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Die erste Filmmusik: Symphony of Six Million (1932)


Csongor
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Durch eine interessante Konversation bin draufgekommen, dass  die Großzahl der Filmmusik-Liebhaber immer noch der Meinung ist, dass der erste Score KING KONG aus dem Jahre 1933 wäre, aber das ist ein Irrglaube, denn Max Steiner hat bereits im Jahr davor, 1932 für den weniger bekannten Film SYMPHONY OF SIX MILLION die erste Filmmusik komponiert.

 

 

Ich habe mir erlaubt diesen interessanten Teil aus dem Buch Max Steiner: Composing, Casablanca, and the Golden Age of Film Music von Peter Wegele zu übersetzen:

Der Protagonist der Geschichte ist ein junger Arzt, der beschließt, seine Familie auf der Lower East Side zu verlassen, um seine Karriere fortzusetzen. Später muss er seinen Vater operieren, der während der Operation stirbt.

Was dem Film seine Einzigartigkeit verleiht, ist die Musik - oder, besser gesagt, die Relevanz der Musik. Als David O. Selznick für RKO SYMPHONY OF SIX MILLION drehte, war er nicht mit der Form der Charaktere zufrieden, besonders mit dem moralischen Dilemma und der Veränderung der Hauptfigur, die wie Selznick meinte nicht wirklich glaubwürdig war. Max Steiner, der Leiter der Musikabteilung bei RKO, schlug vor Musik zu verwenden, um den Subtext hinter der Geschichte zu erzählen und die Schwächen des Drehbuchs zu glätten.

Der Produzent stimmte zu und bat Steiner darum eine Film-Rolle zu scoren für eine Test-Vorführung. Bei der Szene, in der der Vater des jungen Arztes während der Operation stirbt und der Sohn schwört, nie wieder Medizin zu praktizieren, war Selznick gespannt, ob das Hinzufügen von Musik den Zuschauern helfen kann, den inneren Konflikt des jungen Arztes zu verstehen. Die Art und Weise wie Steiner's Musik dazu beitrug, den tieferen Sinn dieser Szene zu offenbaren und zu kommunizieren, war für Selznick absolut überzeugend. Er bat Steiner den den ganzen Film zu scoren. Damit hat Steiner eine neue Technik im Film-Scoring eingeführt, die musikalische Untermalung.

In einem Artikel vom Oktober 1933 für das Magazin Autor and Composer erläuterte Max Steiner das neue Prinzip. Steiner meinte: "Ich habe eine Idee in musikalischer Untermalung ausprobiert, die noch nie zuvor benutzt wurde ... die Musik in diesem Film wird wie Opernmusik eingesetzt. Es entspricht genau der Stimmung, der Aktion und der Situation der Szene auf der Leinwand. Wenn es einen Streit gab, nahm die Musik diese Art von Thema an, in einer zarten Liebesszene korrespondiert die Musik. Es ist an jeder Ecke des Filmes, aber so unauffällig, dass sich niemand dessen bewusst ist."

Die enthusiastische Reaktion der Kritiker auf den Film und seiner Musik sorgte für einen Erfolg des Films. Als Nebeneffekt setzte sich die Hintergrundmusik als Praxis in der Filmindustrie durch.

Quelle:

https://books.google.at/books?id=MyRuAwAAQBAJ&pg=PA63&lpg=PA63&dq=symphony of six million max steiner&source=bl&ots=wGGnOK3Iwd&sig=AQHESTvNh6xpj9YsMhU0_IUqLU8&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwj8ybCLsMrYAhVcGsAKHQqEA-cQ6AEwEnoECAQQAQ#v=onepage&q=symphony of six million max steiner&f=false

 

 

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Interessant, danke auch für die Links! Allerdings, Orchesterscore gabs doch schon in der Stummfilmzeit, in großen Städten waren manche Kinos wie Opernhäuser gebaut.

Und selbst davor gabs im europäischen Theater des 18. / 19. Jahrhunderts die Gattung des Melodrams, eine kleinbürgerliche, trivialere Form der "Tragödie". In der Regel gabs da dramatisierende Musikbegleitung, meist war das groß angelegte Orchestermusik.

