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Angus Gunn

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Alle Inhalte von Angus Gunn

  1. Pasolini III ACCATTONE (1961) Pasolinis Spielfilm-Debüt als Regisseur. Der junge Vittorio lebt ein tristes Leben im Armenviertel am Stadtrand. Seine Freundin Maddalena schickt er auf den Strich, und in seiner Umgebung nennt man ihn Accattone (Schmarotzer, Rumtreiber). Dann lernt er Stella kennen, eine junge Frau, die Hausarbeiten erledigt und mit ihrer anständigen, aufrichtigen Art nicht in die moralisch verkommene Umgebung paßt. Um ihr ein Geschenk zu machen, bestiehlt er seinen eigenen kleinen Sohn. Trotz gegenseitiger Zuneigung, versucht er auch Stella in die Prostitution zu bringen. Als Vittorio beschließt, sein Leben zu ändern, ist es eigentlich schon zu spät. In der Nacht träumt er von seiner eigenen Beerdigung. ACCATTONE ist ein nüchtern und schmucklos inszeniertes Sozialdrama. Die Kameraführung läßt, bis auf wenige Ausnahmen (Traumsequenz), keine künstlerischen Ambitionen erkennen. Es bieten sich auch keine Idenifikationsfiguren an. Vittorio ist ein Opfer seiner Sozialisierung und bleibt als solches ein unsympathischer Kotzbrocken. Eine emotionale Annährung fällt schwer, was den Film nicht leicht konsumierbar macht. Auf der Tonspur setzt Pasolini dagegen klassische Musikstücke von Bach ein, teilweise sogar mit sakralem Charakter, was auf das eigentliche Ansinnen des Films hindeutet, und was Kritiker gerne in ihm sehen: Eine moderne Passionsgeschichte.
  2. Pasolini II DAS 1. EVANGELIUM - MATTÄUS Dieser Film hat mich überrascht. Bei einer Laufzeit von 132 Minuten hatte ich mich auf ein erheblich sperrigeres Werk eingestellt. Umso wohlwollender nahm ich seine Kurzweiligkeit zur Kenntnis. Pasolini erzählt das Matthäus-Evangelium, also von der Geburt Christi bis zur Kreuzigung, vorlagengetreu nach. Als Schauplätze dienen karge Landstriche und ruinöse Siedlungen des südlichen Italien. Besetzt ist der Film mit unbekannten Schauspielern und Laiendarstellern, was dem Film seine betont volkstümliche, bodenständige Atmosphäre verleiht. Übernatürliche Figuren wie der Satan, der Jesus bei seiner Wüstenwanderung in Versuchung führt, treten als ganz profane Menschen auf. Auf Wundertaten verzichtet Pasolini allerdings nicht, was er im Nachhinein als "ekelhaften Pietismus" bezeichnet hatte. Obwohl gerade die Szene, in der Jesus über das Wasser geht, sehr schön eingefangen wurde. Die Kreuzigung schließlich ist in ihrer Eindringlichkeit erschreckend, obwohl sie nahezu ohne Blut- und Folterorgien auskommt (ich denke da an einen gewissen Mel-Gibson-Film, der genau damit zu punkten versucht hat, aber kläglich gescheitert ist.) Musik setzt Pasolini sehr viel ein. Klassik von Mozart und Bach (die Matthäuspassion natürlich), Originalmusik von Luis Bacalov und amerikanischen Gospel. Ein wirklich sehenswerter Film, der mal einen anderen Ansatz wagt, und sich dennoch sehr genau an die Vorlage hält.
