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Stefan Schlegel

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Beiträge von Stefan Schlegel

  1. Da fehlt in der Tat schon einiges. :)

    Bei Rota etwa die allerwichtigste Biographie von Pier Marco De Santi von 1982: “Le immagini e la musica”.  Ein englisches Buch zu Rota (“Nino Rota: Music, Film and Feeling”) von Richard Dyer erschien 2010.

     

    Zu amerikanischen Komponisten gibts außerdem Biographien von André Previn (“No Minor Chords”, 1991) und Walter Scharf (“Composed and Conducted by Walter Scharf”, 1988). Ebenfalls gibt es ein weiteres in den USA erschienenes über Rózsa von Jeffrey Dane (“A Composer’s Notes: Remembering Miklós Rózsa").

    Ein halbes Buch zu David Raksin gibts in dem Riesenwälzer “Wonderful Inventions”, der an 1985 von der Library of Congress (zusammen mit einer Doppel-LP, die mehrere Raksin-Scores enthält) veröffentlicht wurde.

     

    Zu Delerue gibt es nicht nur das Vincent Perrot-Buch, sondern es gab an 1998 schon eines von Frédéric Gimello Mesplomb (“Georges Delerue – une vie”), das auch etwas interessanter ist und zudem deutlich mehr Textanteil enthält.

    Außerdem gibts über andere Franzosen noch Bücher aus den letzten Jahren: Michel Legrand hat an 2013 eine Autobiographie verfaßt (“Rien n’est grave dans les aigus”), es gibt ein Buch über Antoine Duhamel von Stéphane Lerouge (“Conversations avec Antoine Duhamel”, 2007) und einen großen Bildband von Vincent Perrot zu Vladimir Cosma (“Vladimir Cosma – comme au cinéma”, 2009). Eine Autobiographie hat übrigens auch Michel Magne geschrieben (“L’amour de vivre”, 1980).

    Vincent Perrot hat auch ein umfangreiches, sehr empfehlenswertes Buch mit dazuhin tollen Fotos über mehrere französische Filmkomponisten verfaßt, das hauptsächlich aus Interviews mit selbigen besteht. Dieser große Wälzer heißt “B.O.F. Musiques et compositeurs du cinema francais”, 2002).

     

    In Italien hat sich im letzten Jahrzehnt auch so einiges getan. Es gibt Biographien über Carlo Rustichelli (von Susanna Buffa: “Un musicista per il cinema”, 2004), Mario Nascimbene (von Luca Bandirali: “Mario Nascimbene, compositore per il cinema”, 2004) und jetzt gerade erst vor kurzem über Renzo Rossellini (von Adriano Bassi: “Renzo Rossellini  - fra cinema e musica”, 2015).

    Franco Mannino hat eine Autobiographie geschrieben gehabt an 2002: “Musica per film. Ricordi ed esperienze”.

    Von Nascimbene selbst gibt es zwei Bücher: Zum einen eine richtige Autobiographie mit dem Titel “Malgrè moi, musicista” von 1992 und dann noch das kleinere Büchlein “L’ímpronta del suono” von 2002, wo er speziell auf einige ausgewählte Filme mit vielen Notenbeispielen dazu eingeht.

    Renzo Rossellini, der selbst ja auch Musikkritiker war für die Tageszeitung “Il Messaggero”, hat zwei Bücher geschrieben: “Pagine di un musicista” von 1964 und “Addio del passato” von 1968.

     

    Über Morricone gibt es in Italien auch noch einen Interviewband mit dem Titel “Lontano dai sogni” von 2010 (herausgegeben von Antonio Monda). Und natürlich den zweisprachigen (englisch/italienisch) 300-seitigen Prachtband “Morricone – Cinema and More” von Gabriele Lucci von 2008.  

     

    Was ältere deutsche Filmkompnisten anbetrifft, so gibt es von 1968 übrigens auch noch ein biographisches Buch von Alfons Ott über Mark Lothar (“Mark Lothar: Ein Künstlerporträt”)

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  2. Unter der Leitung vom bekannten Orchestrierer/Komponisten Conrad Pope wurden überraschenderweise im Oktober 2015 in Wien die in der Originalaufnahme längst verschollenen drei SISSI-Filmmusiken von Anton Profes in Suitenform aufgenommen. Die CD mit Suiten aus den drei Scores kommt am 5.2. auf den Markt und gibt es hier zu bestellen:
    http://www.hoanzl.at/sisi-the-movie-trilogy-suite.html

    Rekonstruiert wurde die Musik offenbar von einem Paul Hertel anhand der Oiginalpartituren von Profes:
    http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_ ... uf-cd-bild

    Das Tracklisting sieht folgendermaßen aus:

    PART 1: 20:04 min
    1: Titelmusik „SISI“
    2: Sisi als Mädchen im bayerischen Elternhaus
    3: Erstes Treffen in Ischl
    4: Finden sich Sisi & Franzl?
    5: Annäherung, Liebe und große Gefühle
    6: Das Kaiserpaar

    PART 2: 14:40 min
    7: Titelmusik „DIE JUNGE KAISERIN“
    8: Sisi’s erste Tage in Schönbrunn/ungarische Delegation
    9: Besuch bei den Eltern/auf der Jagd
    10: Fahrt zur Krönung nach Ungarn
    11: Das Kaiserpaar 0:22

    PART 3: 20:09 min
    12: Titelmusik „SCHICKSALSJAHRE EINER KAISERIN “
    13: Sisi in Ungarn
    14: Sisi als wilde Reiterin
    15: Traurige Tage
    16: Erinnerungen an Ungarn/Rückkehr aus Korfu
    17: Die Fahrt mit der venezianischen Gondel
    18: Am Markusplatz/Die kaiserliche Familie wieder vereint

