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Mephisto

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Beiträge von Mephisto

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    Carlo Rustichelli – Il Dominatore Del Desertio/Maciste Alla Corte Delle Zar

    Carlo Rsutichelli gehörte zu den produktivsten italienischen Komponisten seiner Zunft. Digitmovies veröffentlichten im Rahmen ihrer Peplum-Reihe als Album Nr. 25 die vollständigen Aufnahmen zu gleich drei Filmproduktionen, zu denen Rustichelli die Originalmusik komponierte. In allen drei Filmen ist aus Kostengründen auch Musik von anderen Komponisten aus anderen Filmen zu hören, sodass es Rustichellis Aufgabe war, vor allen Dingen ein neues Hauptthema für die jeweiligen Filme zu komponieren und mehrer Varianten davon aufzunehmen, damit es sich wie ein roter Faden durch die sonst so heterogene Musikzusammenstellung ziehen kann.

    Auch hier ist Digitmovies wieder einmal ein großes Lob auszusprechen, sich so verdient um die italienische Filmmusik zu machen. Dabei sind viele Zusammenstellungen und Albumserien von einem unschätzbaren archivarischen Wert und wären die Booklets auf FSM-Niveau, könnte man fast von einer wissenschaftlichen Ausgabe sprechen.

    Aufgrund der oft auf Vollständigkeit bedachten Veröffentlichungen ergeben sich bei zahlreichen Alben allerdings einige Längen, wenn die Musik rein als Hörgenuss fungieren soll. So auch im Falle des ersten Beitrags auf dieser CD, den Themenvarianten zu Il Dominatore Del Desertio. Dem Handlungsort des Films angemessen komponierte Rustichelli hier ein schönes Hauptthema mit deutlich orientalischem Einschlag. Insbesondere die sich windende Melodie des B-Teils dieser Komposition versprüht einiges an „Wüstenflair“. Einen leicht poppigen Charakter erhalten die Stücke häufig, indem sich das Hauptthema in den Violinen und Hörnern über einem durchgehenden Rhythmusteppich legen. Allerdings variiert Rustichelli seinen Einfall kaum. Es gibt noch eine schicke „Nocturne“-Variante sowie einen ebenfalls orientalisch angehauchten Tanz, aber letzten Endes fällt die Musik stets in das immergleiche Arrangement aus der Titelmusik zurück. Man kann die insgesamt neun Titel getrost auf drei herunterkürzen und verpasst nichts. Diese drei Titel lohnen sich dafür umso mehr.

    Für Maciste Alla Corte Delle Zar komponierte Rustichelli lediglich fünf Stücke, allerdings gestaltet sich die Musik hier weitaus abwechslungsreicher. In der Titelmusik erklingt ein eingängiges, folkloristisches Thema, das mit einer Balalaika als Melodieinstrument auch gleich eine Prise Lokalkolorit versprüht. Dem gegenüber stellt der Komponist ein kräftiges und heroisches Marschthema der Blechbläser über einen markanten Tutti-Rhythmus der Streicher und des Schlagwerks. Das folkloristische Thema wird auch zweimal als lyrische Variante für weiche Streicher oder Klarinettensolo variiert, bevor Rustichelli noch eine temporeichere Rittmusik etabliert, und anschließend mit einer Rekapitulation der Titelmusik den Film beschließt.

    Einen weitaus geschlosseneren Eindruck macht der letzte Beitrag auf diesem Album: Die Musik zu Predoni della Steppa. Für diesen Film komponierte Rustichelli immerhin 25 Minuten neues und abwechslunsgreiches Material. Die furiose Titelmusik wird von treibendem Schlagwerk, leicht von den Streichern unterstützt, vorangetrieben, während die Posaunen das Hauptthema intonieren. Dieses ist vielleicht nicht so eingängig wie das zu Il Dominatore Del Desertio, dafür nutzt es sich nicht so schnell ab. Erst wenn der Komponist es für eine diegetische Passage als Oboensolo über dezente Rhythmusbegleitung umarbeitet, kommt der orientalische Charakter dieser Melodie deutlich zum Ausdruck. Des Weiteren komponierte Rustichelli eine sehr sanfte Passage mit fast hymnischer Melodie sowie einen wuchtigen Marsch.

    Insgesamt birgt diese Zusammenstellung zahlreiche tolle Passagen aus der italienischen Abenteuerfilmmusik und gestaltet sich ab der zweiten Hälfte sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Kompliment an Digitmovies für diese wertvolle Bereicherung der CD-Sammlung mit drei Musiken aus Rustichellis Schaffen, die wahrscheinlich eher unter „ferner liefen“ verbucht wurden, bevor sie nun in „Gänze“ zu hören sind.

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    Carlo Savina – L’IRA DI ACHILLE

    Warum diese Veröffentlichung von Digitmovies nicht als Teil ihrer Peplum-Serie herausgegeben wurde, wissen wahrscheinlich nur die Verantwortlichen selbst, denn Savinas kraftvolle Orchestermusik muss sich keinesfalls hinter den anderen Arbeiten für dieses Genre verstecken.

    Die Musik wird von einer im vollen Blech orchestrierten Fanfare eröffnet, die so auch von Miklós Rózsa hätte komponiert worden sein können. Direkt im Anschluss präsentiert Savina sein weit ausgreifendes Hauptthema in den Violinen und vom Rest des Orchesters gestützt. Wenig später wird er es als anmutiges Violinsolo präsentieren. Zum Abschluss der Titelmusik gibt es bereits einen Vorgeschmack auf die zahlreichen Kampfpassagen. Hier stellt der Komponist mit der punktiert rhythmisierten Violinlinie eins seiner zahlreichen Motive vor, die in den Actionpassagen zur Geltung kommen.

    Nach der pompösen Titelmusik wird die Musik zuerst einmal deutlich dezenter, indem Savina einige fast orientalisch anmutende Holzbläsersoli über einzelne Harfenakkorde komponierte. Doch schon bald bricht der Kampf aus und die Musik spiegelt die blutigen Auseinandersetzungen gekonnt wider. Das Fundament bilden hierbei besonders die gleichmäßigen hämmernden Schläge der Pauke, über die Streicher und Blechbläser energisch ihre Motive darbieten. Spitze, von der kleinen Trommel gestützten Trompetenakkorde, markige Hornlinien und dramatische Linien der Streicher vereinen sich zu einem kraftvollen Strom.

