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Angus Gunn

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Beiträge von Angus Gunn

  1. 1849152862_nomanofherown.jpg.4efd7f5a2fba5c6ffb1cb7e787de5dcd.jpg

    Dieser Film ist mir bisher unbekannt, aber die Musik von Friedhofer gehört mit zum besten, was mir im Krimi-Genre der 40er/50er Jahre untergekommen ist.

    Es geht um eine Frau, die mit einem unehelichen Kind schwanger ist, nach einem Zugunglück in die Rolle einer Toten schlüpft und daraufhin von ihrem Ex-Partner erpreßt wird. Das klingt nach einem düsteren Melodram, das Friedhofer die Möglichkeit für eine seiner unnachahmlichem, psychologisch ausgefeilten, tiefgründigen Kompositionen bot. Das PRELUDE startet mit einem wunderschönen, romantischen Thema, das jedoch auch von dramatischen Akzenten begleitet wird, bevor es dann im PROLOGUE in eine reine Pastorale übergeht.

    Ausbrüche von thrillender Spannungsmusik gibt es wenige. TRAIN WRECK AND HOSPITAL ist in dieser Hinsicht das herausragende Stück. So führt uns Friedhofer durch ein virtuoses, 26-minütiges Labyrinth musikalischer Emotionen, auf einer Gradwanderung zwischen beschaulicher Romantik, elegischer Tragik und subtilem Suspense, das mehrmals durchlaufen werden darf und sollte.

     

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  2. Vielen Dank für Reaktionen, Ergänzungen und Hinweise!

    Am 13.8.2019 um 14:17 schrieb Trekfan:

    Auch eines meiner liebsten Alben in der Morgan/Stromberg-Reihe, das zeigt, dass es bei WB mehr zu entdecken gibt als Max Steiner. Was das Thema "Noir" angeht, finde ich bis heute bei "Maltese Falcon" Film wie Musik unschlagbar.

    Trekfan, da bin ich ganz auf Deiner Seite. Es gibt zwar noch drei oder vier Noir-Kandidaten, die ich noch höher einstufen würde, aber der Falke ist wirklich phantastisch. Und weil mir gerade danach ist, schreibe ich noch ein paar Zeilen dazu:

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    The stuff that dreams are made off

    Privatdetektiv Sam Spade erhält von einer Klientin den Auftrag, ihre Schwester aufzuspüren, die anscheinend mit einem dubiosen Mann in San Francisco untergetaucht ist. Kurz darauf wird Spades Partner auf nächtlicher Straße erschossen, und schon bald sieht sich Spade inmitten eines mysteriösen Falles, in den mehrere zwilichtige Parteien verwickelt sind. Das Objekt der Begierde ist eine geschichtsträchtige Falken-Statue, für deren Besitz gemordet und intrigiert wird. Man mag kaum glauben, dass es sich hierbei um ein Regiedebüt handelt. Der Film war seinerzeit stilprägend und weiß auch heute hoch blendend zu unterhalten. Das Lexikon des Internationalen Films brachte es auf den Punkt: "... perfekt gebaut, bestechend gespielt, zynisch, pessimistisch und voller schwärzestem Humor, präzise in den Dialogen, beeindruckend in der Dichte der "schwarzen" Atmosphäre, die nicht zuletzt durch die Komposition von Licht- und Schatteneffekten in der Tradition des deutschen Expressionismus erreicht wird."

    Dennoch muß ich einen kleinen Kritikpunkt anbringen, und der betrifft die Besetzung von Mary Astor. Ihr Schauspiel ist zwar einwandfrei, doch ist sie aus meiner Sicht fehlbesetzt. Ihr mangelt es einwenig an Charisma. Außerdem ist sie schlicht und einfach nicht hübsch genug für eine Femme Fatale, die in der ersten Szene sogar noch mit "She´s a knockout!" angekündigt wird und den zynischen Spade um den Finger wickelt. Man stelle sich einmal Ella Raines in der Rolle vor. Oder Veronica Lake. Oder Paulette Godard. Letztere stand wohl auch tatsächlich zur Auswahl. Das wär´s gewesen, oder?  

    Wie so oft wird auch bei diesem Film Musik schnöde übergangen, überhört, oder schlicht und einfach ignoriert.Dabei wären lobende Worte wirklich angebracht. Um den Film nicht zu überfrachten vermied Adolph Deutsch offensichtliche Leitmotive und stattete THE MALTESE FALCON mit einem sehr ernsthaften, teils düsteren und angenehm zurückhaltenen Score aus, den eine Aura des Mysteriösen umgibt. Hauptthema und wiederkehrendes Element ist dabei das aus einer Folge von acht Tönen bestehende Falken-Motiv. Dieses Motiv verwendet Deutsch in der Titelmusik auffallend clever, indem er es unablässig wiederholt und dabei von verschiedenen Instrumentengruppen in unterscheidlichen Rhythmen und Tempi intonieren läßt. Die perfekte Musik für den Film, und man darf froh sein, dass die Wahl nicht auf Max Steiner gefallen ist. Ich bin, ehrlich gesagt, kein großer Freund des steiner´schen Geklotzes. Da ist Deutsch schon ein anderes Kaliber.

    Zur deutschen Fassung: Diese ist unter hiesigen Filmfans natürlich ebenso berühmt wie berüchtigt, denn hier hat man sich wirklich der groben Verunstaltung schuldig gemacht. Da gibt´s keine Ausrede mehr. In der Synchronisation dudelt ein Jazz-Score, der in einem Edgar-Wallace-Reißer mit Fuchsberger sicherlich gut funktioniert hätte und der Spades Ermittlungen hartnäckig von beschwingten Klavierläufen begleitet (oder besser: behindert). Auch eine Szene gegen Ende ist bezeichnend: Eingewickelt in Stoff und Papier liegt der Malteserfalke auf dem Tisch, wird von gierigen Händen ausgepackt und von allen Seiten begutachtet, bis sich die Figur als Fälschung herausstellt. Nicht nur wird diese Szene konsequenterweise von hysterisch kreischenden Jazz-Trompeten malträtiert, der Synchronautor jubelt Bogart auch noch den Satz "Nehmt ihm doch die Windeln ab" unter. Es war die Zeit, in der Synchros a la Rainer Brandt sehr populär waren. Schade um die guten Sprecher.

    Wer ihn noch nicht kennt und dem Kino vergangener Tage nicht gänzlich abgeneigt ist sollte sich THE MALTESE FALCON nicht entgehen lassen. Und ich empfehle, sich beide Fassungen anzuschauen. Die eine für´s authentische Filmerlebnis, die andere als kurioses Stück deutscher Synchrongeschichte.