  3. Pasolini I Kürzlich ist mir aufgefallen, dass ich von Pasolini bisher kaum etwas gesehen habe. Um diesen Umstand zu beheben, fange ich jetzt mal mit einer kleinen Pasolini-Werkschau an, indem ich mir zumindest ein paar seiner Hauptwerke zu Gemüte führe und kurz meinen Eindruck schildere. Ich beginne mit dem Film, der mich am meisten interessiert hat: EDIPO RE (1967) Die Ödipus-Geschichte aus der griechischen Mythologie in einer ebenso eigenwilligen wie faszinierenden Verfilmung. Die Antike in Pasolinis Film wirkt befremdlich und karg. Die Architektur der marokkanischen Wüstendörfer ist geradezu bizarr. Überhaupt irritiert der Film mit nicht klar einzuordnender Ausstattung. So machen die Helme, die von König Laios Laibgarde getragen werden den Eindruck als stammen sie aus dem aztekischen Kulturkreis. Die Kostümierung der Sphinx von Theben möchte man dagegen eher mit dem tiefsten Afrika assoziieren. Ähnlich verfährt Pasolini mit der eingesetzten Musik, die von kargen, japanischen Flötenklängen bis zu südosteuropäischer Folklore reicht. Auch wird die Geschichte in unterschiedlichen Zeitebenen erzählt. Zwar bildet der antike Part den Kern des Films, doch beginnt die Geschichte im Italien der 20er Jahre und endet (mit den selben Schauspielern - Citti und Mangano) in der damaligen Gegenwart der 60er. Hinweise auf die zeit- und kulturunabhängige Aktualität der Erzählung, mit deren Verfilmung Pasolini seine eigene, bedingungslose Liebe zu seiner Mutter verarbeitet hat. Ödipus selber wird von Franco Citti, im Gegensatz zur ursprünglichen Erzählung, als äußerst aggressiv und hitzköpfig dargestellt. Pasolini mischt sich immer wieder mit der Handkamera ins Geschehen und erzeugt dynamische Bilder in ungewohnten Perspektiven. So verschwinden beispielsweise während des Kampfes mit den Soldaten von König Laios die Protagonisten immer wieder im gleißenden Gegenlicht. Eine Andeutung auf die bevorstehende Erblindung, die sich Ödipus am Ende selber zufügen wird. Ein wuchtiger, interessanter Film voller Symbolik, die zu entschlüsseln der Zuschauer selber gefordert ist. Angesehen habe ich mir die restaurierte, untertitelte Originalversion. Auf der DVD-Edition steht aber auch die etwas kürzere deutsche Kinofassung zur Auswahl, in die ich der Synchronstimmen wegen zumindest auch nochmal reinschauen werde.
  4. Danke, Trekfan! Das war mir tatsächlich nicht bekannt. Von den Einzel-Soundtracks (also ich meine damit ein komplettes Album von einem einzigen Score) sind mir auch nur A-Team und Hill Street Blues bekannt. Ansonsten kenne ich halt nur seine Titel-Themen-Interpretationen, die aber auch wirklich gelungen sind. Vor allem die Falcon-Crest-Einspielung hat es mir angetan.
  5. HILL STREET BLUES (Mike Post) Seit Ewigkeiten mal wieder durchgehört und überrascht festgestellt, wie gut dieses Album ist. Unterhaltsame, melodische Popmusik mit Jazz- und Rockeinflüssen im Stil der 80er. Großartig umgesetzt, toll gespielt. Ich denke, diese ganzen Daniel-Caine-Einspielungen dürften wesentlich unterhaltsamer sein, als es die Originalaufnahmen wären, wenn sie denn irgendwann mal veröffentlicht werden sollten. Und das bringt mich zu der Frage: Wer ist eigentlich dieser Daniel Caine? Gibt es ihn noch? Existieren Interviews mit ihm? Spontan habe ich da nix finden können.
  6. Also ein Konzept-Album mit neuen Arrangements. Nett, aber nicht unbedingt das, was ich mir erhofft hätte. Hoffentlich machen die danach mit den Veröffentlichungen der Einzel-Scores weiter. Ist da schon irgendetwas bekannt?
  7. Das Drama um eine Frau und ihre beiden Kinder während des Krieges und in der Nachkriegszeit. Ein aufwendiger Fernsehfilm, der mich sehr interessieren würde, der aber nie bei uns zur Aufführung kam. Die Musik ist dramatisch bis schwermütig. TEMA DI IDA wird in einer melancholischen Version als 5-minütiges Klaviersolo dargeboten, später auch in einer leider etwas kurz geratenen Orchesterfassung. Auch das hübsche TEMA DELL´AMICIZIA mit seinem unschuldigen, kammermusikalischen Tonfall sei hier hervorgehoben. Die CD enthält einige Bonustracks die auf der damaligen LP fehlten und unter denen sich mit BOMBARDAMENTO und DRAMMA DELL´UMANITA zwei dramatische Highlights befinden. Ein feiner, streicherbetonter Score dessen düsterer Charakter immer wieder mal von schwankhaft-launigen Klavierstücken unterbrochen wird. Die Filmharmonischen Blätter urteilten damals kurz und knapp: "Fiorenzo Carpi hat eine elegische Musik geschrieben, die weit über dem Durchschnitt gängiger italienischer Filmmusik liegt." Aus meiner Sicht eine etwas kurz gedachte Einschätzung. Einerseits ein verdientes Kompliment, andererseits muß ich natürlich an Leute wie Morricone, Piovani, Piccioni oder Ortolani denken, die (auch in den 80ern) selbstverständlich großartige und mitunter noch eindrucksvollere Filmmusik geschrieben haben.
