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Angus Gunn

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Beiträge von Angus Gunn

  1. mepris.jpg.428d62d29fd5dec907787351577470d2.jpg

    Für Godards LE MEPRIS wurde für den italienischen Markt eine eigene Musik komponiert, was die interessante Möglichkeit bietet, beide Versionen miteinander zu vergleichen. Um es gleich vorweg zu sagen:  Mit Godard konnte ich nie viel anfangen, und auch LE MEPRIS macht da keine Ausnahme. Zweimal im Abstand von etwa zehn Jahren habe ich mich an diesem kunstgewerblichen Klassiker versucht, und beide Male mußte ich mich mit eisernem Willen hindurchkämpfen.

    Die Handlung läßt sich kurz zusammenfassen:  Auf Capri soll ein Odysseus-Film entstehen. Es entstehen Spannungen zwischen dem Drehbuchautoren Paul Javal und dem amerikanischen Produzenten. Dies schlägt sich auch auf die Beziehung zwischen Javal und seiner Ehefrau Camille nieder, die sich zunehmend einander entfremden.

    Symbolträchtig und erlesen bebildert Godard sein Ehedrama und reflektiert nebenher über das Filmemachen und die Kunst. Einen wesentlichen Anteil an der traumentrückten Atmosphäre haben auch die elegischen Streicherthemen von Delerue, die aber für meinen Geschmack viel zu oft und repetitiv eingesetzt werden. Gefühlt alle drei Minuten, sobald ein Dialog beendet ist, kleistert Godard wieder ein Delerue-Stück über die Bilder und umkreist dazu delirierend griechische Götterstatuen. Nun ja.

    Ich kenne die Fassung mit Piccionis Musik nicht, aber es ist leicht erkennbar, dass der Film mit seiner Musik eine völlig andere Atmosphäre entwickelt hätte. Piccionis Themen sind jazzig und stilvoll, oft mit solistischen Orgelpassagen. Auch bei ihm gibt es entrückte, träumerische Stücke, wie beispielsweise in der wunderbaren Titelmusik. Aber dazwischen holt er uns immerwieder auf den Boden zurück. Piccionis Musik ist profaner, spielt in der Realität der Figuren. Delerue schwebt dagegen weit über dem Geschehen in irgendwelchen Sphären. Beide Herangehensweisen mögen auf die eine oder andere Art funktionieren. Welche davon die bessere ist, das mag jeder für sich selbst entscheiden. Mich wird auch eine Piccioni-Fassung nicht zum MEPRIS-Fan machen, aber als Album ist seine Musik eine feine, angenehme Bereicherung für die Sammlung.

     

  2. SOLIMANO mag ich auch sehr, was aber auch daran liegen kann, dass ich die LP seinerzeit als Teenager erworben hatte und rauf und runter gehört habe. Ich weiß noch ungefähr, warum die Wahl damals ausgerechnet auf diese Platte gefallen ist. Ich suchte auf der Filmbörse nach einer Historienfilmmusik abseits der gängigen Titel und die auch gleichzeitig für meinen mageren Geldbeutel erschwinglich sein mußte. SOLIMANO lag preislich in Rahmen, bot sogar 60 Minuten Musik, und mit De Masi hatte ich kurz davor schon mit einer Western-LP gute Erfahrungen gemacht. Schöne, alte Sammler-Zeit, als die Wertschätzung eines solchen Erwerbs noch eine ganz andere war.

     

  3. Straße zum Jenseits (ACROSS 110TH STREET) 1972

    Ich bin immernoch hin und weg, was ich da gestern gesehen habe. Der Film ist in der sehr empfehlenswerten BLACK CINEMA COLLECTION in einer aufwendigen Edition erschienen, allerdings würde ich ihn nur bedingt dazurechnen.

    Worum geht´s? Bei einer Geldübergabe werden die anwesenden Clanmitglieder von zwei Ganoven überfallen. Ein weiterer wartet unten im Fluchtwagen. Es kommt zu einer Schießerei, bei der insgesamt sieben Menschen sterben. Zwei Cops, die sich selber rivalisierend gegenüberstehen, sind mit der Aufklärung betraut. Aber auch die Mafia ist hinter dem geraubten Geld her.

