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Ich höre gerade folgendes Album (Der musikalische Rest)


Mephisto
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Empfohlene Beiträge

Tichon Chrennikow (1913-2007) war Generalsekretär des sowjetischen Komponistenverbandes von 1948 bis 1992 und als solcher "Gegenspieler" Schostakowitschs und der ihm nachfolgenden sowjetischen Avantgarde um Denisow, Schnittke und Gubaidulina. Von der Staatsführung als größter sowjetischer Komponist überhaupt hofiert und mit Preisen überhäuft, gilt er bis heute vielen als die Inkarnation des Bösen in der (russischen) Musik des 20. Jahrhunderts, der durch seine Eingriffe systematisch nicht nur Karrieren behindert und zerstört hat, sondern auch die Menschen dahinter. Bei Wolkow, dem Schostakowitsch-"Biografen" wird er als "Bluthund" geschildert, Chrennikow selbst zog es in seiner Autobiografie vor, seine Hände in Unschuld zu waschen - er habe in all seinem Tun immer nur Schlimmeres verhindern wollen. Solche Aussagen gibt es freilich von vielen der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts. Wie auch immer, die Wissenschaft lehnt aktuell beide Sichtweisen ab und laviert in der Mitte (Hakobian, Redepenning): Blut klebe zwar nicht an seinen Händen, doch wollte er mit äußerster Härte die Position der konservativen Fraktion im Verband gewahrt wissen, was die Vergabe notwenidger Staatsaufträge an ihm genehme Personen und weitere Gängelungen natürlich einschließt ...

Die UNESCO in ihrer Geschmacklosigkeit hat ihm, der auch Musik für Kinder geschrieben und den bis heute sehr wichtigen Tschaikowsky-Wettbewerb initiiert hat, 2002 eine Ehrenmedaille verliehen - "... denn sie wussten nicht, was sie tun".

Einig ist sich die Musikwissenschaft bei der Beurteilung seiner Musik: Kompositorisch mittelmäßig begabt, blieb seine Tonsprache stets der Tradition verhaftet (mit Ausnahme der 3. Sinfonie vielleicht, die zwar Zwölftonreihen enthält, diese aber konventionell handhabt). In der wahl seiner Mittel ist er nie über die Chromatik hinausgekommen. Eine gewisse melodische Begabung ist ihm nicht abzusprechen (viele Filmmusiken und Musiktheater der sehr leichten Muse legen davon Zeugnis ab), zudem sind seine Instrumentationen nicht ohne Kraft und die knalligen Instrumentalkonzerte technisch virtuos. Chrennikow schreckte vor dreisten Plagiaten und Stilzitaten nie zurück, seine "ernsten" Themen sind eher Hülsen denn Melodien, die thematische Arbeit bleibt auf Klangfarbenvariation beschränt (sie ist somit eben eigentlich keine th. A.), doch werden sie einem oft mich solcher Vehemenz und Penetranz eingehämmert, dass sie bisweilen doch im Ohr bleiben. In seinen besten Momenten klingt Chrennikow wie Prokofjew oder Chatschaturjan an einem schlechten Tag, in seinen schlimmen wie Schostakowitschs jämmerlich pathetischen Filmmusiken der Schdanowschtschina (späte 40er) - mit dem Unterschied, dass Chrennikow es ernst meinte und Schostakowitsch sich im Grunde über den Sozialistischen Realismus lustig machte.

Die 2. Sinfonie ist eine der sowejetischen Kriegssinfonien (wie Schostakowitschs 7./8. oder Prokofjews 5.) und rackert sich diesmal vor allem am Vorgenannten ab. Es ist nicht so, als ob man nicht leidlich unterhalten würde - sonst würde ich die CD nicht immer mal wieder hervorholen -, nur führt das alles zu nichts, außer vielleicht einem immensen Brummschädel. Aber hör selbst:

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=5ovitMeqO7o]‪Khrennikov Symphony 2 First Mvt.‬‏ - YouTube[/ame]

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Vielen Dank für die Ausführliche Info. Ich werde bei Zeiten mal reinhören, da mich doch das ganze Werk dann interessieren würde. Aber irgendwie werde ich wieder den faden Beigeschmack nicht los, dass man hier wieder gerne von der Person, die einen geschichtlich sehr unsymphatischen Hintergrund hat, auf ihr Schaffen urteilt. Der prominenteste Fall in dieser Hinsicht dürfte natürlich Wagner sein, dessen Musik vielen Leuten nicht gefällt, weil er halt Nazi war...ganz klar. 50 Jahre vor Hitler übrigens, aber trotzdem ein Nazi und deswegen wird seine Musik von vielen abgelehnt. Dass der Mann aber ein großartiger Komponist war wird ihm von vielen abgesprochen, die selbst in möglichst politisch korrektem und humanistischem Gewand dastehen möchten. Auch der Gestus, gerne in den Chor der empörten Heuchler einzufallen, weil's halt Konsens ist, trägt sehr viel zur Schwarzweißmalerei in solchen Fragen bei und macht einen objektiv geprägteren Blick auf das Schaffen solcher Personen nicht leicht. Dass bei solchen 'humanistisch' geprägten Ansichten und Ablehnungen oft völlig willkürlich gehandelt und nach Belieben auf bestimmten Komponisten rumgehackt wird, während andere verschont bleiben zeigen Beispiele wie Richard Strauss, der Musik zu Filmen der Nazi-Zeit, die Eröffnungsmusik zu den von den Nazis organisiserten olympischen Spielen etc. geschrieben hat aber da wird nie drauf eingedroschen wie auf Wagner oder Pfitzner.

Ein schönes Beispiel ist auch gerade Schostakowitsch, der hier als der größte Sowjet-Propaganda-Komponist verschrieen war bis dann seine Biographie erschien und man sich ganz plötzlich um 180° drehte und nun natürlich voll hinter dem unterdrückten Komponisten stand. Das geht dann ja so weit, dass man einen Hornkontrapunkt in seinem Cellokonzert sofort als 'zu dominant' entdeckt und munter behauptet, das Horn stehe für Stalin, der hier das Cello - natürlich das instrumentale Pendant zu Schostakowitsch - an die Wand drückt.

Das alles sind aber nur allgemeine Gedanken und ich bin froh, dass die Kunstwissenschaft mittlerweile auch einigermaßen begriffen hat, dass man erstmal aus dem Werk heraus forschen sollte und nicht aus den biographischen Umständen oder zeitgeschichtlichen Umständen. Beispiel hierfür sind Strauss' Metamorphosen. Hätte man die Skizzen etwas gründlicher Untersucht und sich nicht von der natürlich viel wirkungsvolleren Überschrift eines Notenblattes - "Trauer um München" - fehl leiten lassen, dann wüsste man gleich, dass die Metamorphosen keine musikalische Verarbeitung des von der Zerstöhrung Münchens deprimierten Komponisten waren.

