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Dabei gehört das Vorspiel zu Wagners mitreißendsten Stücken. Wenn da noch jemand einem Sitznachbarn die "Reingold"-Handlung erklären würde, hätte ich ihn schnell den Mund verboten - auch wenn's Herr Waltz gewesen wäre. "Die Walküre" ist ein wirklich spannender Krimi trotz fünf Stunden Länge. Was den Abgang von Simon Rattle betrifft: Er ist ein großartiger Impressionisten-Dirigent und war immerhin offen für Neueres und Seltenes. Daher bleibt zu hoffen, dass jemand an seine Stelle tritt, der ebenfalls aufgeschlossenere Programme macht. Da ich selbst nicht in Berlin lebe kenne ich ihn nur von den Aufnahmen und die sind mir allerdings oft zu komprimiert. Den CD-Aufnahmen mit Rattle fehlt oft die klangliche Tiefe und Weite. Z. B. hört man Plattenglocken im fff nur, wenn man die Partitur mitliest.
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Breakheart Pass - Nevada Pass In Fort Humboldt ist die Epidemie ausgebrochen und somit bahnt sich ein Transport der US-Armee seinen Weg durch die verschneiten Rocky Mountains, beladen mit Medikamenten und Soldaten. An Bord des Zuges befinden sich neben den Ersatztruppen und ihren Offizieren auch der Gouverneur Richard Fairchild, der Prediger Reverend Peabody, der Arzt Molyneux, Marica Scoville, die Tochter des Kommandanten von Fort Humboldt sowie ein Koch, der Heizer und der Lokführer. Als der Zug kurz in Myrtle City, Nevada, hält, gehen zwei weitere Zivilisten an Bord: Nathan Pearce, der Marshal der Orts, verhaftete den gesuchten Verbrecher John Deakin im Saloon und verschafft sich die Zustimmung des Gouverneurs trotz Missbilligung des höchsten Offiziers die Erlaubnis, den Gefangenen nach Fort Humboldt zu begleiten, um ihn dort vor das Militärgericht zu stellen. Die Abfahrt aus Myrtle City verzögert sich, denn zwei Offiziere werden vermisst. Schließlich fährt der Zug ohne die beiden Militärs ab, da die Zeit drängt, doch von nun an ist die Fahrt mit immer mehr Schwierigkeiten versehen. Zuerst bricht die Telegraphenverbindung zum Fort ab und dann wird der Arzt Molyneux tot aufgefunden. Wenig später stürzt der Heizer vom Zug und als auch noch die letzten Wagons mit den Soldaten abgekoppelt werden und in einen Abhang herunter stürzen, kann keiner mehr an Zufall glauben. John Deakin, der einst als Mediziner gearbeitet hat, untersucht den Tod des Doktors und findet bald heraus, dass dieser keines natürlichen Todes gestorben ist. Als er eines nachts die Ladung des Zuges kommt er einer Verschwörung auf die Spur: Statt Medizin hat der Zug ausschließlich Sprengstoff, Munition und Waffen geladen, die vor einiger Zeit gestohlen wurden. Als auch der Revenrend in einer der Waffenkisten gefunden wird ist klar, dass sich unter den verbliebenen Personen ein Mörder befindet... Nachdem der Western in den 60er Jahren sein Zenit überschritten hatte, gab es immer wieder Fälle, in denen mehr oder minder geglückte Versuche unternommen wurden, das Genre neu zu beleben. Außer den John-Wayne-Filmen, in denen der "Duke" nach wie vor als kerniger Held mit der Winchester für Recht und Ordnung sorgte, wagten viele Western einen melancholischen, teils resignativen Blick auf das einst durchweg glorifizierende Genre. Sam Peckinpah zeigte in "The Wild Bunch" und "Pat Garret jagd Billy the Kid", wie einstige Westernhelden unter die Räder der Zivilisation kommen, Richard Fleischer ließ 1973 in "Vier Vögel am Galgen" den Traum dreier Farmersöhne vom romantischen Banditenleben tragisch zerplatzen und auch die beiden Protagonisten in Blake Edwards' "Wild Rovers" scheitern ebenfalls bei dem Versuch, einmal auf einen grünen Zweig zu kommen. Michael Crichton hingegen verpackte den Western in "Westworld" in futuristisches Gewand während Filme wie "Boss Nigger" oder "Take a Hard Ride" die Pionierzeit im Lichte des aufkeimenden Blaxploitation betrachten. "Nevada Pass" gehört zu den seltenen Versuchen, den Western mit dem Krimi zu mischen. Die Romanvorlage stammt von Alistair McLean aus dem Jahre 1974, das bereits ein Jahr später nach einem Drehbuch desselben Autors verfilmt wurde. Die Handlung orientiert sich lose an Agatha Christies "Mord im Orient Express" und versetzt die Ausgangssituation einer Gruppe Verdächtiger Personen im Zug in die 1870er Jahre. Regie führte Tom Gries, der bereits mit dem Hauptdarsteller Charles Bronson in "Der Mann ohne Nerven" zusammen gearbeitet hatte und Lucien Ballard, der bereits als Kamermann für Peckinpahs "Wild Bunch" gearbeitet hatte, war für die Fotografie verantwortlich. Die originelle Idee für die Handlung, der Hauptdarsteller, Regisseur und Kameramann versprechen eigentlich einen sehr unterhaltsamen Film, doch letzten Endes bleibt "Nevada Pass" recht blass und nutzt das Potential nie vollständig aus. Mäßig spannend geraten, reihen sich Anfangs nur diverse Morde aneinander, bis die wenig überraschende Auflösung plötzlich hereinplatzt und letzten Endes wegen des Showdowns rapide an Bedeutung verliert. Die beeindruckende Schneelandschaft der Rocky Mountains wird ebenfalls nicht zufriedenstellend genutzt, sodass der Film hauptsächlich während der beiden spektakulären Actionhöhepunkte glänzt: Neben der Zeitlupenentgleisung dreier echter Waggons bietet der Kampf zwischen Deakin und dem Koch des Zuges auf einem Wagon während der Fahrt über eine riesige Holzbrücke einiges an Schauwert - besonders, da der Kampf tatsächlich mit zwei Stuntmen auf einem fahrenden Zug und ohne jede Modellaufnahmen oder Leinwand gedreht wurde. "Nevada Pass" wurde offensichtlich als Bronson-Vehikel produziert und der schweigsame Charakterkopf liefert eine überzeugende Leistung als undurchsichtiger John Deakin ab. Seine Gegenspieler Nathan Pearce und Richgard Fairchild werden routiniert von Ben Johnson und Richard Crenna dargestellt. Charles Durning gibt einen glaubwürdigen Lokführer und die in einem Bronson-Streifen dieser Zeit unverzichtbare Jill Ireland ist treffend für die zarte Marica Scoville. "Nevada Pass" ist also an sich kein schlechter Film, hätte aber in Hinblick auf Stab und Besetzung deutlich mehr sein können als ein immerhin mäßig spannender Western-Krimi. Zur Musik: „Breakheart Pass“ markiert nach „100 Gewehre“ und „Der Mann ohne Nerven“ die dritte Zusammenarbeit zwischen Regisseur Tom Gries und Komponist Jerry Goldsmith, der neben diesem Film mit „The Cassandra Crossing“ und „The First Great Train Robbery“ zwei weitere Filme vertonte, deren Handlung zum großen Teil auf Zügen stattfand. Für „Breakheart Pass“ stand Goldsmith ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das außerdem um eine Gitarre erweitert wurde. Außerdem experimentierte der Komponist hier zusätzlich mit elektronischen Effekten, die in den kommenden Jahren immer mehr Raum in seinen Kompositionen einnehmen sollten. Einen wichtigen Bestandteil der Filmmusik zu „Breakheart Pass“ bildet das schmissige Hauptthema, das von einer Hornfanfare eröffnet und von den Trompeten gespielt wird. Dieses Thema verfügt über einen hohes Maß an Ohrwurmqualität und lässt mit der treibenden Begleitung der Gitarre und den stoßhaften Blechbläserakkorden sofort Westernatmosphäre aufkommen, die durch die schwelgerischen Streicher und den Einsatz des elektronisch verzerrten Klaviers zunehmend verstärkt wird. Dennoch täuscht der erste Eindruck, denn jenseits des Hauptthemas ist die Musik sehr spröde und suspenselastig, was auch der Handlung geschuldet ist. Dabei führt Goldsmith sein Thema auf zwei unterschiedliche Wege fort. Zum Einen dienen Bruchstücke der Melodie immer wieder als kurze motivische Einwürfe in den Suspense-Passagen, andererseits erklingen kurze groß orchestrierte Passagen für unzählige Außenaufnahmen des durch die Schneelandschaft dampfenden Zuges. Allerdings ist keine dieser Darbietungen so schwelgerisch und ausladend wie die Vorspannmusik, denn wie auch einige Jahre später in „The Cassandra Crossing“ charakterisiert Goldsmith die schwere metallische Maschinerie der Eisenbahn durch harte und raue Reibungen in den Melodieinstrumenten und gleichmäßig stampfendes Schlagzeug. Schwerfällige metallische Rhythmen, von Ambosschlägen durchsetzt, bilden die Basis für schrille Interpretationen des Themas im Blech. Einen Großteil des Films beobachten die Zuschauer John Deakin während seiner kriminalistischen Unternehmungen im inneren des Zuges, sodass die Musik oftmals minutenlanges abwechselndes Kriechen und Verstecken des Protagonisten illustrieren oder nahende Bedrohung untertönig ankündigen muss. Hier setzt Goldsmith sein Orchester sehr kammermusikalisch ein, sodass oftmals nur wenige Instrumente zugleich spielen. Dabei greift Goldsmith häufig in die modernistische Trickkiste und bedient sich alternativer Spieltechniken der Streicher oder harscher anschwellender Akkorde der Bläser. Originellerweise setzt der Komponist beim Schlagzeug auffallend oft Schellenbäume ein, die meistens mit Schlittenglocken assoziiert werden und somit einerseits auf die verschneite Umgebung Bezug nehmen und zum anderen wie ein Nachhall der mächtigen hämmernden Stahlgeräusche des Zugs oder des Orchesterschlagwerks wirken. Doch auch wenn das Hauptthema in nahezu jedem Stück vertreten ist und ohne Frage als Grundlage für die meisten Passagen dient, komponierte Goldsmith auch ein musikalisches Motiv für Deakins Gegenspieler: Gouverneur Fairchild und dessen Verbündete. Dieses kurze aus vier aufsteigenden Noten bestehende Motiv für die Fagotte wird hauptsächlich von einer Arpeggiofigur aus elektronisch erzeugten Klängen gebildet und von Einwürfen der Föten und Blechbläser flankiert. Der anachronistische Einsatz der elektronischen Elemente wirkt dabei befremdlich und möchte weder in den rein akustisch konzipierten Rest der Musik passen noch sich wie die restliche Musik in die Bilder einfügen. In den beiden zentralen Actionsequenzen des Films (und der Musik) – der Zugentgleisung und dem Boxkampf auf dem Waggondach – geht Goldsmith mit gewohnter musikalischer Brutalität zu Werke. Harsch gestrichene einzelne Noten der tiefen Streicher markieren dabei den Takt während sich nach und nach einzelne wiederkehrende kurze Fragmente der Bläser erklingen und sich anschließend das Schlagzeug mit mehreren rhythmischen Schichten einsetzt, bevor die abgehängten Zugwaggons in Zeitlupe am Abhang zerschellen. Der Faustkampf ist ähnlich mit einer gleichförmigen rhythmischen Basis durch tiefe Streicher und Bläser unterlegt, über die sich anschließend einzelne Einwürfe des Hauptthemas in den Blechbläsern legen, die von hektischen Einwürfen der Holzbläser und dominanten Schlägen der kleinen Trommel durchsetzt werden. Die Musik zu „Breakheart Pass“ wurde zum Filmstart nicht veröffentlicht und erschien erst Jahrzehnte später als Bootleg, bevor Lalaland Records 2006 die vollständige Musik in Form einer limitierten Edition auf den Markt brachte, die zwei Jahre später ausverkauft war. Neben einem hervorragenden Begleittext von Jeff Bond besticht diese Veröffentlichung zusätzlich durch eine sehr klare Klangqualität. Dass besonders die Bläser etwas schrill klingen ist allerdings im Sinne des Erfinders. Die beiden äußerst kurzen Bonus-Stücke – eine Militärfanfare sowie eine kurze Gitarrenspur (wahrscheinlich aus Track 4) – sind allerdings völlig verzichtbar. Letzten Endes dürfte für alle, die mit „Breakheart Pass“ einen klassischen Goldsmith-Western-Score erwartet haben, enttäuscht worden sein, denn abseits des Hauptthemas besteht die Musik aus vielen langen, zwar raffiniert gestalteten, aber auf Dauer ermüdenden und anstrengenden Suspense-Passagen und auch die veralteten und unpassenden Synth-Effekte sind dem Hörgenuss streckenweise abträglich. Lalaland gelang mit dieser CD ohne Frage eine wichtige Veröffentlichung und Goldsmith schuf eine im Film sehr förderliche und wirkungsvolle Musik, auf CD allerdings ist „Breakheart Pass“ nur teilweise überzeugend.