    Was den Film vom durchschnittlichen Blaxploitationstreifen unterscheidet ist sein bedingungsloser Realismus, sein Verzicht auf die sonst in diesem Genre üblichen, comichaft überzeichneten Charktere. Hier agieren echte, glaubhafte Figuren. Die drei Ganoven sind keine organisierten Killer, sondern verwahrloste Existenzen, geboren in einer Umgebung, aus der sie sich verzweifelt freizustrampeln versuchen. Aufgenommen wurde das alles von vorne bis hinten mit der Handkamera, die sich entfesselt durch enge, schummrige Räume bewegt, zwischen Menschen hindurchdrängelt, bei Verfolgungsjagden mitrennt, sich dabei immerwieder ihren Fokus sucht und in ungewöhnlichen Perspektiven zur Ruhe kommt. Die Schauplätze in Harlem sind echt, künstliche Beleuchtung wurde nicht gesetzt, die Bilder suhlen sich in Blut und Dreck, der Eindruck von Enge und Übervölkerung ist allgegenwärtig.

    Anthony Quinn ist absolut überzeugend als desillosionierter Cop in der Midlife-Crisis mit unberechenbaren Gewaltausbrüchen. Überhaupt sind die schauspierischen Leistungen aller Beteiligten, auch in kleineren Nebenrollen, bemerkenswert gut. Der Film dampft aus allen Poren, die Spannung ist vibrierend und läßt keine Minute nach. In einer gerechten Welt müßte dieses Werk in einem Atemzug mit FRENCH CONNECTION genannt werden.

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  4. Sehr interessant, danke für die Analyse. MORT D´UN POURRI ist einer meiner Lieblingsscores, nicht nur was Sarde betrifft, sondern generell. Zwar ist mir seinerzeit das Hauptthema bei ON AURA TOUT VU auf dem Lautner-Sampler aufgefallen, aber von der Übernahme der beiden besagten Tracks wußte ich bisher nichts. Denn obwohl sie ohne Saxophon sind fügen sie sich doch sehr gut ein. Sind die denn in MORT D´UN POURRI, also im Film selber,  eingesetzt worden? Dann würde ihr erscheinen auf der CD zumindest Sinn machen.

    So oder so bin ich doch jetzt neugierig auf das neue Album, das in den kommenden Tagen bei mir eintreffen müßte. Auch wenn die Universal-CD ein weitaus schöneres Cover besitzt.

  5. Gerard Schürmann: THE LOST CONTINENT

    Aus der Reihe "Vergessene CDs nach zig Jahren mal wieder aus dem Regal gefischt":

    BESTIEN LAUERN VOR CARACAS lautet der deutsche Titel dieses schrägen Abenteuer-SF-Horror-Gebräus aus dem Hause Hammer. Eine Schiffbesatzung voller halbseidener und verkrachter Existenzen verschlägt es an eine unwirtliche Küste, wo sie es mit allerlei Ungetümen und spanischen Conquistadoren zu tun bekommen. Der Score von Schürmann ist wuchtig, mitreißend, durchsetzt mit schrillen Clustern, und läßt nur wenig Zeit für romantische Ruhephasen, obwohl es auch davon ein paar Minuten gibt. Highlights gibt es einige, wie Zum Beispiel das Aufeinandertreffen zweier monströser Kreaturen, das von  Schürmann als archaisches, percussives Ballett vertont wird. Roy Phillips Titelsong ist zwar von völlig anderer Art aber eröffnet die Geschichte mit einer ungemein eingängigen und keineswegs unpassenden Jazznummer.

    Absoluter Höhepunkt ist aber der Schluß (Finale & End Credits), der erstmals ein Thema ausspielt, das vorher nur zaghaft angedeutet wurde. Würdevoll, erhaben und dramatisch, beendet es die Geschichte auf geradezu spektakuläre Weise. Ein fantastischer Track, der auch jedem Hollywood-Epos zur Ehre gereicht hätte. Spitzenscore in toller Präsentation durch GDI-Records mit dickem Booklet und Erklärungen zu jedem einzelnen Track. 

     

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  6. Wie immer sehr schöne Reviews, Mephisto. Ich lese sie alle mit Interesse mit,. auch wenn ich mich in letzter Zeit seltener zu Wort gemeldet habe (Grund ist eine prekäre private Situation). Den ein oder anderen Tipp konnte ich hier schon aufgreifen. LEGIONI DI CLEOPATRA ist mir beispielsweise bisher noch nicht bekannt, wird aber demnächst bestellt werden.

    Zu Fuscos Troia/Enea-Doppelpack muß ich sagen, dass ich nie wirklich Zugang zu der Musik gefunden habe. Ich weiß, dass es originelle und außergewöhliche Scores sind, aber auf mich haben sie stets einen sperrigen, geradezu drögen Eindruck gemacht (naja, vielleicht vom Troia-Titelthema abgesehen). Obwohl ich sonst ja sehr zu begeistern bin für Fuscos eigenwilligen Stil, und seine Arbeiten für Antonioni sind wirklich ungemein spannend und brillant, aber bei seinen griechischen Heldenepen bin ich leider raus.