  3. Ja klar, Heiko, selbstverständlich meinte ich diese CD. Ich habe die CD zwar auch, aber in meinem Fall meinte ich sogar die MGM-LP, da ich diese seit Mitte der 70er in der Sammlung habe - war eine meiner ersten richtigen Filmmusik-LPs überhaupt -  und sozusagen genau mit der Einspielung dann auch aufgewachsen bin. Die ist ja nur ein paar wengie Tage nach den Aufnahmen für den Film entstanden und daher von der Interpretation her auch sehr dicht am Original dran. Natürlich hat Rózsa für die Platte ein paar Kürzungen hier und da gemacht oder mal an einer Stelle einen Zusatz, um ein Thema noch etwas konzertanter auszuspielen, aber so was hat mich bekanntlich nie gestört, sondern das finde ich völlig in Ordnung. Ich könnte auch nicht sagen, daß mich das Orchesterspiel je gestört hatte. Nie im Leben. Zu dem Urteil würde ich viel eher bei der Sedares-CD kommen, die bei mir nach ein- oder zweimaligem Anhören doch eher Staub angesetzt hat, weil einfach von der Interpretation her nicht vollauf zufriedenstellend. Zwar quantitativ mehr, aber eben keinesfalls qualitativ.

    Dagegen hat mich die alte, von Rózsa selbst dirigierte  Album-Aufnahme jahrzehntelang absolut begeistert und ich habe nie was an der Interpretation auszusetzen gehabt. Natürlich kann man sagen, es fehlen noch einige wichtige Tracks, aber das ist hier ja für mich nicht der letztlich entscheidende Punkt.

  4. Hinzu kommt für mich, dass die Sedares-CD die erst CID-Aufnahme ist, die ich gehört und verinnerlicht habe.

    Nicht falsch verstehen:

     
    Ach so, ich verstehe. Es ist ja oft so, daß die erste Aufnahme, die man von einer Musik hört, dann prägend wirkt. Das heißt aber, Du besitzt das alte, von Rózsa selbst dirigierte 1961er MGM-LP-Album (später natürlich auch als CD erhältlich), das in München aufgenommen wurde, gar nicht oder hast es eventuell nie gehört? Für mich persönlich ist das nach wie vor das eigentliche Referenz-Album, an dem sich alles andere, was danach kam, von der Interpretation her messen lassen muß. Und von der Intensität und Hingabe her, mit der es eben gespielt ist immer noch die Nummer eins, auch wenn der Score hier selbstverständlich längst nicht vollständig erklingt.
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  5. Wo mir das Sedares-Dirigat mit den Neuseeländern richtig gut gefällt, ist bei dem EL-CID-Album, das ich musikalisch der Tadlow-Einspielung ein kleines Stückchen vorziehe, weil es für mich etwas mehr Drive hat.

     

    Wirklich? Das wundert mich sehr, denn das sehe ich gerade umgekehrt. Für mich hat Sedares bei EL CID damals an vielen Stellen zu sehr die Tempi gedrosselt, so daß ich mich seine Aufnahme nicht begeistert hat und sie zu lasch wirkt. Die Dramatik und Dynamik des Originals erreicht er einfach nicht. Da finde ich die Tadlow-Einspielung denn doch wesentlich überzeugender, auch wenn ein bißchen viel Hall hinzugefügt wurde..

  6. Wer mehr über das “optical two track sound”-Verfahren wissen möchte, durch das einige Fox-Scores vor 1953 auf CD plötzlich in einer Art Stereo erklingen können, sollte einfach mal einen Blick ins Booklet der FSM-CD von Alfred Newman’s PRINCE OF FOXES reinwerfen, wo das von Bill Whitaker schön erklärt wird:

    “Typical of his obsession with high-quality sound, [Alfred] Newman would routinely record major pre-1953 Fox scores with two microphones – one, a “close-up” mike, placed at the conductor’s podium, capturing the full onslaught of the orchestra, the other, a “long-shot”, placed behind the orchestra, securing a different perspective. Each microphone led to a separate optical track, so that when one was later laid atop the other, the result was what came to be dubbed as “fat mono”, furnishing a certain depth and body to the soundtrack. Whenever both of these optical tracks are successfully unearthed, film music archivists and sound engineers can digitally edit them and, by setting one track slightly off the other, obtain a true stereo sound, making Golden Age soundtracks from the 1940s and ‘50s seem to defy their age.”

  7. Vom Cellokonzert gibts ja inzwischen gleich mehrere Aufnahmen auf Tonträger. Ich habe noch die allererste mit Janos Starker selbst als Solist, dem das Konzert ursprünglich auch gewidmet war. Diese wurde 1981 mit den Münchner Philharmonikern für eine LP gemacht und gabs ein paar Jahre später auch nochmals auf CD. Inzwischen naütrlich schon etwas rarer geworden, aber für mich war die immer recht zufriedenstellend:

    http://www.amazon.de/Miklos-Rozsa-Piano-Cello-Concerto/dp/5555178166/ref=sr_1_fkmr0_1?ie=UTF8&qid=1453386767&sr=8-1-fkmr0&keywords=rozsa+cellokonzert+starker

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  8. Es erschien doch bereits Mitte der 90er auf Koch Classics eine dreiteilige CD-Reihe mit den meisten Orchesterwerken von Rózsa, die damals von James Sedares mit dem New Zealand Symphony Orchestra aufgenommen wurden. Da gab es zusätzlich etwa auf Vol. 2 noch die frühe "Symphony in Three Movements" von 1930, die Gamba bislang nicht eingespielt hat.