    Diesen brachialen Passagen stellt Savina einige mystische Abschnitte gegenüber, in denen er auf einen Chor zurückgreifen konnte. Die über sanfte Streicherteppiche leise gesungenen Vokalisen verleihen der Musik einen stark rituellen Charakter. Besonders bei den Beerdigungen nach der zweiten Schlacht kommt die unheimliche und gleichzeitig religiöse Wirkung stark zur Geltung.

    Insgesamt würde ich Savinas Musik zu L’IRA DI ACHILLE definitiv im oberen Drittel der bisher gesprochenen Kompositionen ansiedeln. Leider kann die vollständige Musik die Ansprüche aber nicht erfüllen, die durch die ersten Stücke geweckt werden. Dazu rutscht sie zu oft in atmosphärische und fast geräuschhafte Stimmungspassagen ab. Zu den interessantesten Abschnitten dieser Art gehört noch das Solo der Singenden Säge über eine stets glissandierende Pauke in „Partenza“, aber die aus an- und abschwellenden Wirbel der Pauke und des Beckens wie in „Tranello“ gehören zu den typischen Peplum-Manierismen, die auf CD keine zufriedenstellende Wirkung erzielen können. Auch die „seconda battaglia“ verebbt schnell in uninteressanten Rhythmen der Pauke und wenn während der „disparazione“ fast die ganze zweite Hälfte nur ein Liegeton ausgehalten wird, stellt sich gepflegte Langeweile an.

    Natürlich handelt es sich hier um eine Musik, die für einen bestimmten Zwecke komponiert wurde und ich bin Digitmovies insgesamt sehr dankbar, diese Komposition erstmals zugänglich gemacht zu haben. Für ein zufrieden stellendes Hörerlebnis empfiehlt es sich, einen persönlichen Albumschnitt zu konstruieren. Dann entupput sich L’IRA DI ACHILLE als eine kraftvolle und sehr abwechslungsreiche Peplum-Musik, die wiederholt in den CD-Player wandert. Der Klang ist gemessen am Alter der Aufnahmen in Ordnung, klingt aber besonders in den Tutti-Passagen etwas dumpf. Als Bonus gibt es noch eine neun Minuten lange Suite, die hauptsächlich Chorstücke enthält und aufgrund der getrennt aufgenommenen Spuren hier im Stereo-Format vorliegt.

  3. Das ist mir ehrlicherweise ziemlich gleich. Man wird nie ganz hinter diese Geschichte steigen und sie geht einen ja in der Regel auch nichts an. Mich hat das Ganze an ähnliche Erinnerungen von Kindern prominenter Väter (bei prominenten Müttern ist es mir bisher nicht aufgefallen) erinnert, oft von Komikern, so nach dem Motto: "Wenn er nicht auf Tour war oder im Fernsehen aufgetreten ist, dann hat er sich sehr oft in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Er war insgesamt ein sehr ernster Mensch." Und man denkt sich nur: "Jetzt gib' doch zu, dass ihn seine Familie nicht interessiert hat!!"

    Ich fand es in diesen Videos sehr offensichtlich, dass da viel schöngeredet wurde. Was soll man auch machen, wenn der alltägliche Umgang mit dem Vater/Ehemann anstrengend und mühsam war, aber man jetzt für die Öffentlichkeit und die Fans das gewünschte Bild nicht zerstören will? Das kann ich gut nachvollziehen, aber es führt natürlich zu einem groteske Ergebnis, wenn jeder 2. Satz, den die Hinterbliebenen über Horner äußern, sich recht leicht als "er hat sich nicht gekümmert", "er wollte/konnte nicht mit uns interagieren", "es hat uns manchmal extrem genervt, dass er nicht auf uns eingegangen ist", "er war schnell eingeschnappt" etc. interpretieren lässt, aber alles notdürftig mit "it was worth it" oder "he was very special" übertüncht wird.

  4. Ich war gestern da, obwohl ich vor zwei Jahren noch nicht geplant hatte, nach Stettin zu fahren. Für mich war es ein sehr "aufschlussreiches" Erlebnis, Horners Musik einmal live zu hören. Der Videobeitrag war auch interessant, zumal Mutter und Tochter (was ist eigentlich mit der anderen?) ja die ganze Zeit eher um Horners Autismus rumgeiert sind, nach dem Motto: "Es war sehr schwierig für ihn, die Emotionen des Gegenübers zu interpretieren und da hat er sich dann in Musik ausgedrückt." Besonders bezeichnend auch Emilys letzte Erinnerung an ihren Vater: Er lief durch London und sie dackelte ihm hinterher. Er scheint sich da nicht wirklich für sie interessiert zu haben. Das Ganze wurde dann mehrfach gewendet nach dem Motto: "Er war sehr 'schwierig' aber die anstrengende Interaktion war es auch irgendwie wert..." Bezeichnend auch, dass auf keinem der eingeblendeten Fotos von Vater und Tochter Emily älter als acht zu sein schien.

    Aber zur Musik: J.A.C. sagte ja im aufschlussreichen Interview, dass Horner zu einem großen Teil auf Mischklänge verzichtete, weil ihm die individuellen Klangfarben der Instrumente wichtig waren. Live wirkte die Musik dann auch sehr "quadratisch praktisch gut", auch motivisch "mäandert" da vieles fast minutenlang durch die Gegend (besonders in BRAVEHEART und A Forest Passage). Sarah Horner sprach da ja von "ganz komplexen, verwobenen Mustern", aber Horners Musik wirkte gerade gestern Abend sehr "direkt" auf mich. Mit kam es vor wie Musik ohne Netz und doppelten Boden, aber auch ohne Ambivalenz.
    ALIENS hat mich sehr gefreut und ich glaube, LEGENDEN DER LEIDENSCHAFT war eine echte Überraschung. Hatte mit einer einfachen Darbietung von "The Ludlows" gerechnet, aber dieses ganze Erste-Weltkriegs-Geballer machte live schon sehr viel Spaß.