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Ich kenne mich bei Rabin überhaupt nicht aus und enthalte mich da jeder bewertenden Äußerung. Dass Bruckheimer ja manchmal recht merkwürdige Ansichten zu Musik hat, dürften klar sein. Dass ein Regisseur von Goldsmith später lieber die Synths einsetzen wollte als die "richtige" Einspielung ist allerdings nicht vorgekommen
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"The Satan Bug", "In Harm's Way", "Planet of the Apes", "Illustrated Man", "Mephisto Waltz", "Winter Kill", Reincarnation of Peter Proud", "Take a Hard Ride", "Logan's Run", "Cassandra Crossing", "Coma", Capricorn One", "First Blood", "Psycho II", "Gremlins", "Legend"...ich merk's schon, es wäre einfacher, die Scores von Goldsmith aufzuzählen, in denen ich etwas an der Elektronik auszusetzen habe. Dass Elektronik in Filmmusik generell nichts zu suchen hat, habe ich so oder auch nur so in etwa nie geschrieben! David Arnold hat z.B. in "Casino Royale" hervorragend mit Synthesizern gearbeitet. Vangelis' Musiken oder Tykwers Musik für "Das Parfüm" entfaltet sden speziellen und charakteristischen Klang erst durch den Einsatz synthetischer Elemente. Ich setze vorraus, dass die Leser so eigenständig denken wie Lars und Du es tut. Natürlich schreibe ich diese Texte aus meiner Sicht, bemühe mich allerdings, Abstand zu nehmen und die Musiken an Hand nachvollziehbarer Elemente zu erläutern. Das funktioniert vielleicht nicht immer und dann freue ich mich über anregende Gespräche wie dieses hier. Wenn es nur meine Geschmack ohne jede Reflektion wäre, dann müsste ich ja auch "The 'Burbs" verdammen.Da habe ich doch erklärt, welche Punkte für einen Einsatz der Synthesizer sprechen auch wenn es mir unter uns lieber gewesen wäre, er hätte seine Themen orchestral realisiert und die Elektronik nur dann eingesetzt, wenn er es nicht mehr akustisch hätte machen können wie das gepitchte Hundebellen, das künstliche Meckern und die metallenen Effekte während des Vorspanns. An Lars: Gibt es denn Rabins Orchesteraufnahme auf CD? Wäre ja mal spannend, das zu vergleichen.
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Als Musiker ist es vielleicht genau das: Studiere ich wirklich vier oder mehr Jahre klassisches Schlagzeug, damit dann ein Komponist lieber Synth-Toms programmiert? Das hat (überspitzt gesagt) weniger mit Spaßtöterei zu tun als mit der Erniedrigung, dass ein Pauschalklang, der aus Nullen und Einsen besteht, einer feinmotorischen Leistung, die durch eigenes musikalisches Gespür, Empfinden und jahrelanger Übung bereichert wird, vorgezogen wird. Das geht mir nicht nur bei all den leidigen Drumloops so, sondern eben auch beim Klang einer Flöte oder eines Horns. "Ich will's halt so und damit hat sich's" ist weder eine ästhetische noch eine konzeptionelle Rechtfertigung. Wenn ich mit einem Werk an die Öffentlichkeit gehe und erwarte, dass Leute ihre wertvolle Lebenszeit damit aufwenden, sich mit meinem Werk auseinander zu setzen muss ich mich auch der Kritik aussetzen. Ansonsten kann ich all meine Sachen für die Schublade schreiben oder Musiker bezahlen, dass sie mir eine Aufnahme erstellen, die ich mir dann privat anhöre. Goldsmith feierte soviel Erfolge in seinem Leben, hatte eine Familie und ein gut gefülltes Konto. Wenn ich nun einige Forenseiten damit fülle, mich über seine elektronischen Fehltritte auszulassen, dürfte es ihn nicht sonderlich kratzen. Das hat auch weniger mit der Elektronik zu tun, sondern mit der Frage "Warum?" im Allgemeinen. Wenn jemand eine Fanfare komponiert und sie vom Cembalo und den Kontrabässen spielen lässt, obwohl er drei Trompeten im Orchester sitzen hat, dann frage ich mich auch: "Warum lässt er das nicht von den Trompeten spielen, wenn er eine klasische Fanfare haben will?" In diesem Fall: "Warum lässt er nicht die Flöte spielen, wenn er ihren Klang hören möchte?" Ich habe nie geschrieben, dass man so etwas nicht darf. Goldsmith darf es machen und macht es dementsprechend auch. Dass ich dann aber eine Frage dazu stelle oder meine Gedanken dazu zugänglich mache, ist ebenso wenig verkehrt.
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Ganz einfach: Um mich nicht durch eine Stunde Musik zu quälen, die mich weder emotional noch geistig bereichert. Diese Frage kann ich aber erst nach mehreren Hördurchgängen guten Gewissens beantworten, denn im Film geht manchmal zu viel von der Musik unter, andere Feinheiten hört man erst nach einigen Hördurchläufen heraus. Wenn ich diese erste Phase des Kennenlernens hinter mir habe und ich in meiner Freizeit vor dem CD-Regal stehe, treffe ich meine Entscheidung danach, welche Musik mir die zur Verfügung stehende Zeit wert ist. Es sei denn, ich habe gerade das Bedürfnis, eine bestimmte Musik aus welchen Gründen auch immer zu hören. Wenn ich schon den ganzen Nachmittag glaube, ich müsse endlich mal wieder "Don Quixote" von Richard Strauss hören oder brauche die wabernden Klänge von "Criminal Law" erübrigt sich die Frage, denn dann muss erstmal das jeweilige Bedürfnis befriedigt werden. (Eine Situation, die ich schon lange nicht mehr hatte, denn in letzter Zeit war immer fest eingeplant wann was gehört wird.)
