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Jonas Uchtmann

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Beiträge von Jonas Uchtmann

  1. 25.jpg

    Free Music, Listen to Snow Storm

    NP: SCHNEESTURM - Georgi Swiridov (UdSSR, 1964)

    Themen mit Ohrwurmgarantie, große Emotionen, brillante Instrumentation. Eine meiner Lieblingsfilmmusiken überhaupt. Was den Bekanntheitsgrad in Russland angeht, DIE Filmmusik der 60er Jahre schlechthin und vermutlich überhaupt eines der populärsten Orchesterwerke seit 1950.

    Die verlinkte Einspielung ist etwas flach, dafür kostenlos abrufbar und absolut ausreichend, um sich einen Eindruck von dieser tollen Musik zu verschaffen. Los geht es ab Track 4 ...

  2. @ FIMUCITÉ: Ich war auf dem Konzert, und obwohl man all die Scores natürlich gut kennt, ist es alles andere als selbstveständlich, THE OMEN und FINAL CONFLICT mit Chor oder auch längere Ausschnitte aus POTA oder quasi-Kammermusikalisches wie ILLUSTRATED MAN live zu hören. So von der Stange war das Programm somit nicht ...

    Der Hammer war aber eigentlich der erste Teil des (langen!) Konzerts, nämlich ALIEN (im Grunde das Programm der Varèse-Kompilation plus Frizzel plus Tyler). Das war auch interpretatorisch (vermutlich dank Navarro, der eindeutig ein besserer Dirigent ist als Mark Snow) ein Stück besser. Sehr verwundert hat mich damals, dass nicht nur ALIEN (zumindest der Goldsmith ist eindeutig Studiomusik und somit ist das verständlich), sondern auch große Teile des Rests verstärkt waren. Als bei STAR TREK dann die Saallautsprecher wegfielen, war ich doch etwas überrascht, wie wenig vom Klangpanaorama übrig blieb. Das dürfte dem Orchester, aber auch der Akustik zuzuschreiben sein, die ich für einen so neuen (und übrigens sehr geschmackvollen) Konzertsaal als sehr dünn empfunden habe. Vor Ort fielen die Schwächen des Orchesters allerdings weit weniger ins Gewicht als bei den Ausschnitten.

    Vermutlich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis ein Konzert mit Goldsmith am Pult auf DVD erscheint - mitgenschnitten wurden jedenfalls, so weit ich weiß, viele seiner Konzerte. Angesichts der Tatsache, dass Goldsmith ein recht mittelmäßiger Diriget war und sein Reüssieren in dieser Disziplin vor allem davon abhing, ob das Orchester gut war (da konnte er durchaus hervorragende Leistungen erzielen, s. das Philharmonia Orchestra auf GOLDSMITH CONDUCTS GOLDSMITH) oder nicht so (denn dann ward es nichts, s. die RSNO-Aufnahmen), kann man nicht sagen, dass das Konzert dem Anspruch eines Goldsmith nicht genügt hätte. Dazu war das Programm denn doch zu extravagant und die Begeisterung des Publikums zu groß.

    Der langen Rede kurzer Sinn ist, dass ich mir aus nostalgischen Gründen diese DVD sicherlich kaufen werde.

  3. Mangels entsprechender Fachkenntnisse kann ich das natürlich nicht beurteilen, aber diese drei Herren hatten sicherlich auch Tiefpunkte in Ihrer Karriere.

    Es führt nur nicht sonderlich weit, das Potenzial eines Komponisten nach seinen Tiefpunkten zu bemessen. Man schaue sich nur James Horner an: sicherlich einer der besten Filmkomponisten unserer Zeit, ein exzellenter Musikdramatiker, zu Meisterlichem (s. BRAINSTORM) durchaus fähig und doch ist ein Großteil seines Outputs der letzten 20 Jahre kritisch zu sehen und gemessen an seinen Möglichkeiten eine Enttäuschung. Was nützt es mir also, wenn ein Zimmer (vermeintlich) weniger Leichen im Keller hat als Goldsmith, wenn ersterer zu Werken wie ALIEN, PLANET OF THE APES, THE BLUE MAX oder STAR TREK im Leben nicht fähig wäre weder technisch, noch konzeptionell.

    Noch mal zu den Tiefpunkten: Dass sich in Goldsmiths Werk mehr Durchschnittliches angehäuft hat als bei Gelegenheitstätern wie Herrmann oder North, ist nur logisch. Wenn also immer wieder auf NOT WITHOUT MY DAUGHTER und Konsorten geschimpft wird, die entbehrlich sind, aber so unanhörbar nun auch wieder nicht, sei zu bedenken gegeben, dass kein Filmkomponist seit dem Silver Age ähnlich viele sehr gute bis herausragende, in ihrer stilistischen Bandbreite so variable und doch durch Personalstil eindeutig zuordbare Scores geschrieben hat wie Goldsmith.

    Mindestens zwei dieser Kategorien fehlen Zimmer und den Seinen: die handwerkliche Klasse und die stilistische Bandbreite - den Personalstil allerdings kann man ihnen kaum absprechen. Und die film(musik)historische Bedeutung und eine gewisse Relevanz für die Popkultur ebenfalls nicht.

    Der "Zimmer-Stil" hat sich zumindest bei den meisten Hörern eingeprägt ... nicht ohne Grund wird dieser (Stil) immer (von vielen) runtergemacht.

    Eingängigkeit ist für Erfolg ein wichtiges Kriterium, doch nicht zwangsläufig für musikalische Klasse. Die Musik von "Modern Talking" ist sehr eingängig, musikantisch aber alles andere als klasse. Im Umkehrschluss heißt das natürlich nicht, dass, was eingängig und einfach klingt, nicht auch toll sein kann (s. ABBA, deren Musik keineswegs einfach ist).

    Ansonsten ist es sicherlich nicht die Einprägsamkeit, die Zimmer-Bashing auslöst, sonst müsste John Williams viele Feinde haben. Was so viele (meist alteingesessener oder aus der E-Ecke stammender) Filmmusikfans am Zimmerstil stört, ist zum einen seine Omnipräsenz und zum anderen der Verlust dessen, was er verdrängt hat: eine über sieben Jahrzehnte gewachsene, von der europäischen Spätromantik und gemäßigten Moderne geprägte Filmmusiktradition mit hoch spezialisiertem und differenziertem Ausdrucks- und Formenspektrum.