    Spectral Shimmer fand ich sehr interessant, weil es ein schöner Einblick in Horners "Werkstatt" war. Es ist meiner Meinung nach bezeichnend, dass ein riesiger Teil des Stücks aus Zitaten des klassisch-romantischen Kanons besteht, wie dem Hornscherzo oder - ebenso prominent - des glitzernden "Silberrosenmotiv" aus Richard Strauss' Rosenkavalier (vorher zitiert er auch den "Wasserfall" aus der Alpensinfonie und andere Dinge). Die "Auseinandersetzung" mit prä-existenter Musik war also schon immer ein Bestandteil von Horners kompositorischer Arbeit und so hat mich Spectral Shimmer seinen "Klassikklau" noch einmal aus einer anderen Perspektive heraus sehen lassen. Ich hätte mir gewünscht, er hätte noch zwei, drei mehr "solcher" Werke geschrieben und vielleicht mit eigenem Material gearbeitet. Die "Sphärenanteile" fand ich ja ganz schön und zum Teil auch die Verarbeitung der klassischen Zitate (zum Beispiel, wenn die Hörner sich in eine grelle Flötenpassage verwandeln oder der "Wasserfall" aus der Alpensinfonie kontinuierlich "verlangsamt" wird), aber mich hat es dann irgendwie doch zu sehr rausgerissen, wenn zum gefühlt zwanzigsten Mal die "Silberrose" auftauchte. Spectral Shimmer war für mich als Hörerlebnis weder Fisch noch Fleisch, aber ein wichtiges Puzzlestück in Horners Entwicklung. Insofern bin ich sehr dankbar für die Gelegenheit, es live erlebt haben zu dürfen.

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  5. 1312272985_Setteatebe.jpg.d61114297f4c97e405d98a8754068c49.jpg

    Carlo Savina – SETTE A TEBE/ALL’OMBRA DI AQUILLE

    Für SETTE A TEBE schrieb Carlo Savina eine kraftvolle Titelmusik, in der er das Potential des orchestralen Klangkörpers voll ausschöpft. Feurig und wild erklingt das Thema in den Streichern, flankiert von wuchtigen Paukenschlägen und Blechakkkorden. Fast könnte es sich bei dieser mitreißenden Passage um eine Actionmusik handeln. Vielleicht spielt das Hauptthema im weiteren Verlauf der Musik auch keine große Rolle mehr, da es sich schwer für Dialogpassagen oder einfach untermalende Abschnitte umarbeiten lässt. So etabliert Savina in den nächsten Passagen zwei weitere zentrale Ideen, die den Kern seiner Filmmusik bilden werden: ein klagendes Motiv der Streicher, das in seufzenden Halbtonschritten abwärts gleitet und sich über wuchtige Blechakkorde und einen Puls der Pauke legt sowie ein lyrisches Thema, das wahrscheinlich als Liebesthema fungiert. Diese weit ausgreifende Melodie wird häufig von den Streichern über sanfte Harfenarpeggien intoniert, erklingt aber auch mehrfach als sanftes Klarinettensolo.

    Auch die typischen diegetischen Passagen für Soloharfe sowie eine etwas exotisch anmutende Tanznummer sind auf der CD zu finden. Einen viel größeren Anteil nehmen aber leider auch die für Peplum-Musiken so typischen rein funktionalen Spannungspassagen ein, in der wabernde Orgelakkorde und einzelne Rhythmen der Pauke sich über mehrere Minuten erstrecken.

    Die Musik zu SETTE A TEBE kann man dementsprechend in drei Abschnitte unterteilen: Das von der gloriosen Titelmusik eröffnete erste Drittel, in dem die thematischen Ideen im Vordergrund stehen. Im mittleren Abschnitt dominiert zwar noch das Orchester, aber Savina geht für diverse dramatische Szenen recht grobschlächtig zu Werke, indem er immer wieder massive Akkorde im ganzen Orchester über mächtige Paukenwirbel aufschichtet und mit einem schrillen Piccoloflötentriller krönt. Sind die melodischen Abschnitte im ersten Drittel recht kurz, nehmen die einzelnen Titel häufig an Länge zu, ohne dass einformaler Bogen über die einzelne Dauer gespannt wird. Die einzelnen Stücke zerfallen in unterschiedliche Passagen, von denen einige zwar noch ganz schön anzuhören sind, aber natürlich an ihrer Wirkung einbüßen, wenn sie von ereignislosen Spannungsmomenten umgeben sind. Die melodischen Elemente treten wie die orchestralen Klangfarben schließlich im letzten Drittel massiv zurück. Über mehrere Minuten bestreitet Savina seine Musik nur noch mit zwei oder drei Trommlern, die – auch noch wenig präzise – einzelne Rhythmen schlagen. Zwar webt der Komponist hier auch an einigen Stellen sein melodisches Material aus dem ersten Drittel orchestral in diese langen Abschnitte ein, aber auch hier bleiben sie Inseln in einem öden Meer. Erst zum Schluss spielt Savina sein Liebesthema noch einmal voll aus und kann die Musik so zu einem gelungenen Finale führen.

