz. Es zählt zu dem Zenit seines Schaffens - in sinfonischer, sowie in gesamtmusikalischer Perspektive. Es ist sozusagen ein Kontrast zum Vorgänger und zeigt das Leid des Krieges. Wenn man die Wolkow-Memoiren näher betrachtet, so sah Shostakovich in dessen Werk und in der "Leningrader" sein Beitrag als Requiem zum Zweiten Weltkrieg.

Ich muss sagen, dass ich anfangs mit dem Werk wenig anfangen konnte. Mag einerseits daran liegen, dass ich solche Klangfacetten nicht gewohnt war und zum anderen hatte ich eine ermüdende und interpretationsschwache Einspielung im Gehör: Es war André Previn mit dem LSO (1994er DG-Aufnahme, nicht die 70er-EMI-Fassung). Keine gute Empfehlung: Alles in die glattgeführte, verwaschene und emotionshemmende Richtung gezogen.

Ich habe mich seit einigen Monaten intensiv mit ein paar Shostakovich-Symphonien beschäftigt und war voerst Sebastians Meinung, dass Jansons den besten Zyklus fertigte. Jedoch fand ich heraus, dass abseits der Mainstream-Aufnahmen bessere Interpretationen aufwarteten. Mariss Jansons Aufnahmen sind - wenn man die Durchschnittsaufnahmen betrachtet - hervorragend. Erstaunlich sind auch seine Denkweise und Zügen, die er interpretatorisch durch Aufnahmen belegt, aber "Der wohl kompetenste Shostakovich-Interpret unserer Zeit" muss ich wohl verneinen (es sei denn, man nimmt die nur noch heute Lebenden, aber auch in den 1990/2000er Jahren waren Rostropovichs Anweisungen ein ganzes Stück mehr bewandert). Da äußerte sich meine Meinung zu Jansons zunehmend als Faux-Pas aus Mangel an Vergleichen.

Hier stellt sich nun die Frage, welcher Dirigent befähigt wäre, eine absolute Top-Aufnahme hinzulegen? Mein Erstgedanke fiel auf Jewgeni Mravinsky, der nicht nur einige Uraufführungen von Shostakovich-Symphonien (wie die schon aufgeführte Achte) leitete, sondern auch ein enger Freund von ihm war (bis Shostakovich in die kommunistische Partei eintrat, da verspannte sich das Freundschaftsverhältnis). Dann gibt es noch den Shostakovich-Freund Kyrill Kondrashin, der spitzenmäßige Orchesterführung mit den Moskauer Philharmonikern bewies. Als einer, der sehr viel Versiertheit und Verständnis der Shostakovich-Symphonien zeigte, war er meines Wissens nach der Erste, der den kompletten Zyklus hinterlegte, der auch - um es vorwegzunehmen - zu meinem Top-Favoriten gehört (aber im Kontext dann mehr). Der letzte Kandidat, dem ich die Würde des einmaligen Shostakovich-Feelings ausspreche, ist ein Schüler und Freund des Meisters und war sogar auch als bedeutender Cellist im Klassik-Metier unterwegs: Msistlav Rostropovich (die einzige Ausnahme, die in die Mainstream-Aufnahmen-Abteilung fällt). Von Gennadi Rozhdestvensky (ebenfalls Schüler und Freund) kenne ich keine Einspielungen und kann sie somit nicht beurteilen, obwohl sie von Kennern mit Kondrashin mehr oder minder als gleichgültig gezählt werden. Jeder hat auf seiner Art und Weise hervorragende Dirigate gezaubert, daher gehe ich auf die von mir favorisierten Aufnahmen ein. Da wir bei der Achten waren, bleibe ich vorerst da.

Bernard Haitink spielt mit dem Royal Concergebouw Orchestra eine sehr feinfühlige Art. Er schätzte die Symphonie und daher ist sie auch sehr gelungen (einige schätzte er nicht und das hört man in dem Zyklus auch). Hier fehlt mir jedoch der gewisse Tiefgang, den ich bei so einer Symphonie einfach erwarte. Daher lauschte ich mich in die Jansons-Interpretation hinein und ich muss sagen: Schon besser - was den Tiefgang betrifft. Allerdings scheitert es an einer guten Klangfassade der Achten, da die Pittsburger (wie andere amerikanische Orchester auch) ihre perkussive Ader des "Brass Band-Sounds" betonen. Dadurch fehlt in meinen Augen der russische Geist des Orchesters, der diese Symphonie sagenhaft kleidet. Hätte Jansons wie z.B. bei dem Vorgänger die Leningrader Philharmoniker gehabt, wäre mein Urteil deutlich besser ausgefallen. Leider ist auch Rostropovichs Einspielung mit dem National Symphony Orchestra of Washington D.C. demselben Muster verfallen, obwohl ich Rostropovichs Achte als sehr empfehlenswert einstufe. Später im neuen Jahrtausend spielte Rostropovich die Fünte, Siebte, Achte und Elfte mit dem LSO ein. Die Live-Aufnahme aus dem Barbican Center in London soll seiner Alten in Nichts nach stehen - vielleicht kann jemand anders dazu eine Aussage treffen.