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Mein letzter Absatz war auch ausschließlich auf das Gesamtwerk bezogen. Mir ist auch klar, dass es so wirkt, dass ich Elektronik im orchestralen Zusammenhang generell ablehne, doch der Eindruck täuscht - auch im Falle von Goldsmith. Das Problem ist nur, dass es da mehr zu kritisieren als zu loben gibt, denn nur zu oft ergeben die Synthsizer in Anbetracht von Goldsmiths eigener Aussage, er würde diese nur als eine Erweiterung des Orchesters ansehen, keinen Sinn oder aber das Konzept, dass er mit seinen Keyboards verfolgt, greift einfach nicht. Die anfänglichen Synthie-Spielereien wie die Ultravox-Effekte in "Satan Bug" oder "In Harm's Way" sind nunmal typischer Zeitgeist und tun niemandem weh. In den 70er Jahren beschäftigte sich Goldsmith weiter mit dieser Materie und entwickelte einige interessante Konzepte, die im musikalischen Zusammenhang ebenso aufgehen wie im Film. Dazu gehören die elektronischen Sequenzen in "Logan's Run", die stets als quasi-diegetische Musik fungieren (Geräusche des Zentralcomputers etc.) Auch die elektronische Sequenz in "Illustrated Man" geht konzeptionell sehr gut auf und bildet im Film eine interessante Klangkulisse. Das Problem bei derartigen rein elektronischen Kompositionen Goldsmiths ist allerdings, dass sie stets recht primitiv gestaltet sind. Sie erfüllen ihren Zweck im Film, sind aber als reines Hörerlebnis um einiges grobschlächtiger als seine instrumentalen Gegenstücke. Zu Zeiten von "Logan's Run" war mit Synthesizern bereits viel mehr möglich als das, was Goldsmith damit kreierte. In seinen späteren Musiken funktionierte die Elektronik besonders dann immer sehr gut, wenn sie für den Filmstoff spezifische Elemente in Klänge fasst wie die Walgesänge in "Leviathan". Viele elektronischen Einsprensgel halte ich in seinem Spätwerk allerdings für überflüssig. Andere wenige jedoch machen zum Teil auch den Reiz manchmer Musiken aus wie der Herzschlag in "Innerspace" oder das stete pochen in "Basic Instinct". Es gab auch spätere Musiken, in denen die Elektronik konzeptionell wichtig war. Hier fällt mir auf Anhieb "The 'Burbs" ein. Die Flöte für das Militärthema oder die Orgel für die Klopeks sind künstlich. Das lässt sich metaphorisch deuten, denn Mr Rumsfield ist kein echter General und die Klopeks augenscheinlich auch keine Horrorgestalten. Auch die restlichen elektronischen Klänge sind recht detailliert (wie im Vorspann) oder derart ausgefallen (Hundebellen, Ziegenmeckern), dass sie elementarer Bestandteil des Grundkonzeptes sind. Bei "Extreme Prejudice" war Goldsmith, der urprünglich eine Orchestermusik schreiben wollte, gezwungen, einen kleineren Synthiescore zu schreiben. Auch dagegen ist dann im Grunde nichts einzuwenden. Er hätte aber bedenken müssen, dass, wenn er sich nur einiger weniger Klangfarben bedient, seine Leitmotive unterschiedlicher entwerfen müsste. So ähneln sich mindestens zwei Motive zu sehr und es ist auch nicht besonders klug, ein Thema für den Protagonisten erst im letzten Viertel des Films einzuführen. Hier fehlt dann eine Identifikationsmöglichkeit. Es gibt allerdings auch Musiken, bei denen diese Konzepte nicht greifen wie z.B. "Under Fire". Die Synthesizer sollen die Journalisten musikalisch vertreten, die im Ensemble isoliert sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Assoziation bei einem Zuschauer/-hörer geweckt wurde, denn dieser Ansatz wird aus der Musik allein nicht deutlich. Die Synthsizer fügen sich nämlich ansonsten harmonisch, stilistisch und melodisch voll und ganz in die orchestrale Begleitung, sodass von Isolierung nicht die Rede sein kann, viel eher sogar von Symbiose. "Under Fire" klingt wie eine lateinamerikanische Musik für Orchester und Synthesizer, nicht aber wie künstliche maerikanische Elemente, die sich schwerlich in den akustischen folkloristischen Kontext einfügen können. Dann gibt es auch Konzepte, die nur im Filmzusammenhang Sinn ergeben wie das puslierende Geräusch für den Omegahedron, das immer zu hören ist, wenn man besagten Gegenstand auf der Leinwand sehen kann. Das funktioniert mit den Bildern wunderbar, auf CD ist es dann aber irritierend, wenn mitten in Goldsmiths Orchesterbombast plötzlich der Omegahedron für zwei Sekunden gegen das Tempo pulsiert und wie verstummt. Der zweite Aspekt, der mir bei Goldsmiths Verwendung von Synthesizern besonders im Spätwerk auffiel war die anscheinend grundlose Imitierung von Instrumenten, die er aber zur Verfügung hatte. Besonders deutlich wurde das bei z.B. "Lionheart". Auch bei vielen anderen Musiken ist diese Vorgehensweise fraglich. Warum kann man das Thema in "Matinee" nicht von einer echten Flöte spielen lassen? Warum muss es dieser Synthieklang sein? Weder konzeptionell noch Ästhetisch lässt sich das rechtfertigen und besonders im Spätwerk ist Goldsmith häufig von seinem früheren Ansatz abgewichen und hat Instrumente gesampelt, die er auch im Orchester sitzen hatte. Dass eine Karriere in Hollywood wahrscheinlich mehr Stress als Freude bereitet, dürfte klar sein, ebenso wie die mittlerweile schon fast katastrophalen Bedingungen für Komponisten. Ich bin Goldsmith unendlich dankbar für die all herrlichen Musiken die er uns beschert hat und es ist ja nicht so, dass ich nicht selbst gerne ein krachiges Spätwerk wie "Air Force One" einlege. Natürlich ist klar, dass es wahrscheinlich nicht eine Goldsmith-Musik gibt, die nicht im Filmzusammenhang gut funktioniert, aber ich stelle mir nunmal die Frage: "Warum sollte ich das auch jenseits des Films hören." und da muss ich ehrlich sagen habe ich für "Rent-a-cop", "Not without my daughter", "Warlock" oder "U.S. Marshals" einfach noch keine Antwort gefunden.
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Jonas, Du hast vollkommen recht. Da habe ich im Eifer des Gefechts zwei Begriffe durcheinander geschmissen. In der Tat liegt es nicht an der Instrumentierung, denn mit den vollen Orchesterbesetzungen, die Goldsmith zur Verfügung standen, hätte er allerhand anstellen können. Es ist vielmehr der Satz, der zwar im Film unter lauten Kampfgeräuschen oder Dialogen die musikalischen Absichten gut transportieren kann, außerhalb des Films allerdings sehr blass und schablonenhaft wirkt. Das ist insofern besonders schade, weil Goldsmith und seine Orchestratoren es schließlich besser konnten. "Poltergeist", "Legende", "Night Crossing" oder "King Solomon's Mines" beweisen das. Natürlich gibt es bei den beiden oben genannten Musiken auch Stücke, die über das lieblose Arrangement hinaus gehen. Hierzu würde ich bei "First Knight" allerdings eher die Passagen mit Lancelots Thema nennen. Auf die Höhlenmusiken im "13ten Krieger" habe ich aber auch in den Texten hingewiesen "Für die Szenen in der Höhle der Bärenmenschen komponierte Goldsmith einige sehr stimmungsvolle und atmosphärisch dichte Suspensemusiken, in denen er sich seiner avantgardistischen Ursprünge erinnern konnte." Ich glaube, wir sind uns außerdem einig, dass es einen Unterschied zwischen detaillierter Orchestrierung und derartigem Mummenschanz sind. Jon Williams' delikaten Partituren würde ich so etwas niemals vorwerfen, im Falle von Debney oder Howard schon eher. Dennoch muss ich ehrlich zugeben, dass eine überbordene Musik wie "Cutthroat Island" mir generell mehr Spaß bereitet als der durchsichtige Satz des späten Goldsmith' (eine Frage, die oben schon in Bezug auf "U.S. Marshals" diskutiert wurde). Virtuosität und Schauwerte sind in der Kunst meistens verpöhnt - ebenso in der Musik. "Subtil" ist ein Synonym für Qualität geworden, Übertreibung wird oftmals mit klischeehaft oder platt gleich gesetzt (nicht falsch verstehen Jonas, Dich meine ich damit nicht!) In der Hinsicht gibt es allerdings einen sehr schönen Satz (war er vielleicht sogar von Rubinstein?): "Versuchen sie erstmal, eine B-Dur Tonleiter in rasantem Tempo oktaviert mit beiden Händen auf dem Klavier zu spielen." Tatsächlich ist das nicht einfach und auch zum Virtuosentum gehört eine Menge Können, Handwerk, Geschick und Arbeit. Ich gestehe offen, dass mir eine mit allerlei Klangfarben aufgehübschte mittelmäßige Partitur mir mehr Hörgenuss bereitet als eine dröge und ökonomisch gesetzte Musik (wenn wir jetzt einmal Debney-Bombast mit "U.S. Marshals" vergleichen wollen). Umso fragwürdiger sind meines Erachtens nach Goldsmiths Schablonenparituren der 90er Jahre. Insbesondere "First Knight" möchte offensichtlich eine verkappter, bombastischer Golden-Age-Score sein (genau wie der Film ein monumentaler Ritterfilm sein will). Das funktioniert aber nicht, denn zum Bombast gehört nunmal auch eine ausladende Orchestrierung. Dass Goldsmith solche Dinge ideellerweise ablehnt, widerlegen Partituren wie "Lionheart", "Night Crossing", "Legend" oder auch die von Dir genannte "Mumie". Es bleiben also heroische und noble Melodien in skelletiertem Klanggewand. Der Effekt des ausladenden Ritter-Scores stellt sich also nur bedingt ein und Goldsmith hat sein Zeil zumindest teilweise verfehlt. Beim "13ten Krieger" verhält sich das ein bisschen anders, denn hier war es die Absicht des Komponisten, eine archaische Musik zu schreiben. Das beweisen die polyphonen Passagen für die zivilisiertere arabische Welt. Was mit dem Hauptthema, das eigentlich nur mit Schlagwerk, Chorvokalisen und Streicherakkorden begleitet wird, hervorragend funktioniert, lässt in den Actionpassagen schnell den Biss vermissen, den diese Kämpfe gebraucht hätten. Hier habe ich insbesondere die Holzbläser sehr vermisst. Nichts desto trotz verfügt natürlich besonders der "Fire Dragon" über rasante und packende Takte. Zu "Basic Instinct" haben wir dieselbe Meinung wie auch zu "The Edge", "Mulan", "First Contact" und "The Ghost and the Darkness". Ich habe mich bekanntermaßen durch einen Großteil von Goldsmiths Schaffen gehört (jede besprochene Musik mindestens viermal vor Filmsichtung - weitere Texte folgen) und muss sagen, dass sich bei dieser intensiven Beschäftigung sehr deutlich die Spreu vom Weizen trennt. Nach "Legend" hat Goldsmith schlichtweg nicht eine einzige Musik geschrieben, die an das hohe Niveau seiner besten Jahre heranreicht- im Gegenteil. Danach ging es rapide abwärts. Insbesondere die Synthsizer haben Goldsmiths Kreativität zu einem großen Teil verdrängt, weil er seine interessanten Klangkomposition nur noch per Tastendruck realisierte und sich das Ergebnis billig, veraltet und unoriginell anhört. "Poltergeist 2" kann dem ersten Teil kaum das Wasser reichen. "Executive Decision" versinkt trotz der zahlreichen Leitmotive im immergleichen Yamaha-Klangsumpf und auch "Hoosiers" ist zugekleistert mit überflüssigen Synths. In den 90er hat er sich zwar einigermaßen gefangen, aber abgesehen von dem wirklich brillanten "Basic Instinct" gab es kaum einen wirklich innovativen oder originellen Score. Wenn ich die wirklich wichtigen und besten Musiken dieses Komponisten auflisten müsste, dann würde es kaum eine in die Aufzählung schaffen, die nach 1985 komponiert wurde.