    ALL’OMBRA DELLE AQUILLE wirft sogar noch mehr Fragen auf. Carlo Savina komponierte für diesen Film eine mitreißende Titelmusik, in der die Trompeten das kräftige Thema über einen treibenden Rhythmus der Streicher vortragen. Diese zwei Minuten gehören zu den fetzigsten und gleichzeitig erhabensten Minuten, die mir in meiner Entdeckungsreise durch die Peplum-Musik untergekommen sind. Umso enttäuschender gestaltet sich der Rest von Savinas Komposition, die kaum über die Grenzen einer bloß funktionalen Begleitung hinausgeht. Dementsprechend spielt das einprägsame Hauptthema im weiteren Verlauf der Musik fast gar keine Rolle mehr. Lediglich in der direkt an die Titelmusik anschließenden kämpferischen Passage werden seine charakteristischsten Motive über hämmernde Paukenrhythmen gelegt, bevor es für eine Dreiviertelstunde vollständig verstummt, um anschließend noch einmal in einer neuen Variante als „Sequenza 18“ zu erklingen. Hier wird es nun vom ganzen Blech vorgetragen, während der treibende Rhythmus von der Pauke übernommen wird. Diese spielt in der gesamten Musik neben der elektrischen Orgel eine wichtige Aufgabe. Brachial hämmernd bildet sie das Fundament für einige strahlende Blechfanfaren in „Sequenza 3“ oder bestreitet mit lang ausgehaltenen Wirbeln mehrere Spannungspassagen. Diese überwiegend funktionalen Abschnitte nehmen einen großen Raum in der Musik zu ALL’OMBRA DELLE AQUILLE ein, die abgesehen von der Titelmusik auch in ihren melodisch-thematischen Abschnitten kaum zu überzeugen vermag. Das liegt jedoch weniger an den melodischen Einfällen Savinas als an der formalen Struktur. Immer wieder gibt es sehr schön gearbeitete und lyrische Abschnitte für die Streicher, aber nie blüht die Musik richtig auf. Derartige Passagen bilden häufig vereinzelte Inseln in längeren Stücken und können so nie vollständig zur Geltung kommen. Hinzu kommt auch, dass die elektrische Orgel einfach viel zu oft als solistisches Element eingesetzt wird und ihre Klangfarben häufig nicht dem Charakter der jeweiligen Themen entsprechen. So führt Savina in „Sequenza 2“ ein wunderschönes melancholisches Thema ein, das aber durch die Darbietung auf der Orgel viel zu distanziert bleibt. Einer weiteren häufiger in Erscheinung tretenden Melodie für die Streicher fehlt es wiederum an melodischer Durchschlagskraft, wenn immer wieder die gleiche aufsteigende Folge aus drei Tönen wiederholt wird.

    Des Weiteren komponierte Savina noch eine Harfenpassage, die wahrscheinlich für den diegetischen Einsatz bestimmt ist und als „Sequenza 8“ und „Sequenza 12“ zu hören ist sowie die längere „Sequenza 15“ teilweise durchzieht. Ebenfalls diegetisch mutet auch die rein perkussive „Sequenza 11“ an, die mit ihren rauschenden Tamburinwirbeln, den bewegten Paukenostinati und dem klingelnden Glockenspiel als einzigem Melodieinstrument zu den interessanteren Passagen dieser Musik gehört.

    Insgesamt bleibt ALL’OMBRA DELLE AQUILLE allerdings verzichtbar und kann eher als Bonus-CD zu der immerhin teilweise weitaus überzeugenderen Musik zu SETTE A TEBE betrachtet werden. Dennoch bin ich auch hier Digitmovies allein schon wegen der fantastischen Titelmusik dankbar, diese Musik vor der vollkommenen Vergessenheit gerettet zu haben.

  6. ANTINEA.thumb.jpg.13169b30d6a85d7129c6ca320a0f910b.jpg

    Carlo Rustichelli – ANTINEA

    ANTINEA – DIE HERRIN VON ATLANTIS nimmt in gewisser Weise den PLANET DER AFFEN als Peplum-Variante vorweg. Zwei Wissenschaftler und ihr Pilot stranden in der Wüste und gelangen in das fantastische Reich der Herrin von Atlantis.

    Zu ANTINEA lieferte Carlo Rustichelli eine seiner besten Arbeiten. Die Musik ist teils mystisch, teil opernhaft dramatisch und fast immer melodiös. Für die Aufnahmen stand dem Komponisten nicht nur ein Orchester zur Verfügung, sondern auch mehrere Soloinstrumente und sogar ein Frauenchor, der hauptsächlich in der Titel- und der Schlussmusik sowie bei diversen rituellen Szenen zum Einsatz kommt.

    Zu Beginn wird das elegante Hauptthema vom Chor und den Streichern über wuchtige Schläge der Pauke vorgestellt und anschließend von der Solotrompete über die Begleitung der E-Gitarre intoniert. Ohne es wahrscheinlich zu ahnen, nimmt Rustichelli mit diesem poppigen Zwischenteil bereits ähnliche Klänge aus dem Italowestern voraus. Aber entgegen der Erwartungen fügen sich die zeitgenössischen Klänge wunderbar in das überwiegend orchestrale Gefüge ein. Ein besonderer Kniff ist ohne Frage der Einsatz des sonororen Saxophons, das der fantastischen Welt von Atlantis eine besonders schimmernde Aura zu verleihen mag. Auch die von mir so wenig geliebte elektrische Orgel bildet hier viel weniger einen akustischen Fremdkörper als in DAS SCHWERT DES ROTEN GIGANTEN.

    Mit dem Orchester weiß der Komponist famos umzugehen. Besonders die dunkel schimmernden Passagen mit sanften Streichertremoli und zarten Holzbläsersoli vermögen eine besonders mystische Atmosphäre zu kreieren, aber auch an klangvolleren Abschnitten mangelt es nicht. So vermag Rustichelli aus einer Darbietung seines Hauptthemas für Solovioline eine fast an Mahler oder Strauss gemahnende Steigerung abzuleiten, sodass bald das Thema im satten Orchestertutti erklingt.

    Um seine umfangreiche Musik möglichst sinnvoll gestalten zu können, komponierte Rustichelli eine Vielzahl von Themen. Neben dem Hauptthema mit seiner eleganten Tonumspielung bleiben vor allem zwei sehr chromatisch geprägte Themen in Erinnerung, die fast wie Spiegelungen voneinander wirken. Auch für die rituellen Passagen komponierte Rustichelli eigenes melodisches Material, das stets vom Chor intoniert wird und somit einen fast religiösen Anstrich erhält.

    In der besonders melodiösen Anlage der Musik spürt man Rustichellis Verbundenheit mit der italienischen Oper, deren dramatische Gesten ebenfalls Einzug in die Partitur zu ANTINEA gefunden haben.