    Wenn das nicht so wäre, würden einige Zimmer-Basher die MV-Schule nach dem Motto "Leben und Leben lassen" getrost ignorieren können.

  4. Das ist aber alles schon ein paar Tage her :D

    Wie sieht es aber im Zeitraum der letzten fünf Jahre aus?

    Ist da etwas "Großes" passiert, was nennenswert wäre?

    Vielleicht der RCP-Stil? :mad:;)

    Etwas "Großes", im Sinne von bedeutungsmächtig, ist die MV-Schule schon ;) - zum einen durch ihren Erfolg innerhalb der Filmmusikwelt, zum anderen, weil sie für heutige Pop-geschulte Rezipienten offenbar eine gefällige Hybridisierung von (mehr) U- und (weniger) E-Musik darstellt. Das ist an sich schon eine beachtliche Leistung, hat aber nichts mit kompositorischer Größe zu tun. Dass John Williams (oder Goldsmith, oder Herrmann, oder North) die besseren Tonsetzer sind, ist unbestreitbar.

  5. @DEBUSSY/RAVEL:

    Die Dutoit-Einspielungen, von denen Heiko sprach, sind wirklich hervorragend. Dutoit ist ein großer Kenner der französischen Musikalischen Moderne und daher bei Debussy und Ravel eigentlich eine sichere Bank. Vielleicht etwas nüchterner und analytischer als Martinon, aber insbesondere klangtechnisch vermutlich die zeitgemäßere Alternative.

    In Sachen LA MER würde ich auch sagen, dass die Karajan-Einspielung eine sehr harmonische, nuancierte und klangsinnliche Deutung ist (auch Karajans PELLÉAS ist ja ganz hervorragend). Sie kommt ohne die verklärenden Romantizismen aus, welche Bernsteins und Reiners berühmte (trotzdem berauschende und hörenswerte) Aufnahmen aus den 50ern auszeichnen. Moderne Referenzeinspielungen sind für mich aber:

    Pierre Boulez, Cleveland Orchestra, DG 1995 durchleuchtet die wegweisende Neuartigkeit dieser Musik wie keine zweite Aufnahme.

    Claudio Abbado, Lucerne Festival Orchestra, DG 2003 eine unvergleichlich schön musizierte Einspielung mit ekstatischen Höhepunkten.

    @VERDI:

    Keine Frage, die Kleiber-Aufnahme ist toll, aber ähnlich wie Waldgeist bin ich der Meinung, dass pseudoelitäre Klassikkreise zu Unrecht auf der Netrebko-Villazon-Einspielung herumhacken: sängerisch ist das für heutige Verhältnisse eindeutig überdurchschnittlich (die Netrebko hat schon ein sehr kraftvolles, Renata Tebaldi nicht unähnliches Organ), durchaus auch in den Nebenrollen. Orchester und Dirigent machen ihre Sache sehr gut, aber, seien wir ehrlich: selbst Topdirigenten würden diesem alten Schmachtfetzen kaum neue Nuancen abringen können.

    Insgesamt eine (bis in die Inszenierung, wenns denn die DVD sein soll) vitale, zeitgemäße Produktion. :)

    @PORGY AND BESS in der DOR:

    Da gehe ich vielleicht auch hin. Wo ich die ganze Saison meist eh für 8 in die DOR gehen kann (Studententickets sei Dank), kann man sich so was einmal im Jahr schon leisten. Als Oper, wie man sich das so mozartisch, wagnerianisch oder gar batókisch vorstellt, würde ich PORGY and BESS aber nicht bezeichnen Musiktheater trifft es schon eher.

    @MAHLER:

    Ich bin kein großer Fan des dritten Bernstein-Zyklus: Lenny hat natürlich versucht, sich Mahler drei Mal auf völlig unterschiedliche Weise zu nähern: In den 60ern mit dem forschen Elan des Pioniers (der er in Sachen Mahler neben anderen auch war), in den 70er Jahren deutlich gereift, die emotionale Dramatik der Werke bis an den Rand des Möglichen auslotend, und schließlich in den 80ern aus der abgeklärten, milderen Perspektive des Altmeisters, schön klingend sicherlich, und von tiefer Vertrautheit mit dem Werk geprägt, aber die Katastrophik und Ambivalenz, letztlich auch die harmonische Kühnheit der Musik Mahlers nicht mehr ausreichend berücksichtigend. Im TITAN wie überhaupt in den Wunderhorn-Sinfonien und den leichteren der Lieder mag das alles noch angehen, in den mittleren und späten Sinfonien hat mich dieser Ansatz jedoch weniger überzeugt. Es ist natürlich trotzdem kein schlechter Zyklus, es gibt aber spannendere.

    Was Solti angeht: Natürlich ist mancher Effekt musikantisch bestechend herausmodelliert, die klangliche Wucht schier umwerfend und die Decca-Studiotechnik tontechnisch maßstabsetzend (wenn auch unnatürlich), und ebenso gehören seine Einspielungen der Ersten, Sechsten und Achten Sinfonie nach wie vor zu den besten. Aber ebenso Fakt ist es, dass er in den Binnen- und langsamen Sätzen teilweise schludert, unnuanciert spielen lässt (das Holz, auf das es hier schließlich ankommt, spielt so, als seien es Blechbläser), teilweise das Tempogefühl verliert (nach dem Motto: je langsamer, desto gefühlvoller) und vor allem die Partitur missachtet, z.B. im 2. Satz, II. Sinfonie oder im 4. und 5. Satz, III. Sinfonie. Wie er z.B. im zuletzt genannten Satz über die ergreifende zweifache Verdammnis-Stelle einfach hinwegbügelt, ist leider nicht wirklich überzeugend.