     
    Kleine Korrektur noch: Wie ich gerade beim Nachschauen festgestellt habe, waren das ja von 1993 – 1998 sogar insgesamt fünf (!) und nicht nur drei CD-Alben mit fast allen Rózsa-Orchesterweken, die Sedares damals für Koch eingespielt hatte. Vol 4 und 5 hatte ich selbst mir nur deshalb nicht mehr gekauft, weil ich die Sachen, die da oben waren, schon längst auf LP oder CD in anderen Aufnahmen hatte. Von daher war mir das gar nicht mehr so bewußt  mit den fünf CDs. :)
    Insofern ist die Chandos-Reihe mit Gamba nun absolut nichts Neues mehr. Und von Pioniertat kann man gar nicht reden, da alles vor 20 Jahren schon eingespielt wurde. Möglich, daß sich die dann auch noch zu einem Vol. 4 aufraffen mit den restlichen paar Rózsa-Orchesterwerken, aber in recht guten Interpretationen auf CD vorhanden ist das eigentlch längst.
  9. Die Rózsa-Aufnahmen mit den Konzertwerken bei Chandos sind wirklich klasse.Die Musik ist so gut, dass eine umfassende Reihe sehr wünschenswert ist. Aber da kommt bestimmt noch was von Chandos.

    Es erschien doch bereits Mitte der 90er auf Koch Classics eine dreiteilige CD-Reihe mit den meisten Orchesterwerken von Rózsa, die damals von James Sedares mit dem New Zealand Symphony Orchestra aufgenommen wurden. Da gab es zusätzlich etwa auf Vol. 2 noch die frühe "Symphony in Three Movements" von 1930, die Gamba bislang nicht eingespielt hat. Aber zum Großteil deckt sich das eigentlich, was bei Gamba auf Chandos und bei Sedares auf Koch enthalten ist. So viele Neuheiten hat Gamba diesbezüglich wirklich nicht präsentiert bzw. gabs so was wie die "Tripartita" auch schon auf einer anderen CD mit dem LSO früher mal.

    Ich fand die Sedares-Aufnahmen damals ohnehin gar nicht schlecht. Kennt Ihr die denn gar nicht?

     

    Den Filmmusikbereich scheint Chandos dagegen mehr oder weniger aufgegeben zu haben. Die ganze Reihe mit den englischen Filmkomponisten ist ja schon ein paar Jahre tot. Ist auch klar, daß für so was eben heutzutage nicht mal mehr für ein Label wie Chandos ein richtig großer Markt vorhanden ist. Da ist der Aufwand viel zu groß dafür.

  10. Bei Morricone lernt man ohnehin nie aus, selbst wenn man sich jahrelang mit ihm beschäftigt hat. :)

     

    Die Sache ist noch ein bißchen komplexer, denn der eigentlche GIRO DEL MONDO-Score stammt ja von Alessandro Alessandroni. Morricone selbst hat dafür nur dieses eine Hauptthema "Forse basta" beigesteuert, aber davon gleich mehr als 10 Alternativ-Versionen in den verschiedensten Instrumentierungen damals an 1974 aufgenommen. Alle diese Varianten sind dann auf den CDs dann natürlich mit oben - das heißt, mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie gerade mal wieder von den Labels expandiert wurde. Die erste CD-Fassung an 1997 jedenfalls hatte immerhin schon 7 Varianten.

    Dieses "Forse basta"-Thema ist dann an 1985 übrigens auch nochmals für LA VENEXIANA wiederverwendet worden.

     

    Wer sich wirklich intensiv mit allen Morricones Scores beschäftigen und dabei nicht ständig Gefahr laufen will, Titel zu verwechseln oder Sachen völlig durcheinander zu bringen, dem empfehle ich unbedingt die Morricone-Webseite www.chimai.com

    Ein ausgiebiges Studium der dortigen Infos ist dafür Pflicht. Allerdings braucht man da auch schon mehrere Tage, um einigermaßen den Durchblick zu bekommen, wofür Morricone wann was überhaupt komponiert hat und wo wiederum welche Stücke dann wiederverwendet wurden bzw. für was er eventuell im Endeffekt sogar gar nichts Neues beigesteuert hat.

  11. Allerdings stammt dieses Thema ja ursprünglich auch aus dem ein Jahr zuvor entstandenen Zeichentrickfilm IL GIRO DEL MONDO DEGLI INNAMORATI DI PEYNET und wurde - übrigens inklusive der gesungenen Demis Roussos-Version- für ULTIMO TRENO dann ganz einfach nochmalsl recycelt. Hier die orchestrale Version aus GIRO DEL MONDO:

    https://www.youtube.com/watch?v=nHDAp40qnNQ&list=PLmbquhDuuTi0mN1oeRkgXct-_-nxGnQZH

  12. Lieder findet man bei Spotify ja auch nur ein paar zeitgenössische Sachen, die mir wenig aufregend erschienen. Sachen, die mir schon früher in Filmen positiv auffielen (Flic ou voyou, La naissance de l’amour, Le chat) sind halt auch schwer erreichbar für eine Musik, die man nur mal so querhören will.

    Warum soll “La naissance de l’amour” schwer erreichbar sein? Das ist ohnehin ja gar kein Filmtitel, sondern ein Tracktitel aus
    1) TESS
    oder
    2) LA GUERRE DU FEU
     
    Wie ich sehe, kann man beide Tracks sogar bei Youtube komplett anhören, wenn man das will.
    Und es sind zwei Scores, die Du laut Deinen eigenen Postings oben aber doch ohnehin bereits kennst.
     