Wie dem auch sei, bei mir läuft gerade zum zweiten Mal heute:

Havergal Brian - Symphonie Nr. 20

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Ich stimme Dir zu, was die Schnellschüsse aus biografischen und politischen Gründen angeht. In Vielem ist die Forschung inzwischen aber auch einen Schritt weiter: Chrennikows Bild im Westen ist in den jüngsten Publikationen eben nicht mehr ident mit dem früherer Jahrzehnte. Als Charakterschwein galt er im Wsten schon zwischen 1948 und 1979 (und somit vor Schostakowitschs Läuterung in westlichen Augen durch Wolkow), nach 1979 war er dann die absolute Unperson und mittlerweile ist man bemüht, das "einerseits/andererseits" zu sehen.

Auch im NS-Kontext hat sich da einiges getan. Wagners Musik aus rein ideologischen Gründen abzuwerten, weil er Antisemit war, dürfte heutzutage sicherlich nicht mehr ungestraft durchgehen - hingegen die Tendenz, dies einem Pfitzner nicht so leicht zu verzeihen, ist ungebrochen und selbst ein heutiger Pfitzner-Interpret wie Thielemann wird in die rechte Ecke gestellt. (Leider macht es Thielemann seinen Kritikern in der Art und Weise seines Auftretens aber teils auch recht einfach.) Dass allerdings Strauss seine Nazi-"Avancen" nicht angekreidet worden wären, stimmt nicht ganz, auch dazu gibt es haufenweise Literatur. Und wenn heute nur noch vergleichsweise (!) wenig Strauss gespielt wird, dürfte das auch damit zusammenhängen.

Existenzen wie Strauss, die sich in einem Unrechtsregime passiv, aber nicht ablehnend verhielten - Strauss hat eher die Form des Naziregimes als die dahinterstehende Gesinnung missfallen -, machen eine Wertung natürlich besonders schwer. Was die falsche Auslegung der "Metamorphosen" angeht: wissenschaftsphilosophisch ist so etwas vielleicht sogar manchmal notwendig, um dialektisch vom Fleck zu kommen, aber was dergleichen an falschen Vorstellungen gerade in der breiten Öffentlichkeit nach sich zieht, lässt sich in der Tat auch in hundert Jahren nicht mehr gerade biegen. Genau so ein Fall sind auch die - unter dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Redlichkeit unsäglichen - Wolkow-Memoiren, die bei Schostakowitsch klar für die noch immer grassierende Hyperinterpretitis des Biografischen oder Zeithistorischen (10. Sinfonie, Cellokonzert, 11. Sinfonie etc.) verantwortlich zu machen sind. Natürlich war Schostakowitsch ein bis zur Selbstzerstörung moralisch integrer Mann, aber sein Werk zur epischen Privatfehde mit Stalin umzuwidmen, ist ebenso dämlich wie die vorherrschende westliche Sicht des Mitläufers vor 1979. Weder in einer solchen Hyper-Instrumentalisierung von Musik (wenngleich natürlich die Instrumentalisierung EIN Aspekt des schostakowitsch'schen Kosmos ist) noch in der (eben kaum vorhandenen) Nueheit des musikalischen Materials liegt das eigentliche Genie dieses Komponisten, sondern im geistigen Horizont seiner Werke, dem außer Mahler nur ganz wenige andere Komponisten beikommen dürften. Wenn ich mir meine Bruckner-Apologie von gestern noch mal so durchlese, dann bemerke ich auch dort, dass das Rezitieren einer Gattungsgeschichte und die Aufzählung von Innovationen der musikalischen Materials auch diesem Komponisten so ganz und gar nicht gerecht wird - ich viel zu wenig auf den geistigen Hintergrund eingegangen bin, der doch zentral für das Verständnis Bruckners ist. Statt wieder dürre Worthülsen von Transzendenz, der religiösen Ausfüllung von abstrakt Musikalischem und so weiter zu bemühen, sei hier aber wirklich auf die Literatur verwiesen, in der das lang und breit und in wesentlich schönerer Sprache beschrieben ist.

Was Du, Gerrit, zum Chrennikow sagst, würde mich aber schon interessieren (bitte nicht als ultimative Aufforderung zum sofortigen Hören missverstehen). Denn wie gesagt, trotz der platten Mittel zieht es einen doch irgendwie mit. Insofern ist meine ursprüngliche Aussage von etwas "wirklich Schlechtem" natürlich auch ein Köder gewesen, um neugierig zu machen. Trotzdem stimme ich dem Verdikt der Literatur vom "schlechten" Komponisten insgesamt zu. Schlecht ist hier (anders als im filmmusikalischen Kontext) natürlich nicht so zu verstehen, dass der Mann sein Handwerk nicht beherrscht hätte. "Schlecht" macht dieses Werk vielmehr sein Epigonentum, die akademisch-schablonenhafte Befolgung der sinfonischen Form, die keinerlei Denken in größeren Zusammenhängen erkennen lässt, und ferner die melodischen Plattitüden und Orchestereffekte angesichts der Kriegsthematik - das lässt schon auf sehr schlechten Geschmack schließen.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, dass ich, was die Beurteilung Chrennikows angeht, nicht sklavisch an den Worten und Urteilen anderer klebe, sondern mich mit der Thematik seit längerem beschäftige. Ich strebe übrigens ein Buchprojekt an, das sich einem Komponisten widmet, dessen Vita gleichfalls problematisch ist und die daher, sollte sie je erscheinen, durchaus auch auf Widerstände stoßen dürfte. Aber seine Musik ist grandios, wenngleich das weite Kreise im Westen nicht werden verstehen können ...

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Jonas, danke für die tollen Ausführungen!:D Ich wollte mit dem Text auch gar nicht Dich oder Deinen Text zu Chrennikow angreifen sondern meine allgemeinen Gedanken kundtun. Lustigerweise mache ich gerade die Erfharung, dass besonders viel Strauss aufgeführt wird - allerdings von Studentenorchestern. Die Alpensymphonie ist momentan ein echter Hit kommt's mir jedenfalls vor, aber in Norddeutschland werden innerhalb eines halben Jahres auch viermal Haydns "Jahreszeiten" aufgeführt, die ja auch angeblich so selten gespielt werden.