    Mephisto, vielleicht möchtest Du Dich auch mal den Marinuzzi-Peplum-Scores annehmen. Die haben es mir, entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen, doch sehr angetan. Würde mich interessieren, ob nur ich das so sehe, oder ob sie auch anderen gefallen.

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    Der gutaussehende, aus wohlhabendem Hause stammende Antonio ist ein rechter Frauenschwarm. Doch es gibt ein Problem: Sobald er sich einem Mädchen in aufrichtiger Liebe zugetan fühlt, ist es mit der körperlichen Annäherung vorbei. Als er sich in die unerfahrene Barbara verliebt und seine Impotenz bekannt wird, schlägt das im konservativen Sizilien hohe Wellen. Im Gegensatz zu den nachfolgenden, sehr ernsthaften Bolognini/Cardinale-Filmen SENILITA und LA VIACCIA, mischt dieser seine Geschichte mit verschmitztem Humor.

    Der Score ist auch wieder von erlesener Anmut. Das Hauptthema ist gleichermaßen romantisch wie klagend, meist helltönend von den Streichern intoniert und taucht in nahezu jedem Scoretrack auf, hier und da begeitet von den bluesigen Klängen der Trompeten. Einige Stücke werden von Ostinato-Rhythmen grundiert, was der Musik, bei allem Weltschmerz, in diesen Momenten auch eine enervierende Unruhe verleiht. Gegen Ende gibt es noch eine hübsche Klavierversion des Themas, und unter den Quellenmusiken sticht vor allem ein wunderbar verspielter Tango hervor.

     

  8. CRONACA DI UNA MORTE ANNUNCIATA

    Der angekündigte Tod betrifft einen Mann namens Santiago Nasar. Getötet wurde er in in aller Öffentlichkeit von zwei Brüdern, die damit die Familienehre wieder herzustellen gezwungen waren. Ein Arzt, der nach vielen Jahren in die kolumbianische Provinzstadt zurückkehrt, rekonstruiert den Fall.

    Eine Justiz, die aus dem Ruder läuft, ein moralisches Dilemma, die Einwohner in einer Kollektivschuld verstrickt - für einen Meisterregisseur wie Francesco Rosi genau das richtige Betätigungsfeld. Trotz formaler Perfektion erreicht der Film aber nicht die Wucht seiner besten Werke, und auch die sonst von ihm so gerne zelebrierte Nüchternheit weicht einer opulenten, melodramatischen Erzählweise. Dieser Eindruck geht zu einem Teil sicherlich auf Piccionis überwältigend schöne Streicherelegien zurück mit denen sich der Film bei einem an amerikanische Ästhetik gewohnten Publikum einschmeicheln möchte. Ich habe ihn lange nicht gesehen und mußte kürzlich erstaunt feststellen, dass es bis heute keine deutsche DVD-Veröffentlichung hiervon gibt. Trotz kleinerer Kritikpunkte habe ich ihn als unbedingt sehenswert in Erinnerung, und die Musik gehört ohne Zweifel zu Piccionis ergreifendsten Werken. Was jetzt noch fehlt ist eine würdige BD-Edition vom Film.

     

  9. Tolle Musik. Ich kannte sie vor der CD-Veröffentlichung noch nicht und war damals auch sehr angetan von der Themenvielfalt und dem spürbaren Elan, den Masetti hier beim Schreiben an den Tag gelegt hat. Heute blickt man eher verächtlich auf diese Filme zurück. Damals waren es, für europäische Verhältnisse, vor allem erfolgreiche Fantasy-Abenteuerfilme, die dem italienischen Genrekino den Weg geebnet haben. Leider waren es Masettis letzte Arbeiten, und es scheint sonst ja auch keinerlei Filmmusik von ihm auf Tonträger zu geben. Eine Empfehlung möchte ich für die deutsche DVD von Luigi Zampas "Die freudlose Straße" abgeben. Nicht nur ein großartiger Film, auch eine gute Gelegenheit Masetti als dramatischen Komponisten kennenzulernen.

     

  10. Es wundert mich immer wieder wie oft Filme aus dieser Zeit neue Kompositionen bekommen. Obwohl Stummfilme nur über ein sehr begrenztes Publikumsinteresse verfügen, scheint sich der Aufwand aber doch zu lohnen. Das gilt ja nicht nur für die ganz großen Klassiker, teilweise werden auch kleine, wenig beachtete Stummfilme aufwendig restauriert und mit orchestralen Scores auf DVD veröffentlicht. Das finde ich auch sehr gut und sehr wichtig, ich wundere mich nur. 