Seit ich mich für Kyrill Kondrashin begeisterte, durfte ich seine Version der Achten mit Hochglück genießen:

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Eine Spitzenaufführung mit vorzüglicher Lebendigkeit. Kyrill Kondrashin dirigiert die Moskauer Philharmoniker im Jahre 1961. Das russische Label Melodiya fühlte sich der ehrenwürdige Aufgabe gewachsen, die gesamten Symphonien aufzunehmen. Die Aufnahme ist impulsiv, tiefgängig und durch die Moskauer wird Shostakovich-Atmosphäre par excellence geboten. Hier hört man deutlich, dass Kondrashin mit einer überzeugenden Kraft und Intensität arbeitet. Das Orchester der Hauptstadt trägt auch den von mir erwähnten russischen Geist des Werkes inne. Eine Referenzaufnahme!

Die Einzel-Version ist nicht mehr auf dem Markt erhältlich, aber die Gesamteinspielung wurde glücklicherweise neu aufgelegt:

Ich sage nur: KAUFEN, KAUFEN, KAUFEN! Ist in meinen Ohren im Gesamtkontext besser als Jansons und mit 67,99 Euro bei 11CDs gar nicht mal in einer so stolzen Preisklasse. Den Jansons gibt es zwar für die Hälfte, aber ich gebe da lieber das Doppelte für aus... muss jeder für sich selber wissen.

Allerdings sollte man einige Mängel bedenken: Die Aufnahmetechnik stand gegenüber den westlichen Ländern hörbar dahinter, so merkt man z.B. bei der Achten, die als Erste im Zyklus im Jahre '61 aufgenommen wurde, dass sie ein wenig schwankt. Und die Qualität ist für 1961 auch ein kleinbisschen schwächer, als man es bei gewohnten Aufnahmen aus derselben Zeit vorfindet. Die späteste Aufnahme ist 1975 und auch hier merkt man bei einer Ost-West-Analyse minimale Differenzen im Klangkonzept. Aber es tut diesen mitschwingenden und temperamentbefüllten Aufnahmen kein Abbruch!

Später gehe ich noch auf andere Symphonien ein, werde dann aber hierzulande Alternativ-Empfehlungen zu Kondrashin deuten (sonst wäre es ja langweilig, da ich immer auf Kondrashin pochen würde...).

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  • 3 Wochen später...

Ich habe mir noch mal Kondrashin zur Gemüte geführt und muss sagen, dass es eine ausgezeichnete Interpretation ist, wie er im ersten Satz radikale Anschläge verzeichnet und sich mit der bissigen Aggression bis zum dritten Satz hochpeischt - Wahnsinn! :D

Allerdings muss ich auch meine euphemistischen Phrasen gegenüber der Aufnahme ein wenig zügeln, denn immerhin fällt mir vermehrt auf, dass den Moskauern unter Kondrashin die gewisse Farbenfröhlichkeit fehlt, die man gerade im letzten Satz sehr braucht. Daher wirken die melodiösen Passagen etwas blass und geben nicht die kraftvollen Instrumentenstimmen her, die man mit dem noch glühenden Feuer entzünden kann. Auch musste ich feststellen, dass die neue Box von Melodiya ein sehr feines Remastering über die Vorveröffentlichungen gezogen hat. Die 90er Jahre-Pressungen haben da schon sehr akkustische Schwankungen und entziehen somit die schimmernde Kristallklarheit. Daher kann ich nur erwähnen, dass die Anschaffung der Neupressungen für den Shostakovich-Liebhaber sehr lohnenswert ist. Wer die Symphonie mit enormer Bosheit und mitreissenden Leidenszügen erleben will, ist hier bestens bedient.

Um die "Stalingrader Symphonie" (inoffizieller Titel) von meiner Seite aus endgültig abzuschließen, möchte ich noch auf die Interpretation Mravinskys hinweisen, die ich im letzten Posting vergaß anzugeben. Was für Aufnahmen gibt es? Der Uraufführungsdirigent der Achten (und auch Widmungsträger dieser Symphonie) hat uns mit vier Tonaufnahmen bereichert: Eine aus 1947 in Leningrad, später in 1960 im Rahmen eines BBC-Konzertes, ein Jahr später wieder in Leningrad und die Letzte in Moskau aus 1982 - alle mit den Leningrader Philharmonikern versteht sich.