Ich glaube auch, dass man Bruckners Bedeutung als Symphoniker nicht innerhalb einiger Beiträge eines Forum-Threads ausreichend beleuchten kann aber mich würde jetzt doch mal interessieren, was für Sebastian eben Schostakowitsch zum dritten Großmeister der Symphonie in erster Linie gemacht hat, denn wie Du auch meintest, Neues ist da im Gegensatz zu Haydn und Mahler in dieser Gattung ebenfalls nicht hinzu gekommen. Deine Meinung zu Schubert teile ich ebenfalls. Ich kenne nicht all seine Symphonien und am präsentesten ist mir die Achte und klar sind die Themen hübsch, aber doch recht epigonal (eine größere Ähnlichkeit zur "Ode an die Freude" im zweiten Thema des letzten Satzes könnte es gar nicht geben) und kurzatmik in ihrer Beschaffenheit (das erste Thema des ersten Satzes besteht aus einer rhythmisch variierten Quarte) und auch die Form ist nun äußerst konventionell. Ich persönlich erkenne Schubert seinen Verdienst im Kunstlied absolut an, jedoch handelt es sich hier wie beim Streichquartett nicht um meine bevorzugte Gattung (Mahlers Lieder und einige Vaughan Williams Zyklen bilden da die Ausnahmen). Sein symphonisches Schaffen wirkt für mich als Rezipient und Musiker (habe bei der Achten mitgespielt) trotz einiger schönen Momente und Freude bereitenden Augenblicken trotzdem als halbgar. Bruckners Werke sind jedoch ab der dritten Symphonie auf beiden Beinen stehende - wenn auch gigantische - Stücke.

Die Frage ist ja auch, ob nur Komponisten eine Berechtigung haben, die einer Gattung stets Neues abgerungen haben (wieder ein kleiner Blick auf Schostakowitsch) oder ob es nicht auch ein gleichwertiger künstlerischer Verdienst ist, die Form einer Gattung und ihre Prinzipien zu übernehmen aber ihnen trotzdem etwas Eigenes zu verpassen. Bruckners symphonisches Schaffen würde ich hier gerne mit Stravinskys Neoklassizismus vergleichen, denn auch Stravinsky wand sich alten Formen und Stilen zu, verarbeitete sie jedoch in seinem rhythmisch verzahnten und kühl instrumentierten Gewand. Bruckner übernahm grob die klassische Form der Symphonie (wie auch Schubert), setzte jedoch ganz eigene Akzente.

Mit Chrennikow werde ich mich nach Brian dann mal auseinander setzen und mal sehen, was unsere Bibliothek so von ihm zu bieten hat - besonders natürlich an Aufnahmen. Ich habe letztens für mich Alexander Mossolow entdeckt, dessen "Eisengießerei" mich sehr begeistert hat. Leider ist ja vieles von ihm verschollen und anscheinend gibt es noch nicht allzu viel Instanzen, die sich mit diesem Komponisten gewidmet haben.

Es freut mich übrigens, hier mal wieder einen Thread zu haben, in dem man über das gewöhnliche "Gefällt mir" ohne Probleme hinaus kommt. ;)

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Und nun die ersten fünf Minuten Musik, die ich heute vormittag gehört habe:

Havergal Brian - The Jolly Miller



1962 legte Brian seine Arbeit an der zwanzigsten Symphonie bei Seite, um seine dritte und letzte "Comdy Overture" zu schreiben. Die voran gegangenen 'komödiantischen Ouvertüren' waren "Doctor Merryheart" (1912) und "The Tinker's Wedding" (1948). Somit spannen alle drei Werke einen Bogen um das gesamte Schaffen Brians, angefangen in seinen frühen Jahren als Komponist über seine mittlere Schaffensphase bis zum Spätwerk. Während sich Brians Stil besonders in seinen großorchestralen Werken und seinen Opern von voluminöser Spätromantik über die gemäßigte, jedoch nie die Tonalität vollständig aufgebende Modern bis zu den knappen, teils fast kryptisch organisierten Werken seiner letzten Jahre immer einem nicht enden wollenden Wandel unterlag, bilden die drei Comdy Overtures drei Fixpunkte in Brians künstlerischem Schaffen. Alle drei Werke basieren zwar auf einem bestimmten Programm wie "Doctor Merryheart", für den Brian extra einen nicht reellen Charakter erschuf oder "The Tinker's Wedding", mit dessem Titel sich Brian sich auf die gleichnamige Komödie John Milliton Synges "Kesselflickers Hochzeit" beruft oder "The Jolly Miller", welches auf einer alten Volksweise basiert, die von einem misantropischen Müller handelt. Brian meinte, dass ihn der Müller des Liedes "The Millers Dee", dessen Melodie in "The jolly Miller " ausgiebig verarbeitet wird, an zwei Müller in seiner Heimatstadt Staffordshire erinnert, die sich abgrundtief hassten.
Trotz eines programmatischen Hintergrundes funktionieren alle drei Cody Overtures auch als absolute Musik, da Brian sich an altbekannten Formen orientiert. "Doctor Merryheart" besteht aus 11 Variationen eines Themas, "The Tinker's Wedding" ist ein Scherzo mit Trio und auch "The Jolly Miller" stellt einen losen Variationssatz dar, dem allerdings eine knapp 1 1/2- minütige Einleitung vorangeht, in der Brian eine eigene melodische Idee vorstellt. Hier zeigt sich in der heiteren Melodie und der durchlaufenden Bassbegleitung Brians Leidenschaft für die barocke Musik, mit deren Gesten er seine eigene Musik immer wieder spickt, ohne jedoch zu zitieren. In instrumentatorisch farbenfrohen Frage- und Antwortspielen werfen sich die Solointsrumente - insbesondere Trompete und Xylophon - einzelne Fragmente der Melodie hin und her. Schließlich erklingt die fast klagend melancholische Volksweise zuerst in der Soloklarinette und schließlich in den anderen Holzbläsern, bis ein resoluter Mittelteils einsetzt, der von einem forschen Marschrhythmus gekrönt wird. Schließlich erklingt noch einmal die Volksmelodie unverändert in voll orchestrierter Form bevor Brian die viereinhalb Minuten lange Ouvertüre zu einem triumphalen Abschluss führt.

Es ist schade, dass einen youtube leider in Sachen Brian nahezu immer im Stich lässt. Bei der ehemals bei Marco Polo erschienenen und bei Naxos wieder aufgelegten Einspielung des BBC Scottish Symphony Orchestras unter Lionel Friend handelt es sich um die erste professionelle Einspielung dieses kurzen heiteren Stücks, das Brian nie gehört hat. Mit der Zusammenstellung seines Violinkonzerts und der achtzehnten Symphonie handelt es sich bei diesem Album um einen tollen Überblick, der jedoch leider sehr unter technischen Mängeln in Hinblick auf den Klang zu leiden hat. Besonders das Blech klingt in diesen Aufnahmen sehr dünn, schrill und scheppernd. Das Orchester und der Solist hingegen leisten tolle Arbeit und auch das Booklet ist wieder sehr informativ. Wer also ein Ohr riskieren möchte sollte sich diese CD besonders wegen des Violinkonzertes zulegen. Die um Einiges umfangreichere Merryheart-Ouvertüre ist auf der CD mit Symphonie Nr. 11 und 15 enthalten und ohnehin jedem zu empfehlen, der sich einmal mit Brian auseinandersetzen möchte.
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An dieser Stelle brech ich mal die Klassik-Wand auf, denn bei mir rotiert im Moment das neuste Album von Amon Tobin: "Isam".