  11. Was noch gar nicht erwähnt wurde, ist der Umstand, dass die Filmmusik für Nosferatu eigentlich verlorengegangen ist und die vorliegende CD-Aufnahme aus drei Quellen rekonstruiert wurde, nämlich Erdmanns "Fantastisch-romantische Suiten", die auf der Nosferatu-Musik beruhen, zeitgenössischen Presseberichten und dem von Erdmann und Becce herausgegebenen "Handbuch der Filmmusik". Eine Einspielung also, bei der viel Mutmaßung mit eingeflossen ist. Es kann also auch niemand sagen, ob es die oben angesprochenen 1:1-Wiederholungen in Erdmanns Partitur tatsächlich so gegeben hat. - Nur eine kleine Ergänzung. Ich mag das Album auch sehr gerne. Allerdings haben die Aufnahmen dieser Reihe für meinen Geschmack zuviel Hall.

     

  12. DER UNTERGANG DES SONNENREICHES (Royal Hunt Of The Sun, 1969)

    Im 16 Jahrhundert trifft der spanische Eroberer Pizarro in Peru auf den Inkakönig Atahualpa. Da der sich nicht von den Priestern zum Christentum bekehren läßt, sieht sich Pizarro gezwungen, ihn gefangen zu nehmen und seine Gefolgschaft zu töten. Um Atahualpa auszulösen, verlangt er Gold von den Inkas. In den Räumen des Tempels lernen Pizarro und sein Gefangener allmählich einander zu respektieren.

    Der Film basiert auf einem religionskritischen Thaeterstück, und das merkt man ihm an. Es ist keineswegs ein herkömmlicher Historienfilm, sondern über weite Strecken ein interessantes, ambitioniert gemachtes Kammerspiel in ebenso fremdartiger wie faszinierender Umgebung. Regisseur Lerner hat auch den exzellenten Noir-Krimi  MURDER BY CONTRACT inszeniert, der mehr nach französischem als nach amerikanischem Gangsterdrama aussah. Und auch ROYAL HUNT OF THE SUN tendiert mehr in Richtung europäischen Arthouse-Kinos. Ein Vergleich mit BECKET bietet sich vielleicht an. Wirklich fantastisch ist der wuchtige Score von Marc Wilkinson, der traditionelles Orchester (Sinfonia of London) mit Flamencoeinflüssen, fremdartiger Percussion und Vokalisierungen mischt. Warum gab´s hiervon nie was auf Tonträger?

     

  13. polar.jpg.cc808705588fd0e889d9aa24cb756094.jpg

    EXTERIEUR NUIT: Das Hauptthema ist schmissig und sehr französisch im Tonfall. Der Score mischt Dramatisches mit Blues- und Jazzeinsprengseln. Das Ensemble besteht aus Keyboard, Streichern, Akkordeon, Saxophon. Die beiden letzteren sind für die exponierten Solo-Parts verantwortlich. Das ergibt eine durchaus reizvolle Musik mit einigen melancholischen Intermezzi. Hat was von den späteren Francois-De-Roubaix-Scores, wie ich finde. Sehr seltsam ist die Präsentation. Die 19 Tracks sind größtenteils eine Wiedergabe der kompletten Tonspur mit Dialogen und Geräuscheffekten aber auch ein paar "sauberen" Passagen.

    Glanzlicht der CD ist aber der zweite Score zum Noir-Krimi POLAR. Hier spielt ein größeres Orchester. Mundharmonika (Tommy Reilly) und Saxophon (Patrick Bourgoin) bestreiten die solistischen Parts. Das hat Atmosphäre, ist durchgehend interessant und spannend anzuhören. Die Streicher haben einen gewissen Sarde-Charakter, und überhaupt erinnert mich hier gerade das Zusammenspiel vom bluesigen Timbre der Solo-Instrumente mit Streichorchester an Philippe Sarde.

    Die CD ist eine erfreuliche Überraschung, die mir kürzlich der Zufall beschert hat. Den Komponisten Karl-Heinz Schäfer hatte ich eigentlich schon vor langer Zeit ad acta gelegt, da mir sein zäher Synthie-Brei zur "Straße ohne Wiederkehr" als schwer verdaulich in Erinnerung geblieben ist. Hier zeigt er sich von einer anderen Seite, und die gefällt mir ausgesprochen gut. Zu erwähnen ist noch, dass ohrenscheinlich sämtliche Musik dieser CD von den damaligen Vinyl-LPs abgenommen wurde.

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