     

     

     

     

     

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    KISS OF DEATH  (David Buttolph)

    Nick Bianco (Victor Mature) wird bei einem Raubüberfall gefaßt und landet für drei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung erfährt er, dass seine Frau nicht mehr lebt und seine zwei Kinder im Waisenhaus sind. Offenbar sind seine Komplizen, die nach dem Überfall entkommen sind, nicht unschuldig an ihrem Tod. Aus Rache verpfeift er sie bei der Polizei, doch sie werden aus Mangel an Beweisen freigesprochen, und von nun an steht Bianco auf ihrer Abschußliste.

    Ein sehr starkes Kriminaldrama mit einer Gangster-Figur als Sympathieträger und Richard Widmark als infantil grinsender Killer, der eine enorme Gefährlichkeit ausstrahlt und nicht davor zurückschreckt, eine an den Rollstuhl gefesselte Frau die Treppe herunterzustoßen.

    Komponist David Buttolph ist mir schon mehrfach im Umfeld des Noir-Films positiv aufgefallen, wenn auch viele davon bei uns nie zur Aufführung gelangt sind (z.B. "Within these Walls" (1945), "House on 92nd Street" (1945), "Somewhere in the Night" (1946). Seine Musik ist prägnant, oft schroff im Tonfall und zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Ökonomie im Zusammenspiel mit den Filmbildern aus. Die Musik zu KISS OF DEATH ist dafür ein sehr gelungenes Beispiel, hält sie sich doch über längere Zeiträume gänzlich zurück, um dann in dramaturgisch wichtigen Szenen umso mehr zu glänzen.

    Von diesem Film existiert immerhin eine amerikanische BD mit isolierter Musikspur, ansonsten sieht es mit Soundtrack-Veröffentlichungen sehr düster aus.

    Hier die prägnante Titelmusik (mit vorangestellter Dialogszene):

    Zumindest von KISS OF DEATH gibt es eine amerikanische BD mit isolierter Musikspur, ansonsten sieht es mit Soundtrack-Veröffentlichungen sehr düster aus.

    Hier die prägnante Titelmusik (mit vorangestellter Dialogszene):

     

     

     

     

     

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    RÄCHER DER UNTERWELT / DIE KILLER (1946)
    Zwei fremde Männer betreten eine Schankwirtschaft und sperren einen Gast und den Koch in einen Nebenraum. Sie haben die Absicht, den Schweden Ole Anderson (Burt Lancaster) zu töten, der in der Tankstelle arbeitet und jeden Abend zum essen kommt. Doch ausgerechnet heute kommt er nicht. Er liegt zu Hause apathisch auf dem Bett, als die Killer zu Treppe hochkommen. Obwohl Anderson vorher noch gewarnt wurde, unternimmt er keinen Fluchtversuch und wartet ohne Gegenwehr auf seinen Tod. Ein Versicherungsdetektiv (Edmond O´Brien) ermittelt in dem Fall und rollt die tragische Vergangenheit des ehemaligen Boxers auf. Burt Lancasters Leinwanddebüt ist ein Musterexemplar für ein mitreißend erzähltes, anspruchsvolles Kriminaldrama in ausgefeilter Schwarz-weiß-Dramturgie.

    ZELLE R 17 (1947)
    Die Häftlinge im Westend Penitantiary haben unter dem sadistischen Aufseher Munsay zu leiden. Die fünf Insassen von Zelle R 17 planen einen Ausbruch. Ein unglaublich dramatischer Film mit Szenen von außerordentlicher Brutalität, der auf ein erschütterndes Finale zusteuert. Ein Kritikpunkt wäre vielleicht der, dass er es dem Zuschauer zu einfach mit der Sympathievergabe macht. Jeder der fünf Zellengenossen sitzt entweder unschuldig ein, hat seine Tat aus moralisch nachvollziehbaren Beweggründen begangen, o.ä.  Ein in Gefängnisdramen seit jeher beliebter, dramaturgischer Kniff, der dem Publikum die Unbequemlichkeit abnimmt, selber über das Identifikationspotenzial der Protagonisten zu entscheiden.

    STADT OHNE MASKE (1948)
    Dieser Film wählt einen semi-dokumentarischen  Ansatz. Seine Schauplätze sind echt, die Großstadt rauh und menschenfeindlich. Und die Geschichte, die hier erzählt wird, ist nur eine von achtmillionen, wie es uns Produzent Mark Hellinger selber im Prolog erklärt. Es geht um den Mord an einem Fotomodell, die Ermittlungen durch Detective Muldoon und um die vielen, scheinbar beiläufigen Vorkommnisse drumherum. Dassin zeigt eindrücklich ein ernüchterndes, unglamouröses New York, das von Korruption zersetzt zu werden droht, erlaubt sich am Schluß aber auch eine genregerechte, versiert inszenierte Verfolgungsjagd, ohne einen Bruch zum bisher vorherrschenden Quasi-Doku-Charakter zu riskieren.

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    Diese drei Filme haben nicht nur ihren Produzenten gemeinsam, sondern auch den Komponisten Miklos Rozsa. Zu jedem der drei gibt es mehrere Möglichkeiten, sich die Musik ins heimische Sammler-Regal zu stellen. Auf Zusammenstellungen in Form von Auszügen oder als mehr oder weniger vollständiger Score. Neu eingespielt oder in der Originalaufnahme.
    Da mag jeder seine eigenen Präferenzen haben. Ich persönlich hege eine besondere Vorliebe für jene Suite, die Rozsa selber unter dem Titel BACKGROUND TO VIOLENCE eingespielt hat, und die im Jahr 1956 erstmals auf Vinyl gepreßt wurde. Zunächst noch in Mono, gab es wenige Jahre später dasselbe nochmal in einer Stereo-Abmischung, die seither verschiedentliche Wiederveröffentlichungen erfahren hat, zuletzt auf dem kanadischen Label "Disques Cinemusique".

    Warum ist ausgerechnet diese Suite von solch besonderer Güte?
    Obwohl sie aus den Scores zu drei Filmen zusammengestellt ist, funktionieren die 21 Minuten als in sich geschlossenes, sinfonisches Werk und als repräsentativer Querschnitt durch Rozsas Gangsterfilm-Schaffen perfekt. Da ist kein Gramm Fett zuviel.