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The Ballad of Cable Hogue - Abgerechnet wird zum Schluss Der Goldsucher Cable Hogue wird von seinen beiden Kameraden Taggert und Bowen in der Wüste zurück gelassen, weil die Wasservorräte nur noch für zwei reichen. Hogue irrt vier Tage durch die Wüste und bricht schließlich zusammen. Kurz bevor er das Bewusstsein verliert fällt ihm auf, dass seine Stiefelspitzen nass sind und mit letzter Kraft fängt er an zu graben. Tatsächlich ist er in der vollkommenen Einöde auf ein Wasser gestoßen. In den folgenden Tagen erholt sich Cable Hogue und richtet sich ein kleines Wasserloch ein, dass dieses direkt an der einzigen Postkutschenstrecke in der Umgebung liegt. Sein erster Kunde ist der Wanderprediger Rev. Joshua Duncan Sloane, der ihm rät, sich das Gebiet abstecken zu lassen. Sofort macht sich Hogue auf in die nächste Stadt, um von seinem letzten Geld das Land mit dem Wasserloch zu erwerben. In der Stadt angekommen, läuft ihm die Prostituierte Hildy über den Weg, in die er sich sofort verliebt. Nachdem er sich von seinen letzten Münzen 2100 Quadratmeter Land kaufen konnte, nimmt er bei der Bank einen Kredit über 100 Dollar auf und begibt sich anschließend zu Hildy im Saloon. Doch als er sich darüber im Klaren wird, dass er sein wertvolles Land, das er nicht abgesteckt hat, schon lange allein ließ, bricht er den Besuch bei der Prostituierten ab, die darüber nicht sehr erfreut ist. Wieder bei seinem Wasserloch angekommen, beginnt Cable Hogue mit Sloane, eine Postkutschenstation aufzubauen. Eines Abends kommen die beiden wieder in die Stadt und Hogue stattet Hildy erneut einen Besuch ab, der zu beider Zufriedenheit verläuft. Sloane bekommt stattdessen Ärger mit dem Ehemann einer Frau, die er über ihren Verlust ihres Bruders "hinweg tröstete" und muss fliehen. Wenig später wird auch Hildy aus der Stadt vertrieben und sucht "Cable Springs" auf. Obwohl sie nach San Francisco gehen will, bleibt sie drei Wochen dort und zwischen Cable und ihr entwickelt sich eine zärtliche Romanze, bis Hildy schließlich ihren Plan in die Tat umsetzt und nach San Francisco geht. Cable Hogue bleibt alleine zurück und sinnt noch immer auf Rache für das, was seine einstigen Kameraden ihm antaten. Sein Verlangen nach Vergeltung scheint befriedigt, als Bowen und Taggert eines Tages tatsächlich in einer der Postkutschen sitzen, die bei "Cable Springs" hält... Die Figur des Verlierers im Wandel der Epochen und der Untergang des Wilden Westens, der der Zivilisation weicht, gehört zu den zentralen Themen der Filme Sam Peckinpahs. In "Ride the High Country" versuchen zwei alternde Banditen noch einmal ihr Glück, "Pat Garret jagt Billy the Kid" ist eine tragische Geschichte um zwei einstige Freunde, die sich bekämpfen müssen und "Junior Bonner" handelt von einem alternden Rodeoreiter und dessen zerrütteter Familie. Nachdem Peckinpah das Publikum sowie die Kritiker mit "The Wild Bunch", der dasselbe Thema behandelt, mit äußerst blutigen Gewaltdarstellungen schockierte aber auch begeisterte, entpuppt sich "The Ballad of Cable Hogue" als das genaue Gegenteil. Der Regisseur bezeichnete diesen Film oft als seinen persönlichen Lieblingsfilm und behauptete, das sei das einzige Projekt gewesen, das er sich jemals selbst ausgesucht hätte. Das Studio erhoffte sich mit "The Ballad of Cable Hogue" einen leichten kleinen Erfolg. In dem Wind von "The Wild Bunch" sollte dieser Film leich zu vermarkten und mit geringem Aufwand umzusetzen sein, doch die Produktion entpuppte sich als schwierig. Neben Peckinpahs Temperament und seiner zunehmenden Alkoholabhängigkeit verhinderten außerdem starke Regenfälle wochenlang die Dreharbeiten. Nachdem der Film schließlich abgedreht war, fand er bei dem Publikum kaum Beachtung, denn nach "The Wild Bunch" war man nicht auf einen derartigen Film desselben Regisseurs vorbereitet. Statt ausladender ästehtischer Zeitlupentode und spritzendem Blut wartet "The Ballad of Cable Hogue" nicht nur mit sehr viel erzählerischer Ruhe auf, sondern verfügt außerdem über eine ungewohnte Portion Humor, sucht Lösungen und keine Konfrontation. Aus Hass wird Liebe, aus Rache Vergebung. "The Ballad of Cable Hogue" ist außerdem mit vielen Religiösen Elementen versehen. Alleine schon der Name des Protagonisten - eine Summe aus "Cain" und "Able" - soll den starken menschlichen Aspekt betonen. Cable Hogue ist ein einfacher Mensch, nicht besonders gut, aber auch nicht bösartig. Er schafft sich selbst in der Wüste ein kleines Paradies, in dem zumindest zeitweise eine Eva weilt und auch Schlangen gibt es öfters zu sehen. Reverend Sloane steht nicht nur für den irdischen Aspekt, er ist auch zuggleich der größte Heuchler und nutzt seinen Stand für seine Vorteile aus, sei es, um sich Wasser zu erschleichen oder Frauen für sich zu gewinnen. Für "The Ballad of Cable Hogue" wählte Sam Peckinpah äußerst treffende Darsteller. Es gibt kaum einen anderen Darsteller, der den Protagonisten hätte so verkörpern können wie Jason Robards, der den einfachen, aber im Kern rechtschaffenden und leicht naiven Cable Hogue meisterhaft spielt. Wie später Warren Oates erkannte auch Robards, dass mit der Hauptfigur Peckinpah selbst gemeint war und setzt das vortrefflich um. David Warner ist die ideale Besetzung von Reverend Sloane. Grundlegend nicht unsympathisch schafft er es, die Balance zwischen schleicherischem Heuchlertum und aufrichtiger Freundschaft zu wahren. Stella Stevens liefert in der Rolle der Hildy wahrscheinlich eine ihrer besten Darstellungen ihrer Karriere ab. Sie selbst sagte einmal, dass sie stets versuchte, zu erkennen, warum sie Hildy in Cable Hogue verliebt hätte. Sie spielt die liebenswerte Prostituierte, die eine Lady werden will und stets versucht, nach den Sternen zu greifen, obwohl das Glück vor ihr liegt, absolut treffend. Insgesamt ist "The Ballad of Cable Hogue" ein mehr als sehenswerter Film, der Peckinpahs melancholische Seite vollkommen widerspiegelt und mit den grandiosen Darstellern wahrhaftig zu den besten Filmen dieses Ausnahmeregisseurs gehört. Durch die Verzögerungen der Dreharbeiten und Peckinpahs sich stets verschlechtertem Gesundheitszustand wurden Spekulationen angeheizt, ob „The Ballad of Cable Hogue“ überhaupt noch fertig zu stellen sei, worauf hin Peckinpah ein Foto mit seinem Stab machen lies, auf dem er auf einer Bare liegend zu sehen ist während ihm mehrere Leute der Drehmannschaft Flaschen mit intravenösen Schläuchen bereit halten. Doch so amüsant diese Anekdote auch ist, so sehr verbirgt sich hinter ihr eine bittere Wahrheit, denn Peckinpahs Verhältnis zum Alkohol war längst außer Kontrolle geraten. So besuchte der launige Regisseur häufig eine Bar in der Nähe des Drehorts für „Cable Springs“, deren Rechnung zum Drehschuss angeblich über 70 000 Dollar betrug. Peckinpahs häufige Barbesuche hatten allerdings eine positive Auswirkung, denn in einer Kneipe spielte der Sänger und Liedermacher Richard Gillis, der sich selbst auf der Gitarre begleitete. Der Stil, die Texte und die Musik Gillis’ gefielen dem Regisseur so gut, dass er den Sänger sofort für das Projekt engagierte, doch diese Entscheidung barg einige Komplikationen. Schließlich war Gillis ein vollständiger Amateur, was Filmmusik betrifft und er schien offensichtlich der Aufgabe, neben seinen eigenen Liedern auch weitere musikalische Untermalung zu komponieren, hoffnungslos überfordert, sodass das Studio gezwungen war, einen Filmmusikkomponisten zu engagieren, der Gillis unter die Arme greifen konnte. Produzent Phil Feldman schlug Jerry Goldsmith vor und Peckinpah stimmte zu, doch durch die Verzögerung der Dreharbeiten geriet Goldsmiths Verpflichtung in Konflikt mit anderen Projekten, sodass Feldman sich erst an John Williams und schließlich an Dave Grusin wandte. Letzten Endes wurde Jerry Goldsmith wieder frei, sodass nun die musikalische Arbeit mit Gillis beginnen konnte. Für den Film hatten Peckinpah und Gillis bereits zwei Lieder ausgesucht: „Butterfly Mornin’“ und „Wait for me, Sunrise“. Während ersteres für Hildy steht ist das zweite Joshua Sloane zugeordnet. Was also fehlte, war ein drittes Lied, das für Cable Hogue stehen und somit auch als Titelmelodie fungieren konnte. Goldsmith schrieb eine Gillis’ Stil entsprechende Melodie, für die der Sänger den Text „Twomorrow ist he Song I Sing“ beisteuerte und beide Musiker trafen mit ihrem jeweiligen Anteil genau den Kern der Sache. Goldsmith knüpft mit seiner Komponisition deutlich an die ein Jahr zuvor entstandene Western-Musik zu „Wild Rovers“ an, in der er sich größtenteils klar von der großorchestralen Americana abwendet und einen deutlich folkloristischen und kleiner gehaltenen Vertonungsansatz wählte. Dabei kopierte er zu keiner Zeit die traditionelle Volksmusik Amerikas, sondern wob verschiedene derartige Elemente in seinen modernistisch angehauchten kammermusikalischen Satz ein. In „The Ballad of Cable Hogue“ geht der Komponist allerdings einen Schritt weiter. Der zurückhaltende und intime Charakter des Films, gepaart mit