    Zum Filmstart stellte der Komponist ein rund 40 Minuten langes Album zusammen, das jedoch erst 2013 von GDM veröffentlicht wurde. Rustichelli legte bei seinem Albumschnitt den Fokus besonders auf die melodischen und thematischen Passagen, sodass fast alle dramatischen und aktionsreichen Abschnitte fehlen. Glücklicherweise sind aber die vollständigen Aufnahmen erhalten geblieben, sodass eine weitere halbe Stunde Musik zu ANTINEA als Bonus-Abteilung im Anschluss an die Albumfassung zu hören ist. Hier findet sich auch die einzige wirkliche Actionpassage mit furiosen Streicherläufen und wuchtigen Paukenschlägen sowie weitere mystische Passagen und Varianten der zahlreichen Themen. Insgesamt handelt es sich hierbei um ein wirklich lohenswertes Album, das ich jedem empfehlen möchte, der sich für melodisch und fein gearbeitete Filmmusik mit einer Prise Exotik begeistern kann.

     

  7. Stefan, mir ist vollkommen klar, dass es eine sinvolle Entscheidung für das Label war, diese CD zu veröffentlichen und es ist mir ebenfalls bewusst, dass die CD vor allem bei den Fans dieses Kultfilms gezogen hat. Ich finde es auch gut und sinnvoll, dass ihr die komplette Musik veröffentlicht habt - wie ja bei so ziemlich allen hier vorgestellten Musiken - bis auf ANNIBALE und die Fälle, in denen die Aufnahmen nicht mehr vollständig verfügbar waren oder noch als verloren galten.

    Das ganze war keine Kritik an Alhambra, sondern an der Musik Lavagninos, die wir beide nicht für seine stärkste halten. Da ist ESTER E IL RE ein ganz anderes Kaliber und würde eine neue vollständige Veröffentlichung verdienen. Aber das wird dann natürlich kommerziell ein Verlustgeschäft und daher habe ich diesbezüglich auch keine allzu großen Hoffnungen. Trotzdem mache ich dem Label natürlich keinen Vorwurf. :)

  8. Maciste.thumb.jpg.4dc7779dab96f3f8d2121af817bd5ddf.jpg

    Angelo Francesco Lavagnino – MACISTE CONTRO IL VAMPIRO

    MACISTES GRÖSSTES ABENTEUER wird wegen seines exotischen Settings und der Fantasy-Komponente von Peplum-Fans auch heute noch sehr geschätzt. Umso größer war die Freude, als Alhambra im Rahmen ihrer Lavagnino-Reihe diese Musik erstmals losgelöst vom Film zugänglich machte.

    Doch ich selber, der den Film vorher nicht kannte, muss zugeben, dass sich beim ersten Hören eine Ernüchterung einstellte. Obwohl der Film seinem Komponisten genug Möglichkeiten gibt, geht die Musik selten über funktionale Begleitung hinaus. Das stark pentatonisch gefärbte Hauptthema, das von den Streichern über wuchtige Schläge der Pauke vorgetragen wird, lässt ja noch einigermaßen Stimmung aufkommen, wobei es besonders in den späteren Arrangements wahlweise für Solovioline oder Solocello, eher asiatisch anmutet. Für musikalischen Orientalismus sorgen drei diegetische Passagen, in denen Lavagnino hörbar in seinem Element war, sowie einigen Motivfetzen der Klarinette bei der Bespitzelung des Sultans Auch sonst weist die Partitur einige schicke Einfälle auf wie z. B. das über dramatische Xylophontriller und schneidende Beckenwirbel intonierte Violinsolo für den Vampir, mit dem Lavagnino hier die typischen Topoi des „Teufelsfidel“ aufgreift.

    Man muss Lavagnino auch zugutehalten, dass er offensichtlich wenig Spielraum (im wahrsten Sinne des Wortes) hatte, denn schon nach der Titelmusik für die bereits schmale Besetzung aus Streichern und Pauken wird das Ensemble noch einmal drastisch auf zwei Solostreicher, eine Klarinette, ein Horn, eine Harfe sowie Tasteninstrumente und Mandolinen reduziert. Im Film selbst wurden auch Aufnahmen aus anderen Filmen verwendet, sodass die Aufgabe des Komponisten hier anscheinend darin bestand, diverse Lücken zu füllen.

    Die auf dem Hauptthema basierenden Solopassagen und die Ausbrüche der Violine für den Vampir sind wie gesagt sehr stimmungs- und wirkungsvoll, aber dazwischen erstreckt sich – mit Ausnahme der diegetische Passagen – zähe und funktionale Spannungsmusik. Für die Ereignisse auf dem Piratenschiff legt Lavagnino einige Hornlinien über einen stumpfen Rhythmus der Pauke, häufig wabert die elektrische Orgel mit einigen dräuenden Klangflächen über rauschende Beckenwirbel. Wer den Film nicht kennt und schätzt, braucht hier einiges Sitzfleisch.

    Die 500 Exemplare der Musik zu MACISTES GRÖSSTES ABENTEUER sind längst vergriffen, sodass ich hier auch keinen weiteren Schaden anrichte, wenn ich hier feststelle, dass diese Veröffentlichung aus der Lavagnino-Reihe von Alhambra verzichtbar bleibt. Dass 500 Exemplare vor LA GRANDE OLIMPIADE ihre Abnehmer gefunden haben, kann ich kaum auf die Musik, sondern die Beliebtheit des Films zurückführen. Mein Exemplar wandert jetzt erstmal in den Schrank.

  9. Beccanti.jpg.02cf32833d698ba949608df5dc704055.jpg

    Mario Nascimbene – LE BACCANTI

    Im Rahmen seiner umfangreichen Peplum-Serie machte Digitmovies schließlich auch die vollständige Musik zu IL BACCANTI von Mario Nascimbene zugänglich.  In dieser längst vergessenen Verfilmung eines Theaterstücks von Euripides spielt Pierre Brice den griechischen Gott Dionysus, der die Stadt Theben besucht.