    Mit PRELUDE TO MURDER beginnt die Suite mit reißerischen, aufregenden Klängen, bei denen Rozsa wie zu erwarten aus dem Vollen schöpft. Es folgt das umwerfende NOTTURNO in dem sich pastorale Augenblicke von Sehnsucht und Idyll mit dräuender Schwermut verbinden. SCHERZO ist seinem Titel entsprechend verspielt und von leichterer, unbekümmerter Art für die amüsanteren Verschnaufpausen. Stammen die ersten drei Stücke allesamt aus BRUTE FORCE, geht es danach bruchlos mit DESPAIR aus THE KILLERS weiter, dem vielleicht intensivsten Stück der Zusammenstellung, das in expressiver, aufwühlender Verzweiflung kulminiert. Mit PURSUIT aus THE NAKED CITY geht es mit der musikalischen Umsetzung einer rasanten, finalen Verfolgungsjagd weiter, bevor Rozsa zu einem triumphalen Finale (EPILOGUE) ausholt. Als "the happy song of a great city" bezeichnet Rozsa selber in einem bemerkenswerten Anfall von Understatement diesen abschließenden Track. Abgesehen von ihrem musikalischen Wert hat diese Suite den Vorteil eines sehr guten Stereo-Klangs, der aber trotzdem noch die angenehme, authentische Patina einer zeitgenössischen Aufnahme aus den 50er Jahren besitzt.

     

     

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    ENTSCHEIDUNG IN DER SIERRA (Adolph Deutsch)

    Der Film beginnt mit der Panoramaaufnahme eines Bergmassivs über das zur ebenso aufwühlenden wie wuchtigen Titelmusik die Vorspanncredits laufen. Dann wechselt die Szenerie in die Stadt. Der Ganove Roy Earle (Bogart) wird aus dem Gefängnis entlassen. Seine Freilassung verdankt er der Intervention des einflußreichen Gangsterbosses Big Mac, der ihn und seine Erfahrung für einen geplanten Raubüberfall benötigt. In einer Hütte im Gebirge trifft sich Earle zur Planung mit drei angeheuerten Mitstreitern. Einer davon hat seine Freundin Marie (Lupino) dabei, die sich in Earle verliebt, was zu weiteren Konflikten führt.

    Der Score ist klassisch-sinfonisch gearbeitet, beschreibt schroff und würdevoll die Gebirgsszenerie und schlägt häufig auch stille, differenzierte Töne für die zwischenmenschlichen Spannungen an. In der deutschen Fassung wurde die Musik fast zur Gänze ersetzt. Allerdings hat man sich hier sehr bemüht, angemessene, der Stimmung der Originalmusik entsprechende Stücke zu verwenden, was im Großen und Ganzen auch akzeptabel gelungen ist, aber hier und da auch weniger zu überzeugen vermag.

    Zwei Negativ-Beispiele möchte ich herausgreifen:
    Zum einen der Dialog zwischen Bogart und Lupino am Küchentisch, den Deutsch mit einem empfindsamen und etwas resignativ klingenden Stück begleitet, das exakt zum Zwigespräch zweier angeschlagener Charaktere paßt. In der deutschen Fassung hat man eher den Eindruck dem Finale eines romantischen Liebesfilms zu lauschen, was der Szene einen Teil ihrer Wirkung nimmt.
    Ähnlich verhält es sich gegen Ende. Earle flüchtet einen Steilhang hinauf. Von unten wird er von Polizisten mehrmals zur Aufgabe aufgefordert, über ihm nimmt ihn ein Scharfschütze ins Visir. Dieses Finale erzielt mit der hitzigen, dramatischen Musik von Deutsch (zu hören als APPREHENDED auf der CD) eine wesentlich stärkere Wirkung, als es die Archivmusik der Synchronfassung vermag.

    Ein sehenswerter Klassiker mit einer großen Filmmusik ("filled with memorable melodies and strong themes, it is certainly Deutsch´s most "Steinerish" music on this album"), von der das rührige Morgan/Stromberg-Team eine 13-Minuten-Suite destilliert hat, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

     

     

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  6. Kurze Einschätzung dieser CD:

    Das Hauptthema ist wirklich schön, hat mich bei den Hörbeispielen direkt angesprochen und war für mich der Grund für den Kauf. Stlistisch kreuzt es in den selben Gewässern wie einige von Ortolanis Westernthemen, vor allem HUNTING PARTY, dramatisch, melodisch, aufwühlend. Von diesem Stück gibt es noch drei oder vier wunderbar ruhige, nostalgische Varianten. Vor allem LE MIE SERE PIU BELLE ist hier hervorzuheben. Dazwischen etwas Ambiente ohne Melodie für die Unterwasserszenen und zwei jazzige Tracks, die die Stimmung etwas stören. Leider ist ausgerechnet die aufregende CACCIA AL PESCECANE nur in mäßigem Mono, während sich die meisten übrigen Stücke in sauberem Stereo präsentieren.

    Das Original-Album umfaßt 10 Tracks, gefolgt von 14 Bonustracks. Letztere sind eher weniger lohnenswert, da sich unter ihnen auch viel von der Unterwasser-Atmo-Musik wiederfindet. Die CD ist unterm Strich vielleicht kein Muß, aber für mich eine angenehme Entdeckung eines mir bisher gänzlich unbekannten Scores.

     

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  7. 475677434_ondangerousground.jpg.e006d0d1b620856081a929bdd4358cd6.jpg

    ON DANGEROUS GROUND  -  BERNARD HERRMANN

    Mit zunehmender Verbitterung führt Jim Wilson seinen Job als Ordnungshüter in der Großstadt aus. Als ihn seine unberechenbaren Gewaltausbrüche mal wieder in Konflikt mit seinen Kollegen bringen, versetzt ihn sein Chef in die Provinz, wo er in einem Mordfall an einer jungen Frau ermitteln soll. Dabei stößt er auf die blinde Mary, deren geistig behindeter Bruder der Täter zu sein scheint.

    Wilson (Robert Ryan) ist der prototypische Hardboiled-Detective. Er ist alleinstehend, zynisch, desillosioniert ("Cops have no friends, noboby likes a cop. On either side of the law, nobody." - "Is that what you want? People who like you? Than you´re in the wrong business.")  Selten sahen die Gassen und Hinterhöfe der namenlosen Stadt so abweisend aus wie hier. Die Vorgänge in der ersten halben Stunde laufen ins Leere, dienen nur dazu, den Wilson-Charakter zu porträtieren. Als musikalische Entsprechung hätte man Wilson nun eine melancholische, gebrochene Melodie beiseite stellen können, aber Herrmann beschreitet einen anderen Weg. Mit seinem schroffen, äußerst aggressiven PRELUDE konzentriert er sich auf Wilsons gefährliche Unberechenbarkeit, auf dessen aufgestauten Hass und zeichnet die Stadt (die wir in der Vorspannsequenz aus subjektiver Sicht durch die Windschutzscheibe sehen) gleichzeitig als menschenfeindlichen Moloch voller Unmoral und Gewalt. Erst später, bei der Begegnung mit einem kleinen Jungen, der auf der Straße spielt, bekommt Wilson ein traurig-resigniertes, jazzig angehauchtes NOCTURNE mit auf den Weg.