Ich habe mich für die Letzte entschieden: Es ist eine Live-Aufnahme aus Moskau '82, allerdings habe ich kein Publikums- oder andere Störgeräusche wahrgenommen, so dürfte man nur vermuten, dass es sich um eine live-atmosphärische Interpretation handelt. Die Qualität ist in DDD, aber wie auch schon bei Kondrashin erwähnt, ist der qualitative Ost-West-Vergleich derselbe: Die Aufnahme ist klangtechnisch für die frühen 80er recht dumpf abgemischt, aber es hält sich alles in Grenzen.

Die Erstpressung erschien bei Philips - ist aber schon out of print. Hier die CD:

Ich besitze die CD mit einem anderen Cover, die 2006 neu aufgelegt wurde und in meinen Augen den symphonischen Charakter mehr wiedergibt:

Die vorliegende CD ist bei Regis erschienen, wurde laut Angaben des Booklets frisch restauriert. Das Cover finde ich vor allem beeindruckend, da die abgebildeten, stählernden Soldaten symbolisch die Kriegsmaschinerie der stalinistischen Gewalt widergeben. Und recht entzückend sind die Aneinanderreihungen der T-Symbole, die wohl als Synonym des Sichels und des Hammers der UdSSR gelten. Genau wie das Cover, so hat Mravinsky ein sauberes Verständnis seiner gewidmeten Symphonie.

Mravinskys Dirigat sticht damit hervor, dass er die Symphonie weniger aggressiv und radikal, sondern mehr auf Schönklang trimmt. Sicherlich stößt diese Eigenart nicht auf Shostakovichs Intentionen, seine zweite Kriegssymphonie abzumildern, aber gibt doch ein höchstinteressanten Aspekt wider. Wenn man diesen näher beleuchtet, so ist die Symphonie gerade im letzten Satz durch die Klangfarben sehr ästhetisch geraten. Den Schluss führt Mravinsky auf, als käme nach all den Qualen des Zweiten Weltkrieges eine geistige Erlösung. Wirklich sehr stimmig und vor allem die Betrachtung der Symphonie von einer ganz anderen Perspektive gibt ihr einen hochkäratigen, mysteriösen Charakter.

So luftig und mit klangschöner Transparenz die symphonische Deutung Mravinskys aussieht, so leidet etwas die bissige Ausarbeitung der ersten drei Sätze. Der Widmungsträger dirigiert den ersten Satz langsamer, aber gibt doch eine vernünftige Art wider, die sich zu hören lohnt, weil sie sentimental und gewaltig aufgeführt wird. Erst im zweiten Satz werden die leichten Formungen Mravinskys zu einer Aggressionshemmung und der dritte Satz, der sich eigentlich sehr durch die strenge Kraft bis zu den Paukenschlägen durchringt, wird auf zurückhaltender Weise musikalisch dokumentiert und das Ergebnis zeigt sich - leider - weniger packend.

Summa summarum hat bei mir die Mravinsky-Aufnahme eindeutig gemischte Gefühle hinterlassen. Aber ich finde sie trotz ihrer sichtigen Mängel als eine sehr empfehlenswerte und nicht zu verachtende Einstufung der Aufnahmensammlung dieser Symphonie.

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Mir fällt übrigens ein, dass sich beim obigen Text der Fehlerteufel einschlich: Die 1982er Ausgabe ist live aus Leningrad, nicht Moskau (habe das wohl mit Kondrashin durcheinander gewürfelt). Ich stehe der Aufnahme jedenfalls jetzt, nach mehrmaligen Hören, optimistischer gegenüber. Sie mag zwar nicht mehr den Biss eines furiosen Kondrashin haben, aber sie ist durch ihre zurückhaltende Art sehr detailreich und feinfühlig. Das schafft eine andere - vielleicht auch wohltuendere - Atmosphäre als man es von der Symphonie gewohnt ist.