    Aufgrund der dialoglastigen Vorlage fällt auch Nascimbenes Musik zurückhaltend, aber sehr stimmungsvoll aus. Bereits das Hauptthema mit seiner mäandernden Wechselnote verbreitet als Chorvokalise in der Titelmusik eine mystische, fast fantasyartige Stimmung. Nach einigen ruppigen Läufern der tiefen Streicher schlägt die Musik in eine tänzerische Passage mit klingendem Glockenspiel und zarten Harfentönen um, die fast an ein Ballett gemahnt. Auch ein strahlendes Fanfarenmotiv darf in einer Peplum-Musik natürlich nicht fehlen, doch sonst bleibt die Musik sehr lyrisch und dezent. Neben dem Hauptthema komponierte Nascimbene eine handvoll weitere Themen, mit denen er weite Abschnitte seiner Musik gestaltet. So stellt er nach der Titelmusik eine neue Melodie in wuchtigem Bläserklang vor, gestützt von anschwellenden Schlagzeugklängen. Kurz vor dem Finale wird es eine furiose Steigerung erfahren, die ein wenig an den orgiastischen Tanz aus SOLOMON AND SHEBA erinnert. Derart breite Klänge sind in der Musik insgesamt sehr rar gesät. Oftmals dominieren zarte Holzbläser, mystische Chorvokalisen und sehr dezent eingesetztes Schlagzeug. So etwa beim Dritten Thema, das leicht orientalisch anmutet und vom Englischhorn über tiefe Streicherpizzicati und den Rhythmus einer kleinen Trommel intoniert wird. Auch Actionpassagen sind kaum zu finden, lediglich eine rein perkussive und recht wilde Passage könnte als Kampfmusik fungieren.

    Insgesamt schuf Nascimbene hier eine sehr stimmungsvolle Musik, die besonders in den atmosphärischen Chorpassagen zu überzeugen vermag. Obwohl man den Aufnahmen ihr Alter natürlich anhört, sind sie überraschend sauber und klar. Die komplette Musik ist mit 42 Minuten gut durchhörbar, ohne dass spürbare Längen auftreten. Ich würde dieses Album Einsteigern in die Materie nicht unbedingt empfehlen sondern allen, die einmal abseits der typischen Pfade wandeln wollen.

  10. Troja.jpg.7e0f7cf446a98625620921dd682fce04.jpg

    Giovanni Fusco – LA GUERRA DI TROIA/LA LEGGENDA DI ENEA

    Auch der sechste Beitrag zur Peplum-Serie von Digitmovies vereint zwei thematisch zusammenhängende Musiken auf einem Doppel-CD-Album: DER KAMPF UM TROJA und die ein Jahr später entstandene Partitur zur Fortsetzung ÄNEAS, beide von Giovanni Fusco vertont. Die jeweiligen Kompositionen ergänzen sich dabei perfekt. Während Fusco den Kampf um Troja mit massigen und martialischen Klängen vertonte, ging er bei der Fortsetzung weitaus filigraner zu Werke. Dabei stand dem Komponisten eine gut bestückte Bläser- und Schlagwerkbesetzung zur Verfügung. In DER KAMPF UM TROJA konnte der Komponist auch auf eine Cellogruppe zurückgreifen, während er bei ÄNEAS ganz auf Streicher verzichtete – höchstwahrscheinlich aus Budget-Gründen.

    DER KAMPF UM TROJA ist eine Peplum-Musik par excellence. Hier dominieren massive Bläserakkorde und schmetternde Fanfaren. Das majestätische Hauptthema für die Stadt Troja wird bereits im Prolog vorgestellt und in der Titelmusik in voller Pracht in vollem Blech und mit Verstärkung des Chors präsentiert. Einen wichtigen Bestandteil der Musik stellt außerdem der hüpfende, punktierte 3/8-Rhythmus dar, der auch in der Titelmusik das Fundament für die massigen Klänge der Bläser und des Chors bildet und später in diversen Kampfpassagen auftaucht. An diesen mangelt es der Musik freilich nicht. Man kann die Schlachtmusiken für DER KAMPF UM TROJA zweifellos zu dem besten rechnen, was das Peplum-Genre in dieser Hinsicht zu bieten hat. Hämmernde und treibende Schlagzeugrhythmen, rasche Läufe und wendige Figuren der Holzbläser und markante Melodien des Blechs verleihen dem Schlachtengetümmel ordentlich Tempo und Wucht.

    Diesen agilen Passagen stellt Fusco ein eher schleichend wirkendes Ostinato der gezupften Celli gegenüber, das rhythmisch mit den ersten vier Tönen der Troja-Fanfare übereinstimmt und oftmals den Untergrund für schlichte und leicht dissonierende Linien der Holzbläser bilden. Als lyrisches Element führt der Komponist außerdem ein sehr schlichtes Thema für Creusa ein, das stets von einem Englischhorn über sanfte Harfenakkorde vorgetragen wird und fast wie eine diegetische Passage wirkt. Erst zum Finale wird wieder der Chor eingesetzt und schichtet mehrere kontrapunktische Linien über das tappend-schleichende Cello-Ostinato, eingerahmt von einer massiven Darbietung des Troja-Themas.

    Gegen die wuchtige Musik zu DER KAMPF UM TROJA wirkt ÄNEAS schon fast kammermusikalisch. Fusco hatte für die Aufnahmen ein ähnliches Ensemble wie zum Vorgängerfilm zur Verfügung, wobei er statt eines Chores zumindest beim Finale auf eine vollere Streicherbesetzung zurückgreifen konnte. Entsprechend der völlig anderen stilistischen Ausrichtung referiert der Komponist auch auf keine Themen aus DER KAMPF UM TROJA. Lediglich der hüpfende Dreierrhythmus taucht bei der Begegnung der beiden Völker in verkürzter Form noch einmal auf.

    Für den Helden komponierte Fusco ein langes Thema mit einem fast hymnisch anmutenden B-Teil, das zurückgenommen von der Flöte und dem Fagott über die dezente Begleitung der kleinen Trommel, durchsetzt von einzelnen Triangelschlägen, vorgestellt wird. Insgesamt wird Fusco nur noch zwei weitere Male auf diese Melodie in ähnlichem Arrangement zurückgreifen, bevor es im Finale eine apotheotische Steigerung erfährt. Viel häufiger erklingt ein mild dissonantes Fanfarenmotiv, das aus einer Umschichtung eines vierstimmigen Quartenakkords gewonnen wird. Die Trompeten legen die einzelnen Töne schichtweise übereinander und stoßen den dadurch entstehenden Akkord anschließend rhythmisch variiert immer wieder an. Oftmals wird diese Fanfare von einer harmonisch richtungslosen, eher modal anmutenden kreisenden Figur der anderen Bläser kontrastiert. Diese kommt auch alleinstehend zur Geltung, indem mehrere Bläser sich überlappen und so aus dieser Figur eine polyphone Textur entstehen lassen.