    Der Tonfall ändert sich mit dem Zusammentreffen mit Mary (Ida Lupino). Hier setzt die Handlung erneut an. Der Täter steht schnell fest, und es geht auch nur vordergründig um die Jagd nach einem Mörder. Wilson entwickelt Zuneigung zu der ebenfalls allein lebenden Mary, was von Herrmann mit einem anrührenden Streicherthema (Virginia Majewskis Solo-Violine ist sogar im Vorspann genannt) begleitet wird. In den beiden Jagdsequenzen HUNT SCHERZO und der durch die Gerhardt-Enspielung legendären DEATH HUNT, kehren die aggressiven Strukturen der Titelmusik wieder zurück, und es ist in der Tat atemberaubend, was Herrmann hier an Wildheit und Dramatik auffährt.

    ON DANGEROUS GROUND ist auch als Film sehenswert. Das meiste ist erkennbar nicht im Studio gedreht, gelegentlich werden für die Zeit ungewöhnliche Handkamera-Szenen (z.B. im Wageninnern durch die Scheiben nach draußen gefilmt) eingesetzt. Ein nicht unerheblicher Schwachpunkt ist allerdings das versöhnliche und aufgesetzt wirkende Happy-End, das durch RKO-Chef Hughes aufgezwungen wurde, und leider ein nachwirkendes Kloß-im-Hals-Ende vermasselt. Der Film existiert nur in Originalfassung. Meine italienische DVD ist in Ordbnung, wirkt aber etwas ausgebleicht und kontrastarm. Inzwischen ist auch eine BD im Umlauf.

    Die Musik ist unverzichtbar, und eine meiner drei Herrmann-Lieblings-Scores. Die Azetat-Laufgeräusche, die die Aufnahmen auf der großartigen FSM-CD zum Teil begleiten, werden aber leider viele abschrecken.

     

     

     

     

     

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  8. Am 7.7.2019 um 21:10 schrieb Sebastian Schwittay:

    Mich wundert ja eh, wie weit der Stilbegriff oft gefasst wird. In unserem Filmkollektiv-Programm in Frankfurt zum Thema "Pionierinnen des Film Noir" habe ich letztens zum ersten Mal Ida Lupinos THE HITCH-HIKER gesehen, der ja als erster US-Noir gilt, der von einer Frau inszeniert wurde. Dabei weist der Film über einen Anhalter, der zwei Männer als Geisel nimmt und mit ihnen durch Mexiko fährt, nur sehr wenige der typischen Stil- und Inszenierungsmerkmale auf: keine verhängnisvolle Frauenfigur/femme fatale, keine urbane Szenerie, keine Rückblenden, kein Voice Over... höchstens eben die expressiv-verschattete S/W-Fotografie, was aber als alleiniges Merkmal für die Zuordnung nicht ausreicht, wie ich finde. 

    HITCH-HIKER habe ich noch nicht gesehen. Auf der Seite "der-film-noir.de" entdecke ich auch viele Filme, die meiner Einschätzung nach dort nichts verloren haben. Und umgekehrt fehlen welche, die dort unbedingt hineingehört hätten. Außerdem pflegt man dort eine generelle Abneigung gegen Synchronfassungen. Davon abgesehen aber eine liebevoll zusammengestellte, empfehlenswerte Seite zum Stöbern und informieren. Nur die Musik findet dort halt kaum Erwähnung. Aber dafür gibt es ja jetzt diesen Faden hier.:)

    Unabhängig von seiner Einordnung, ist HITCH HIKER denn sehenswert?

    Am 30.7.2019 um 14:40 schrieb Trekfan:

    An das Album muss ich schon die ganze Zeit denken, seit dieser Thread eröffnet wurde.

    Schön, dass die alte Cloud-Nine-CD nicht vergessen ist. Ich hatte damals schon den Eindruck, dass sie bei Filmmusik-Fans wenig Interesse auf sich gezogen hat. Man braucht natürlich eine gewisse Toleranz gegenüber dem historischen Mono-Klang von Acetat-Überspielungen.

    Das Buch ist wohl mehr was für professionelle Musiker, aber ich finde es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet der Musik zum klassischen Noir ganze Bücher gewidmet sind. Ein lohnendes Betätigungsfeld offenbar.

     

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    Wer erinnert sich noch an diese feine CD-Edition von "Cloud Nine Records", die sich dem Schaffen des oft übersehenen Roy Webb widmete? Wahrscheinlich kaum einer. Dabei ist ihr Inhalt auch und gerade für diesen Faden von Belang, finden sich doch Auszüge aus gleich mehreren "Noir"-Scores der 40er Jahre auf dieser Scheibe, die auch eines der wunderbaren, bebilderten Booklets enthält, für die dieses Label seinerzeit geschätzt wurde.

    In OUT OF THE PAST (Goldenes Gift, 1947) betreibt Jeff (Robert Mitchum) im ländlichen Kalifornien eine Tankstelle und wird dort von seiner Vergangenheit als Privatdetektiv eingeholt. Der skrupellose Gangsterboss Sterling (Kirk Douglas) hat noch eine Rechnung zu begleichen, und auch die undurchsichtige Kathie (Jane Greer) verfolgt ihre eigenen Pläne. Diesem Film eilt der Ruf eines echten Klassikers voraus, und was ich hier in zwei Sätzen grob umrissen habe ist in Wirklichkeit ein überaus engmaschig verwobenes Netz aus Intrigen, Verrat und Rache, das ein größeres Maß an Aufmerksamkeit einfordert, will man den Faden nicht verlieren.

    Trotz Tourneurs eleganter, stilsicherer Inszenierung kann man an den vorhandenen Schwächen nicht gänzlich vorbeisehen. So wird die Geschichte zum Teil unnötig umständlich erzählt, was auch daran liegen mag, dass man einfach des Guten zuviel hineingestopft hat, und dass auch nicht jede Wendung wirklich nachvollziehbar ist. Das hält den Zuschauer trotz des fulminant aufspielenden Darstellerensembles auf Distanz. Sehenswert ist der Film aber dennoch allemal.