    Außerdem frage ich mich, warum man heutzutage erst noch Spotify braucht, um Sarde zu entdecken. Es gibt so viele französische Universal-CDs aus den letzten 15 Jahren, die man kaufen oder in die man auf der Amazon Frankreich-Seite kurz reinhören kann. Ich sehe da keine Probleme.
  13. Und das sind genau die Sachen, mit denen ich damals angefangen habe. In den 80ern war ich halt filmmusikbegeisterter Teenager und da griff man bevorzugt zu den Erzeugnissen aus dem Hause Varese. Das war ein tolles Label, da fühlte man sich wohl. Für Soundtracks kleinerer Produktionen aus europäischem In- oder Umland stand einem einfach nicht der Sinn, zumal einem auch diese teils merkwürdigen Filme gänzlich unbekannt waren. 

    So hat dann auch Sarde bei mir keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Die erwähnten Soundtracks fanden zwar mein Gefallen, aber wirkliche Begeisterung ging anders.

    So war Sarde für längere Zeit erstmal als solider Durchschnittskomponist abgehakt.

    Ich vermute, daß es vielen Filmmusikfans meiner Generation so ergangen ist, und daher sind genau diese Scores diejenigen, die die meisten mit ihm verbinden.

    Bis dann die großartigen Universal-CDs kamen, ohne die mein Sarde-Bestand heute bei weitem mikriger aussähe, und die mich noch viele weitere Schätze erstmals erlauschen ließen (und natürlich habe ich damals auch Deine Rezensionen mit Interesse gelesen :) )

    Schön zu hören, daß die Rezis damals im Film Music Journal also tatsächlich wohl von ein paar Personen überhaupt gelesen wurden. :)

    Was mich bei den Universal-CDs nicht so ganz zufrieden stellt, ist die Tatsache, daß manches Mal mehrere Tracks von den alten LPs, die ja eh oft nur um die 25 Minuten gingen, nicht mit aufgenommen wurden wie z.B. bei LE FILS oder auch LE JUGE ET L’ASSASSIN. Von UNE HISTOIRE SIMPLE ist bislang nicht mal die Hälfte der alten LP auf CD verfügbar – und das nach so vielen Jahren! Das heißt, man hat teilweise sogar noch mehr davon, wenn man sich die alten LPs anhört. Schon verrückt.

    Was Du über den Beginn Deiner SammelzeitMitte/Ende 80er schreibst, das kenne ich so ähnlich auch von anderen Sammlern her aus dem persönlichen Bekanntenkreis. Es war ja damals noch gar nicht so einfach, an die französischen LPs ranzukommen, vor allem, wenn sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatten und gar nicht mehr normal verfügbar waren. Und die alten Sarde-LPs waren zudem nie billig, was viele von vornherein schon abgeschreckt hat. Ich weiß noch, wie ich damals auch ganz schön viel Geld für ein paar LPs wie LA VIE DEVANT SOI, LE JUGE ET L’ASSASSIN oder VINCENT, FRANCOIS, PAUL ET LES AUTRES hingelegt habe. Selbst für UN TAXI MAUVE oder L’ADOLESCENTE. Diese Sachen standen ja in Deutschland nicht vor der Haustür, dafür mußte man schon spezielle Händler im Ausland kennen oder gar direkt nach Frankreich fahren und in Second Hand-Shops danach suchen. Außerdem mußte man ein spezielles Interesse dafür mitbringen, was viele nicht hatten, obwohl der französische Film damals doch noch einen anderen Stellenwert hierzulande hatte. Deshalb haben sich auch die meisten damit zufrieden gegeben, was innerhalb Deutschland oder eben über US-Labels wie Varese normal greifbar war. Selbst die französischen Import-CDs Ende der 80er außer Milan waren hierzulande völlig überteuert, so daß das nicht allzu viele gekauft haben. Aber trotzdem störte mich das nicht und wenn ich was unbedingt haben wollte, dann habe ich auch ein par Mark mehr dafür bezahlt. Sicherlich im Nachhinein gesehen zuviel, aber es hat sich doch auch musikalisch zumindest für mich gelohnt.

    Es wäre schon wünschenswert, wenn so Perlen wie LA VIE DEVANT SOI,  DEUX HOMMES DANS LA VILLE, UNE HISTOIRE SIMPLE, PREMIERS DESIRS oder MILLE MILLIARDS DE DOLlARS, die es alle nur auf LP gibt, noch einigermaßen vollständig auf CD kommen würden. Aber bei Universal tut sich ja irgendwie leider nichts Großes mehr – wenn, dann kommt wohl nur noch Quartet dafür in Frage.

  14. Einspruch, Euer Ehren! :) Auf der Varèse-LP, die ich habe, ist auf Seite 1 A Sunday In The Country (UN DIMANCHE À LA CAMPAGNE) und auf Seite 2 The Pirate. Zudem sind entgegen dem Listing der Milan-LP bei Soundtrack-Collector von Dimanche nur drei Tracks auf der Varèse, nicht vier:

     

     1. A Sunday In The Country (Perone/Sarde) (4:08)

     2. Quintet, Op. 115-First Movement (Gabriel Faure) (10:26)

     3. Polka (Ducreux) (1:41)

     

    Sardes Musik habe ich damals (1982) begeistert durch La guerre du feu kennengelernt, dann in den 80'ern noch etliche Veröffentlichungen verfolgt, aber irgendwie war bei mir später die Sarde-Luft raus. Warum genau, kann ich auch nicht mehr sagen.