Wenn ich ihn mal kurz vorstellen darf: DJ aus brasilianischem Raum, dessen Musik grob dem Electronica zuzuordnen ist. Beim genaueren Kategorisieren würde mal sagen: Trip-Hop, Bass'n'Drum und IDM, dazu noch (je nach Album) ein Hauch von Jazz und Samba u.A., also ein ziemlich interessanter Mix.

Seit seinem Soundtrack zu "Splinter Cell 3" hat er einen treuherzigen Fan mehr in mir gefunden.

Was er im letzten Album "Foley Room" (2007) begonnen hat, und zwar die Erschaffung eines eigenen "unique" Sound-Universums, treibt er mit "Isam" nun auf die Spitze. Tobin ist durch Stadt und Land getingelt und hat alles Mögliche aufgenommen, vom Feuerstuhl bishin zur fressenden Ameise, es bearbeitet und verfremdet und in abgedrehte Klanggebilde eingearbeitet.

Und gerade das ist es, was einige seiner Fans am neuen Album bemängeln, dass er nämlich zum Handwerker verkommen sei: werkelt da in seinem Foleyroom rum und erschafft die wildesten Sounds und vergisst überdies Musik zu machen.

Ich selber seh das jetzt gar nicht mal so arg streng.

Klar hat Tobin mit "Isam" in Sachen Sounddesign seinen experimentierfreudigen Höhepunkt (bislang) erreicht hat: man staunt vor allem darüber, welche Arten von Klang möglich sind… Musik kann ich aber trotzdem noch ausmachen.

Nur der Zugang, der könnte sich vielleicht als etwas schwierig erweisen, das seh ich ein :D

Ich liebe vor allem diese eine Masche, die Tobin manchmal bringt:

den Track zunächst nur mit einem Beat bestreiten; trocken, basslastig, sonstwie perkussiv, abgedreht und mit Effekten vollgestopft, eigentlich recht seelenlos … und dann auf einmal (meistens zum Schluss) schält sich da ein Loop aus Harmonien heraus, der nach diesem Soundgewusel richtig, richtig gut wirkt und der "das Gefühl" mit sich bringt ;) Welches Gefühl das auch immer sein mag bei dem Einzelnen.

Zum Reinhören ein meiner Meinung nach bekömmlicher Track: "Journeyman".

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=fy_mZiaods8]‪Amon Tobin - Journeyman‬‏ - YouTube[/ame]

Was übrigens passiert, wenn sich Tobin beim klassischen Sektor bedient, zeigt der Track "Back from Space" (2002)… >Clair de Lune und >Mussorgskys Gnomus einträchtig miteinander vereint :)

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=7SUnlA8PqUk]‪Amon Tobin - Back From Space‬‏ - YouTube[/ame]

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Lustigerweise mache ich gerade die Erfharung, dass besonders viel Strauss aufgeführt wird - allerdings von Studentenorchestern. Die Alpensymphonie ist momentan ein echter Hit kommt's mir jedenfalls vor, aber in Norddeutschland werden innerhalb eines halben Jahres auch viermal Haydns "Jahreszeiten" aufgeführt, die ja auch angeblich so selten gespielt werden.

Ja, da sieht man es mal wieder: Sowas kann sich, zumindest regional, auch ganz schnell wieder ändern. Unsere hiesigen NRW-Studentenorchester dürften schon sehr lange keinen Strauss mehr gespielt haben (geschweige denn, leider) die ALPENSINFONIE. Das Orchester meiner Musikhochschule hat in den letzten Jahren wirklich fast nur Repertoire gespielt: Mahler, Bruckner, Strawinsky etc. Die ALPENSINFONIE hingegen dürfte in NRW ohnehin das letzte Mal ca. 2004 bei der Wiedereröffnung des Essener Saalbaus gespielt worden sein, evtl. auch noch einmal in Köln unter Bychkov. Bei der Orchesterdichte hier im Land schon eine Kunst ...

Deine Meinung zu Schubert teile ich ebenfalls. Ich kenne nicht all seine Symphonien und am präsentesten ist mir die Achte und klar sind die Themen hübsch, aber doch recht epigonal (eine größere Ähnlichkeit zur "Ode an die Freude" im zweiten Thema des letzten Satzes könnte es gar nicht geben) und kurzatmik in ihrer Beschaffenheit (das erste Thema des ersten Satzes besteht aus einer rhythmisch variierten Quarte) und auch die Form ist nun äußerst konventionell. Ich persönlich erkenne Schubert seinen Verdienst im Kunstlied absolut an, jedoch handelt es sich hier wie beim Streichquartett nicht um meine bevorzugte Gattung (Mahlers Lieder und einige Vaughan Williams Zyklen bilden da die Ausnahmen). Sein symphonisches Schaffen wirkt für mich als Rezipient und Musiker (habe bei der Achten mitgespielt) trotz einiger schönen Momente und Freude bereitenden Augenblicken trotzdem als halbgar. Bruckners Werke sind jedoch ab der dritten Symphonie auf beiden Beinen stehende - wenn auch gigantische - Stücke.

Wobei ich die 7. (also die "Unvollendete") hinsichtlich Eigenständigkeit in den Parametern Form und Melodik doch deutlich über die "Große" stellen würde - aber das reicht natürlich längst nicht, um den Bruckner "auszubalancieren". Auch für mich ist Schubert (wenngleich ich einige Aspekte des Insturmentalwerkes sehr schätze) in erster Linie ein bedeutender Liedkomponist, den ich im Rang deutlich über Schumann stellen würde. Mit dem Kunstlied habe auch ich mich lange Zeit schwer getan (wer täte das, von der spätromantischen Sinfonik und der Filmmusik kommend, nicht?), aber über den Umweg der mahlerschen Orchesterlieder (die mir noch immer die liebsten Lieder überhaupt sind) habe ich mir einen Zugang erarbeitet und ziehe diese Gattung mittlerweile Streichquartett & Co., dem Instrumentalkonzert, aber auch der Oper klar vor.