    Die Filmmusik ist mit der Overture als Track 1 auf der CD vertreten. Webbs Komposition ist elegant und frönt einer ausladenden Romantik. Als Einleitung für ein Kriminaldrama für meinen Geschmack etwas zu seicht. Eine anmutige Musik, die eher nach gefühlsduseligem Melodram klingt (was der Film bis zu einem gewissen Grad allerdings auch ist), und ruhig etwas kantiger hätte sein dürfen.

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    Die folgenen drei Filme haben allesamt keine deutsche Übersetzung erfahren und sind mir bisher unbekannt.

    Sehr wirkungsvoll, und wohl auch das intesivste Stück des Albums, ist der MAIN TITLE zum Susan-Hayward-Film THEY WON´T BELIEVE ME. Ein packendes, in dramatisch-düsteren Klängen gehaltenes Thema, das auf die kommenden, tragischen Ereignisse einstimmt.

    THE LOCKET ist ein "Noir"-Drama mit komplexer Rückblendenstruktur, Larraine Day als Femme Fatale und einem der trostlosesten Enden im Kino der 40er Jahre. Die charmante, 10-minütige Suite macht über lange Zeit den Eindruck dem Score einer romantischen Komödie zu lauschen. Mal schwelgerisch, mal beschwingt, läßt er erst in den letzten zwei Minuten auf sinistre Vorgänge schließen.

    In CORNERED rächt sich ein französisch-kanadischer Pilot nach Kriegsende an den Leuten, die für den Tod seiner Frau verantwortlich sind. Die 4 Minuten dieser Suite sind von grimmiger Art, rauer als alle anderen Webb-Kompositionen, die auf diesem Album sonst zu hören sind.

    Es lohnt sich, nach der CD Ausschau zu halten, hat sie doch eine Menge Raritäten zu bieten. Neben den genannten, finden sich noch längere Auszüge aus CURSE OF THE CAT PEOPLE und Hitchcocks NOTORIOUS (beides keine wirklichen Noirs aus meiner Sicht), sowie SINBAD THE SAILOR und einiges mehr.

     

     

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    CANTERBURY NO.2  ist eine für ihre Zeit typische Erotikkomödie in mittelalterlichem Ambiente aus dem Jahr 1973. Die Imdb gibt Drehbuchautor Roberto Loyola als Regisseur an. Laut CD-Booklet war aber Italiens Exploitation-Papst Joe d´Amato für das Werk verantwortlich. Einigkeit herrscht aber immerhin über die Urheber der Filmmusik. Doch der Score der De-Angelis-Brüder ist als Album eher eine Enttäuschung. Dabei beginnt es wirklich vielversprechend:  In TITOLI leiten Orgelklänge über in ein ruhiges, sakral anmutendes Lied mit Solostimme, Chor und von einer handgeschlagenen Trommel rhythmisiert. Ein wunderbares Stück, voll spritueller Erhabenheit, das es, wie den gesamten Score, niemals zuvor auf Tonträger gab, und für mich eine sehr erfreuliche Überraschung war.

    Ein weiteres Lied (AMORE) ist im Minnegesang-Stil gehalten und ist auch instrumental vertreten. OSCURITA greift den sakral-sphärischen Aspekt wieder auf, und der Rest der Musik erschöpft sich in komödiantischen Melodien, interpretiert von kleinem Ensemble mit u.a. Flöte, Fagott, Gitarre, Spinett und Banjo, in direkter Nachbarschaft von Morricones Slapstick-Einlagen im "Nobody"-Score. Das ist auf Dauer anstrengend und musikalisch wenig ergiebig, zumal die meisten Tracks filmbedingt auch sehr kurzatmig sind.

    Leider ein schwächeres Album, von dem man sich mehr erhofft hätte. Der 4-minütige Eröffnungstrack allerdings ist vom Feinsten und für mich alleine schon die Anschaffung wert.

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    THE SCARLET HOUR  (Leith Stevens)

    Diesen Score aus dem "Paramount"-Set von Intrada möchte ich noch herausgreifen, da er mich sehr positiv überrascht hat. Der Film ist mir unbekannt, und laut "Film-Noir.de" eine Ultra-Rarität, die zumindest in unseren Breiten seit der Kinoauswertung von der Bildfläche verschwunden ist. Zumindest bis Anfang dieses Jahres eine von der "Film Noir Foundation" gehobene Kopie auf einem amerikanischen Filmfestival gezeigt wurde.

    Im Lexikon des Internationalen Films steht kurz und knapp folgendes zu lesen: "Psychologischer Kolportagekrimi, Schauplatz Los Angeles. Eine frustrierte Ehefrau stiftet ihren Liebhaber zu einem Diebstahl an, in dessen Verlauf der Ehemann versehentlich getötet wird."

    Die Filmmusik von Leith Stevens macht Gebrauch von der Melodie des Livingston/Evens-Songs NEVER LET ME GO, der im Film wohl eine Rolle spielt, und arbeitet diesen bereits in der Titelmusik ein. Dieses PRELUDE ist, mit wuchtigen Orchesterschlägen beginnend, eine der packensten Kompositionen, die ich je in einem Kriminalfilm gehört habe. Voller schroffer Suspense baut es sich zu melodramatischer, sinfonischer Größe auf um dann in düsterer Streichermotivik zu enden. Großartig. Der Score bietet dann noch weitere, gekonnt ausgearbeitete Action- und Spannungstracks, die sich mit diegetischen Jazzstücken abwechseln, bevor es dann mit BREAKUP / CLOSE WATCH auf einen weiteren Höhepunkt zusteuert. Bin sehr angetan und hoffe, dass sich bald die Möglichkeit gibt, sich diesen Film einmal anzusehen.

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    FAUSTRECHT DER GROßSTADT (Musik:  Cyril J. Mockridge)

    Der hitzköpfige Detective Dixon (Andrews) kommt wegen seiner rabiaten Methoden regelmäßig mit seinen Vorgesetzten in Konflikt. Eine Tages tötet Dixon unbeabsichtigt bei einer Ermittlung den kleinkriminellen Ken Paine, der aufgrund einer Kriegverletzung bereits angeschlagen war. Als Dixon später den Auftrag erhält, nach Paines Mörder zu fahnden, versucht er den Verdacht auf den Gangsterboß Scalise und dessen Handlanger zu lenken, die zu dem Milieu gehören, in dem auch Paine zu verkehren pflegte. Die Sache spitzt sich zu als ein unschuldiger Taxifahrer unter dringenden Mordverdacht gerät und Dixon sich in dessen Tochter (Gene Tierney) verliebt.