    Euer Ehren ist nicht nötig, Stefan tuts unter uns Namensvettern doch auch. :)

     

    Ich habe bei mir in der Sammlung nur die Milan-LP von LA PIRATE. Und da ist LA PIRATE auf der A-Seite oben. Die haben an 1984 einfach das erste Stück von der B-Seite für die Varese-LP weggelassen ("Chansons et gammes pour enfants"). Das ist aber wahrlich nichts Besonderes, sondern da hört man nur spielende und singende Kinder - das kommt also direkt vom Film und geht ein wenig mehr als eine Minute. Absolut verzichtbar und das haben sie sich bei Varese dann anscheinend auch gedacht. Ist weder von Sarde noch von Fauré.

     

    Ich habe im privaten Umfeld durchaus Filnmusikfreunde, die mit Sarde auch nicht viel anfangen können, höchstens noch ein paar der großorchestralen Scores kommen da an. Und dann hörts aber bald auf. Das ist mir von daher bestens bekannt. Daher wundert mich das überhaupt nicht, daß Du bei Sarde dann nach ein paar Jahren die Flinte ins Korn geworfen hast. Es ist halt bei Sarde in den meisten Fällen eine ganz andere Klangwelt als bei den US-Scores, die die allermeisten Sammler nun mal gewohnheitsmäßig bevorzugen. Dieser introvertierte, oft kammermusikalische und manchmal auch spröde Charakter seiner Musiken kommt dann bei vielen Sammlern nicht an, die großes Orchester und Bombast oder auch die typische US-Instrumentierung gewohnt sind. Und Sarde ist natürlich auch kein Delerue, der sofort die Ohren der Sammler mit seinen romantischen Themen und seiner eingänigen Melodik bezaubert. Dann kommt noch die Vermischung der Stilebenen hinzu, die Reibungen, die er dadurch erzeugt und die er auf seine ganz persönliche Weise wie niemand anders durchzieht - entweder gefällt einem das oder eben nicht.

    Auf der anderen Seite wiederum kenne ich ebenfalls im privaten Kreis Filmmusikfreunde, die früher ganz mit der französischen und italienischen Filmmusik aufgewachsen sind. Die Personen wiederum haben ganz starke Probleme mit den knalligen US-Action-Scores und mögen das überhaupt nicht.

    Es ist nun mal so: Es gibt eben verschiedene Geschmäcker in der Filmmusikszene und es geht um ganz unterschiedliche Klangsprachen, wo der eine dies, der andere das bevorzugt.

    Ich persönlich z.B. mag Vieles von Goldsmith aus den 90ern und vor allem aus dem Action-Bereich der Zeit heutzutage gar nicht mehr anhören, weil ich mich längst dran satt gehört habe. Das ist einfach so. Und dagegen haben viele Sachen von Sarde für mich nach wie vor eine Frische und einen Charme, die für mich regelrecht zeitlos sind, weshalb ich das ich immer wieder mit großem Genuß anhören kann.

  15. Beide Versionen unterscheiden sich in der Spieldauer, wobei die Varese CD mit 18 Tracks und einer Länge von ca 60 min deutlich länger ist.

    Sorry, Bernd, mit LA PIRATE ist nicht der bekannte Polanski-Film PIRATES von 1985 gemeint, sondern der 1984 entstandene französische Film LA PIRATE von Jacques Doillon mit Jane Birkin in der Hauptrolle:

    http://www.soundtrackcollector.com/title/28290/Pirate,+La

    http://www.imdb.com/title/tt0087918/?ref_=fn_al_tt_1

     

    Davon gibts auf CD bislang nur zwei Tracks auf dem Jacques Doillon-Sampler  von EMI von 1996. Die kompletten 17 Minuten von der alten Milan-LP gibts dagegen noch nicht auf CD. Auf der A-Seite war sozusagen LA PIRATE und dann auf der B-Seite die von Sarde adaptierte Gabriel Fauré-Musik zu Bertrand Taverniers UN DIMANCHE À LA CAMPAGNE (ebenfalls von 1984). Für die Varese-LP wurde das dann alles genau gleich übernommen.

    Die Musik zu LA PIRATE entwickelt so ein wenig das Konzept von LE CHOIX DES ARMES weiter: Also Jazziges im Kontrast zu Sinfonischem. Hier steht das oft widerborstige Saxophon den typisch samtigen Sarde-Streichern gegenüder und dadurch entsteht wieder mal eine ganz eigener, faszinierende Klangwelt über 17 Minuten. Natürlich nicht für Jedermann und nicht unbedingt für jemand zu empfehlen, der bei Sarde einen Einsteig sucht.

  16. Ich bin im TV über Annaud- & Romy-Schneider-Filme auf Sarde gestoßen. Und dann im Kino bei kleinen französischen Produktionen wie PONETTE oder ALICE ET MARTIN. Das war meine Teenagerzeit in den 90ern, wo man mit den Mädels auch mal in einen französischen Arthausfilm ging. Die Sammelwut wurde dann durch TESS losgetreten, den ich durch Zufall im Radio (!) gehört hatte.

    PONETTE hat mich als Film auch ungeheuer beeindruckt, als der an 1998 in den deutschen Kinos herauskam. Der lief ja damals im französischen Original mit Untertiteln in den Kinos. Da der Film ganz aus der Perspektive des kleinen Mädchens erzählt ist, spielt das Sprechen der Kinder auch eine ganz wichtige Rolle. Später wurde der Film ja dann synchronisert im Fernsehen gezeigt und die deutsche Fassung fand ich dann demgegenüber ziemich enttäuschend, weil die wunderbare Natürlichkeit des Sprechens vom Original wegfiel und verwässert wurde. Wirklich schade, wie das kaputtgemacht wird durch die künstlich wirkende Synchronisation und der Film dann viel von seinem spezifischen Reiz verliert.