    Der beste Mahler für Einsteiger, vor allem aus dem Filmmusikbereich, ist der Solti-Zyklus aber auch für mich. Nur wird man, bleibt man dem Komponisten treu am Ende nicht um andere (Einzel-)Einspielungen herumkommen. :music:

    @DG-Klang

    Die DG hinkte nach dem Krieg etwa zwanzig Jahre lang dem Standard der britischen Labels (vor allem der DECCA) gewaltig hinterher: Erst 1958, Jahre nach den anderen Majors, wurde das Stereotonverfahren eingeführt, und bis Ende der 60er Jahre schwankte die Qualität der Aufnahmen von durchschnittlich bis gut, erreichte aber kaum je sehr gutes oder referenzwürdiges Niveau. Karajans Hifi-Mania begann erst ab den späten 60ern wirklich Früchte zu tragen, bis die Studio- und Live-Technik des Gelblabels in den 70ern in der Tat mit DECCA gleichzog und dieses Niveau weitgehend, aber längst nicht immer hielt. Es gibt jede Menge kleinere audiophile Labels mit einem wesentlich besseren Standard.

    @PLANETEN (HOLST)

    Irgendwie taugen alle low proce-Einspielungen des Werks nicht viel: Die EMI-Aufnahme unter Rattle (mit den Birminghamern) ist klanglich auch fürchterlich vermurkst, ansonsten wirkt sie ordentlich.

    @VAUGHAN WILLIAMS:

    Irgendwo im Forum schlummert im VW-Thread noch ein Beitrag von mir zu dem Thema; hier nur die Kurzfassung: gute Wahl, der Haitink ist unter den VW-Zyklen vermutlich der beste Allrounder.

    @BRUCKENR:

    Der dritte Bruckner-Zyklus von Jochum hat in bestimmten Kreisen einen ziemlich miesen Ruf, was ich nie ganz nachvollziehen konnte. Angeblich spiele das Orchester miserabel und Jochum sei wohl schon zu alt und schwerhörig gewesen, um das noch mitzubekommen. Okay, die späten 70er waren nicht die Glanzjahre der Staatskapelle, und manchmal holpert es im Blech schon etwas, aber insgesamt geht die Leistung des Orchesters noch in Ordnung. Jochums Dirigat wirkt ganz und gar nicht altväterlich und behäbig, die Tempi sind vielfach sogar zügiger als in den früheren Zyklen. Generell ist sein Bruckner jedoch ein viel leichterer als der Günter Wands oder Sergiu Celibidaches.

  6. @Prokofjew/Newski: Kann schon sein, dass es Dirigenten gibt, die mehr auf die Ka... hauen als Abbado. Passagenweise schreit die Kantatenfassung (wohlgemerkt nur die!) ja auch nach Effektgepränge, und da ist es ein Wunder, dass Solti sie auf dem Höhepunkt seiner Decca-Karriere NICHT aufgenommen hat.

    Ganz so leicht ist eine adäquate Umsetzung dieses Werkes aber eben doch nicht. ALEXANDER NEWSKI, wenngleich in der Kantatenfassung seiner klassizistischen Schärfe und Klangökonomie beraubt, enthält bei allem hohlen sozrealistischen Pathos auch leisere Zwischentöne, mussorgskysche Aufschreie der geknechteten russischen Volksseele, und denen wird Abbado wie kein anderer gerecht (er ist schlicht und ergreifend der einzige westliche Dirigent, der solche Nuancen erkennt und mit Ausnahme von Schostakowitsch, der ihm weniger liegt im russischen Kernrepertoire regelmäßig brilliert). Trotz allen Einfühlungsvermögens gelingt es ihm aber dennoch, in den Höhepunkten eindrucksvolle Höhepunkte zu erzielen dazu muss man sie nur als Kontrast hören.

    @Verdi: Nun ja, Verdis Frühwerk als origineller zu bezeichnen als seine späten Meisterwerke OTELLO oder FALSTAFF ist auch etwas "experimentell". Einige frühe Opern sind unterhaltsames, eher routiniertes denn inspiriertes Nummernwerk, einige melodisch geniale und mit Verve gefertigte, aber eben auch nicht originelle Meisterwerke des Belcanto (LA TRAVIATA). Sie sind zweifellos ein wichtiger Bestandteil der Operngeschichte im 19. Jh., aber als ein wichtiger Komponist (nicht im populären, sondern im qualitativen Sinne) erfährt Verdi ganz klar durch das REQUIEM und die genannten späten Opern kritische, aber doch eigenständige Auseinandersetzungen mit dem wagnerschen Musikdrama seine Berechtigung.

    Was die Aufnahmen angeht: Klar, die 70er haben da wenn es einem um Ausnahmeleistungen im Tenorfach geht einiges zu bieten. Wenn einen jedoch eher die weiblichen Stimmlagen interessieren, kommt man an den 50er und 60er Jahren, der Ära Callas vs. Tebaldi, nicht vorbei. Diese Aufnahmen verdienen es ebenso gehört zu werden, obwohl unbekanntere Dirigenten am Pult stehen und es noch keine Flamingos, Panzerottis und Carreras gibt.

    @Impressionismus: Um Missverständnissen vorzubeugen: Grieg gehört in diese Kategorie nun gewiss nicht, er ist vielmehr der Romantik (nordischer Prägung) zuzurechnen. Debussy hat über ihn gesagt: "Ein mit Schnee gefülltes Lutschbonbon."

    Natürlich war aber auch Debussy über das seiner Musik zugedachte Etikett des Impressionismus höchst erbost. Interpretationen zentraler Werke für den Einstieg:

    -Debussy: Complete Orchestral Worls, Jean Martinon, EMI (Anfang der 70er) insgesamt hervorragend, manche Einspielungen sind nach wie vor referenzwürdig. Der Klang ist ok.

    -Ravel: ebenfalls Complete Orchestral Works, Jean Martinon, EMI (dto.), auch hervorragend, schwankt allerdings in der Klangqualität recht stark.

    Beide Sets werden schon seit Jahren via Brilliant Classics verramscht. Wenn noch weitere Vorstellungen von Einzeleinspielungen gewünscht werden, mache ich das gerne. Bei beiden Komponisten ist aber auch die Kammermusik Pflicht, im Falle Debussys früher oder später auch seine Oper PELLÉAS ET MÉLISANDE.

  7. Michael Boldhaus sieht es auch als ein Hommage an Golden Age.

    Cinemusic.de - C'Era Una Volta Il West / Once Upon a Time in the West (Rezension)

    Ja, ich weiß. Nur bin ich da (mal) anderer Meinung.