    WHERE THE SIDEWALK ENDS beginnt mit dem Blick auf den Bordstein, auf den die Credtis mit weißer Farbe geschrieben sind. Die Kamera schwenkt weiter zur Kante und bis zu einem Rinnsteingitter hinter dem das Regenwasser in der Kanalisation verschwindet. Premingers Film ist einer der packendsten Noirs, die mir bekannt sind. Er bezieht seine immense Spannung aus der heiklen Situation des Protagonisten, in einem Mordfall zu ermitteln, bei dem er selber der Täter ist, Indizien aufzugreifen, aber ohne sich selbst vor seinen eigenen Kollegen in Verdacht zu bringen. Spätestens mit dem Auftauchen von Tierney und ihrem Vater wird klar, dass sich die Schlinge um ihn immer weiter zusammenzieht, denn bald findet sich kein moralisch tolerierbarer Mittelweg mehr.

    Cyril Mockridge bedient sich in seiner Musik dem "Street Scene"-Thema von Alfred Newman, das zu der Zeit in mehreren Fox-Produktionen zu hören war, und nutzt es als Leitmotiv. Zunächst gepfiffen, dann melodramatisch von Orchester aufgegriffen, taucht es, oft kaum erkennbar angedeutet, in fast jedem Track auf und gibt der Geschichte eine melancholische aber zeitweise auch raue, unbehagliche Note. In der deutschen Fassung ist Mockridges Score löblicherweise dringeblieben, wo immer es möglich war. Gerade in einer der Schlüsselszenen, als Dixon den Kleinganoven niederschlägt und dann realisiert, dass dieser sich nicht mehr rührt, leistet Mockridges dramatischer Score (in beiden Fassungen) wertvolle Arbeit, indem er uns erzählt, was sich in diesem Moment hinter dem stoischen Gesichtsausdruck Dixons abspielt ("Dixon Stiffens" & "Dixon Starts to Walk") Bei einer weiteren Schlüsselszene mußte die Originalmusik aber ersetzt werden:  Die intensive Dialogszene zwischen Tierney und Andrews, bei der er ihr verspricht, dass ihrem Vater nichts geschehen werde, und damit für sich selbst schon eine Entscheidung getroffen hat, wurde in der Synchronistion durch eine zwar ähnliche, aber nur bedingt adäquate Musik ausgetauscht. Denn auch hier spielt Mockridge wieder mit dem Newman-Thema auf eindringe Weise (Auf der CD ist es der Track "Your Dad Never Killed Him"). Dem geübten Ohr wird der Stilbruch aber vermutlich auffallen.

    Ein Spitzenfilm, und ein unbedingtes Muß für Freunde der Gattung. Auch die deutsche Fassung würde ich, trotz kleiner Kritikpunkte, als gelungen einstufen.

     

  13. Zunächstmal finde ich es schade, dass hier keinerlei Reaktionen zum Gluch gekommen sind. Dabei habe ich gerade von dieser Musik eine hohe Meinung und würde sie als eines der interessantesten und erfreulichsten Fundstücke der letzten Zeit bezeichnen. Vielleicht zu weit ab vom Kurs....

    Aber nun zu etwas Neuem:

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    OCCUPATION IN 26 PICTURES ist eine jugoslawische Produktion von 1978. Drei befreundete, junge Männer, ein Kroate, ein Jude und ein Italiener, werden durch den Krieg entzweit und erleben unterschiedliche, idividuelle Geschichten und Schicksale. Bei seinen Referenzen an Fellini, De Sica und Pasolini ging Regisseur Zafranovic offenbar so weit, dass der Film sich wegen einiger drastischer Bilder von Sexualität und Gewalt Zensurprobleme einhandelte. Und auch die anti-kroatischen Seitenhiebe machten es im damaligen politischen Klima nicht besser.

    Das Album nimmt sich mit seinen 33 Minuten Laufzeit für heutige Verhältnisse geradezu bescheiden aus. In Kabiljos Musik wechseln sich Themen von außerordentlich romantischem Charakter, wie das melodiöse ISLAND OF LOKRUM, mit von Tragik umflorten Spannungsmotiven. Letztere besonders wirkungsvoll in ENTER THE GERMANS, wo kakophonische Streicherfiguren in einen sperrig-stampfenden Marsch münden. Ein paar Tracks sind der zeitgenössischen Source-Music (Tango, Foxtrott oder das einleitende DUBROVNIK CARNIVAL) vorbehalten. Höhepunkt ist aber das großartige THE REFUGE, das das Album mit einem ausschweifend lyrischen Track beendet, dessen Harmonie immer wieder von rabiaten Suspense-Einschüben unterbrochen wird.

    Wieder ein empfehlenswertes Album von Herrn Kabiljo, wenn auch nicht ganz auf der Höhe der bisherigen Veröffentlichungen, von dem Kronos gerne noch mehr ausbuddeln darf.

     

     

     

  14. DIE LETZTEN TAGE VON ST. PETERSBURG lief vor etwa 30 Jahren in Fernsehen und hatte dort eine Musik von Alfred Schnittke bekommen, die ich großartig fand, weil sie eine gewisse Kälte und Unnahbarkeit verströmte und größtenteils recht karg orchestriert war. Der Filmmusik-Dienst zeigte sich dann später wenig begeistert von der Musik. In erster Linie war man wohl enttäuscht, dass Schnittke die Klangfülle des Orchesters überhaupt nicht ausnutzte. (aus dem Gedächtnis wiedergegeben)  Dabei fand ich gerade das so gut, denn es verband sich exakt mit den rauhen Bildern, den sozialen Verhältnissen und den Unruhen kurz vor Kriegsausbruch.

    Ich habe den Film seitdem nicht mehr gesehen. Falls jemand eine DVD-Fassung mit der Schnittke-Musik kennt, möge er sich bitte zu Wort melden.

    https://www.youtube.com/watch?v=2HKKYmvyM6Y

     

  15. 300989654_doubleindemnity.jpg.97467c5459ffd4ab25f3cb53407838b6.jpg1128393177_doubleindemnity2.jpg.d626715747cde26259d0fc6b8dace71e.jpg

    Der Versicherungsagent Walter Neff verfällt der berechnenden Schönheit Phyllis und wird von ihr in ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann verwickelt um eine hohe Versicherungssumme einzustreichen.