    Aber im Original wirklich ein herrlicher Film, für mich einer der schönsten aus den 90ern. Auch die Musik von Sarde, nur für Streichquarttet komponiert, paßt mit ihrer zauberhaften Intimität, die ein wenig an Debussy erinnert, haarscharf zum Film.

    Den Techiné-Film ALICE ET MARTIN empfand ich dagegen damals im Kino als recht dröges und langweiliges Kunstgewerbe. Viel von Sarde kannst Du da im Kino jedenfalls ohnehin nicht mitbekommen haben, denn der Film hat ja nur ganz kurze Musikschnipselchen. Insgesamt sind da bestimmt keine 10 Minuten Sarde-Musik im Film vorhanden. Auf der CD ist das alles viel mehr ausgebarbeitet, da Sarde die komplette Musik schon während der Dreharbeiten komponiert hatte und Techiné im Endeffekt nur Weniges davon für den Film dan wirtklich genommen hat. Ist bei LES VOLEURS an 1996 etwa nicht viel anders gewesen - auch da hört man im Film eigentlich so gut wie kaum was von dem auf CD ja als fast konzertant durchkomponiertes Streichquartett daherkommenden Score.

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  17. In den "Noten zum Kinematographen" schreibt Bresson übrigens: "Keine Musik zur Begleitung, zur Unterstützung oder zur Verstärkung. Überhaupt keine Musik! Außer, wohlverstanden, die Musik, die gespielt wird von sichtbaren Instrumenten."

    Oder: "Die Geräusche müssen Musik werden."

     

    So eng hat ers dann wohl doch nicht gesehen.

    Ja, ganz so genau wie als theoretisches Postulat in den “Notes” formuliert, hat Bresson es dann natürlich mit der Musik nicht immer gehalten in seinen Filmen. Aber wie er eben z.B. den langsamen Satz aus der Schubert-Klaviersonate in BALTHAZAR einsetzt und an welchen Stellen, ist einfach genial. Teils verbindet er sie mit Geräuschen, nämlich dem Eselsschrei, und zum Großteil verwendet er sie als Trauermusik, die ganz über dem Geschehen steht.  Hat man den Film gesehen, bleibt einem die Musik  unvergeßlich. Eine absolut perfekte Osmose von Bild und Musik, wo Rhyhtmus des Films und Rhyhtmus der Musik miteinander korrelieren. Und es ist dafür überhaupt keine eigens komponierte Filmmusik nötig.

    Von den drei Filmen, bei denen Sarde mit Bresson zusammenarbeitete, hat LANCELOT DU LAC eigentlich noch am meisten Musik mit knapp 5 Minuten, die beiden anderen haben fast gar nichts. Für DIABLE hat Sarde wohl zwei Minuten Source Music komponiert und in L’ARGENT gibt es außer kurzer Musik im Bild nur ein einziges Arpeggio, das Sarde beigesteuert hat. Deshalb hat Sarde natürlich auch gar keinen Credit für L’ARGENT genommen/erhalten. 

     

    Es ist wohl auch nicht mehr Musik komponiert worden, die dann eventuell nicht verwendet wurde wie Sarde angemerkt hat:

    “Die Musikeinsätze haben wir genau vorher abgesprochen, da hat er nachträglich nichts mehr geändert. Dieser sparsame Einsatz hat natürlich mit Bressons Einstellung zur Filmmusik zu tun. Die mag er eigentlich gar nicht, er hat es sich zur Angewohnheit gemacht, nur klassische Musik zu verwenden.”

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  18. Klassische Musik hat Bresson zum Teil, wenn auch natürlich sparsam, schon verwendet wie etwa den zweiten Satz aus Schuberts Klaviersonate Nr. 20 in einem meiner Lieblingsfilme, nämlich AU HASARD BALTHAZAR von 1966. Oder Monteverdi in MOUCHETTE, auch Mozart in UN CONDAMNÉ AU MORT S´EST ÉCHAPPÉ. Sein musikalischer Berater war zuvor oft Jean Wiener gewesen, aber Wiener war 1974  natürlich auch schon fast 80 Jahre alt. Insofern hat sich Bresson damals wohl jemand Jüngeren gesucht. Sarde selbst beschreibt die Zusammenarbeit bei LANCELOT DU LAC so (es kamen ja später auch noch LE DIABLE PROBABLEMENT an 1976 und L’ARGENT an 1982 hinzu):

    “Bei unserem ersten gemeinsamen Film brauchte ich einen Monat, um sein Mißtrauen zu überwinden. Freilich dauerte es auch so lange, bis ich exakt verstand, was er von der Musik für den Film erwartete. Danach hatten wir ein wunderbares Verhältnis zueinander, denn er merkte, daß ich mich vor allem seinen erzählerischen Problemen verantwortlich fühlte. Ich respektiere die Vorstellungen des Regisseurs, und wenn Sie sich die Filme anschauen, zu denen ich die Musik komponiert habe, werden Sie feststellen, daß ich immer versucht habe, mich mit dem jeweiligen Stil des Films auseinanderzusetzen, auch wenn sich in meinen Kompositionen gelegentlich einige Phrasen oder Rhythmen wiederholen.”

     

    In Interviews betont Sarde auch immer wieder seinen Stolz darüber, daß er sozusagen der letzte lebende Komponist ist, der mit Bresson zusammengearbeitet hat.