    Natürlich weist C'ERA breite Melodiebögen auf, wie sie auch in manchen (aber längst nicht allen) Golden Age-Scores vorkommen, und natürlich weiß ich auch, dass sowohl Morricones als auch Korngolds Partituren wiederholt mit dem Attribut "opernhaft" bedacht werden.

    Zwischen beiden Vertonungsansätzen besteht aber ein gewaltiger Unterschied. Korngold (oder meinethalben auch ein tiomkinscher RED RIVER als Prototyp des Golden Age-Westerns) steht dramatisch wie musikalisch ganz in der Tradition der spätromantischen Oper - Wagner und Strauss. Die Oper funktioniert auch ohne die Bilder von ganz allein - nur der Gesang fehlt.

    Morricones Konzept ist in seiner Statik und Affektorientiertheit das einer Barockoper. Sie vollzieht sich - obwohl nicht auf das Bild komponiert - erst zusammen mit dem Film. Das liegt aber nur daran, dass kaum ein Mensch mehr weiß, wie eine Barockoper funktioniert.

    Von den musikalischen Unterschieden (auch in Melodik und Harmonik) in so ziemlich jeder Hinsicht will ich gar nicht erst anfangen. Ich glaube jedenfalls, Morricone würde die Analogie pikiert zurückweisen.

  8. Nur wären bei diesen Scores die Rechte (momentan und in absehbarer Zukunft) so teuer, dass kein Label das ernsthaft erwägen würde. Ob diese Scores je veröffentlicht werden, liegt allein in den Händen der Studios.

    Allein,

    Bei Horner und Goldsmith hingegen begrüsse ich Neueinspielungen sogar (ausser es handelt sich um "Star Trek" ;) ). Finde ich meistens sogar den Originalen überlegen (zB. "Under Fire" von Silva bei Goldsmith oder "Titanic" von Silva bei Horner).

    hier zeigt sich wieder einmal , wie sehr die Geschmmäcker doch bisweilen auseinanderklaffen ...

  9. Finde ich überhaupt nicht. Dadurch wird allenfalls deutlich, daß sich der Rezensist durchaus vom Namen des Komponisten beeinflussen läßt.

    Vielleicht müßte man einfach mal den Spieß umdrehen, insbes. bei MV/RCP:

    Auch Kritiker sind Menschen und haben ihre Vorlieben. ;)

    Selbst wenn mir das wieder niemand glaubt: Ich mag etliches von Zimmer sehr gern z.B. GLADIATOR, PRINCE OF EGYPT, MATCHSTICK MEN, HANNIBAL oder den zweiten POTC. Allerdings gibt es auch einen erheblichen Teil im Zimmer-Oeuvre, der mich langweilt. Mich nicht etwa ärgerlich macht (da gibt es andere Kandidaten), sondern schlicht und ergreifend kalt lässt. Das ist erst einmal ein persönliches Problem, darüber hinaus aber auch einfach ein Fall von nicht sonderlich guter Musik.

    Der dritte PIRATEN-Score ist sicher unterhaltsam und hat seine Momente. Allerdings empfinde ich ihn nicht als konsequente Weiterführung des im Vorgänger eingeschlagenen Weges, also der teilweisen Rückkehr zu konventionellen Vertonungsschemata und damit auch zur Stilimitation statt der hohlen Phrasendrescherei des ersten Teils. Viel mehr ruht sich AT WORLD'S END auf dem Erreichten aus und wiederkäut fortlaufend zimmersche Gemeinplätze. Die neuen Themen und das Lokalkolorit sind nett, aber wohl kaum durchschlagend. Mehr als drei Punkte zu geben wäre hier einfach zu viel.

    Cinemusic.de bewertet München von Williams mit 4 Sternen, obwohl die Musik nur aus 2 richtigen Themen, die nie wirklich variiert werden und einer Menge recht unspezifischem Underscoring besteht.

    Fluch der Karibik 3 hingegen wird trotz seiner Themenfülle, Varianz und trotz des guten Albumschnitts nur mit 3 Punkten bewertet.

    Technisch, das wirst doch gerade Du einsehen, lieber Vincent, ist das in POTC III Gebotene nun wirklich kalter Kaffee: da hat Zimmer schon wesentlich Besseres hinbekommen. Genau da liegt der Ansatzpunkt, warum ein eher routinierter Williams trotz allem besser abschneiden muss als Zimmer: Weil trotz etwas lieblos wirkender Vokalisen, trotz der für diesen Komponist etwas unterentwickelten Themen das Handwerk doch um Klassen besser ist und Zimmer im Leben nicht zu einem Track wie Letter Bombs fähig wäre. Ein bestimmtes Niveau unterschreitet Williams nun einmal nie, mit dem Effekt, dass seine routinierten Musiken bisweilen akademisch wirken. Sicher kann man darüber streiten, dass Musiken, die wie MUNICH oder der jüngste INDY von mir eher eine Gnaden-Vier bekommen hätten, nicht auch bei 3,5 Sternen eingeordnet werden könnten. Andererseits: wenn ich einen guten Ethno-Zimmer der letzten Jahre wie BLACK HAWK DOWN und MÜNCHEN hintereinander höre, würde ich mir das wahrscheinlich sofort wieder anders überlegen.

    Die meisten haben ja für Zimmer & Co. nicht viel übrig. Folglich müßte man eine akzeptable Arbeit aus deren Feder überdurchschnittlich gut bewerten.

    Viele Zimmer-Fans das haben sie sich ähnlich geschickt zusammengereimt wie die Horner-Junkies das mit dem europäischen Eklektizismus und der ewigen Sinfonie sind ja der Auffassung, ihr Meister stehe für eine organische und zeitgemäße Synthese von Popmusik und Sinfonik sprich: sinfonischer Popmusik. Vielleicht ist es an der Zeit, ihnen diesen Zahn endlich einmal zu ziehen: An Zimmers Musik (überhaupt an 98 % zeitgenössischer Filmmusik) ist nichts, aber auch gar nichts sinfonisch, mit der einzigen Ausnahme, dass ziemlich häufig (dramaturgisch wie musikalisch überflüssiger Weise) ein dickes, fettes Sinfonieorhcester verwendet wird. Oft mit so verqueren Besetzungsentscheidungen, dass aus der Sicht des Systematikers nicht einmal der Ausdruck SINFONIEorchester angemessen ist.