  8. Sowas begegnet einem bei Alessandroni öfters. Sangue di Sbirro beginnt mit einem Shaft-Rip-Off, der Titeltrack von El Puro unterscheidet sich nur geringfügig von Morricones Fistful of Dollars und es gäbe noch mehr Beispiele. Jo mei, klingt aber trotzdem ganz gut.
  9. DER KRIEG IST VORBEI Schön, dass dieser Film jetzt mal auf DVD erschienen ist. LA GUERRE EST FINIE ist das raffiniert inszenierte Psychogramm eines spanischen Revoluzzers namens Diego Mora, der von Paris aus gegen das Franco-Regime agiert ("Was ich über Spanien zu sagen habe, das hört niemand gern."), zunehmend von Zweifeln geplagt wird und mit den radikalen Plänen seiner jüngeren Mitstreiter hadert. Dass Resnais keinen konventionellen Spionage-Thriller daraus gemacht hat, wird niemanden überraschen. Obwohl er hier dem klassischen Erzählkino so nahe kommt, wie ich es bisher noch bei keinem seiner Filme erlebt habe (allerdings kenne ich auch nur eine handvoll). An einer politischen Aussage ist er nicht interessiert. Dennoch hat es mich überrascht, dass er hier und da durchaus konventionellen Suspense-Mustern folgt (z.B. bei einer Verkehrskontrolle). Die kunstfertig arrangierten, manchmal assoziativ geschnittenen Szenenfolgen stehen in ihrer ambitionierten Machart einer nachvollziehbaren Charakterzeichnung der Figuren aber eher im Wege. War zumindest mein Eindruck. Interessant und lohnenswert aber allemal. Die Musik von Fusco paßt sich dem Arthouse-Szenario mit kammermusikalisch orchestrierten Stücken und spirituell klingenden Choreinlagen auf kongeniale Weise an. Sie besitzt einen fernen Hauch von spanischem Lokalkolorit, ist tiefschürfend, melancholisch und abstrakt. Gelegentlich durchzogen vom Fluidum des Italo-Western. Letzteres tritt am deutlichsten im Eröffnungstrack der CD in Erscheinung - ein Stück das aber nur auf dem Album existiert und wahrscheinlich auch speziell dafür eingespielt wurde.
  10. Danke für den YT-Link. Der Film vermittelt perfekt die Atmosphäre bei den damaligen Aufnahme-Sitzungen. Großartig! Aha, das heißt also die knapp 14 Minuten auf dem Techine-Sampler von Universal sind ausreichend? Dann überlege ich es mir doch noch mal. Welche Titel wären da denn eventuell noch möglich?
  11. Die Sarde-CDs scheinen ja doch relativ gut zu laufen. Im Fall von BAROCCO habe ich das alte Album nie besessen und die Schwestern Bronte hatte ich mal vor langer Zeit als Kassetten-Überspielung, die auch schon längst verschollen ist. Von daher ist diese Veröffentlichung für mich genau richtig. Die andere CD reizt mich weniger. LIZA ist ein sehr schöner, nostalgisch-eleganter Score mit solistischen Einsätzen von Klarinette und Klavier. Aber der war auf der Ferreri-CD von Universal schon umfangreich vertreten. Und bei DERNIER FEMME scheint auch nichts Essenzielles hinzugekommen zu sein. Aber generell toll in welcher Schlagzahl die Sarde-CDs inzwischen rauskommen. Bin gespannt, was da in Zukunft noch alles ansteht.
  12. Ich verstehe nicht warum ihr alle überhaupt eure CDs in Übersee bestellt. Gut, unterm Strich mag´s ein paar Sesterzen weniger kosten, aber deswegen der ganze Aufwand? Mir persönlich reichen unsere zwei hiesigen Fachhändler völlig aus. Ich bestelle fast immer dort, und hatte noch nie nennenswerte Probleme. Nur in Ausnahmefällen auch mal im EU-Ausland, bei Quartet, Musicbox oder Kronos direkt, wenn die beispielsweise gerade lohnende Rabatt-Aktionen haben.