einigen ironischen und humorvollen Einlagen gaben Goldsmith zusammen mit Gillis’ Beiträgen die Möglichkeit, eine deutlich am Bluegrass orientierte Filmmusik zu schreiben, die eine ungeahnte Symbiose mit des bodenständigen und folkloristischen Liedern des Sängers eingehen. Dazu stand dem Komponisten ein kleineres Orchester zur Verfügung, dass dieser allerdings sehr sparsam nutzte und stattdessen vermehrt auf folkloristische Instrumente wie Gitarre, Banjo, Mundharmonika, Akkordeon und elektronisch verzerrtes Klaviers zurückgriff. Zu den Höhepunkten der Musik zählt ohne Frage die Musik zu Cables Flucht aus der Stadt, die mit ihren Zeitraffern und der komödiantischen Überzogenheit eine ironische Vertonung verlangt. Goldsmith schrieb für diese Szene eine fulminante Musik, die mit dem treibenden Spiel des Banjos, den groben Quinten der Fidel und dem elektronisch verzerrtem Klavier an ähnliche Passagen aus „The Flim-Flam Man“ oder teilweise an „Wild Rovers“ anknüpft. Auch der klischeehafte und altbacken wirkende Harmonium-Chroal für die Seelsorge Sloanes spiegelt treffend dessen heuchlerische Seite wider. Doch neben diesen teilweise überzogenen und ironischen Passagen schrieb Goldsmith viele kleinere Stücke, die in ihrer zarten musikalischen Natur perfekt auf den ruhigen Film abgestimmt sind. Oft greift der Komponist dabei auf die Melodien Gillis’ zurück, die, sanft von der Harfe umschmeichelt, in den Violinen oder Holzbläsern erklingen oder vom Banjo gezupft werden. Während „Wait for Me, Sunrise“ durchweg nur von Gillis selbst auf der Gitarre begleitet wird, ist die Begleitung von „Twomorrow Is The Song I Sing“ weitaus orchestraler, wobei auch hier der Schwerpunkt auf folkloristischen Elementen wie Gitarrenbegleitung, gezupftem Bass oder Banjo liegen und die Streicher mit den Bläsern größtenteils für rhythmische Akzente verantwortlich sind. Dass Goldsmith zu der Melodie einen hervorragenden melodischen Kontrapunkt schrieb, ist allerdings fast Vorraussetzung für ein Werk des Komponisten aus dieser Zeit. „Butterfly Mornin’“ wird nur einmal im Film gesungen und zwar von den Hauptdarstellern Jason Robards und Stella Stevens. Gillis nahm hierfür die Gitarrenbegleitung im Studio auf und die beiden Schauspieler sangen separat dazu. Diese Aufnahmen wurden dann auch am Set verwendet, wo Robards und Stevens den Text mit ihren Lippen synchronisierten. Zur Zeit des Filmstarts erfuhr „The Ballad of Cable Hogue“ keine Veröffentlichung in Form eines LP-Albums, was auch damit zusammen hängt, dass die Rechte für Gillis’ Liedern nicht beim Studio lagen. Erst 2002 veröffentlichte der Varèse-Club die Musik auf CD, die mittlerweile allerdings längst ausverkauft ist. Ausgestattet mit einem sehr informativen Begleittext von Nic Redman besticht das Album auch durch eine äußerst frische und klare Klangqualität. Leider konnte die Tonspur von „Butterfl Mornin’s“ mit dem Gesang von Robards und Stevens nicht mehr aufgefunden werden, sodass auf die Filmspur zurück gegriffen werden musste, die einige – allerdings nicht allzu sehr störende – Geräusche enthält. Allerdings wird es (wie so oft beim CD Club) stets ein Geheimnis von Redman und Townson bleiben, warum nicht die vollständige Musik auf der CD enthalten ist, die mit 37 Minuten Laufzeit zusätzlich sehr kurz geraten ist. So fehlt unter Anderem die Musik zu Hildys erstem Eintreffen auf „Cable Springs“, das Goldsmith mit einer sehr vergnügten Variation des Hauptthemas unterlegte und weitere kleine Passagen. Stattdessen wurden einige weniger interessante Stücke mit auf die CD gepresst wie eine kurze Fortführung des Harmonium-Chorals, die wenig musikalischen Nährwert enthält. Eine lobenswerte Veröffentlichung allgemein ist diese CD allerdings vom Albumschnitt verbesserungswürdig und daher bleibt zu hoffen, dass sich ein Label schnell einer Wiederveröffentlichung annimmt und dieses Mal vielleicht auch die vollständige Musik zugänglich macht. „The Ballad of Cable Hogue“ ist ein äußerst erfrischendes und originelles Werk in Goldsmiths Schaffen, das hier eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen zwei Musikern unterschiedlichster Natur hervorbrachte.
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Bei Goldsmith funktionieren die elektronischen Zusätze leider nur in den wenigsten Fällen, ob aus den MV-Studios oder von seinem John oder James Newton-Howard eingerichtet. Insbesondere in den 90er Jahren waren viel elektronische Klangfarben einfach nur verzichtbar. Insbesondere die ewig pochenden und zischelnden Effekte in seinen Actionscores oder diese Glockensynthies in seinen Dramenmusiken. Wie unnötig diese ganzen elektronischen Spielereien, die leider vielz u oft viel zu zu viel Raum einnehmen, sind, zeigt sich bei den Partituren, in denen er ohne elektronische Zusätze auskommt wie "The Edge".
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Eure Errungenschaften im Januar 2013
Mephisto antwortete auf Soundtrack Composers Thema in Filmmusik Diskussion
Offensichtlich nicht. Aber das sage ich weniger mit Hochnäsigkeit als mit Neid, denn was würde ich dafür geben, wenn ich "Planet der Affen", "Logan's Run", "Illustrated Man", "Wild Rovers", "Coma", "Chinatown", "Star Trek", "Poltergeist", "Legend", "Papillon", "The Omen", "Final Conflict", "Flim-Flam-Man", "Travelling Executioner", "The Stripper", "Night Crossing", "Patton", "Tora! Tora! Tora!", "Mephisto Waltz", "Great Train Robbery", "Star Trek V" und all die anderen Perlen noch einmal von Anfang an entdecken könnte... -
Kann der was? Der Soundtrack-Kurzbewertungs-Thread
Mephisto antwortete auf Souchaks Thema in Filmmusik Diskussion
Wenn man "Basic Instinct" mag, aber nicht immer dieselbe CD hören will, kann man ohne Frage zugreifen. "The Vanishing" schwimmt sehr stark im "Basic Instinct"-Fahrwasser, weshalb Goldsmith auch gegen eine Veröffentlichung war mit dem Argument, es gäbe schon zu viel Musik dieser Art von ihm auf Tonträger Den epischen Text reiche ich nochmal nach Spurlos (The Vanishing) Das junge Paar Jeff Harriman und Diane Shaver machen einen Ausflug und halten an einer Raststätte, in der Diane auf Toilette gehen und Getränke holen möchte, doch Jeff wartet vergeblich auf ihre Rückkehr, denn Diane ist spurlos verschwunden. Als er noch in der tiefen Nacht an der Raststätte sitzt und die Polizei verständigt hat, erweist sich diese allerings als wenig hilfreich. Jeff stürzt in eine tiefe Lebenskrise und ist bessesen von dem Gedanken, Diane wieder zu finden, investiert all sein Geld in die Suche und verliert sogar seine Arbeit, doch unermüdlich verteilt er Flugblätter und hängt Plakate auf. Nach zwei Jahren lernt der ausgebrannte und übermüdete Jeff in einer Kneipe die Kellnerin Rita Baker kennen, mit der er eine Beziehung beginnt. Doch Rita merkt schnell, dass Jeff sich noch immer nicht von Diane losgesagt hat, worunter die Beziehung mehr und mehr zu leiden beginnt. Als sie erfährt, dass Jeff immer noch nicht von der Suche ablässt und sie sogar belogen hat, verlässt Rita Jeff. Doch der Verlassene hat wenig Zeit, sein Leben wieder zu ordnen, denn nun meldet sich Dianes Entführer wieder, der Jeff aufgespürt hat und dem am Boden zerstörten ein fatales Angebot macht: Um zu erfahren, was mit Diane passiert ist, muss Jeff alles erleben, was auch seine Freundin durchmachen musste. Da er nichts mehr zu verlieren hat, schlägt Jeff ein... Nachdem der holländische Regisseur Georg Sluizer den Roman "Das goldene Ei" des Landmannes Tim Krabbé erfolgreich verfilmt hatte, drehte er 1993, also fünf Jahre später, eine Neuverfilmung für das amerikanische Publikum mit Kiefer Sutherland, Jeff Bridges, Nancy Travis und einer jungen Sandra Bullock. Während das Original sehr dicht und spannend inszeniert ist, erhielt die amerikanische Version fast ausschließlich negative Kritiken. Die Neuverfilmung sei spannungsarm, langweilig und leide unter dem aufgestülpten glücklichen Ende. Zugegebenermaßen ist die Nervefilmung nicht so schlecht wie ihr Ruf und bietet zwar einen sehr langsam aber immerhin kontinuierlich steigenden Spannungsbogen, der in ein drastisches Ende mündet. Fast hat man das Gefühl, der Film hätte seine gesamte Energie in die letzten brutalen 15 Minuten aufgespart. Während es Sluizer gelingt, die beiden weiblichen Protagonistinnen glaubwürdig einzufangen versagt er allerdings bei der Zeichnung der männlichen Figuren. Sandra Bullocks Diane Shaver ist eine liebenswerte und hübsche junge Frau und der Zuschauer kann gut nachvollziehen, warum Jeff so besessen ´von dem Gedanken ist, sie wieder zu finden. Doch besonders seine neue Freundin, die am Anfang als etwas naives Mädchen eingeführt wird, die in ihrer Verzweiflung sogar unsymphatische Dinge macht wie Passwörter ds Freundes knacken oder sich als Diane Shaver verkleiden, um die Beziehung zu retten, entpuppt sich gegen Ende als geistesgegenwärtige kluge Frau und ist so vielleicht die interessanteste Figur des Films. Jeff Harriman vermag jedoch nur in der ersten Filmhälfte zu überzeugen. Seine Liebe zu Diane ist tief und glaubwürdig, seine