    DOUBLE INDEMNITY ist einer der stimmigsten Noirs überhaupt und besitzt seinen Klassiker-Status völlig zu Recht. MacMurray und Robinson sind vorteilhaft gegen ihre sonstigen Rollenmuster besetzt, und Barbara Stanwyck ist imposant in der Rolle der Femme Fatale. Imposant ist auch die Musik von Miklos Rozsa. In der Vorspannsequenz sehen wir die Silhouette eines an Krücken gehenden Mannes, der sich langsam auf die Kamera zubewegt. Dazu erklingt eine dramatisch-düstere, auf einer Folge von 4 Tönen aufbauende Titelmusik, die bereits für die kommenden Ereignisse kein gutes Ende in Aussicht stellt. Mit dem gleichförmigen Rhythmus, der das Stück begleitet, bekommt man den Eindruck einer fatalen, unentrinnbaren Abwärtsspirale, die nur im Desaster enden kann. Und so kommt es dann ja auch.

    Beim ersten Zusammentreffen von Neff und Phyllis läßt die Inszenierung keinen Zweifel an ihrer intellektuellen und sexuellen Überlegenheit. Sie erscheint, nur mit einem Badetuch bekleidet, oben an der Treppe und blickt während der Konversation auf ihn herab. In dieser Szene bringt Rozsa erstmals das anmutige Liebesthema zu Gehör. Ein mehrfach wiederkehrendes Motiv ist auch eine unruhige Streicherfigur, die im Booklet als Verschwörungsthema bezeichnet wird.

    DOUBLE INDEMNITY ist kein Actionfilm, und doch steckt der Score voller dramatischer Spannung, mit der Rozsa die aufgewühlten Emotionen auf akustischer Ebene erfahrbar macht bis eine Solo-Violine Neffs fatales Ende einleitet.

    Viele Jahre hat die James-Sedares-CD ihre wertvollen Dienste geleistet. Inzwischen, nach dem Erscheinen der Originalaufnahme, kommt mir die Sedares-Version längst nicht mehr so wertig vor wie dereinst. Zu schwerfällig und zu glatt erscheint mit die Einspielung gegenüber dem dynamischeren, prägnanteren von Irvin Talbot geleiteten Original.

    https://www.youtube.com/watch?v=wshGMhd65Nc

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  16. 190905063_aneinemtag.jpg.b9b8b45b91b7696d813a6c4562b9f655.jpg

    THE DESPERATE HOURS  (Musik: Gail Kubik, Daniele Amfitheatrof)

    Drei flüchtige Kriminelle quartieren sich mit Gewalt für zwei Tage und Nächte bei einer amerikanischen Mittelstandsfamilie ein. William Wylers ungemein spannender, größtenteils als Kammerspiel angelegter Thriller ist zu gleichen Teilen Gangster-Drama wie auch eine packende Studie menschlicher Verhaltensweisen in einer psychologischen Ausnahmesituation. Wie gut dieser Film ist, merkt man vor allem dann, wenn man sich Michael Ciminos Remake von 1990 ansieht, das zwar auch seine Vorzüge hat, aber insgesamt deutlich blasser ausfällt. Auch der dort in der Schurkenrolle agierende Mickey Rourke ist keine Konkurrenz für den wesentlich charismatischeren Bogart.

    Komponist Gail Kubik, der mit Wyler schon an zwei Dokumentarfilmen gearbeitet hatte, entfernt sich mit aggressiven, stampfenden Rhythmus-Gebilden so radikal vom damals noch verbreiteten Golden-Age-Stil, dass Wyler von Produzent Don Hartmann dazu gedrängt wurde, Teile der Komposition aus dem Film zu entfernen. Die Szenen der finalen Konfrontation Bogarts mit der Polizei sind dann auch von Amfitheatrof vertont, der ebenfalls wirkungsvolle Thriller-Klänge beizusteuern wußte, die aber schon in deutlich konventionelleren Gefilden angesiedelt sind.

    Eine trotz ihrer Kürze sehr interessante, und gerade für ihre Entstehungszeit bemerkenswerte Filmmusik, die auf Intradas glorreichem "Film Noir at Paramount"-CD-Set in sauberem Stereo-Klang ihre verdiente Premiere hatte. Die Musik zu den Schlußszenen stammt übrigens ebenfalls von Amfitheatrof, findet sich aber nicht auf der CD. Statt dessen wird die Suite mit dem nicht verwendeten Kubik-Finale beendet.

     

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  17. vor 22 Stunden schrieb Stefan Schlegel:

    Es sind ja zum Glück doch auch viele Originalsynchronisationen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit noch erhalten und die werden ja dann auch immer noch gezeigt: Z.B. bei Korngold HERR DER SIEBEN MEERE (auch wenn die deutsche Fassung gekürzt ist) oder ROBIN HOOD

    Und auch FRAU OHNE GEWISSEN. Und das bringt mich zu einem weiteren tollen Noir, den ich sehr schätze:

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    THE BLACK BOOK (a.k.a. REIGN OF TERROR) - Musik: Sol Kaplan

    Während der französischen Revolution schlüpft Charles D´Auvigny (Robert Cummings) in die Rolle eines Vertrauten Robespierres und erhält als solcher den Auftrag das sogenannte "Schwarze Buch" wiederzubeschaffen, da dessen Inhalt (eine Liste von politischen Gegnern, die hingerichtet werden sollen) bei Bekanntwerden die Machtbestrebungen Robespierres beenden könnte.

    Das Spionage- und Intrigenspiel, das sich nun entwickelt, ist von Anthony Mann in düsteren Bildern mit eindrucksvollen Licht- und Schattenkontrasten inszeniert worden. Auch wenn Assoziationen zur damaligen Gegenwart (vor allem natürlich der McCarthy-Ära) beabsichtigt waren, so läßt sich doch die interessant ausgeklügelte Geschichte auch abseits der politischen Botschaft als spannendes und optisch wunderschön umgesetztes Noir-Drama goutieren.

    Lohnenswert ist auch hier der Blick auf die Filmmusik. Sol Kaplan mußte in der deutschen Fassung vollständig das Feld räumen. Statt dessen begleitet den Titelvorspann Miklos Rozsas Main Title von DOUBLE INDEMNITY (nicht die Filmeinspielung, sondern ohrenscheinlich eine später entstandene Aufnahme). Gerade die ersten drei Minuten machen sehr schön den Unterschied beider Versionen deutlich. Nach den Feuersbrünsten des Vorspanns folgt eine kurze Einführung in die Handlung samt Vorstellung der Protagonisten durch einen Erzähler. Dann sehen wir eine sehr beeindruckende Szene in der ein Reiter in rasantem Tempo über eine Hügelkuppe bis zu einer Mühle galoppiert, über ihm der von Quellwolken durchzogene Abendhimmel. Diese erste Szenenfolge bekommt durch die Rozsa-Fremdverwertung eine schwermütige, schicksalhafte Tragik. Funktioniert irgendwie.

