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Soundtrack Board

Sebastian Schwittay

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Beiträge von Sebastian Schwittay

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    INHERENT VICE (Jonny Greenwood & diverse)

     

    Erst einmal vorweg: die Zusammenstellung des Soundtracks - Score und Songs - ist ein kleines Kunstwerk; vielleicht eine der besten und unterhaltsamsten Soundtrack-Compilations der letzten Dekaden. Die Mischung aus Greenwoods Score, unkonventionellem 70er-Pop von Minnie Riperton, fremder Filmmusik von Les Baxter und Can sowie bislang unveröffentlichter Musik von Radiohead sorgt für überaus erfrischende 55 Minuten Album-Spieldauer.

     

    Rund 30 Minuten des Albumschnitts entfallen dabei auf den Score. Stilistischer Hauptbezugspunkt von Greenwoods Musik ist dabei Bernard Herrmann - die von Streichern und Holzbläsern dominierte Musik hat ausgeprägten Noir-Charakter, verwendet Minimalismen à la VERTIGO und auch der mittlerweile Greenwood-typische Einsatz des Ondes Martenot im Track "Adrian Prussia" weckt Assoziationen an die entsprechenden Experimente Herrmanns im Sci-Fi-Genre.

     

    Die drei zentralen Stücke "Shasta", "Shasta Fay" und "Shasta Fay Hepworth" - die Präludium, Mittelteil und Postludium bilden und den Score damit rahmen - präsentieren das in oktatonische Streicherharmonien getränkte, seufzend-getragene Hauptmotiv, das kanonisch durch die Holzbläser-Stimmen wandert und auch von Horn und Solo-Violine umspielt wird. In "The Chryskylodon Institute" und "Adrian Prussia" bekommt die Musik rhythmischeren Charakter und wird durch Vibraphon, Ondes Martenot und schräge Elektronik-Einwürfe zunehmend bizarrer. In den letzten Tracks kombiniert Greenwood das Herrmann'sche Klangidiom schließlich mit Stilismen des Alternative-Pop ("The Golden Fang") bzw. löst es im meditativ-psychedelischen "Amethyst" gänzlich auf.

     

    Insgesamt ist Greenwood eine originelle, technisch wie gewohnt bestechend niveauvolle Vertonung gelungen, die jedoch letztlich aus zwei Gründen schwieriger zu fassen ist als seine beiden letzten P.T. Anderson-Scores THERE WILL BE BLOOD und THE MASTER. Zum einen treten die quer über das Album verstreuten Score-Tracks in eine enge Wechselbeziehung zu den Songs (vielfach gehen Score und Songs nahtlos ineinander über), andererseits macht der Score durch seine dekonstruktivistischen Tendenzen selbst schon einen zuweilen polystilistischen Eindruck. Somit wird man dem Gesamtpaket INHERENT VICE wohl am ehesten gerecht, wenn man es als postmoderne, Pynchon'esque Collage betrachtet, als Netz aus musikalischen Verweisen und ironischen Referenzen an die amerikanische Popkultur. Für aufgeschlossene Geister in jedem Fall ein äußerst empfehlenswertes Album.

    • Like 4
  2. Ich frage mich nur, wieso Horner im ureigensten Terrain absoluter Musik unterwegs ist (es geht immerhin um ein Doppelkonzert), und dann stilistisch doch "nur" straighten Kino-Breitwand-Sound abliefert. Da hätte er doch einfach eine sinfonische Dichtung oder ein Orchesterstück ohne Gattungsanspruch schreiben können (oder einfach gleich eine Filmmusik), und sich nicht in die gigantische Tradition des Brahms'schen Doppelkonzerts stellen müssen.

  3. Dafür habe ich keine Quelle, ich gehe schlicht davon aus. Ist auch der einzige nachvollziehbare Grund, wieso BIRDMAN nicht zugelassen wurde.

     

    Meinem eigenen Verständnis von Kunstmusik läuft das Prinzip der Improvisation jedenfalls ein Stück weit zuwider - improvisatorische oder aleatorische Elemente gibt es natürlicherweise immer wieder mal, aber ansonsten bin ich davon überzeugt, dass Struktur gebaut werden muss und nicht einfach vom Himmel fällt. Diese Überzeugung ist vielleicht mit ein Grund, warum ich nie besonderer Jazz-Anhänger war.

  4. Du sprichst da von einem Komponisten, obwohl nichts komponiert wurde. Es werden ja letztlich auch keine Oscars für eine tolle Auswahl prä-existenter Musik vergeben.

     

    Die "Best Original Score"-Kategorie ist (und das finde ich auch gut so) als Preis für eine für den Film (!) komponierte (!) Musik definiert.

    • Like 1
  5. Das ist tolle, quasi-improvisierte Musik, die hervorragend zum Film passt und dem eine ganz bemerkenswerte Stimmung mitgibt.

     

    Warum haste denn dann bei meinem Beitrag auf "Gefällt mir" geklickt? ;)

     

    Da die Musik mit ziemlicher Sicherheit vollständig (nicht nur quasi) improvisiert ist, würde ich die Musik letztlich nicht in einen Wettbewerb mit komponierten Filmmusiken stellen wollen. Außerdem sehe ich nicht die besondere, auszeichnungswürdige Leistung. Auch wenn es hervorragend zum Film passt: das bekommt jeder halbwegs talentierte Drummer hin.

    • Like 1
  6. Du meinst die FYC, richtig? Die ist nämlich nicht komplett.

    Nein, ich meinte (wie geschrieben) die komplette bzw. kompletteste offizielle (=veröffentliche) Fassung. Und das ist der Albumschnitt plus alle Bonustracks. Keine ominöse FYC-Promo.

    Und für mich hat sich die Frage nach den verschiedenen Fassungen auch erledigt - der CD-Schnitt ist optimal, mehr braucht man nicht.

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    BIRDMAN (Antonio Sanchez)

     

    Kurz gesagt: ein 28-minütiges Drum-Solo. Im ersten und letzten Track gibt es für ein paar Sekunden etwas Ambient-Sounddesign dazu, ansonsten bestreitet Jazz-Drummer Antonio Sanchez das Ganze jedoch im Alleingang.

     

    An sich ein nettes, originelles Konzept - im Film vielleicht sogar recht wirkungsvoll. Da ich jedoch davon ausgehe, dass es sich hier um Improvisation und nicht um Komposition handelt (welcher Jazz-Drummer macht schon einen auf Edgar Varèse und notiert ein Schlagzeug-Stück exakt aus?), frage ich mich schon: wo ist die besondere Leistung? Ein Drum-Solo improvisieren, das bekommt jeder Schlagzeuger hin.

     

    Die Oscar-Jury sieht´s anscheinend ähnlich. Gut so.

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