Steiner macht da schon auch ein bisschen Marketing-Geklingel  ^^

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Von Maestro John Mauceri habe ich viel über Max Steiner gelernt, unter anderem, dass er aus einer wohlhabenden Theaterdynastie stammte. Sein Großvater Maximilian Steiner war unter anderem Direktor am Theater an der Wien und sein Vater Gabor Steiner arbeitete in Wien ebenfalls als Theaterdirektor. Des Weiteren zeichnete sich sein Vater für die Errichtung des berühmten Wiener Riesenrades verantwortlich.

Daher war Max Steiner selbstverständlich mit der Welt der Oper und auch Theater mit Orchestermusik vertraut, was ihn wohl dazu inspiriert haben muss diesen Film mit einer bis dahin nie dagewesenen Technik, nämlich Hintergrundmusik auszustatten. Musik während eines Gespräches zu spielen, gab es bis dahin in keinem Film. Es war schlicht undenkbar. Wenn Musik gespielt wurde, dann nur am Anfang und am Ende ... eventuell gab es noch eine Intermission.

 

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vor 16 Minuten schrieb Csongor:

Daher war Max Steiner selbstverständlich mit der Welt der Oper und auch Theater mit Orchestermusik vertraut, was ihn wohl dazu inspiriert haben muss diesen Film mit einer bis dahin nie dagewesenen Technik, nämlich Hintergrundmusik auszustatten. Musik während eines Gespräches zu spielen, gab es bis dahin in keinem Film. Es war schlicht undenkbar. Wenn Musik gespielt wurde, dann nur am Anfang und am Ende ... eventuell gab es noch eine Intermission.

Na ja, undenkbar war es sicherlich nicht und die Technik ja eben nicht zwangsläufig "nie dagewesen". In der Stummfilmzeit wurden ja auch schon "Dialoge" musikalisch begleitet und - wie Max schon schrieb - das Melodram ist ja eben genau die Technik, Gesprochenes und Musikalisches gleichzeitig erklingen zu lassen.
Das soll Steiners Leistung aber sicherlich nicht schmälern, da der Einsatz der "musikalischen Untermalung" sicherlich von ihm auf ein neues Level gehoben wurde.

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Nur wurde in der Stummfilmzeit nicht gesprochen ... es wurden "nur" Texttafel eingeblendet. Sehr oft wurde für die Stummfilme nicht einmal Musik komponiert, sondern der lokale Orgel- oder Klavierspieler hat einfach improvisiert. Gesprochener, akustischer Dialog im Film wurde bis dahin nicht mit Musik untermalt. Vor langer Zeit wurde auch in der Oper das Orchester komplett zurückgefahren oder es hat sogar aufgehört zu spielen wenn ein oder mehrere Solisten gesungen haben. Ich finde es sehr interessant wie sich die Musik entwickelt hat und wer von wem oder was inspiriert wurde.

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vor 8 Minuten schrieb Csongor:

Nur wurde in der Stummfilmzeit nicht gesprochen ... es wurden "nur" Texttafel eingeblendet. Sehr oft wurde für die Stummfilme nicht einmal Musik komponiert, sondern der lokale Orgel- oder Klavierspieler hat einfach improvisiert. Gesprochener, akustischer Dialog im Film wurde bis dahin nicht mit Musik untermalt. Vor langer Zeit wurde auch in der Oper das Orchester komplett zurückgefahren oder es hat sogar aufgehört zu spielen wenn ein oder mehrere Solisten gesungen haben. Ich finde es sehr interessant wie sich die Musik entwickelt hat und wer von wem oder was inspiriert wurde.

Ja, schon klar.
Aber ich frage mich dennoch, was das "noch nie Dagewesene" und die neue Technik sein sollen, wenn es sie zuvor sowohl schon bei der Oper, dem Theater bzw. Melodram (eben ohne Gesang) gegeben hat und auch Filme sehr wohl schon mehr musikalische Begleitung als Einleitung und Ende hatten. Es klingt für mich eher so, dass er etwas weitergeführt bzw. zusammengebracht und nicht kreiert hätte. Sicherlich dank seines Backgrounds.

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Auf jeden Fall dank seines Backgrounds!

Im Medium Film war es bis dahin noch nie dagewesen, dass ein akustischer Dialog mit Hintergrundmusik (keine Source-Musik!) untermalt worden ist. Kein Filmemacher oder Komponist ist bis dahin auf diese Idee gekommen, zumindest hat bis dahin keiner diese Technik eingesetzt. Selznick musste es auch erst testen lassen.

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vor 5 Minuten schrieb Csongor:

Auf jeden Fall dank seines Backgrounds!