    Es kommt aber noch ärger: Zimmer schreibt ziemlich oft nicht einmal gute Popmusik (obwohl es Ausnahmen gibt!), sondern ziemlich durchschnittliche, biedere, und wo immer sie mehr sein will: einfach nur bemühte Popmusik. Die harmonische Gestaltung ist im höchsten Maße konventionell Grundfunktionen, zumeist einfache Nebenfunktionen und Medianten , die rhythmische Gestaltung ist von der Stange. All das wäre noch nicht mal so schlimm (es trifft auch auf Werke von allgemein beliebten Komponisten wie Howard, Silvestri oder insb. auch Doyle zu), aber Zimmer mangelt es dabei meist am Gespür für Nuancen und der Fähigkeit, Altbekanntes sinnvoll zu rekombinieren. Zimmers Stilzitate kratzen da, wo sie ernst gemeint sind, oft an der Oberfläche und büßen jegliche Wirkung ein. Da, wo sie parodisitsch zu verstehen sind, entfalten sie immerhin einen gewissen täppischen Charme, wie ein Bär in der Manege.

    Auch wenn Zimmer zweifelsohne ein Händchen für Melodik hat und in der Tat über die Jahre hinweg einen prägnanten, allerdings (doch das betrifft nicht nur seine Gewichtsklasse, s. Goldenthal) wenig variablen Sound kreiert hat, kaschiert das die Schwächen seiner Musik leider nicht.

    Wirklich herausragende Popmusik findet man in der Filmmusik wie auch außerhalb davon ebenso selten wie herausragende Kunstmusik: Die besten der barryschen Bond-Scores, GOLDFINGER oder THUNDERBALL, so mancher Morricone oder Goldsmiths THE LAST RUN das ist wirklich hervorragende Popmusik, an die kein Zimmer-Score in Sachen Originalität, Authentizität und Technik heranreicht. Wie diese Score am besten zu bewerten sind bzw. in das 6-Punkte-System einzuordnen sind, ist eine enorm schwierige Frage, aber das habe ich an anderer Stelle schon mal erörtert: Denn gibt man ihnen die Höchstwertung, vergleicht man eben doch Äpfel (wie GOLDFINGER) mit Birnen (wie ALIEN) die Wahl der Frucht möge jeder nach Gusto selbst vornehmen. ;) Gebe ich auf der anderen Seite dem Barry nur 4 oder 4,5 und dem Goldsmith 6 Sterne, dann nehme ich zugleich eine Wertung der Popmusik nach Maßstäben vor, die für sie nicht tauglich sind, und stelle sie als minderwertig da. Das wäre mal ein Dilemma, über das es sich zu debattieren lohnte ...

    Heißt: Wenn der J.G.- oder J.W.-Hardcore-Fan-Rezensist einen Zimmer-Score bewertet, müßte er die doppelte Punktzahl vergeben, wenn die Bewertung objektiv sein soll.

    Als RezensENT ;) sollte man bemüht sein, sich die eigenen Vorlieben nicht allzu offen anmerken lassen. Will heißen: wenn ich einen schwachen Zimmer-Score rezensiere, bemühe ich mich, Polemik zu vermeiden und wo immer möglich positive Aspekte hervorzuheben (z.B. bei KING ARTHUR). Lest euch bitte mal eine Rezension zu einem guten Zimmer-Score durch (z.B. bei Cinemusic MATCHSTICK MEN) und dann einen mit gleicher Punktzahl bewerteten Goldsmith (SUM OF ALL FEARS). Ihr werdet es nicht glauben: Der Tenor ist in der Zimmer-Rezi wesentlich positiver. Und wenn ihr mal weiterlest, werdet ihr merken, dass dieses Phänomen ziemlich häufig auftritt.

    Eine dünne Soße bleibt aber nun mal eine dünne Sauce, und wenn mir eine hochgehypte dünne Sauce wie POTC I eine Steilvorlage wie den illustren Bruckheimer-Spruch bietet, muss ich die einfach nutzen. Mit rein sachlichen Argumenten (dass in der Musik jede einzelne harmonische Wendung vorhersehbar ist, dass das Hauptthema wirklich nicht mehr als ein minimal variiertes GLADIATOR-Zitat ist) wird man ansonsten nicht mehr zum Publikum durchdringen.

    Hier geht es auch um etwas mehr als den bloßen Gegenstand, es geht darum, den Zustand einer zwar kommerziell blühenden, aber künstlerisch trotz löblicher Ausnahmen dahinsiechenden Industrie zu beschreiben: Der Erfolg von Media Ventures ist nicht die Ursache dieser Banalisierung, Standardisiertheit und Mediokrität zeitgenössischer Filmmusik, sondern ihrerseits nur Symptom eines tieferen Phänomens, das viele Erscheinungsformen der Mainstream- und Popkultur betrifft: Popmusik, Literatur etc. Das ist eine Form von Generationenwandel, den auszuarbeiten ich uns lieber erspare.

    Abschließend noch ein paar Worte zum deutschen Bewertungssystem: Um in der Spitze (4-6) ausreichend differenzieren zu können, aber auch Mittelmäßigem (2-3) nicht allein mit Nivellismus begegnen zu müssen, hat man auf Cinemusic vor Jahren das wohlbekannte, aber anscheinend nicht immer wohlverstandene 6-Sterne-System eingeführt. Ich bin überzeugt davon, dass die derzeit zwölf Bewertungsstufen schon fast das Maximum des (im Sinne von Transparenz) vertretbaren Differenzierungsvermögens darstellen. Wie will man bei einem 10er-System in 0,5er-Abstufungen oder, noch schlimmer, einer Prozentwertung denn noch den Überblick behalten?

    Auch ich habe schon verschiedentlich an der Sinnhaftigkeit von Wertungen an sich gezweifelt, aber ähnlich wie Jan Titel bin auch ich immer zu der Entscheidung gekommen, sie beizubehalten: Weil ein längerer wertender Text schon verdammt gut sein muss, um in der Zusammenschau mit so vielen anderen Texten eindeutig bleiben zu können.