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  19. Witzigerweise finde ich gerade GHOST STORY und vor allem auch MANHATTAN PROJECT nicht so überragend. Meines Erachtens hat er gerade in den Fällen - auch bei PIRATES - versucht, ein bißchen aufgebauschter und amerikanischer zu klingen als bei seinen sonstigen französischen Sachen. Man hört das sehr schön, weil man nämlich den Vergleich hat. Für die US-Scores hat er ja fast immer französische Vorlagen mitverwendet ohne daß es die US-Regisseure mitbekommen haben. In GHOST STORY ist z.B. was von LE CHAT drin und das mehrfach auftauchende Liebesthema stammt ursprünglich aus L’ADOLESCENTE von 1978. Bei MANHATTAN PROJECT kommt dieses aus dem drei Jahre zuvor entstandenen LE CHOC. Und ich muß sagen: In beiden Fällen gefallen mir die Originale einfach viel besser, sind auch Sarde-typischer und wirken deutlich transparenter, charmanter. Die Instrumentierung ist für mich nicht so schön und so delikat pastellfarben gehalten wie in den ursprünglichen französischen Scores, sondern es klingt etwas fetter und man merkt einfach, wie er sich da vom Sound her ein bißchen mehr nach typischer US-Instrumentierung ausgerichtet hat. Daher liegen mir ausgerechnet diese beiden Scores gar nicht so sehr und die höre ich ganz selten noch an.

     

    Sarde war übrigens ursprünglich nicht nur reiner Sinfoniker, sondern seine Wurzeln liegen genauso auch im Jazz. Deshalb hatte er auch als Orchestrierer in den frühen 70ern auch immer den früheren Jazz-Klarinettisten Hubert Rostaing.

  20. Durch das Anhören der PREMIERS-DESIRS-LP bin ich auf den Geschmack gekommen, und habe eine weitere LP hervorgekramt, die ich schon fast vergessen hatte:  THE PIRATE (bzw. Le Pirate)  Hatte die als recht sperrig in Erinnerung, und war jetzt überrascht, wie gut die ist!  Zwar etwas schwierig, und nicht unbedingt mit einschmeichelndem Wohlklang gesegnet, aber doch faszinierend und lohenswert. Das wäre eigentlich auch noch was für ein Varese-Re-Issue, aber bitte nicht in der aktuellen LP-to-CD-Reihe mit diesem Köfferchen. Wenn, dann richtig.

    LA PIRATE war aber ursprünglich eine französische Milan-Pressung, die ich selbst hier habe. Wahrscheinlich hat Varese das damals nur für eine bestimmte Zeit von Milan lizenziert für den amerikanischen Markt.

    Mit LA PIRATE hatte ich eigentlich nie Probleme gehabt wegen eventueller Sperrigkeit. Der ist schon recht interessant und atmosphärisch sehr stimmig. Wie das Solo-Saxophon und die Streicher sich aneinander reiben das ist schon toll gemacht.

  21. Brauchst du mir nicht erzählen, ich denke aber dass die Tendenzen zum Zitat/Selbstzitat bei beiden ähnlich ausgeprägt sind/waren, aber dass der wahrgenommene künstlerische Vorsprung Sardes wohl eher der Tatsache zuzuschreiben ist, dass er eben kein Dauerdienstleister im Hollywood-Kommerzkino ist. Da funktionieren europäische Filme ja oft anders und ich unterstelle ganz frech, dass ein Horner unter europäischen Bedingungen wohl ebenso eine andere Werkschau anzubieten hätte - da sehe ich in den kompositorischen Möglichkeiten weniger das Problem, als in den Rahmenbedingungen die ja Horners Vorgehen auch langfristig gesehen verändert haben. 

    Ich habe die Komponisten ja überhaupt nur deshalb aufgezählt, da Du ja wohl der Meinung warst, ich würde mich bei Horner möglicherweise so wenig auskennen wie Du bei Sarde und mir es deshalb so einfach machen mit einem Horner-Vergleich. Dem ist selbstverständlich nicht so.
    Der Unterschied besteht für mich vielmehr darin, daß Horner eben immer und immer wieder oft sogar dieselben Klassik-Zitate eingeflochten hat in seinen Scores ohne dies irgendwie kenntlich zu machen oder darüber groß zu reden.  Diese Art des ständigen Klassik-Zitats gibt es in dieser Form bei Sarde halt nicht.
    Ich finde es auch müßg, hier jetzt zu spekulieren nach dem Motto “was wäre gewesen wenn.” Das ist ein Streit um des Kaisers Bart, der nicht viel einbringt, zumal ich Horners handwerkliche Fähigkeiten überhaupt nicht in Abrede stellen will, auch wenn mir persönlich Vieles von ihm ab Ende der 90er Jahre dann viel zu zäh und formelhaft erschienen ist.  Er hat davor zum Teil sehr gute Sachen komponiert eben auf seine Art. Diese Art, wo oft großes Orchester, Blech und Heroik dominiert, hat aber meist nicht so viel zu tun mit dem, was Sarde gemacht hat. Das sind zwei ganz unterschiedliche musikalische Temperamente, die auch aus einer ganz unterschiedlichen musikalischen Kultur herkommen. Bei Sarde dominiert die klangliche Transparenz der französischen Impressionisten, bei Horner dagegen vor allem der Einfluß der russischen und englischen Sinfonik des frühen 20. Jahrhunderts. Das läßt sich nicht recht auf einen Nenner bringen.
    Hinzu kommt, daß Horner sich bewußt auf den Hollywood-Betrieb eingelassen hat – er wußte also, was hinsichtlich Standardisierung auf ihn zukommen würde im etwaigen Blockbuster-Bereich. Sarde hätte nach der Oscar-Nominierung für TESS 1980 durchaus Chancen gehabt, sich in Hollywood eventuell zu etablieren, aber: Er wollte es nicht und er wollte Frankreich auch nicht verlassen zum damaligen Zeitpunkt, um nicht in den USA dann in eine Schublade gesteckt zu werden. Rund zehn Jahre später sah er die Situation in den USA sogar als noch schlechter an und betonte in einem Interview, daß er eben, selbst wenn die Arbeitsbedingungen der Filmkomponisten in Frankreich wahrlich nicht die besten seien, er nie im Leben sich darauf einlassen würde, in den USA gar die x-te Fortsetzung von Rambo oder Basic Instinct zu vertonen.
     