Obsession begründet. Auch der Wandel, dass er seine Freundin anfangs sucht und gegen Ende nur noch gegen die Ungewissheit ankämpft, scheint nachvollziehbar, aber würde man sich deshalb wirklich in die Hände eines gefährlichen Irren begeben, Betäubungsmittel schlucken und sich in sein Auto setzen? Über das Motiv des durchgedrehten Barney Cousins, dass er die Liebe seiner kleinen Tochter nur verdiene, wenn er auch etwas Böses getan habe, spare ich mir weitere Worte... Zur Musik: Die 90er Jahre waren die Thrillerzeit für Jerry Goldsmith. Feierte er mit "Basic Instinct" doch wieder einen großen Erfolg nach einer längeren krativen Durststrecke, scheint er auch mit seiner Musik zu "Spurlos" an das gleiche Konzept anknüpfen zu wollen. Es ist interessant, dass der Komponist, der immerhin 54 Minuten seines langweiligen Scores zu "Warlock" freigab, stets verhinderte, dass "The Vanishing" veröffentlicht wurde mit dem Argument, es gäbe schon zu viel derartige Musik auf Tonträger. Ob das so ist, lässt sich spätestens seit der kurz nach seinem Tod veröffentlichten Varèse-Club-CD mit der kompletten Musik zum Film prüfen. Und tatsächlich fallen einem die Parallelen zu "Basic Instinct" schon in den ersten Minuten der Vorspannmusik auf: die zischelnden elektronischen Einsprengsel, das charmant-schleichende Thema in den Holzbläsern, die zurückhaltende Untermalung der gezupften Streicher, all das hat viel von "Basic Instcinct", doch leider nicht die Dichte der Atmosphäre und die packende Stimmung. Auch die weiteren gut 60 Minuten Musik entpuppen sich als gekonnte und handwerklich gut gearbeitete, aber typische Goldsmith-Thrillermusik mit einigen typischen 90er-Merkmalen. So schrieb der Altmeister für das junge Paar eine lieblich Melodie für Solo-Flöte und für die Spannungspassagen ein 3/4-Ostinato, das mit ein bisschen zu viel Synthieschlagwerk unterlegt ist. In vielen Momenten zieht sich die Musik abwechslungsarm dahin, doch immer dreht Goldsmith in den letzten 15 Minuten voll auf. Hier donnert das Schlagwerk, lärmt das präparierte Klavier und brüllen die Blechbläser. Eine schonungslose und spannungsgeladene Partitur, die einen für die souverän aber leicht uninspiriert gelösten vorherigen 45 Minuten entschädigen. Das Jazz-Arrangement des Themas für den Abspann ist zwar eine nette Dreingabe, wirkt aber etwas fehl am Platz und bildet einen zu heftigen stilistischen Bruch. Insgesamt schrieb Goldsmith mit "The Vanishing" eine filmunterstützende aber routinierte Musik, die wie der Film auch erst in der letzten Viertelstunde voll aufdreht. Goldsmith hatte vielleicht recht, dass es "zu viel" Thrillermusik aus dieser Zeit gibt, aber bevor man "The Vanishing" zurück hält, hätte man vielleicht eher "Malice" nicht veröffentlichen sollen. Nichtsdesto trotz gibt es aus dieser Periode aber auch einige interessantere und unterhaltsamere Partituren als "The Vanishing", der somit eine weitere Lücke in der Sammlung schließt - auch im Thrillergenre. -
Business/Industrie Varèse Sarabande von Cutting Edge Group gekauft
Mephisto antwortete auf Marcus Stöhrs Thema in Scores & Veröffentlichungen
Naja, die neuen Rücken haben ja auf den der Club-CDs reagiert. Ich fände es auch schade, wenn die Club-CDs jetzt andere Rücken hätten (Du hättest da noch die "Matrix"-Delixe-Edition zulegen müssen, wegen des grünen Oberteils). -
Ich muss sagen, nachdem ich mitte 2012 das Kino größtenteils aufgegeben habe, kehrt langsam wieder Hoffnung in meine gepeinigte Seele zurück. Ich freue mich sogar wieder auf amerikanische Produktionen wie "Jack Reacher", war aber auch von solchen Projekten wie "Ludwig II" (zwar noch knapp 2012) überrascht, den ich mir letztes Wochenende ansah. Es war wohltuend, einen Kostümschinken aus deutschen Landen zu sehen, der ein bisschen an die alten "Sissi"-Filme anknüpft. Der Protagonist wird übermäßig idealisiert, die Hälfte des Films ist reine Wagner-Propaganda und natürlich gibt's noch den homoerotischen Subtext, aber insgesamt war es ein wohltuender Schritt zum handwerklich ordentlich gemachten groß angelegten Unterhaltungsfilm, der natürlich auch davon profitiert, an den Originalschauplätzen gedreht worden zu sein. Auch den "deutschen" Anteil an "Cloud Atlas" fand ich sogar gelungener als den der Wachowski-Geschwister. Nur musikalisch herrscht in Deutschland wie auch sonst im Kino weiterhin ein lang anhaltender kreativer Tiefpunkt.
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Bad Girls Cody Zamora leitet in einer kleinen Grenzstadt in Texas ein Bordell. Hier arbeiten Lilly Laronette, die Tochter eines Kunstreiters, Eileen Spenser, eine Rancherstochter, die von sich behauptet, sie wäre eine Lady aus den Südstaaten und Anita Crown, die als Siedlerin ihren Mann verlor und sich von keinem ihrer Freier küssen lässt. Dies wird ihr eines Tages zum Verhängnis, als ein Freier sie deswegen zu verprügeln versucht. Cody schreitet ein und erschießt den Kunden in Notwehr, worauf die von einem Wanderprediger aufgehetzten Bürger der Stadt die Bordellbesitzerin lynchen wollen. Lilly, Eileen und Anita können ihr in letzter Sekunde zu Hilfe eilen und fliehen. Da Anita von ihrem Mann einen Besitzschein für ein Stück Land und die vier Frauen beschließen, einen Neuanfang zu wagen und mit einer Sägemühle Bauholz für die in das Land strömenden Siedler zu verkaufen. Das Startkapital sollen Codys Ersparnisse von den Bordell-Einnahmen sein und die vier begeben sich in die nächste Stadt, um das Geld abzuheben. Allerdings wird die Bank gerade zu dieser Stunde von dem Banditen Kid Jarret überfallen, der auch Codys zwölftausend Dollar raubt. Sie und Jarret waren früher einmal ein Paar und der Bandit hofft, sich auf diese Art und Weise an seiner ehemaligen Freundin dafür rächen zu können, dass sie ihn verließ. Tatsächlich macht sich Cody auf, um das Geld von ihm zurück zu holen, doch sie wird schlimm von ihm geprügelt und in der Wildnis ausgesetzt. Der mysteriöse Fremde Josh McCoy, der eine offene Rechnung mit Kid Jarrets Vater zu begleichen hat, hilft der Erschöpften und bringt sie zu einer chinesischen Kräuterfrau. Jarret verriet Cody bevor er sie verprügelte von seinem Plan, einen Armeetransport zu überfallen und ein modernes Maschinengewehr für Juarez zu erbeuten. Die vier Frauen beschließen mit McCoy, dem Banditen beim Überfall eine Falle zu stellen und tatsächlich können sie die Banditen in die Flucht schlagen und Jarrets Vater entführen, doch bevor er flieht, kann Kid Jarret Lily und seine Gewalt bringen. Als McCoy dessen Vater im Zorn erschießt, fällt ein Geiselaustausch flach und die Situation für die entführte Lily scheint ausweglos… In den 80er Jahren waren klassiche Hollywood-Stoffe wie der Sandalen-, Ritter- oder Abenteuerfilm genauso von der Leinwand verschwunden wie der Western, bis nach und nach zumindest der Piratenfilm (mit „Cutthroat Island“) und besonders der Western durch neue Ansätze in den 90ern wieder zum Leben erweckt wurden. Neben dem Versuch, den Wilden Westen möglichst genau einzufangen, wie in „Der mit dem Wolf tanzt“, waren im Zuge der Gleichberechtigung auch mehr weibliche Protagonistinnen in klassischen Männerrollen – wie Gena Davis’ Piratenkönigin – zu sehen. „Bad Girls“ wartet dabei gleich mit vier starken Heldinnen auf, von der jede einen bestimmten Typ bedient. Ursprünglich noch viel drastischer angelegt, wurde das Drehbuch etwas entschärft und die feministischen Aspekte reduziert. Somit entstand ein recht unterhaltsamer solider B-Streifen, der zwar viele Western-Klischees wie Bank- und Zugüberfälle sowie Duelle bedient, insgesamt aber etwas bemüht und streckenweise verkrampft herüber kommt. Besonders die Dialoge wirken wie ein Sammelsurium aus den klischeehaftesten Sprüchen, die man nur in einem Western hören kann. Bei den Hauptdarstellerinnen ist für jeden etwas dabei: Madeleine Stowe spielt die herbe Bordell-Besitzerin Cody, Andie MacDowell die elegante und liebenswerte Eileen, Mary Stuart Masterson überzeugt als anständige und bodenständige Anita und Drew Barrymoore als Lily dürfte wahrscheinlich einer der wenigen wirkungsvollen Publikumsmagneten gewesen sein. James Russo scheint seine Rolle des Kid Jarrett deutlich Spaß zu machen, James LeGros als treuer Farmer William und Dermont Mulroney als Josh McCoy stehen den Damen im Kampf gegen das Böse bei. Zu den herausragenden Aspekten des Films zählt die eindrucksvolle Fotografie von Kameramann Ralf D. Bode, der dem Film durch tolle Farben und beeindruckende Einstellungen einen sehr noblen Anstrich verpasst. Insgesamt weiß „Bad Girls“ als solider B-Streifen auch heute noch zu unterhalten, einen großen künstlerischen Wurf oder gar eine Bereicherung für das Genre sollte man allerdings nicht erwarten. Zur Musik: „Bad Girls“ ist der allerletzte Beitrag Jerry Goldsmiths zum Western. Brachte er in den 60er und 70er Jahren frischen Wind in die Vertonungsansätze des Genres, das sich zumeist auf den ausgetretenen Pfaden von Copland-inspirierter konservativer Americana bewegte, konnte der Komponist das künstlerische Niveau seiner