Eigentlich wollte ich die Achte wirklich nicht mehr aufgreifen, aber sie packt mich immer mehr, so dass ich mich mit Schweißperlen an der Stirn zum Kauf der Rostropovich-Einspielung mit dem LSO überwunden habe:

Die Aufnahme ist live aus dem Barbican Center in London und wurde 2004 aufgenommen. Es spielt das LSO und das Label stammt vom selbigen Orchester (sie haben eine Reihe von zentralen Werken der klassischen Musik frisch eingespielt). Obwohl sie live ist, so vernimmt man weder Publikum, noch Geräuschefilter oder sonstwas. Der Klang ist kristallklar und mit dem DSD-Verfahren (Direct Stream Digital) aufpoliert worden. Zur Interpretation: Ich bin erstaunt, wie Rostropovichs Lesart der Symphonie ausgegangen ist! Er hält sich klar dezent zurück, ähnlich wie Mravinsky, jedoch zaubert er mehr eine Bindung zwischen Schönklang und Orchesterknall. Keiner der Sätze sind langweilig, aber auch hier verliert das Werk durch seine gebremste, dirigierende Ader an Brutalität. Aggressionen sind insofern vorhanden, weil sie recht knallig und scharf interpretiert wird. Wenn man es so sehen will, ist das Ergebnis recht gut geworden. Allerdings bevorzuge ich da immer noch Mravinsky und Kondrashin wegen ihres Vorteils der russischen Orchester und wegen ihrer intensiven Nähe zum Komponisten. Rostropovich war zwar auch ein enger Freund, allerdings empfinde ich, dass er den Kern nicht ganz getroffen hat.

So, aber jetzt ist es von meiner Seite aus wirklich Schluss!

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  • 3 Wochen später...

Durch diesen Thread wurde ich überhaupt auf diesen Mann aufmerksam und ich habe mir zunächst erst zwei Symphonien von ihm vorgenommen, die fünfte und die neunte. Mit beiden konnte ich mich schnell anfreunden und meine Neugierde wuchs, ich wollte mehr von ihm kennen lernen. Also kaufte ich mir alle 15 Symphonien. Ich griff zunächst zu einer Einspielung von Rudolf Barshai mit dem WDR-Symphonieorchester:

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Die Box ist mit einem Preis von 20 nicht sehr teuer, daher dachte ich mir, dass man da ja erstmal nicht viel falsch machen kann.

Ich kann die Box generell jedem empfehlen, der Shostakovich kennen lernen will. Die meisten Symphonien meistert Barshai mit dem Orchester gut, besonders die vierte, siebte und die neunte sind gelungen. DIe neunte ist richtig flott und zackig, da macht das Hören Spaß. Auch die Achte ist überzeugend.

Weniger gelungen ist aber zum Beispiel die fünfte, die sehr langsam und träge dirigiert wird. Auch bei manch anderen fehlt manchmal ein bisschen der Pfiff und die letze Prise Dynamik. Unterm Strich empfehle ich sie dennoch: es ist ein großartiger Komponist mir großartigen Symphonien für kleines Geld :)

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  • 1 Jahr später...

Da ich mich normalerweise eher in den Filmmusik-Bereichen aufhalte, ist mir dieser Thread erst heute aufgefallen. Sebastian, vielen Dank für die lange Beschreibung. Ich habe mir die erste hälfte durchgelesen, die zweite kommt dann etwas später.

Ich mag die russischen Komponisten, vor allem deren Balettwerke sehr gerne. An oberster Stelle ist Prokoview (am liebsten von Ashkenazy), gefolgt von Khachaturian, Rachmaninov, Stravinsky und einige Werke von Tchaikovsky.

Bis jetzt habe ich von Schostakovitsch die Jazz-Suiten und Ballett-Suiten von Brilliant so wie 4 Filmmusik CDs die 8 Scores von ihm beinhalten von Capriccio und seine 5 & 9 Symphonie unter der Leitung von Haitnik.

Ich habe auf Amazon.de herumgestöbert und fand Sebastian's Box für € 29 vor ... ich nehme an die Box war früher doppelt so teuer. Was ich aber auf Amazon gelesen habe war, dass 2 CDs fehlerhaft sein sollen?

...dass zwei CDs schadhaft gepresst sind. Insbesondere die Leningrad Symphonie ist nicht anhörbar vor lauter Knacken und Knirschen.

des weiteren meint jemand:

Ich halte die WDR-Aufnahmen von Barshai nach wie vor für die Referenzaufnahmen der Schostakowitsch-Sinfonien. Ich möchte dies anhand der 8. Sinfonie kurz erläutern. Während Barshai eine unerhörte Spannung bis zur alles überrollenden Perkussions"Entladung" aufbaut, fällt dagegen bei Jansons sowohl der Aufbau der Spannung, wie auch die Entladung äußerst zahm aus, da er meines Erachtens zu analytisch, die Details zu sehr betonend musiziert. Dadurch geht das große Ganze verloren. Um diese meine Behauptung zu verifizieren, empfehle ich jedem beide Aufnahmen in hoher Lautstärke zu hören: in der Reihenfolge Barshai und dann Jansons, ist der letztere kaum mehr bis zum Ende anzuhören.