  10. Ach naja,

    welche (Neu-)Einspielung ist schon perfekt? Da fallen mir nur wenige ein. Fest steht, dass die Moskauer Aufnahmen mittlerweile in jedem Fall mit den schottischen Varèse-Produktionen mithalten können und einem Großteil des Silva-Ausstoßes eindeutig überlegen sind.

    Da kann man schon zufrieden sein, auch wenn manchmal ein wenig der Schmiss fehlt und manches nicht immer sauber disponiert ist.

  11. Wo ich gerade dabei bin, hier noch ein zweites Statement Dantes zu LOONEY TUNES:

    I know that he had been ill for a while, but I didnt know how bad it was until the first scoring session, when he told me, to let me know that there were times when he wouldnt be able to finish the dayand indeed there were times when he was not able to finish the day. I think his work on the film was no less than courageous considering what he was going through, because as he pointed out to me, this is a really hard score to do because so much of the music was mathematically hitting stuff, and its all done with numbers. [Hed be] splitting these notes and trying to make sure that he can get back on time, and the picture kept changing, and there were whole chunks of the movie that were out for months and then suddenly put back, and pieces he had done now were gone, and it was really hard for him.
  12. Was sagen denn unsere Golden-Agler dazu? Lohnt sich die Musik?

    Denn ich finde, 19,95$ sind ein sehr fairer Preis!

    Die Musik lohnt sich in jedem Fall, allerdings ist SHE nicht unbedingt ein Steiner für Einsteiger. Da sollte man erst mal zu den Klassikern greifen: TREASURE OF SIERRA MADRE, THEY DIED WITH THEIR BOOTS ON, DON JUAN, KING KONG, CHARGE OF THE LIGHT BRIGADE, GWTW etc. ...

    Die Einspielung von SHE hält übrigens das wirklich sehr gute Niveau der letzten Stromberg-Einspielungen, da sollte man keine Bedenken haben.

  13. Also mein Wissenstand ist, dass Jerry an Leukämie verstorben ist. Ursache dafür war wohl ein hoher Zigarettenkonsum.

    Jonas Uchtmann hat das hier im Forum mal erwähnt, wenn ich nicht irre sogar in diesem Thread.

    Jonas Uchtmann weiß es auch nicht so genau: Es gibt zu diesem traurigen Thema leider widersprüchliche Informationen.

    Dass Goldsmith ernsthaft krank war, erfuhren die Fans erstmals, als sein Management die Konzertreisen für 2002 gecancelt hat. All diese Konzerte fanden aber (mit Ersatzdirigenten) statt, und auf einem wurde wohl verlautbart, dass Jerry an Leukämie leide und sich einer mehrmonatigen Chemotherapie unterziehen müsse. Vermutlich steht das noch irgendwo im Archiv des FSM-Boards, ich selbst habe es in einer (nicht mehr abrufbaren) Vorgängerversion des JerryGoldsmithOnline-Forums gelesen (übrigens keine offizielle Homepage!).

    Nach Goldsmiths Tod standen in den diversen Foren und Filmmusikseiten zur Auswahl: Prostatakrebs (schließlich war er nicht mehr der jüngste), Lungenkrebs (achja, Jerry war ja Raucher!) und Magenkrebs (hätte ja auch sein können ...) - grotesk! Wirklich gewusst zu haben scheint es niemand, und ich fand diese Rumraterei schon damals ziemlich geschmacklos.

    Jason Needs von JGO, der in Angelegenheiten, die Goldsmiths Person betrafen, immer recht gut informiert war, hat das wohl auch irgendwann gemerkt und seine Version (weiß nicht mehr, wofür er war) gelöscht. Die Biografie von Carrie Goldsmith schweigt sich zu dem Thema nachvollziehbarer Weise aus.

    Dass Jerry schon in den 90ern an Krebs erkrankt war, halte ich für so gut wie ausgeschlossen, die Krankheit dürfte im Herbst oder Winter 2001 diagnostiziert worden sein. Wirklich gesund war Goldsmith aber auch davor nicht: Im Frühjahr 2001 gab es nach einer Appendizitis-OP wohl größere Komplikationen, weswegen Jerry TOMB RAIDER und RAT RACE canceln musste.

    Bzgl. LOONEY TUNES kann ich auch nichts Wesentliches hinzufügen und höchstens Joe Dante zitieren:

    They wanted to use some contemporary rock music, like had been done on Space Jam. For a long time they stonewalled me on it -- they didn't want to call Jerry, they didn't want to talk to Jerry. They tried to figure out reasons why he would turn it down. Ultimately, I wore them down. They liked something they saw in dailies one day -- I can't remember what it was -- and I was a hero again for a day. So I got to use my leverage to get them to hire Jerry. I think if they had known how ill he was they probably would have had another reason not to hire him.

    It was another case of where the movie kept changing kept every five minutes. Scenes would be in, scenes would be out -- animation would be in, animation would be out. New dialogue would also come in, so now the music was playing over lines that hadn't been there when Jerry recorded the music, which meant you either had to drop it in the mix or he'd have to re-orchestrate it. Movies have undergone more radical changes in the editing process in the past five to 10 years than they ever have previously. Now every picture is being changed after the preview, and that means the composer either has to rewrite the music or re-edit it. Just before Looney Tunes Jerry had done Timeline. That score got thrown out because the picture had been re-cut so much that the music didn't fit any more, and he wasn't available to re-do it. Jerry had to roll with the punches. I think he enjoyed doing it, but I know it was difficult for him. He told me it was very hard to concentrate. Ultimately, Jerry couldn't finish the score. The last reel-and-a-half were done by John Debney."

    So, ich hoffe, das bringt etwas Licht in die Sache.

    Und nun genug in Goldsmiths Krankenakte rumgewühlt! Lasst uns lieber, wie Jens, wieder über seine Musik reden ... :)

  14. Erhalt gerne weiter deine Illusion, dass Film-Komponisten sich als Mozarts Nachfolger sehen und wenn sie mal keinen kreativen Score abliefern nur unter Druck dazu gezwungen wurden.