    Insgesamt mutet die Musik durch die modale, ziellose Harmonik und den kühlen Bläserklang deutlich zurückgenommener an als die sonst so übliche, vor Streicherschmalz und klaren Harmonien geprägte Kinosinfonik dieser Jahre.

    Eine wichtigere Rolle als in DER KAMPF UM TROJA spielt nun auch das Klavier, das sich mit seinen pulsierenden Akkorden oft als der Kern des Ensembles erweist. Es kommt sogar an mehreren Stellen solistisch zum Einsatz.

    Auch bei den Kampfszenen geht der Komponist anders zu Werke als beim Vorgänger. Statt wuchtiger und martialischer Klänge setzt Fusco auch hier auf einen eher transparenteren Orchestersatz. Auch wenn die Pauke streckenweise mit ihren gleichmäßigen Achteln vorantreibt, wirkt sie hier deutlich reservierter, schrille Triller der Holzbläser und des Klaviers bereiten einen nervösen Rahmen für die Linien der Blechbläser. Auch wieder die in sich selbst kreisenden, motorisch anmutenden Figuren der Bläser halten die Kampfmusik über weite Strecken am Laufen. Ein absoluter Höhepunkt der Musik stellt allerdings nicht die Musik zu einem Kampf, sondern die treibende Musik zu einem Pferdewettrennen dar. Ein Pendant zu Creusas Thema sucht man vergebens. Wie gesagt: Für lyrische Momente bietet diese nüchterne und kühle Musik noch weniger Raum als die massige Musik zu DER KAMPF UM TROJA.

    Erneut hat Digitmovies verborgene Perlen der italienischen Filmmusik geborgen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Beide Musiken sind anscheinend vollständig erhalten geblieben und hier auf CD gepresst. Die Titelmusik und das Finale zu DER KAMPF UM TROJA kann man auch in einer alternativen Fassung ohne Chor hören, während zu ÄNEAS noch eine gekürzte Fassung der Passage bei der Begegnung der beiden Völker angehängt wurde. Klanglich weisen die Aufnahmen natürlich die übliche Patina auf, wobei ÄNEAS etwas dumpfer klingt als DER KAMPF UM TROJA. Doch das tut dem Musikgenuss keinen Abbruch. Wer einmal eine richtig schmetternde Peplum-Musik hören möchte, sollte bei DER KAMPF UM TROJA unbedingt ein Ohr riskieren, während ÄNEAS eine gekonnte Alternative zum üblichen filmmusikalischen Orchesterklang bildet.

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    Roberto Nicolosi – AGI MURAD IL DIAVOLO BIANCO/GLI INVASORI

    Das italienische Label Digitmovies hat sich über Dekaden um die italienische Filmmusik bemüht gemacht und zahlreiche Serien zu unterschiedlichen Themengebieten veröffentlicht. Die vorliegende Doppel-CD bildet den vierten Beitrag zu einer Album-Reihe mit Musik aus Filmen von Mario Bava.

    Diese nach übergeordneten Themen (Genre, Regisseur…) zusammengefassten Reihen ermöglichen einem auch direkte Vergleiche zu ziehen beziehungsweise Musiken kennen zu lernen, die man so nie auf dem Schirm hatte. Im Falle dieser Mario-Bava-Ausgabe finden sich insgesamt drei Filmmusiken aus der Feder zweier Komponisten: Angelos Francesco Lavagnino und Robert Nicolosi. Hier prallen zwei konträre Klangwelten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Lavagninos breiten und lyrischen Klängen steht die viel nüchternere und klare Musiksprache Nicolosis, der für Bava zwei Historienfilme vertonte.

    Nicolosis Musik zu AGI MURAD IL DIAVOLO BIANCO ist für mittelgroßes Orchester komponiert und enthält diverse Themen und Passagen. Das schlichte Hauptthema ist rein für Streicher in einem sehr klaren Satz arrangiert und mutet ein wenig osteuropäisch-folkloristisch an. Für diverse heroische Momenten und Kampfszenen entwarf Nicolosi ein sehr spitzes, signalhaftes Trompetenmotiv, das stets über einer marschartigen Begleitung des Orchesters erklingt. Zu den stimmungsvollsten Elementen der Musik zählt das Liebesthema, das viel weniger schmachtend daherkommt als es üblicherweise in der orchestralen Filmmusik dieser Zeit gestaltet war. Fast kühl legt sich eine kantabile Linie der Solovioline über nüchterne Akkordbrechungen der Harfe, umspielt von einer fallenden Flötelinie. Zuguterletzt komponierte Nicolosi auch noch eine feurige, osteuropäisch anmutende Tanznummer, bevor das Hauptthema im gleichen Arrangement der Titelmusik die Komposition beschließt.

    Die Filmmsuik zu AGI MURAD IL DIAVOLO BIANCO ist insgesamt nicht schlecht, aber sie zerfällt doch zu sehr in ihre Einzelteile. So gibt es zahlreiche, in sich geschlossene Passagen mit dem Marschthema, zwei längere Titel, die aus dem Liebesthema bestehen, die diegetisch angelegte Tanznummer etc. Aber all diese Elementen werden kaum miteinander verwoben, nie kommt es zu einer motivischen Arbeit oder längeren, ausgestalteten musikalischen Bögen. Insofern kann man die hier vollständig vertretene Musik zu AGI MURAD IL DIAVOLO BIANCO auf drei repräsentative Titel herunterbrechen. Diese haben für sich dann auch einen Reiz, aber in Gänze wird die Musik doch etwas zu repetitiv.

    Bei seiner Musik zu ESTER EIL RE zeigt sich Angelo Francesco Lavagnino von seiner besten Seite – sprich: der schwelgerisch-lyrischen. Das Hauptthema wird zu beginn zwar kurz als kräftige Fanfare etabliert, aber schon bald übernehmen die Streicher und führen das Thema in einem breiten elegischen Bogen aus. Die nachfolgende Musik ist durchgehend von zarten Klängen geprägt, wobei den hohen Holzbläsern eine herausragende Stellung zukommt. Für das silbrige Timbre der Flöte komponierte Lavagnino zahlreiche Soli mit schwirrenden Läufen, eingebettet in sanfte Streicherklänge und teilweise mit klingenden Zimbeln verfeinern. Ein für zwei Flöten gesetztes modales Thema bereichert die Musik um eine exotisch anmutende Facette, während der Oboe ein nachdenklich fragendes Thema zugeordnet wird. Auch die Klarinette vermag mit mehreren Paraphrasen über das Hauptthema zu glänzen.