Die Frage ist ja auch, ob nur Komponisten eine Berechtigung haben, die einer Gattung stets Neues abgerungen haben (wieder ein kleiner Blick auf Schostakowitsch) oder ob es nicht auch ein gleichwertiger künstlerischer Verdienst ist, die Form einer Gattung und ihre Prinzipien zu übernehmen aber ihnen trotzdem etwas Eigenes zu verpassen. Bruckners symphonisches Schaffen würde ich hier gerne mit Stravinskys Neoklassizismus vergleichen, denn auch Stravinsky wand sich alten Formen und Stilen zu, verarbeitete sie jedoch in seinem rhythmisch verzahnten und kühl instrumentierten Gewand. Bruckner übernahm grob die klassische Form der Symphonie (wie auch Schubert), setzte jedoch ganz eigene Akzente.

Genau! Ein Vaughan Williams beispielsweise hat die Gattung als solche ebenfalls weder revolutioniert noch bedeutend erweitert, und doch würde ich ihn zu den bedeutenderen Vertretern der Sinfonie im 20. Jahrhundert zählen. Habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich die Erkenntnis irgendwann auch in Deutschland durchsetzen wird ...

Deiner Analogie von Bruckner und Strawinsky in ihrem Bezug auf die Tradition würde ich ebenfalls zustimmen, vielleicht noch ergänzt um die Überlegung, dass Strawinsky sich natürlich einem noch größeren Umbruch in der Musik gegenüber sah (Schönberg etc.). Obwohl er selbst den Neoklassizismus relativ schnell wieder aufgab, hatte er sicherlich auch mehr Nachfolger im Geiste als Bruckner.

Mit Chrennikow werde ich mich nach Brian dann mal auseinander setzen und mal sehen, was unsere Bibliothek so von ihm zu bieten hat - besonders natürlich an Aufnahmen. Ich habe letztens für mich Alexander Mossolow entdeckt, dessen "Eisengießerei" mich sehr begeistert hat. Leider ist ja vieles von ihm verschollen und anscheinend gibt es noch nicht allzu viel Instanzen, die sich mit diesem Komponisten gewidmet haben.

Ich bin gespannt, wie viel eure Bib von ihm hat. :mad: Ich werde es auch mal mit dem guten Mr. Brian versuchen ...

Mossolows "Eisengißerei" (im Russischen kurz "zavod" - Fabrik) ist faszinierend, auch der Rest seines Frühwerks muss grandios sein. Da gibt es leider teuflisch wenig Aufnahmen, wie überhaupt von den vielen tollen Komponisten der russischen Avantgarde VOR Schostakowitsch.

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Ja, schade um die wirklich interessanten Mossolov-Werke. Da hat Brian es mit seiner Havergal-Brian-Society schon ganz gut, die sich wenigstens immer wieder um seine Musik bemüht und der wir auch die ganzen Einspielungen zu verdanken haben. Als Einstieg in Brians Werk empfehle ich Dir die wirklich hervorragende Einspielung seiner dritten Symphonie und wenn Du viel Zeit, Lust und Laune mitbringst, einmal den Live-Mitschnitt der Proms-Aufführung der "Gothic-Symphony".

5 against 4: Proms 2011: Havergal Brian - Symphony No. 1 'Gothic'

Hier findest Du die vollständige Aufführung inklusive der Original-Programmtexte und eine super Erläuterung! Viel Spaß. Die Dritte gibt's hier:

Man muss seine Musik öfter hören, damit sie sich einem voll erschließen, weshalb er es mit Live-Aufführungen anscheinend auch immer sehr schwer hatte neben seinem sehr geringen Bekanntheistgrad natürlich, aber es lohnt sich absolut. Und bei 7,99 kann man echt nichts falsch machen :mad:

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In den letzten drei Tagen gehört:

Havergal Brian - Cello Konzert

Neben dem Violinkonzert aus dem Jahre 1934 bildet dieses 30 Jahre später entstandene Konzert die einzigen Instrumentalkonzerte im größtenteils orchestralen Schaffen des Briten. Das Konzert entstand nach der Fertigstellung seiner 21. Symphonie und bildet ein für die damalige Schaffensphase des Komponisten einen ungewohnt durchgehend heiteren Höreindruck. Im Gegensatz zu seinen üblichen Orchesterbesetzungen verzichtet Brian hier auf das gesamte Blech bis auf vier Hörner, reduziert die Holzbläser auf jeweils zwei Spieler und plus ein Kontrafagott und setzt nur kurz am Ende des zweiten Satzes eine kleine Trommel ein. Ansonsten ist das Werk vollkommen von Schlagwerk befreit.

Das Konzert ist mit seiner Länge von knapp 18 Minuten weder überdurchschnittlich lang oder kurz geraten und mit drei Sätzen relativ konventionell konzipiert. Im Gegensatz zum Violinkonzert ist der Cellopart zwar teilweise recht unbequem gestaltet aber nie allzu virtuos in Szene gesetzt, denn hier geht es Brian viel mehr um eine Kongruenz zwischen den beiden Elementen Solocello und Orchester. Daher spielt das Cello auch oft in der mittleren oder gar tiefen Lage. Virtuoses Spiel in der hohen Lage findet sich sehr selten.

Dem ersten Satz könnte man noch locker die Schablone der Sonatenhauptsatzform mit zwei gegensätzlichen thematischen Elementen, einem Durchführungsteil, auf den eine kleine Kadenz folgt und eine grobe Reprise anlegen. Auffällig ist hier jedoch der große Anteil des Orchesters, das den gleichen Einfluss auf den musikalischen Verlauf der Komposition hat wie das Cello. Das erste Element bildet eine heitere und rasche Figur mit charakteristisch punktiertem Rhythmus, die erst vom Orchester orgestellt und schließlich vom Cello übernommen wird, bevor das Orchester wieder die Fürhung übernimmt. Schließlich setzt das Cello mit der zweiten Themengruppe ein, die von sehr lyrisch pastoralem Charakter ist bevor wieder das schnellere Tempo einsetzt und nach einer kurzen Durchführung eine kurze Kadenz - übrigens die einzige im ganzen Konzert - des Cellos folgt, bevor der Satz nach einer lockeren Reprise sanft endet.

Der zweite Satz ist - wie auch in Brians Violinkonzert und einigen Symphonien - ein Variationssatz, in dem das Cello zuerst ein längeres Thema vorstellt und in den folgenden Minuten immer weiter variiert, wobei die teils drastischen Veränderungen des musikalischen Materials entweder im Cello alleine oder mit Hilfe des Orchester vorgenommen werden. Markant dürfte der viermal anschwellende Wirbel der kleinen Trommel gegen Ende des Satzes sein, der im ganzen Konzert eine einzigartige Klangfarbe bildet.

Nachdem auch der zweite sanft leise endete beginnt nun der dritte Satz, der sich als eine Art Rondo herausstellt. Doch natürlich nutzt Brian diese Form nur als lockere Vorlage um seine ganz eigenen Vortsellungen dieser Gattung umzusetzen. Wie auch schon in seiner 20. Symphonie zieht sich das Rondoelement auch durch die einzelnen Episoden und wird ständig variiert und schließlich endet auch dieser Satz mit leisen und sanften Tönen.