Sebastian, was meinst Du dazu?

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  • 9 Monate später...

Mal wieder Zeit, diesen Thread wieder zu beleben ...

Und zwar aus aktuellem Anlass:

Valery Gergiev dirigiert ja zur Zeit alle (!) Schostakowitsch Symphonien n München im Gasteig.

Das ganze dauert schon eine ganze Weile, und nun kommt als Abschluss und für mich als Höhepunkt die 11.Symphonie zur Aufführung.

Gleich zwei Konzerttermine sind angesetzt, aber beide waren praktisch innerhalb weniger Tage ausverkauft, ich konnte mir zum Glück noch Karten sichern.

Jedenfalls rotiert bei mir zur Zeit fast nur noch diese Symphonie, die mit der 7. zu meinen Favoriten gehört.

Folgende Aufnahmen besitze ich auf CD, geordnet nach persönlicher Präferenz:

1) Vladimir Ashkenazy, St. Petersburg Philharmonic.

Eine unglaubliche Aufnahme. Sowohl klangtechnisch, wie bei Decca zu erwarten, eine Referenz, als auch interpretatorisch. Der erste Satz ist wirklich unglaublich bedrückend und fesselnd, im zweiten ist die Gewalt dann fast physisch zu spüren, der dritte Satz wird sehr symphonisch und breit ausladend zelebriert, im vierten geht Ashkenazy an die Grenzen, der Schluss lässt mich immer wieder sprachlos zurück.

2) Mariss Jansons, Philadelphia Orchestra

Kann es fast mit Ashkenazy aufnehmen, insbesondere im zweiten Satz, wo er in der "Massaker Szene" das Tempo anzieht. Leider gehen die Glocken im "Tocsin" völlig unter, daher ist der Schluss nicht so gut wie bei Ashkenazy

3) Bernard Haitink, Concertgebouw

Von den Tempi ähnlich wie Jansons oder Ashkenazy, aber leider nicht ganz so zupackend. Klangtechnisch fantastisch, und einige Effekte sind absolut genial. Auch hier ist der Schluss nicht ganz so packend wie bei Ashkenazy

4) Rostropovich, LSO

Gähn. Unglaublich, warum so viele Kritiker diese Version gut finden. Der erste Satz ist geschlagene 5 Minuten langsamer als bei Ashkenazy und verliert komplett jede Spannung, auch die anderen Tempi sind so dröge, dass ich mehrfach dabei war, die CD rauszuwerfen. Habe doch bis zum Schluss ausgehalten, und der vierte Satz gelingt ihm dann doch ganz gut.

Werde mir vor dem Konzert am 19.7. sicher noch eine Aufnahme zulegen, wahrscheinlich von Gergiev, Caetani oder Bychkov.

Gerade für Filmmusikliebhaber ein tolles Werk !!

Grüße,

Loyalheart

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  • 4 Monate später...
  • 1 Jahr später...

@ RealNeo:

 

Immer noch? Keine Ahnung, in meiner Box stimmt alles. Finde die Jansons-Einspielungen nach wie vor erstklassig, wenngleiche manche Sinfonien etwas leise gepegelt sind. Aber das fällt auf einer guten Anlage nicht ins Gewicht.

 

 

Hier mal ein Sinfonien-Ranking? Was sind eure Lieblingssinfonien von Schostakowitsch, nach Plätzen?

 

Bei mir sieht es so aus:

 

 

Platz 1: Sinfonie Nr. 6 h-Moll (1939) - ein seltsames dreisätziges Werk, eröffnet von einem langen, zutiefst traurigen und düsteren Largo, gefolgt von zwei sarkastischen schnellen Sätzen, die sich zum Schluss in eine regelrechte Manie steigern

 

Platz 2: Sinfonie Nr. 2 H-Dur "An den Oktober" (1927) - das berüchtigte "Zwitterwerk", bestehend aus einem avantgardistischen, Ligeti-Klangflächen-vorwegnehmenden Einstieg und einem heroischen Chorfinale, das die frühe Sowjetunion verherrlicht

 

Platz 3: Sinfonie Nr. 8 c-Moll (1943) - angsteinflößende Kriegssinfonie, die die großangelegte Tötungsmaschinerie Militär in teils hässlichen, teils bitter-sarkastischen Tönen nachzeichnet

 

Platz 4: Sinfonie Nr. 14 (1969) - Schostakowitschs sinfonische Beschäftigung mit dem Tod; ein ausgedünntes, sprödes Werk für Streichorchester und zwei Gesangsstimmen (vertont wurden Gedichte über den Tod von diversen Dichtern)

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