    Besondere Erwähnung verdient auch die orientalisch anmutende Tanzmusik mit einer tiefen und leidenschaftlich anmutenden Frauenvokalise. Erst zum Ende hin gleitet die Musik streckenweise in einige bedrohlich anmutende Passagen, aber zu aktionsreichen Ausbrüchen kommt es nie. Das Blech schweigt überwiegend, nur kurz lassen sich vereinzelte Hornrufe ausfindig machen und erst zum Triumphmarsch für das Finale lässt Lavagnino wieder das ganze Blech erschallen, bevor die schwelgerischen Streicher die Musik beschließen.

    Insgesamt schuf Angelo Francesco Lavagnino zu ESTER E IL RE eine wundervolle lyrische Partitur, von der immerhin 40 Minuten auf der ersten CD enthalten sind. Leider haben die Aufnahmen nicht vollständig die Zeiten überdauert, sodass mehrere Passagen fehlen. Auch der Klang ist streckenweise sehr dumpf und verhallt. Dennoch lässt sich in jeder Sekunde dieser gefühlvollen Musik Lavagninos Meisterschaft erspüren.

    Den verhältnismäßig größten Anteil nimmt Nicolosis auf der zweiten CD enthaltene Musik zu GLI INVASORI, der italienischen Antwort auf THE VIKINGS ein, in der zwei Söhne eines Wikingerkönigs in feindlichem Land getrennt werden und sich 20 später als Feinde gegenüberstehen.

    Gegenüber der in ihre Einzelstücke zerfallenen Musik zu AGI MURAD IL DIAVOLO BIANCO ist die Musik zu GLI INVASORI weitaus ausgefeilter. Die Partitur ist für mittelgroßes Symphonieorchester gesetzt und zeichnet sich durch einen linearen, leicht modernistischen Stil aus. Nicolosi bewegt sich immer wieder außerhalb der dur-moll-tonalen Grenzen, wobei er dennoch mit sehr prägnanten und wieder erkennbaren Themen arbeitet.

    Als Hauptthema fungiert ein von Quartsprüngen geprägtes Signal-Motiv, das häufig im Horn erklingt, aber auch linear in den Orchesterklang gewoben ist.

    Ihm gegenüber steht ein zackiges Marschthema, das vom häufig gedämpften Blech über die gleichmäßigen Schläge der Pauke, verstärkt von den Streichern und der kleinen Trommel, intoniert wird.

    Erst in der Mitte des Films führt der Komponist für die englischen Ritter ein sehr nobel klingendes, vollständig tonales Thema ein, das im akkordischen Satz von den Blechbläsern präsentiert wird und später warm in den Streichern erklingt, bevor es auch den Zweikampf der beiden Brüder in nervös zitternden Streichertexturen begleitet.

    Wie ein Fremdkörper wirkt dagegen das fast schnulzige Liebesthema, das auch klanglich aus dem Rahmen fällt. Vom Soloklavier in satten Akkorden über einen sanften Streicherteppich vorgetragen, könnte es so auch zu einem italienischen oder französischen Liebesdrama erklingen. Wenn es jedoch als Bläser- oder Streichersolo innerhalb einer ruhigen Passage erklingt, fügt es sich aber problemlos in die Musik ein.

    In den zahlreichen Actionpassagen arbeitet Nicolosi häufig mit einem sehr durchsichtigen Orchestersatz. Kleine Trommel und dicht beieinander liegende, leicht dissonante Streicher bilden das rhythmische Fundament für markige Hornmelodien. Während die Musik bei den Kampfszenen oftmals sehr robust gestaltet ist, dominiert in den leiseren Abschnitten eine filigrane und harmonisch komplexe Linienführung. Auch das zagaft tastende, modal anmutende Flötensolo, das Nicolosi beim Tod des Wikingerkönigs über gläserne Töne der Harfe einführt, entbehren vollkommen der sonst so typischen Rührseligkeit damaliger Filmmusikkonventionen. Auch klanglich instrumentatorisch überrascht die Musik mit einigen originellen Einfällen, wenn sich zum Beispiel beim Tod des einen Bruders ein klagendes Englischhornsolo lediglich über den spröden Klang eines Cembalos und der gezupften Kontrabässe mit einem Nachschlag des Virbaphons legt.

    Nicolosis Musik zu GLI INVASORI ist ohne Frage hörenswert. Man braucht vielleicht ein bisschen Eingewöhnungszeit, aber dann erweist sich die mehr als solide gearbeitete Partitur der anderen Nicolosi-Musik auf diesem Album absolut überlegen. Der Klang ist gemessen am Alter der Aufnahmen hervorragend und insgesamt bin ich Digitmovies dankbar, diese Musik nun zugänglich gemacht zu haben. GLI INVASORI ist eine solide B-Film(-)Musik. Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger!

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  12. Ich habe von Cosma halt abseits der 3 Boxen nichts, deswegen laufe ich auch nicht Gefahr, Sachen doppelt zu haben. Auf die Sarde-Box bin ich auch schon sehr gespannt, da konnte ich meinen Bestand durch die in den letzten Jahren rasch hintereinander veröffentlichten Music-Box-Record-CDs aufstocken. Danke @Stefan Schlegel für den Hinweis mit Costas Oper, das klingt in der Tat vielversprechend!

    Auf der ersten Box waren ja auch die Orchesterarrangements seiner Filmmusiken häufig zusätzlich auf den CDs und die haben auch für mich nochmal ein neues Licht auf weniger geschätzte Musiken werfen können. Mich hat auch diese Debatte über Vladimir Cosma im vi-control-Forum sehr amüsiert...

    https://vi-control.net/community/threads/post-your-favourite-vladimir-cosma-tracks.107566/

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