früheren Klangschöpfungen nicht ansatzweise erreichen. Die Musik ist größtenteils orchestral gehalten und mit den für die damalige Zeit unvermeidlichen elektronischen Einsprengseln angereichert, die sich größtenteils auf einige Effekte innerhalb der Actionszenen beschränken. Die Komposition schwächelt bereits in der Vorspannmusik, die das Hauptthema einführt – eine seichte und austauschbare Melodie, die ohne große Schwierigkeiten in einer der vielen Drama-Musiken, die Goldsmith in dieser Zeit komponierte, eingesetzt hätte werden können. Zusätzlich hat das Arrangement mit der in den 90er Jahren beliebten Western-Gitarre, die allerdings heute stark gealtert ist, und völlig deplatziertem Synth-Klavier mit Lagerfeuerromantik auf offener Prärie genau so wenig gemeinsam, wie eine lärmernde Straßenkreuzung einer Großstadt bei grellem Tageslicht. Neben einigen kleineren motivischen Schöpfungen zieht sich das Hauptthema wie ein roter Faden durch die Partitur, wird dabei routiniert aber wenig interessant variiert. Mal erklingt es im English-Horn über seichte Streicherteppiche, mal als kräftige Blech-Melodie in den Actionpassagen. Diese sind ebenfalls äußerst schablonenhaft geraten und hätten auch in „The River Wild“ Platz gefunden: durch ungerade Rhythmik geprägte Ostinati in den dreifach oktavierten Stakkato-Streichern, einige Linien der Blechbläser und Schlagwerkeinwürfe verleihen der Musik leider nicht das erhoffte Tempo, weil schlicht und ergreifend der frische Ansatz fehlt. Zu oft hat man von Goldsmith bereits diese Elemente gehört, die hier in ihrer einfachsten Gestalt erklingen und denen das gewisse Etwas vollkommen abgeht. Die Einfallslosigkeit schlägt sich an anderer Stelle nieder: Für das Motiv, das den beiden Pinkerton-Detektiven zugeordnet ist, die Jagd auf die vier Frauen machen, bediente sich der Komponist aus seinem eigenen Fundus: Das fünfnötige Actionmotiv aus „First Blood“ wird hier zu einer brachialen Paukenfigur umgewandelt, ist aber in der Gesamtwirkung nicht der Rede wird. Zum Filmstart erschiene eine knapp 40 Minuten lange Präsentation der Musik auf CD, die bald vergriffen war, sodass Lalaland Records 2011 die vollständige Filmmusik als limitierte Edition veröffentlichte. In der längeren Fassung ist die Musik allerdings noch zäher und unterstreicht den Eindruck, dass Goldsmith entweder nicht besonders engagiert bei der Sache war, oder ihm schlichtweg nichts Neues mehr einfallen wollte. Letzten Endes ist „Bad Girls“ nur etwas für Komplettisten und sollte sonst zu Gunsten der besseren früheren Western-Musik gemieden werden.
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Es gibt sogar sehr viele Musiken, die nicht besser sind als irgendwas von anderen, allerdings hat der Mann auch besonders in den späten Siebziger und frühen Achtziger Jahren derart innovative Meilensteine komponiert, die ihm natürlich auch für die restlichen schwachen 15 einen Ehrenplatz im Filmmusikolymp gesichert haben. Dennoch halte ich zumindest "The Ghost and the Darkness" für ein kraftvolles und abwechslungsreiches Spätwerk des Veteranen. "Congo" halte ich ja ebenfalls für nicht die schlechteste Musik aus der Schaffensphase.
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La-La Land: Atli Örvarsson - HANSEL AND GRETEL WITCH HUNTERS
Mephisto antwortete auf Laubwoelfins Thema in Scores & Veröffentlichungen
Diese Dauervergewaltigungen der Gebrüder Grimm durch nekrophile Finanzhaie aus Hollywood sollte man verbieten und alle existierenden Kopien dieser filmischen Pest auf dem Scheiterhaufen verbrennen! Wer auf die hirnrissige Idee gekommen ist, die talentlose Kristen Stewart in eine Ritterrüstung zu stecken und als Jean D'Arc/Schneewittchen über die Leinwand zu schicken, sollte man ebenso auf einer einsamen Fiji-Insel aussetzen wie diese Nichtskönner, die zu faul oder blöd waren, den Namen "Schneewittchen" in der Synchronisation angemessen zu übersetzen. Zu dumm, dass diese Kulturbanauserei jetzt auch noch Schule macht! In solchen Zeiten bedauere ich echt, dass es das Studiosystem des Golden Age nicht mehr gibt, da hätte man diese ganzen cineastischen Schwerverbrecher wie den Stab und die Darsteller des benannten Stewart-Vehikels sowie sämtliche Trittbrettfahrer ganz schnell auf die schwarze Liste setzen können und vorbei wäre es mit der Plage! -
So lustlos fand ich den gar nicht mal. "Congo" ist immerhin knackig und frisch geraten. Vor Allem die sehr thematisch orientierten Actionstücke unterscheiden sich stark von Goldsmiths rhythmisch und kleinteilig geprägten Actionvertonungen zu der Zeit. Das originale Album reicht theoretisch für ein kurzweiliges Hörvergnügen, aber es gab im Film noch einige schicke Stücke, weshalb ich diese CD definitiv in meine Sammlung aufnehmen werde. Der wahre Höhepunkt ist aber meiner Meinung nach der Cordell! Ich habe von der Musik und dem Film bisher nichts gewusst - ebenso von der LP-Veröffentlichung, aber das Album sieht liebevoll produziert aus und gegen einen fetten 70er-Orchesterscore hatte ich noch nie was. Immerhin wird's dann der zweite Cordell in meinem Regal.
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Die ersten anderthalb Minuten sind ein eigenständiges Stück, bevor es dann in die restlichen vier Minuten von "King Riahcrd" übergeht. Insofern habe ich nur diese fehlenden anderthalb Minuten gemeint, denn das "Richard"-Material ist auf allen Veröffentlichungen vertreten
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Sehr schick. Besonders stilvoll auch die sehr breiten Sakkoaufschläge...ob die Tuchhosen auch Schlag hatten?
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Business/Industrie Varèse Sarabande von Cutting Edge Group gekauft
Mephisto antwortete auf Marcus Stöhrs Thema in Scores & Veröffentlichungen
Townson wurde ja oft zitiert, dass der Club sich im besten Falle wieder refinanziert. Überschüsse werden die Club-CDs bestimmt nicht abwerfen. Dafür erscheinen sie zu selten, sind zu streng limitert oder liegen zu lang im Regal... -
Die Vorankündigungs-Veröffentlichungs-und-Gerüchte-Küche (Teil 2)
Mephisto antwortete auf Marcus Stöhrs Thema in Scores & Veröffentlichungen
Nochmal zu Intrada: Könnte es nicht auch "Mulan" sein? Goldsmith, Acion, Disney... -
Lionheart - Richard Löwenherz und die Kinder Gottes Der junge Robert Nerra ist der Sohn eines Landherren in Frankreich und wird Ende des 12. Jahrhunderts zum Ritter geschlagen. Sein älterer Bruder William beschließt, an den Kreuzzügen König Richards teilzunehmen, doch dieses Vorhaben wird ihm von Vater untersagt, der nach mehr Macht in Frankreich trachtet und deswegen jeden Ritter an seiner Seite braucht. Es kommt zu einer weiteren Schlacht um mehr Land, in die Robert Nerra mit seinem Vater und seinem Bruder zieht. Der junge Ritter schlägt sich tapfer, bis sein Bruder durch das Schwert eines Feindes fällt. Desillusioniert reitet Robert davon und trifft einige Tage später die Geschwister Michel und Blanche. Die beiden ziehen über die Dörfer und unterhalten das Volk mit kleineren Zirkusnummern. Beim letzten Auftritt allerdings nutzte ein Dieb diese Ablenkung, um einige Bürger um ihre Geldbeutel zu erleichtern. Bei dem anschließenden Handgemenge konnte Michel des Geldbeutels habhaft werden und er ergriff mit seiner Schwester die Flucht. Es gelang ihm, seine Schwester davon zu überzeugen, nach Paris zu gehen und einen eigenen Zirkus zu gründen, doch auf dem Weg in zu der großen Stadt lauern allerhand Gefahren. Umso erleichterter sind die beiden Geschwister, als Robert sich als wohlgesonnen erweist und so machen sich die drei auf den Weg nach Paris. Während eines schweren Unwetters rasten die Reisenden in einem alten Kloster, wo sie neben dem jungen Odo nur den Abt vorfinden. Dieser offenbart ihnen, dass in einer solch stürmischen Nacht der schwarze Prinz sein Unwesen treibt. Einst ein Kreuzritter, kehrte er desillusioniert aus dem geheiligten Land und trieb seitdem als Sklavenhändler sein Unwesen. Mit einem mysteriösen Mann aus dem Morgenland treibt er Geschäfte und fängt mit seinen rauen Mannen Kinder ein, um sie anschließend zu verkaufen. In der Nacht findet Robert keinen Schlaf und streift im Kloster umher, als er eine dunkle Gestalt dabei beobachtet, wie sie den Abt tötet, nachdem dieser ihr im Anschluss an die Beichte die Absolution verwehrte. Am nächsten Tag machen sich die vier Jugendlichen auf den Weg, denn Odo ist nach dem Tod des Abtes allein. Auf der Reise nach Paris können sie den jungen Hugo, einen Falkner aus der Armee Richard Löwenherz, aus den Fängen eines Ritters des schwarzen Prinzen befreien und erreichen schließlich Paris, wo eine Diebin einen Sporen Roberts entwendet. Die Verfolgung der jungen Kriminellen führt den Ritter und sein Gefolge in die Unterwelt von Paris, auch "Stadt der Waisen" genannt, in denen alle obdachlosen Kinder wohnen, die von dem gutherzigen Bruder des Schwarzen Prinzen betreut werden. Er bittet Robert, sich ihrer anzunehmen, da das nasskalte Gemäuer der Pariser Unterwelt für jeden über kurz oder lang den Tod bedeutet. Mit einer Schar Kinder macht sich Robert schließlich auf, sich dem englischen König anzuschließen... 