Die Aufnahme des BBC Konzertorchesters unter Martin Yates mit Raphael Wallfisch als Solist gehört zu den besten kommerziellen Aufnahmen, die von Brian erhältlich sind, denn hier stimmt einfach alles. Das Booklet ist sehr informativ und der Klang absolut perfekt, sauber und klar. Die Balance zwischen dem Cello und dem Orchester stimmt immer und von der Interpretation der Musiker und des Dirigenten gibt es erst recht nichts auszusetzen. Empfehlenswert ist diese CD außerdem auch wegen der anderen beiden Cellokonzerte von York Bowen (sehr süffig spätromantisch) und Alan Bush. Das Konzert mag zwar nicht repräsentativ für Brians üblichen Stil sein, bildet mit seinem frischen charakter und der sehr flüssigen Gestaltung einen entspannenden und guten Höreindruck und somit auch eine kleine Oase in dem sonst so kryptisch verschachtelten Spätwerk dieses Komponisten.

Bearbeitet von Mephisto
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Ja, schade um die wirklich interessanten Mossolov-Werke. Da hat Brian es mit seiner Havergal-Brian-Society schon ganz gut, die sich wenigstens immer wieder um seine Musik bemüht und der wir auch die ganzen Einspielungen zu verdanken haben. Als Einstieg in Brians Werk empfehle ich Dir die wirklich hervorragende Einspielung seiner dritten Symphonie und wenn Du viel Zeit, Lust und Laune mitbringst, einmal den Live-Mitschnitt der Proms-Aufführung der "Gothic-Symphony".

5 against 4: Proms 2011: Havergal Brian - Symphony No. 1 'Gothic'

Hui-hui-hui das hat wirklich was!

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=MHVXJB37sk8&feature=channel_video_title]‪Takemitsu - Orion [w/ score]‬‏ - YouTube[/ame]

Ich hab mal wieder ein neues Takemitsu Stück entdeckt.

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Zu der Bruckner-Diskussion:

ich kann meinen Höreindruck zwar nicht belegen, mir geght es beim Hören von Bruckner-Sinfonien häufiger so, dass sie mich an Minimal Music oder auch an Gorecki erinnern (Zur Information: ich kannte die Musik von Gorecki und Werke aus der Minimal-Music vor Bruckner).

Vielleicht liegt es daran, dass Bruckner durch den hier erwähnten seltenen Einsatz des Grundtones und der Quinte die Tonalität zwar nicht verlassen hat, sie aber auch nicht "vorführt" (tut mir leid, dass ich das so laienhaft ausdrücke).

Was ich bei Bruckner im Vergleich zu früher entstandenen Musik als "neu" empfinde, ist die Bewegung in eigentlich stehenden Gebilden, wobei die in anderer Form auch schon bei Wagner auftritt (speziell in der Ouvertüre von Lohengrin).

Genau das ist doch auch ein Merkmal der Minimal-Music: Die Musik unterliegt zwar ständigen Veränderungen, diese sind jedoch so unauffälig, dass die Veränderungen nur beim ständig aufmerksamen Hören auffallen, während sich zwei Stellen gleich anhören, wenn man im Stück etwas überspringt.

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Geht nicht nur Dir so, es gibt da wirklich Parallelen. Bestimmt gibt es da inzwischen auch Aufsätze oder dergleichen. Google sagt, dass Welser-Möst erst im letzten Monat ein Konzert mit dem Titel "Bruckner: the grandfather of minimalism" durchgeführt hat.

Einer meiner akademischen Lehrer, Gustav Adolf Krieg, hat das mal an Hand des Klavierauszugs der 8. durchexerziert - ich kam zu spät ins Seminar und dachte: Warum spielt er Glass in einem Seminar zur Spätromantik? :)

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Geht nicht nur Dir so, es gibt da wirklich Parallelen. Bestimmt gibt es da inzwischen auch Aufsätze oder dergleichen. Google sagt, dass Welser-Möst erst im letzten Monat ein Konzert mit dem Titel "Bruckner: the grandfather of minimalism" durchgeführt hat.

Einer meiner akademischen Lehrer, Gustav Adolf Krieg, hat das mal an Hand des Klavierauszugs der 8. durchexerziert - ich kam zu spät ins Seminar und dachte: Warum spielt er Glass in einem Seminar zur Spätromantik? :D

Einen interessanten Namen hat Dein Lehrer da...:rolleyes:

So habe ich Bruckner zugegebenermaßen noch nie gehört. Dazu war mir der Themenreichtum, die Orchestrierung und auch die Laufzeit der Werke einfach zu "antiminimalistisch". Nichtsdesto trotz handelt es sich aber um eine sehr interessante These. Klar, über Strecken klingt so ein Bruckner-Adagio oder -Scherzo sehr gleich, aber sind die ganzen Verarbeitungen, die die Musik interessant machen. Letzten Endes hat mal jemand die Bruckner-Symphonien wie mehrere Berge eines Gebirges verglichen: Von weiter Entfernung aus sehen die alle gleich aus wie massige Giganten aber je mehr man sich ihnen nähert, umso deutlich entwickelt jeder "Berg" seinen eigenen Charakter mit seiner eigenen Struktur.

Jonas, sag' bloß, Du hast Dir die "Gothic" komplett gegeben:eek::D:)

Aber wie gesagt, es handelt sich hier nicht um das repräsentativste Werk Brians. Ich rate da immer noch zur Dritten und dem Violinkonzert. Die Zweite ist auch sehr interessant, leider ist die Naxos-Einspielung sehr dürftig und weitere Einspielungen gibt es nicht und die Radio-Aufführungen aus den 70ern, die alle sehr gelungen sind, gibt es offiziell auch nicht zu haben.

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Zu der Bruckner-Diskussion:

ich kann meinen Höreindruck zwar nicht belegen, mir geght es beim Hören von Bruckner-Sinfonien häufiger so, dass sie mich an Minimal Music oder auch an Gorecki erinnern (Zur Information: ich kannte die Musik von Gorecki und Werke aus der Minimal-Music vor Bruckner).

Jap, beim Anfang der 3. dachte ich das auch. Sicherlich ist seine Musik da auch stark von der Orgelimprovisation beeinflusst (seine Instrumentation ja sowieso).

An dieser Stelle sei auch mal der alte Bruckner Witz erwähnt: Eine Bruckner-Sinfonie besteht aus Streichertremoli, Bläserchorälen und Generalpausen. :)

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Einen interessanten Namen hat Dein Lehrer da...

Er ist Theologie- und Kirchenmusikprofessor, Musikwissenschaftler und Pfarrer. :) Dann mit so einem Namen geschlagen zu sein, ist schon eine schlimme Form der Erbsünde ... Aber er ist eine Seele von Mensch.