Im Medium Film war es bis dahin noch nie dagewesen, dass ein akustischer Dialog mit Hintergrundmusik (keine Source-Musik!) untermalt worden ist. Kein Filmemacher oder Komponist ist bis dahin auf diese Idee gekommen, zumindest hat bis dahin keiner diese Technik eingesetzt. Selznick musste es auch erst testen lassen.

Dann würde ich in der Retrospektive auch weiterhin mehr von Evolution denn Revolution sprechen, die ja auch - gemessen am Bestehen des Tonfilms zu dieser Zeit - nicht allzu lange auf sich warten lassen hat. Ohne Frage aber eine bemerkenswerte Zäsur.
Dialoge blieben ja durchaus auch weit darüber hinaus das Schreckgespenst für viele Komponisten. Vllt. hat es ja abgesehen von der Idee auch einfach ein dynamisches Duo gebraucht, um die Idee "marktfähig" zu machen. 

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vor 19 Stunden schrieb Csongor:

Im Medium Film war es bis dahin noch nie dagewesen, dass ein akustischer Dialog mit Hintergrundmusik (keine Source-Musik!) untermalt worden ist. Kein Filmemacher oder Komponist ist bis dahin auf diese Idee gekommen, zumindest hat bis dahin keiner diese Technik eingesetzt.

 
Solche Aussagen sind doch im Prinzip viel zu verallgemeinernd und lassen z.B. das ganze europäische Kino der frühen 30er völlig außen vor, wo längst schon vor Steiner auch Dialogszenen mit Musik untermalt wurden. Nur mal drei Beispiele mit frühen europäischen Tonfilmen, die wirklich sehr umfangreiche, eigens für den jeweiligen Film komponierte Orchestermusik enthalten, die zudem auch in Dialogszenen vorkommt, allesamt von 1931 oder (bei VAMPYR) Anfang 1932: DER MÖRDER DIMITRI KARAMASOFF mit Musik von Karol Rathaus (ein Score, den Bernard Herrmann im übrigen sehr bewunderte!), VAMPYR mit Musik von Wolfgang Zeller oder GOLDENE BERGE mit Musik von Dmitri Schostakowitsch. Wenn man das nicht weiß oder noch nie was davon gehört hat, dann einfach mal reinhören – die beiden ersten Filme sind sogar komplett bei Youtube zu sehen – und sich selbst ein (Hör)-Bild davon machen.
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VAMPYR ist ein Monat nach SYMPHONY OF SIX MILLION die Kinos gekommen, aber GOLDENE BERGE (Zlatye Gory) ist ein halbes Jahr davor veröffentlicht worden und DER MÖRDER DIMITRI KARAMASOFF hat bereits am 6. Februar 1931 in Berlin Premiere gefeiert. Sehr spannend! :) 

Demnach ist DER MÖRDER DIMITRI KARAMASOFF der erste Film mit Hintergrundmusik gewesen und SYMPHONY OF SIX MILLION der erste Film mit Hintergrundmusik in USA. 

 

 

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Das würde ich so nun auch nicht  unbedingt behaupten wollen, denn es gab auch schon vor KARAMASOFF selbstverständlich Tonfilme hier in Europa, die ziemlich viel Musik enthielten. Man muß natürlich bedenken, daß oft ein Film teilwwiee noch stumm und teilweise mit Ton gedreht wurde.
Streng genommen müßte man auch René Clair´s SOUS LES TOITS DE PARIS von 1930 hier schon dazu zählen, da das Haupthema immer wieder – gesungen und instrumental – nebst dramaturgischer Hintergrundmusik von Armand Bernard erscheint. Wolfgang Zeller z.B. hatte solche Musik-Dialog-Mischungen schon in LAND DER FRAUEN an 1929 vorgemacht, der auch noch zum Teil als Stummfilm gedreht worden war, aber dann nachsynchronisiert als Tonfilm herauskam.
LE SANG D´UN POÈTE (1931) von Jean Cocteau mit der Musik von Georges Auric müßte man dazu zählen, selbstverständlich auch den sehr bekannten EMIL UND DIE DETEKTIVE von 1931 mit Musik von Allan Gray, die auch in den Dialogen vorkommt. Wenn man genau nachforscht, gäbe es schon einiges aufzufinden aus den Jahren 1930 und 1931.
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  • 1 Jahr später...

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