    Sei mal bei ner Session dabei und da verlierst du deine Illusion. Da haste deine Musiker, die sofort bei der Pause alles stehen und liegen lassen, die selbst bei der Aufnahme nen Buch lesen, wenn sie nicht dran sind etc.

    Da interessiert es keinen was sie gestern für einen Score mit wem aufgenommen haben... alles nur nen Job. Und auch Williams sitzt garantiert nicht zu Hause, wirft sich STAR WARS rein und schwelgt darin, was er da Geniales vollbracht hat. Geschrieben, aufgenommen, abgehakt.

    Sorry, so ist es eben.

    Nun, hier projizierst Du Erfahrungen mit McNeely, Kloser und Konsorten etwas sehr platt auf diejenigen, denen wirklich etwas an ihrer Arbeit liegt. Und da gehören Williams, Goldenthal, Shore, Elfman, zeitweise auch Howard, Silvestri oder selbst der Horner des Jahres 2008 natürlich dazu.

    Und Bruce Broughton? Dass es einem wie ihm nur ums Geld ginge, verwundert mich angesichts anderer seiner Äußerungen schon etwas; ich kann mir das eigentlich nur damit erklären, dass er mittlerweile doch etwas verbittert ist. Hoffen wir, dass Chris Gordon sich in 15, 20 Jahren nicht ähnlich desillusioniert äußert, denn in der Tat halte auch ich ihn für einen der talentiertesten und vielseitigsten Komponisten, die wir haben: Dass er so wenig Aufträge erhält oder annimmt, wundert mich angesichts der Tatsache, dass ein Djawadi volle Auftragsbücher hat, aber eben auch nicht wirklich.

    Soso, Williams hat also STAR WARS geschrieben, aufgenommen und abgehakt: Glaubst Du das im Ernst? Oder dass er LOTR, wäre er gefragt worden, abgesagt hätte, weil er dann andere Jobs hätte absagen müssen und nicht noch mehr $$$ hätte verdienen können?

    Nein: Es gibt sie schon noch, die Filmkomponisten mit Passion, die diesen Beruf lieben und für ihn leben. Von Goldsmith wird ja immer gerne behauptet, im Grunde habe er sich um einmal Geschriebenes nicht mehr gekümmert und ein Großteil seiner Arbeit sei ihm herzlich egal gewesen. Ich selbst bezweifle das stark, auch wenn einige Äußerungen Goldsmiths und viele Anekdoten uns anderes weismachen möchten. Warum hätte er dann aber je Konzerte geben oder CDs einspielen sollen? Nein, ich denke viel mehr, dass auch dies, wie so Vieles, was den Fans an seiner Person merkwürdig vorkam, ein Ausdruck seiner stark ausgeprägten Bescheidenheit und Schüchternheit gewesen ist.

    Gegen Ende seines Lebens scheint er diesbezüglich seinen Frieden mit sich gemacht zu haben. Seit Mitte der 90er Jahre umgab er sich in Maestro-Manier stets mit einer Entourage, die ihn bewunderte, viele Session-Berichte legen davon Zeugnis ab. Ich erinnere mich hier insbesondere an eine Schilderung Jörg Kremers - manchen der älteren Sammler ist der Name vielleicht ein Begriff -, bzgl. THE LAST CASTLE, wo der gute Jerry mehr zwischen Dirigentenpult und Booth hin- und hergeschwebt sein muss als dass er gelaufen wäre, völlig ergriffen von der Schönheit der eigenen Musik. Warum auch immer, denn selbst Goldsmiths glühendste Fans müssten eigentlich erkennen, dass DIE LETZTE FESTUNG alles andere als ein musikalisches Ereignis ist.

    Was Du weiter zum Ablauf einer recording session schreibst, ist mir auch etwas pauschal. Was soll ein Studiomusiker, der am laufenden Band langweiligen Tyler, Debney und Revell spielt, denn auch anderes tun als gelangweilt zu sein? Hast Du Dir mal angeguckt, wie da die Einzelstimmen aussahen? Da kann man, während die Aufnahme läuft, in der Tat getrost lesen oder SMS tippen, wenn man gerade eh nicht mehr als einen elend langen Orgelpunkt zu spielen hat ...

    Das Desinteresse des Filmmusik einspielenden Musikers ist im Verhältnis mit Sicherheit nicht geringer als das eines Orchestermusikers im Allgemeinen: Generell ist echte Identifikation mit der Arbeit in diesem Metier eher die Ausnahme, als Dirigent kannst Du froh sein, wenn sie bei den Stimmführern vorhanden ist.

    Es gibt aber Ausnahmen, im Repertoirebetrieb der Konzertorchester ebenso wie im Filmmusikbusiness: Lies Dir mal Statements von Leuten wie Sidney Sax, Konzertmeister des NPO, Paul Shure, Konzertmeister fast sämtlicher in LA eingespielter Williams- und Goldsmith-Scores, oder Malcolm McNab durch.

    Leute wie Williams und Goldsmith mit Einschränkungen heute sicher auch ein Howard Shore oder Goldenthal hatten eben auch innerhalb der Industrie den gleichen Status wie außerhalb, und das hat sich entsprechend auf die Orchester übertragen, die ihre Musik eingespielt haben.

    Da ist es dann auch nicht so tragisch, wenn, etwa in den Alterswerken Goldsmiths oder einem nur noch routinierten Williams wie TERMINAL, die interpretatorische Herausforderung nicht mehr die gleiche war wie bei POLTERGEIST oder ESB. Da geht es auch um menschliche Bindungen, die ihrerseits wiederum nicht nur aus der Tatsache resultieren, dass der Komponist ein ach so netter Mensch ist, sondern ein Musiker, der den Ausführenden erkennbar als ein solcher etwas mitzuteilen hatte. Das unterscheidet ihn von McNeely, von Kloser, von Djawadi und wie sie alle heißen.

  15. Für mich stellen Shores "Bemühungen" die von Rosenman bei weiten in den Schatten....aber das ist Geschmackssache.

    So lange es die individuellen Vorlieben angeht, bleibt das Geschmackssache - ich persönlich höre THE FELLOWSHIP OF THE RING genau so gern wie den Rosenman.