So habe ich Bruckner zugegebenermaßen noch nie gehört. Dazu war mir der Themenreichtum, die Orchestrierung und auch die Laufzeit der Werke einfach zu "antiminimalistisch". Nichtsdesto trotz handelt es sich aber um eine sehr interessante These. Klar, über Strecken klingt so ein Bruckner-Adagio oder -Scherzo sehr gleich, aber sind die ganzen Verarbeitungen, die die Musik interessant machen. Letzten Endes hat mal jemand die Bruckner-Symphonien wie mehrere Berge eines Gebirges verglichen: Von weiter Entfernung aus sehen die alle gleich aus wie massige Giganten aber je mehr man sich ihnen nähert, umso deutlich entwickelt jeder "Berg" seinen eigenen Charakter mit seiner eigenen Struktur.

Ich wäre da so ohne Weiteres auch nicht drauf gekommen - vielleicht deswegen, weil ich Bruckner und die Minimalisten in der chronologisch richtigen Reihenfolge kennen gelernt habe. :D Im Konzert oder auf CD müsste man sich angesichts der Instrumentation wohl in der Tat etwas anstrengen, um das nachvollziehen zu können - wie das Beispiel Goldenthal lehrt, lassen sich minimale Strukturen ja durch spätromantischen Sülz wunderbar kaschieren (nein, keine Sorge, das war keine Goldenthal-Fundamentalkritik).

Im Klavierauszug fällt das schon leichter, gerade in den Binnensätzen der Achten, aber auch in der Dritten. Die zeigt in ihren für Bruckner untypischen aphoristischen (und deshalb von den Nazis bevorzugt instrumentalisierten) Themen ja auch besonders schön das, was Du oben schreibst: Jede Brucknersinfonie ist ein Solitär. Wenn man mal die 3., 4. und 5. hintereinander hört, wird man das schnell merken.

Jonas, sag' bloß, Du hast Dir die "Gothic" komplett gegeben

Aber wie gesagt, es handelt sich hier nicht um das repräsentativste Werk Brians. Ich rate da immer noch zur Dritten und dem Violinkonzert. Die Zweite ist auch sehr interessant, leider ist die Naxos-Einspielung sehr dürftig und weitere Einspielungen gibt es nicht und die Radio-Aufführungen aus den 70ern, die alle sehr gelungen sind, gibt es offiziell auch nicht zu haben.

Jan hat sie offenbar ganz gehört, ich noch nicht. :D Ein Ohr habe ich allerdings riskiert, daher schon mal soviel: Ich war sehr (positiv) überrascht, nicht einen ins Gigantomane gesteigerten Bruckner, Mahler, Strauss etc. zu hören - wie man das ja bei traditionellerer Sinfonik dieser Zeit, z. B. Furtwängler, oft hat, sondern doch etwas ganz Eigenständiges. Trotz Deiner tollen Beschreibungen hier hat man ja doch immer so seine (mehr oder weniger vorgefertigten) Erwartungshaltungen. Die 3. ist jedenfalls jetzt auf dem Einkaufszettel gelandet. Ich berichte dann noch mal ausführlicher ...

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:cool: Romanzen für Bass und Klavier nach Gedichten von Robert Burns (Georgi Swiridow, 1955)

Ein Hauptwerk nicht nur des Komponisten, sondern auch der "Neuen der konservativen Gegenströmung zum Sozialistischen Realismus. Die "NF" ist im Westen leider fast völlig unbekannt, obwohl sie stilistisch von der Neoromantik bis hin zum Experiment eigentlich viele (vor allem auch filmmusikalische) Geschmäcker bedienen dürfte. Gleiches gilt für Swiridow, ihren geistigen Vater, den ich in meinen letzten Beiträgen und in Zukunft hier etwas zu pushen gedenke. Manch einem mag's schon aufgefallen sein. :)

Die Lyrik Robert Burns', eines schottischen Dichters des 18. Jahrhunderts, war im Russland der 40er/50er (in Übersetzung) eine beliebte Vorlage, unter anderem existieren Vertonungen von Schostakowitsch, Denisow und Chrennikow. Die Themen sind teilweise volkstümlich - schon ulkig, wenn da in einem russischen Klavierlied plötzlich von Robin Hood die Rede ist -, teilweise aufklärerisch im vorrevolutionären Geiste. Höhepunkte des Zyklus sind die Ballade von der "Rückkehr des Soldaten", die mit ihrem Marschrhythmus ein wenig was von Mahlers "Revelge" hat, die frenetische "Robin"-Hood-Karikatur und "Dunkelheit liegt über dem ganzen Land", bei dem es sich, in der Tradition der mussorgskyschen Trink- und Totenlieder, unverkennbar um eine Parabel handelt: die graue sowjetische Wirklicheit.

Meine Aufnahme ist von 1978, am Klavier sitzt der Komponist selbst, es singt Nesterenko. Ganz hervorragend! Anhängend zwei Ausschnitte, einmal "Robin", ebenfalls mit Swiridow/Nesterenko, allerdings von Anfang der 80er Jahre, und einmal "Dunkelheit" - eine noch recht neue Interpretation. Aufnahme und Klang leider in beiden Fällen nicht so dolle.

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=6EDgEwV5Sdc]‪Evgeny Nesterenko - Sviridov "Robin" (Burns/Marshak)‬‏ - YouTube[/ame]

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=heuYpcH7pSo&feature=related]‪Vladimir Baykov - Sviridov "Vsiu zemliu t'moi zavoloklo" (Burns/Marshak)‬‏ - YouTube[/ame]

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Ach verflixt! Der erste Satz meines letzten Beitrags muss natürlich heißen:

Ein Hauptwerk nicht nur des Komponisten, sondern auch der "Neuen Folklore", der konservativen Gegenströmung zum Sozialistischen Realismus.

:cool: R. Wagner - Orchestral Music: Tannhäuser, Parsifal, Tristant und Isolde (Berlin Philharmoniker, Claudio Abbado)

Eine feine Zusammenstellung: TANNHÄUSER-Ouvertüre, Vorspiel und Liebestod aus TRISTAN, sowie Vorspiel, Karfreitagszauber, Verwandlung, Ritterzug und Schlusschor aus PARSIFAL. Mal was anderes als die üblichen Ring- und Ouverstüren-Kompilationen. Der Klang der Berliner ist luxoriös, Abbados Dirigat, wie so oft in den letzten 15 Jahren, analytisch präzise und doch von impressionistischer Schönheit.

