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8/52 VERTIGO by Bernard Herrmann


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Bernard Herrmann war meiner Meinung nach der erste ganz große "amerikanische" Filmkomponist und auch ein revolutionär der Filmmusik - er gilt nach wie vor als einer der, wenn nicht sogar der innovativsten Filmkomponisten aller Zeiten. Herrmann wurde in New York 1911 geboren und er erfuhr eine klassische Musikausbildung (Juilliard School). Daraufhin arbeitete er bei CBS unter anderem als Dirigent bis er Orson Welles kennen lernte - der Rest ist Geschichte. 1955 arbeitete er bei "Trouble with Harry" zum ersten mal mit Alfred Hitchcock zusammen - für mich die innovativste, interessanteste und größte Zusammenarbeit zwischen einem Regisseur und Filmkomponisten überhaupt. Alle sechs Zusammenarbeiten sind von musikalischer hervorragender Qualität. Leider kam es 1966 bei "Torn Curtain" zum Bruch zwischen Hitchcock und Herrmann - danach ging auch die Qualität der Hitchcock Filme bergab (gab sicher auch andere Gründe dafür...). Für mich ist es ohnehin sehr überraschend wie die zwei vollkommen unterschiedlichen Charaktere so lange zusammenarbeiten konnten. Herrmann ein Einzelgänger und tief romantischer Mensch und der kühle Hitchcock.

Die großartigen Ergebnisse (North by Northwest, Psycho, Marnie...) kamen wahrscheinlich deswegen zustande, weil der Regisseur seinem Komponisten großen Freiraum ließ und dieser experimentierfreudig war, einen einmaligen Sinn für Dramaturgie hatte und einfach ein herausragender Komponist war.

 

VERTIGO stellt für mich da Hauptwerk sowohl im Schaffen Hitchcocks als auch Herrmanns dar. Ohne Zweifel eine der größten Kompositionen der Filmmusikgeschicht - herausragende großteils neoromantische Musik die einen Vergleich mit Mahler oder Bruckner nicht zu scheuen braucht.

Vertigo ist der medizinische Fachausdruck für Schwindel und bereits mit seinem Hauptmotiv in "Prelude" nimmt uns Herrmann mit auf eine schwindelerregende Reise - die auf und absteigende traumgleiche Musik die ohne Auflösung dahinfließt nimmt einen sofort gefangen und lässt einem nicht mehr los. Die Höhenangst den Hauptcharakters wird mit dissonanten Akkorden auf der Harfe dargestellt.

"Madeleines Thema" ist zugleich traurig, mysteriös, hoffnungssuchend und romantisch. Danach folgt teilweise sehr minimalistische Musik als James Steward den Kim Novak Charakter (Madeleine) überwacht und durch die Stadt folgt. Eine ebenso ungemein spannungsgeladene Musik ohne das musikalisch sehr viel passiert.

Großartiger musikalischer Höhepunkt der Musik ist für mich die Liebesmusik "Scene DÀmour" - spannungsgeladen, tief romantisch und doch schwingt der Unterton der unerfüllten Liebe ständig mit.

Aber der Film hat auch die für Herrmann typischen repetitiven Spannungsmotive.

 

Insgesamt eine Filmmusik die seiner Zeit weit voraus ist - von der ersten bis zur letzten Sekunde großartig, klangschön, tiefgreifend und dabei nie kitschig. Weiters ist die Musik sicher einer der zugänglichsten Werke von Bernard Herrmann und insofern ist sich auch Herrmann Neulingen sehr ans Herz zu legen. Das Werk eines wahren Künstlers eines musikalischen Genies der nicht "nur" FILMmusik produziert sondern diese Musikgattung zur echten Kunstform erhoben hat. Herrmann war neben Alex North der wahrscheinlich größte Revolutionär der Filmmusik! Niemand der sich ernsthaft mit Filmmusik beschäftigen will kommt an Bernard Herrmann und Vertigo vorbei. 

 

 

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  • 2 Wochen später...

Man könnte noch hinzufügen, dass Hermann hier einige schicke Rafinessen versteckt hat - insbesondere die Architektur der Themen für die "beiden" Frauen: Esters Thema ist eine grobe Umkehrung (=Spiegelung*) von Madeleines Leitmotiv. Dadurch werden die Gegensätze der beiden Charaktere hervorgehoben, Madeleines Thema kehrt dann triumphal nach der endgültigen Verwandlung zurück. Die Erwartung von Scottie wird auch in der Musik großartig eingefangen. Sabine Sonntag argumentiert in ihrem Buch "Hört ihr's, Freund? - Wagners Tristan und Isolde im Film", dass Herrmann hier das kompositorische Muster der wellenförmigen Steigerung aus Isoldes Liebestod übernimmt:

 

 

*geht eine Melodie in ihrer Grundgestalt einen Ton aufwärts, geht die Umkehrung einen Ton abwärts und umgekehrt

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