    Was darüber hinausgeht, ist eine Frage von (beweisbarer) musikalischer Qualität. Und da kann es nur einen Gewinner geben ... :D

  16. Nö, meiner Meinung ist es sicherlich keine Katastrophe! :( Wie üblich: Geschmackssache. Okay, die zweite Hälfte der Bücher fehlt und der Zeichenstil ist gewöhnungsbedürftig, aber stimmungsvoll ist der Film auf jeden Fall.

    Nun, auf dem Bakshi-Film wird ja herumgetreten, seit es ihn gibt. Dass die Hälfte fehlt, wird immer wieder gern angeführt, doch kann man das dem Film selbst schwerlich vorwerfen, oder?

    Was den Zeichenstil angeht und die exzessive Verwendung von Rotoskopie, so ist das natürlich nicht jedermanns Sache. Bakshi unternimmt im Gegensatz zu Jackson aber wenigstens den (m.E. auch überwiegend gelungenen) Versuch einer künstlerischen Herangehensweise - mit für Trickfilme unerlässlichen Verfremdungseffekten.

    Seit einigen Jahren scheint sich jeder dahergelaufene Jackson-Fanboy berufen und befähigt zu fühlen, den Bakshi-Film schlecht zu machen. Offenbar merken die gar nicht, dass Jackson einige der Schlüsselszenen 1:1 übernommen hat. Geradezu frappant ist außerdem, wie viel ökonomischer Bakshis Drehbuch ist, wie viel stimmiger seine Kürzungen und Plotänderungen (z.B. Einführung von Legolas). Viele Aspekte der Darstellung (Umsetzung von Magie, Alterverhältnisse) sind zudem wesentlich Tolkien-näher als in den Realverfilmungen. Vergleichsweise weniger gravierende Patzer wie der, dass Boromir wie ein Wikinger aussieht oder der Balrog in Moria kaum doppelt so groß ist wie Gandalf, stören mich da weniger. Aber ich sehe ein, dass ein Fan, der die Vorlagen nicht kennt, sich daran aufhalten muss.

    Ich halte jedenfalls den Bakshi-Film summa summarum für überzeugender als Jacksons. Er ist stringenter, konzentrierter, künstlerischer (stimmungsvoll ist er daneben natürlich auch :( ). Hinzu kommt die grandiose Musik und eine ausgezeichnete deutsche Synchronisation.

    Thomas Karban hat vielem einiges vorgeworfen. Was ihn dann später nicht davon abgehalten hat, auf den ganzen Edel-Samplern der 80'er das Material trotzdem einzuspielen. ;) Nunja, der gute Thomas ist nun auch schon viele Jahre tot, also will ich mal nicht meckern....

    Klar, Karban hat auch mal (widersprüchlichen) Blödsinn verzapft, z.B. hat er einerseits in den frühen 90ern zusammen mit Müthing jeden neu erschienenen Goldsmith in der Luft zerrissen und ist ihm auf der anderen Seite in Booklettexten wie NOT WITHOUT MY DAUGHTER fast hinten reingekrochen. Aber da erzähle ich dir nichts Neues ... :D

    Bei allen Widersprüchen ist und bleibt er der einzige Filmmusikkritiker aus dem Fanmilieu, der auch von der allgemeinen Musikkritik und Musikwissenschaft einigermaßen ernst genommen wird. Bestimmte Dinge hat er nun mal, zum einen durch seine guten Kontakte nach Hollywood, zum anderen durch großen Sachverstand, hervorragend auf den Punkt gebracht.

  17. Leonard Rosemanns Lord of the Rings Score.So gar net mein Fall.Aber besser als der dazugehörige Film.Der ist ne Katastrophe.

    Ja, ist er das? Ich habe nie verstanden, warum ....

    :DBENEATH THE PLANET OF THE APES (Rosenman)

    apes1.jpg

    Ein Meisterwerk, wenn auch nicht ganz so geschlossen wie der Vorgänger. Was mich bei diesem Score mittlerweile weit mehr als beim Goldsmith fasziniert, ist die Klanglichkeit (sei es, weil Rosenmans Behandlung von Neuer Wiener Schule, Dodekaphonie und Serialismus weniger eklektisch ist als Goldsmiths, sei es, weil der Erstling mittlerweile einfach zu vertraut ist).

    Ich komme bei Rosenman aus dem Staunen über die klangliche Realisation nicht mehr heraus - Karban hat ihm einmal "hochgezüchtete Komplexität" vorgeworfen. Komplexität tirfft es in jedem Fall, ob sie hochgezüchtet ist (zum reinen Selbstzweck), wollen wir dahingestellt sein lassen. Rosenman war stets Dramaturg genug, um jedem seiner Scores so viel Individualität mit auf den Weg zu geben, dass die Filmwirkung oft nicht minder beeindruckend ist als bei Alex North oder gar Goldsmith. Dies gilt für BENEATH THE PLANET OF THE APES und THE LORD OF THE RINGS (der Shores Bemühungen bei weitem in den Schatten stellt) gleichermaßen.

  18. Ah, okay, den deutschen Untertitel von Runaway kannte ich noch nicht, sondern nur den gleichnamigen Fernsehfilm von 2001. Deswegen hätte es ja sein können, dass eine Verwechslung vorliegt. :rolleyes:

    ALONG CAME A SPIDER, in dem der Synthi auch kräftig knarrt und zischt, ist zwar kein Ruhmesblatt, aber noch nicht so schlecht, dass er in die Flop 10 gehört. Das minimalistische Thema und die linearen Actiontracks gefallen mir immer noch ganz gut. Sozusagen Goldsmith-Fastfood.

    RUNAWAY finde ich dagegen technisch gar nicht mal so übel, aber sich den anzuhören macht natürlich eher wenig Spaß ...

  19. Spinnen des Todes - Wenn sie dieses Elektro-Geschraddel akzeptieren, dann hätten sie "Alien Nation" zehnmal verwenden sollen, dem kann ich sogar noch etwas abgewinnen. Selbst das "Hauptthema", wenn man es so nennen möchte ist für einen Goldsmith unterdurchschnittlich.

    Achtung! Es handelt sich ausschließlich um meine eigene persönliche Meinung!

    SPINNEN DES TODES?

    Meinst Du ALONG CAME A SPIDER (dt.: IM NETZ DER SPINNE)?

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