Orchestermusik (Liebestod/Karfreitagszauber/+): Claudio Abbado, Bp, Richard Wagner: Amazon.de: Musik

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E Nomine waren ein Musikprojekt, in dem bekannte Synchronstimmen für die Liedtexte verwendet wurden. Vermischt wurde das ganze mit elektronischen Klängen und lateinischem Chor. Verarbeitet werden unter anderem Themen aus der Bibel, aber auch düstere Stücke, wie "Das Omen Im Kreis Des Bösen" und die Nibelungensage oder auch Der Herr der Ringe kommen nicht zu kurz.

Die Musik selbst beschreibt sich als 'Monumental Dance'

Ich bin seit langem ein Fan von E Nomine, vor einigen Jahren wurde das Projekt jedoch still schweigend aufgelöst, ohne, dass es jemals eine öffentliche Bekanntmachung gab. 'Heilig' war das letzte Lebenszeichen, danach war's dann endgültig still um E Nomine

Youtube geizt leider etwas mit Hörproben (werden alle gesperrt), aber ein paar gibt's dennoch.

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=lo9D-zkBT_I]‪e-nomine lucifer‬‏ - YouTube[/ame]

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=JTiYELLniSU]‪E-Nomine - Drachengold.wmv‬‏ - YouTube[/ame]

[ame=http://www.youtube.com/watch?v=ks9icEIwTCE]‪E Nomine - Heilig (Extended Version)‬‏ - YouTube[/ame]

Von mir aus hätte die Truppe noch ein paar Jahre länger so weiter machen können ...

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Hätte nicht gedacht, mal in diesem Thread zu schreiben..... ;)

Aber hier kann ich nicht widerstehen. Ouuuuuh... E Nomine. Bin ich auch ein Riesen-Fan. Auch wenn ich nur das Album "Finsternis" und die Single "E Nomine - Denn sie wissen nicht was sie tun" auf LP (!!) habe.

Genau diese Kombination (lateinische Chöre, Synchronsprecher, elektronische Klänge) ist, was ich an ihnen liebe (oder liebte). Und eben diesen großen mysteriösen, düsteren Hauch.

Mit "Drachengold" haben sie es übrigens auch auf einen Soundtrack geschafft. Zwar nur ein deutscher TV-Film, aber immerhin. Nämlich "Die Niebelungen". Ein klasse Track, den ich auch sehr sehr gern höre. Aber meine ungeschlagene bleibt "Mitter(rrrrr)nacht".

Sehr schade, dass sie sich aufgelöst haben :(.

Werde nachher mal das Album heraussuchen und auch mal wieder hören.

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Weil ich sehr wenig Nicht-Filmmusik höre und da dann seltenst ganze Alben. ;)

Zugegeben, sich als absoluter Laie an einer Diskussion über formale Aspekte der Gattung Sinfonie zu beteiligen, dürfte schwierig sein. Dennoch, wieso nimmst du (und auch andere) die Diskussionen (die ihr ja hoffentlich wenigstens mitlest ;)) nicht mal als Anreiz, etwas Neues zu entdecken? Die Welt der klassischen Musik hat allein mengenmäßig hundert Mal so viel zu bieten wie die Welt der Filmmusik. Und an konkreten Tipps samt Hörbeispielen auf YouTube mangelt´s hier ja auch nicht wirklich... :D

Ich plane seit längerem übrigens mal wieder ein kleines Projekt für die Nicht-Score-Diskussion: einen Thread, der einen bestimmten Teil des Schaffens eines wichtigen amerikanischen Komponisten beleuchten soll. Nur so viel: da ist unglaublich witzige, spannende, originelle und verblüffende Musik dabei! Wäre dann eine tolle Möglichkeit in das Werk des Komponisten einzusteigen. :(

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Wie schon öfter angegeben geht's auch bei mir nach Brian wieder nach Amerika mit Scott Joplin, Charles Ives und dann den Konzertwerken Bernard Herrmann, Norths und Waxmans von der Koch-Serie. Danach dann wieder nach anderthalb Jahren Pause zur Filmmusik...da hat sich ordentlich was aufgestaut.

Außedem finde ich es schon wichtig, sich einmal mit der Wurzel der Filmmusik zu beschäftigen, denn wenn man sich wirklich intensiv mit Filmmusik beschäftigt sollte einem auffallen, dass bei vielen Komponisten der Spätromantik und Moderne Filmmusiken zu finden sind wie bei Richard Strauss, Camille Saint-Seans, Vaughan Williams, Schostakowitsch, Henze und vielen anderen. Die Ursprünge des üppigen Golden-Age-Klanges eines Max Steiners zum Beispiel liegen bei Gustav Mahler und Richard Strauss. Ich finde Sätze wie "Ich höre Filmmusik, interessiere mich aber nicht für historische Kunstmusik (="Klassik")." absolut unglaubwürdig, denn nirgends steckt so viel Klassik wie in der Filmmusik. Und kein Filmmusik-Freund, der etwas für John Williams und Jerry Goldsmith übrig hat kann mir erzählen, er hätte keine Freude an Holsts Planeten oder Stravinskys Sacre du Printemps.

Bearbeitet von Mephisto
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Und kein Filmmusik-Freund, der etwas für John Williams und Jerry Goldsmith übrig hat kann mir erzählen, er hätte keine Freude an Holsts Planeten oder Stravinskys Sacre du Printemps.

Man müsste manchen der Klassik-Gegnern, die Goldsmith und Williams dennoch toll finden, einfach mal klassische Musik als Filmmusik verkaufen, ihnen die Musik quasi "unterjubeln". ;) Könnte mir vorstellen, dass das gut funktionieren würde, denn die stilistischen Gemeinsamkeiten sind oft wirklich extrem.

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Ich glaube, Klassik wirkt nur manchmal erschlagend. Ich bin zwar "schon" drei/vier Jährchen im Thema drin, aber manchmal habe ich immer noch das Gefühl, nicht zu wissen, wo ich als nächstes ansetzen kann, weil eben so viel da ist.

Aber eines steht fest: ich habe bisher noch nirgends so viele "Überraschungen" und wohlige Aspekte entdeckt wie in der Klassik. Manchmal kann eine Sinfonie schon erschlagend und gerade der Zugang zu manchen Werken sperrig sein, vor allem wenn man sich nur mit einem Ohr drauf einlässt, aber insgesamt habe ich sehr häufig diese Momente, bei denen ich nur staunen kann, weil sie so viel anders, aber auch so viel vertrauter sind, als alles, was ich bis dato kannte. Voller Innovation, voller Leidenschaft, voller Qualität(!)... eben oft auch an einem hohen Ideal angelehnt.

Aufwühlend, das ist auch oft ein Wort, was ich mit meinem bisherigen Klassik Hörerlebnissen verbinde.

Grob habe ich mich momentan auf Beethoven bis heute eingestellt. Und es gibt ja noch so viel zu entdecken... ;):(

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  • horner1980 änderte den Titel in Ich höre gerade folgendes Album (Der musikalische Rest)

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