    Zu den Selbstzitaten hier auch noch zwei ganz interessante Auszüge aus einem Interview mit ihm, die seine Position ein wenig verdeutlichen:
    "Wie ein Regisseur oder Schriftsteller, der Szenen wiederaufnimmt und

    sie anderes entwickelt, wie ein klassischer Komponist während seines

    ganzen Lebens immer die gleichen Themen nur anders weiterentwickelt,

    so kann doch auch ein Filmkomponist, dessen Metier dasselbe ist - ein

    Metier der Kreation und der Adaption - dasselbe machen."

    "Bei PAS DE PROBLÈME war es ein hübsches kleines sentimentales Thema

    und ich habe mir gesagt: Es ist schade, da steckt was drin, also

    entwickle ich es weiter. So ist es eines für LE FILS PRÉFERÉ geworde,

    wo ich es komplett explodieren habe lassen können. Aber jetzt kann

    ich es nicht mehr verwenden, denn es ist ausgeschöpft."

    "Es gibt Themen, die vollendet sind, wenn man sie geschrieben hat.

    Z.B. habe ich das Thema aus LES CHOSES DE LA VIE nie wieder

    aufgegriffen, weil ich es für vollendet halte und es nicht wieder

    aufgegriffen werden kann."

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  22. Du machst es dir mit dem Horner-Vergleich ja genauso einfach. Also von daher...

    Ich verstehe es nicht ganz: Was soll ich mir mit dem Horner-Vergleich einfach machen? Ich habe fast alle Horner-Scores mal gehört. Habe sogar in den 80ern und 90ern - bis etwa TITANIC - recht viele Horners gekauft. Ich mochte ihn vor allem Ende 80er und Anfang 90er eigentlich sehr gern. Da habe ich so Einiges in der Sammlung von ihm. Ich weiß daher schon, von was ich rede und mir ist es genügend bekannt, wo er wie was mal abgekupfert hat - wo mal ein Prokofiev, ein Schostakowitsch, ein Britten oder halt der recht beliebte Khachaturian vorkommt.

  23. Ja, ich weiß. Und gerade dieses Thema der Kampfszene finde ich großartig (in LE BOSSU ist es ebenfalls enthalten, und auch dort ist es zum Niederknien!), aber auch das elegische Schlußthema hat was. Es muß ja kein eigenes Album sein, ich denke da mehr an so einen Sampler, wie sie von "Universal France" schon des öfteren gekommen sind.

    Ah ok, alles klar. :)

    Ja, auf einem Sampler könnte ich mir das natürlich auch vorstellen. Mal schauen, ob so was von Universal überhaupt noch kommt.

    Dieses Thema ist in der Tat eines derjenigen, das er am allermeisten wiederverwendet hat. Ganz merkwürdig. Ich kenne natürlich auch die Version von LE BOSSUi.

  24. Ich kenne Sarde - bis auf FORT SAGANNE und ein paar Häppchen - gar nicht, halte es aber für recht unwahrscheinlich, dass ein Komponist, der mehrfach durch Selbst- und Fremdzitate aufgefallen ist, sowas nicht gewohnheitsmäßig macht. Zumindest lehren mich das kumulierte Erfahrungen, siehe Bill Conti.

    Sarde ist ganz bestimmt noch nie ein Bill Conti gewesen. Ist ein sehr merkwürdiger Vergleich. Und ich finde es schon ein bißchen schade, wenn man das Werk eines Komponisten somit also fast gar nicht kennt, dann wie oben geschehen recht überheblich mit einem Vorwurf "schuldig auf Verdacht" daherzukommen.

    Daß Sarde sich immer wieder selbst zitiert und zitiert hat, steht außer Frage. Das ist was Anderes. Und da er ist eben einfach speziell. Das kann man schlecht oder gut finden wie man will. Ganz eigene und originelle Themen hat er auf jeden Fall seit den frühen 70ern wirklich genügend geschrieben - und da ist ein ziemlich großer Fundus vorhanden, aus dem er halt auch schöpft.

  25. So, ich habe mir jetzt auch PREMIERS DESIRS durchgehört. Sehr angenehmer Score, und ja, es ist tatsächlich das Thema aus LES DEUX AMIS. Schwamm drüber, ich habe keine Probleme damit, und hat Sarde nicht auch mal gesagt, er habe das Recht, in seine eigene Küche zu gehen?

    Wovon ich mir eine CD-Edition wünschen würde, wäre LANCELOT DU LAC. :music:

    Ja aber was soll denn auf einer LANCELOT DU LAC-CD denn alles oben sein? LANCELOT ist ein Film von Robert Bresson, der bekanntlich so gut wie gar keine Musik in seinen Filmen eingesetzt hat. Und der Film hat auch nur Musik für die Kampfszene am Anfang, zu der Sarde Bresson überredet hat - das gleiche Thema übrigens wie später dann für LE CHOC, wo es nur anders instrumentiert ist - und dann noch das rund einminütige Finale. Beides auf der alten Single von Mitte 70er drauf. Mehr habe ich absolut nicht in Erinnerung vom Film her und mehr dürfte es auch kaum geben. Das füllt von daher nie im Leben eine CD, nicht mal eine LP.

     

    Dieses Zitat mit derm "in die eigene Küche gehen" habe ich ja oben bereits gebracht. Lies einfach nochmals nach.

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