1212 machte sich eine große Gruppe jugendlicher und Erwachsener aus niederen Schichten in das heilige Land auf, doch dieser unbewaffnete Kreuzzug zerstreute sich anscheinend schon an den Ufern des italienischen Mittelmeers. In die Chroniken ging diese Unternehmung als "penegrenatio puerorum" ein. Dieser lateinische Begriff wird oft mit "Kinderkreuzzug" übersetzt, bietet aber mehrere Deutungsmöglichkeiten, die in Anbetracht der Tatsache, dass unter der Gruppe hauptsächlich junge Erwachsene niederer sozialer Schichten waren, schlüssiger scheinen. Dieses historische Ereignis, über das wenig überliefert ist, diente für die Autoren Menno Meyjes und Richard Outten als lose Vorlage für einen Abenteuerfilm, der von Francis Ford Coppola gedreht werden sollte. Schließlich fungierte Coppola mit seiner Schwester und seinem Schwager lediglich als Produzent und Franklin Schaffner übernahm die Regie. Es sollte der letzte Film des Schöpfers von "Patton", "Planet der Affen" und "Papillon" sein. Leider gelang es mit "Lionheart" nicht, der von cineastischen Meilensteinen durchzogenen Karriere Schaffners einen würdevollen Schluss zu setzen, vielmehr handelt es sich um ein äußerst blasses und belangloses Werk, in dem nur noch ein Schatten von Schaffners ursprünglicher Begabung zu spüren ist. Es ist über die gesamte Laufzeit des Films allzu deutlich, dass man Zuschauern zwischen 10 und 18 Jahren einen ansprechenden Ritterfilm mit vielen Personen bieten wollte, mit denen sich die jugendlichen Rezipienten identifizieren können. Das mag vielleicht sogar funktionieren, darüber hinaus verfügt "Lionheart" jedoch über keine Anziehungskraft. Zu bemüht und offensichtlich ist das Konzept des Films das sich zum Beispiel in der später eingeführte burschikose Mathilda äußert, die auch Mädchen eine ritterliche Identifikationsmöglichkeit ermöglichen soll. Für einen erwachsenen Zuschauer wird es schnell anstrengend, die im Hopserlauf durch die Landschaft wandernde Kinderschar zu beobachten, denn mehr zeigt der Film im Großen und Ganzen nicht. Gedreht wurde der Film mit verhältnismäßig viel Budget in Ungarn und Portugal, sodass immerhin die üppige und abwechslungsreiche Landschaft mit die alten Burgen und die detaillierten Kostüme und Innenausstatungen zu den wenigen Pluspunkten von "Lionheart" zählen. Schaffners Regie ist routiniert, bietet aber einige beeindruckende Landschaftsaufnahmen und weitere imposante Bilder wie den kurzen nebligen Auftritt des schwarzen Prinzen oder die Schlachtaufnahmen durch die Visiere der Ritter. Handwerklich durchaus überzeugend scheint "Lionheart" hauptsächlich mit der Handlung und der darauf basierenden Konzeption wertvolles Potential zu verschenken. Auch die Darsteller füllen ihre Rollen so gut es geht aus. Eric Stolz spielt den jungen Robert ebenso gut wie auch Dexter Fletcher und Nicola Cowper als Michel und Blanche. Gabriel Byrne ist in der Rolle des bösen schwarzen Prinzen sehr motiviert und Deborah Moore hat offensichtlich Spaß an der Rolle der Mathilda. Insgesamt hätte "Lionheart" ein liebenswerter B-Ritterfilm aus den späten 80er Jahren werden können, entstanden ist aber ein sehr blasses Filmchen, dass sich zu sehr der Anbiederung an die junge Zielgruppe unterwirft. Franklin Schaffner und Jerry Goldsmith verband eine Jahrzehnte lange, äußerst kreative und fruchtbare Zusammenarbeit, die filmische und musikalische Meisterwerke wie "Patton" oder "Planet der Affen" hervor brachte. 1987 hatte der Komponist sein Zenit allerdings einige Jahre zuvor überschritten und komponierte einige seiner belanglosesten Musiken. Für den fünften "Star Trek"-Film sowie die Werke von Joe Dante bewegte sich Goldsmith oft in gehobener Routine, doch den meisten Anteil in der Zeit zwischen 1986 und 1990 haben uninspirierte und oft mit einer unnötigen Masse elektronischer Elemente verstärkte Musiken. Umso erfreulicher, dass sich der Komponist für "Lionheart" aufraffte, eine seiner abwechslungsreichsten und vielseitigsten Musiken in den späten 80er Jahren zu komponieren, was vielleicht auch daran liegen mag, dass es sich hierbei um den ersten Ritterfilm handelt, für den Goldsmith die Musik komponierte. Er entschied sich, eine traditionelle, leitmotivische Filmmusik für Orchester zu komponieren, jedoch ohne auf seine Synthesizer zu verzichten. Somit bietet "Lionheart" eine Fülle von Themen und Motiven, wie sie bei dem oft kleingliedrig und monothematisch vorgehenden Komponisten eher selten ist. Für den Protagonisten Robert schrieb er ein markantes Hauptthema, dessen ersten drei Noten bereits als Erkennungsmotiv bestehen können. Der B-Teil dieses prominenten Themas kann ebenfalls als eigenständiges Element fungieren und eine melodische Brücke zwischen zwei musikalischen Ideen schlagen. Das Thema für Blanche, das zudem auch als Liebesthema zum Einsatz kommt, gehört zu den schönsten und elegantesten Melodien aus der Goldsmiths Feder überhaupt. Der schwarze Prinz wird mit einer düster bedrohlichen Melodielinie charakterisiert, die ein bisschen an modale und gregorianische Musik wie das "Dies Irae" und den Pange Lingua erinnert. Auch Mathilda erhielt ein eigenes lebhaftes Thema, das von einer aufstrebenden Bewegung gezeichnet ist. Goldsmith komponierte zusätzlich einige weitere Nebenthemen, die zum Beispiel das bunte Treiben in der Burg Nerras zu Beginn des Films unterlegen, doch hauptsächlich gestaltet gestaltet der Komponist seine knapp 80 Minuten lange Musik mit den charakteristischen Leitmotiven. Dabei stellt er insbesondere im Umgang mit den Themen sein handwerkliches Können unter Beweis, denn die melodischen Elemente werden stets intelligent miteinander verwoben. Fast alle einzelne Stücke der Musik vermitteln den Eindruck einer geschlossenen Form und erleichtern so das alleinstehende Hören. Auch in der Instrumentierung und Orchestration gab sich Goldsmith wesentlich mehr Mühe als in seinen späteren, ökonomisch gestalteten Musiken wie "Der erste Ritter". Es gelingt ihm in "Lionheart", seinen Themen stets neue Facetten und Eigenschaften abzugewinnen. Am schwächsten ist in dieser Hinsicht höchstens das Thema des schwarzen Prinzen gelungen, das sehr variationsarm daherkommt. Die Leistung des ungarischen philharmonischen Staatsorchesters ist annehmbar, die Aufnahme leider etwas dünn. Ein wirkliches Manko stellt allerdings - wie so oft - der Umgang mit der Elektronik dar. Hier verwendet Goldsmith die Synthesizer fast ausschließlich, um im Orchester vertretene Instrumente wie die Bläser nachzuahmen. Ein Grund ist dafür nicht erkennbar, denn schließlich sind alle Instrumente genügend vertreten. Somit wird durch die mittlerweile stark veralteten künstlichen Klänge der Hörfluss regelmäßig getrübt. Ein Ärgernis in Anbetracht der zahlreichen Qualitäten der Musik! Als große symphonische Musik aus Goldsmiths Feder wurde "Lionheart" eine besondere Aufmerksamkeit zu Teil. Das Label Varèse Sarabande veröffentlichte die lange Musik fast vollständig auf zwei LPs verteilt. Diese Programme wurden später auch auf zwei CDs veröffentlicht, die allerdings vergriffen sind. Eine leicht gekürzte, fast durchgehend chronologische Veröffentlichung der Musik findet sich auf einer späteren CD desselben Labels, während eine Japan-CD die beiden früheren Veröffentlichungen zu einer CD zusammenfügte und ein kurzes, ohnehin nicht im Film verwendetes Sück wegließ. Mittlerweile ist sind alle CD-Präsentationen von "Lionheart" schwer zu finden und ob der sich im Anlauf befindenden Neuaufnahme von Goldsmith-Musiken wäre es wünschenswert, wenn diese Musik in neuem Glanz erstrahlen würde. Hier könnte man nicht nur die Aufnahmequalität verbessern, sondern auch die Synthesizer durch echte Elemente ersetzen.
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J.J. Abrams - oder wie ich lernte Lensflares zu lieben
Mephisto antwortete auf TheRealNeos Thema in Film & Fernsehen
Geht mir genauso. Ich habe meine Filmmusiksammlung auch einfach mal von vorne bis hinten durchgehört und zu jeder CD einen Text geschrieben (findet sich bei den Board-Schätzen, glaube ich) und tatsächlich hilft es, die gesammelten Eindrücke nachvollziehbar bündeln zu müssen, um seine eigenen Standpunkte klar definieren zu können. Ich habe mit Abrams nicht viel am Hut, muss aber sagen, dass Du da einen wirklich tollen Artikel geschrieben hast! -
Ich höre gerade folgendes Album...(Teil 2)
Mephisto antwortete auf Marcus Stöhrs Thema in Filmmusik Diskussion
Diese Musik driftet zwar hin und wieder in poppige Hochglanzkitsch ab, ließ aber - besonders in zusammenhang mit dem atmosphärisch dichten und erfrischend zurückhaltenden "Königreich der Himmel" - auf ein neues Filmmusiktalent hoffen, das gekonnt die Spanne zwischen altbewährten großen Orchesterklängen und RCP-Einschlägen meistern konnte. Leider wurde Gregson-Williams diesen Erwartungen nicht gerecht und so bleiben der erste Narnia-Score und "Königreich der Himmel" wahrscheinlich meine einzigen Gregson-Williams-CDs.