    In der Originalfassung ist die Wirkung allerdings um einiges besser. Denn Kaplans Score ist wesentlich aufbrausender, kommt erst zur Ruhe, wenn D´Auvigny samt Pferd die Mühle nach dem Treffen mit dem Informanten wieder verläßt. Kurz: Man merkt sofort, dass diese Musik auch hierfür geschrieben wurde. Die Stimmung ist eine völlig andere, dynamischer und mitreißender, akzentuierend und anschmiegsam. Eine tolle Musik, die Kaplan wiedermal als Meister seines Fachs zeigt.

     

  18. Da kommt es auf den Einzelfall an. Bei LAURA sind die Musikänderungen wesentlich offensichtlicher, also auch ohne geschultes Gehör meiner Meinung nach klar zu benennen. Auch bei CASABLANCA ist nach der Titelmusik die kleinere Orchesterbesetzung herauszuhören, auch ohne speziell darauf zu achten. STAGECOACH sowieso. Aber im Fall von HIGH SIERRA wird das schon schwieriger. Dort wurde abgesehen vom Main Title die Musik fast vollständig, oder sogar komplett ausgetausch, wenn ich mich jetzt nicht irre. Aber wie soll man das ohne Kenntnis des englischen Originals wissen? Würde ich nur die deutsche Fassung kennen, wäre ich wohl auch hereingefallen, wobei es natürlich was anderes ist als Fan und Filmliebhaber etwas in ein Forum zu tippen, oder eben als Musikwissenschaftler ein Buch über Filmmusik zu schreiben. Wieder eine sehr amüsante Anekdote übrigens :lol:

  19. Ja, stimmt. Bei Dialogszenen zwischen Milland und Reynolds wurde Musik ersetzt oder frühzeitig ausgeblendet. Ich muß sagen, dass hier seitens der Synchronverantwortlichen wirklich sorgfältig gearbeitet wurde. Wo immer es möglich war, ist Young dringeblieben, und alles andere wurde durch gut ausgewählte, adäquate Stücke ersetzt. Leise unter die Dialoge gelegt, ist mir das hier, wie man sieht, kaum aufgefallen.

  20. Ich hab´ gerade mal zwei Stichproben gemacht. Einmal in der Szene in der 16. Minute als Milland die Detektei aufsucht, und dann das komplette Finale, von dem Moment an wenn Milland und seine Partnerin die Treppe zum Dach hochlaufen. Es ist definitiv in beiden Szenen der Score von Young der dort läuft, deckungsgleich auch in der deutschen Fassung. An die übliche Archivmusik kann ich mich im ganzen Film auch nicht erinnern.

    Und das macht die Sache sehr interessant, denn dann scheint es doch von dieser einen Synchronisation (nämlich die aus den 70ern mit Christian Rode auf Milland) wiederum zwei verschiedene Bearbeitungen, bzw. Abmischungen zu geben. Jedenfalls kann ich mir das anders nicht erklären.

  21. Auch von mir ein großes Dankeschön für diesen Aufwand! Mir war bisher nicht bewußt, wieviel Spuren er im Rockbereich hinterlassen hat. Dabei hatten wir früher den Film THE WALL als 35mm-Kopie zu Hause und auch des öfteren gesehen. Die verlinkten Songs sind zum Teil richtig gut (nur Metallica sind nicht so meins, mir war auch gänzlich unbekannt, dass er auch mit denen zusammengearbeitet hat) und bei einigen meint man Kamen deutlich herauszuhören.

    Als Filmkomponist mag ich nicht alles von ihm, aber bei Gelegenheit komme ich vielleicht mal auf mein Lieblings-Soundtrack-Album von ihm zu sprechen.

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  22. Ministry of Fear (Musik: Victor Young)

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    England 1944: Stephen Neale (Milland) wird aus der Nervenheilanstalt entlassen, in die man ihn wegen der geleisteten Sterbehilfe an seiner Frau eingewiesen hat. Auf einem zufällig aufgesuchten Wohltätigkeitsbasar gewinnt er eine Torte, die er anscheinend nicht hätte gewinnen dürfen. Wenig später sitzt er mit einem vermeintlich Blinden im Abteil, bis der Zug wegen eines Fliegerangriffs auf freier Strecke halten muß. Der Fremde schlägt ihn nieder, flüchtet mit dem Kuchen in die Landschaft hinaus, wird aber von einer Fliegerbombe erwischt, die einen großen Krater zurückläßt. Im Schutt findet er nur noch die Pistole des Fremden. Seine Nachforschungen bringen Neale daraufhin auf die Spur eines Spionagerings der Nazis.

    Angeblich war Fritz Lang mit dem Drehbuch nicht einverstanden und hat den Film nur wegen seiner vertraglichen Verpflichtung abgedreht. Ich muß mich wundern, was dennoch daraus geworden ist. Der Film ist großartig, straff erzählt und unterhält von der ersten bis zur letzten Minute blendend. Mit seinen skurrilen Szenarien (zu denen auch eine tragisch endende Seance zählt) balanciert er haarscharf an der Grenze zur Satire entlang, ohne aber wirklich ins Alberne abzudriften. Beim finalen Schußwechsel auf einem verregneten, nächtlichen Dach werden Neales im Dunkeln stehende Gegner immer nur für Sekundenbruchteile im aufblitzenden Mündungsfeuer sichtbar. Und auch hier vertrödelt Lang keine überflüssige Zeit und beendet den Film auf ähnlich effiziente Weise, wie man es von Hitchcock her kennt. Überhaupt weißt der Plot unübersehbare Parallelen zu den Werken des Suspense-Meisters auf, inklusive Mikrofilm-MacGuffin.

    Bevor ich noch mehr ins Schwärmen gerate, noch ein paar Anmerkungen zur Musik:  Victor Youngs Score ist sehr effektiv, wird sparsam dosiert und ist gerade im Titelvorspann (der über einem schwingenden Uhrenpendel abläuft) von schwerer, packender Dramatik. Ohne jetzt einen 1:1-Vergleich angestellt zu haben scheint in diesem erfreulichen Fall die Filmmusik in der deutschen Synchronfassung vollständig erhalten geblieben zu sein.

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