  13. Wow, das ist ja stärker als ich es in Erinnerung hatte. Wenn man sich das Finale, etwa ab Minute 1.35, mal ansieht, dann ist das Zusammenspiel von Musik und Bildern wirklich großartig. Bin eigentlich kein großer Fantasy-Fan, aber ich denke, die Bluray von DRAGONSLAYER werde ich mir mal zulegen.
  14. Ist das wirklich so? Ich war damals (bei der Fernsehausstrahlung) von der Musik im Film beeindruckt, eben weil sie so anders und herausfordernd war. Gerade gegen Ende, als der Drache seine Bahnen über die Felsen und Bergspitzen zieht, da ist es die Musik, die ihm einen so archaischen, unheilvollen Charakter verpaßt. Es ist allerdings schon länger her, seit ich den Film zuletzt gesehen habe, und ich mag mich da irren. Aber meiner Erinnerung nach ist das Finale komplett mit Musik ausgestattet. Vielleicht kann das hier jemand bestätigen bzw. dementieren? Als Album ist DRAGONSLAYER effektvoll und spannend. So sollte sich Drachenmusik anhören. Vermithrax wäre stolz auf das Thema, dass North für ihn geschrieben hat.
  15. Bei SAN PASQUALE BAYLONNE PROTETTORE DELLE DONNE handelt es sich um eine Sex-Komödie wie sie seinerzeit in Italien populär waren. Diese hier hat unseren Sprachraum nie erreicht. Ob das ein großer Verlust ist, kann ich nicht beurteilen. Mehr als sonst ist die Musik der De-Angelis-Brüder von italienischer Folklore durchdrungen. Das Titelstück ist ein charmantes, spirituelles Volkslied im Walzertakt, das noch in mehreren Varianten gereicht wird. Hübsch vor allem im Streicher-/Akkordeon-Arrangement. Daneben gibt es Musik zu Festivitäten und Paraden, sowie jede Menge Skurriles zwischen Suspense und Klamauk. Das muß man mögen, aber es ist im Großen und Ganzen schon recht unterhaltsam. PER GRAZIA RICEVUTA und TRASTEVERE bieten sich als Vergleich an, jedoch ohne dass deren Klasse erreicht werden würde. Auch in CANTERBURY N.2 und der Musik zur Marty-Feldman-Klamotte 40 GRADI ALL OMBRA DEL LENZUOLO finden sich Parallelen. Eine nette Ausgrabung von Quartet, und ein Score, der bislang noch gänzlich unveröffentlicht war.
  16. Also es ist tatsächlich so, dass die Film-Sequenzierung eine andere Abmischung hat. Ist mir sofort aufgefallen. Das LP-Programm bietet dann die Tracks in vertrauter Fassung. Von daher ist das schon ganz in Ordnung, wenn ich es auch nicht unbedingt in der Doppel-Ausführung gebraucht hätte.
  17. Ein Muß, ganz klar! Schön, dass nun peu a peu auch die Titel zur Gänze erscheinen, die auf den Universal-Samplern oft nur in Auszügen vertreten waren. ALLONS Z´ENFANTS kenne ich beispielsweise (bis auf eben jene Suite) noch nicht.
  18. Gerade auf DVD / BD erneut veröffentlicht: LAßT MICH LEBEN (1958) Barbara Graham führt ein moralisch fragwürdiges Leben. Sie treibt sich im Nachtclub-Milieu herum, schlägt sich mit Prostitution und Trickbetrügerei durch, sitzt eine Haftstrafe wegen Meineides ab (was ihr später zum Verhängnis werden wird) und heiratet den morphiumsüchtigen Barkeeper Henry, mit dem sie auch einen kleinen Sohn bekommt. Sie wird in weitere kriminelle Aktionen hineingezogen. Als eine alte Frau bei einem Überfall erschlagen wird, landet Barbara vor Gericht. Ihr droht der Tod in der Gaskammer. Der Film hält sich an die tatsächlichen Ereignisse, die von dem Journalisten Edward Montgomery (im Film von Simon Oakland dargestellt) dokumentiert wurden, wobei Grahams Beteiligung an dem Mord in der Realität umstritten ist. Der Film folgt den Berichten Montgomerys und zeichnet das Bild eines tragischen Justizirrtums. Susan Hayward spielt Graham als reizbare, impertinente aber charakterstarke Frau. Bis zu ihrer Verhaftung ist der Film ein hitziges, nachtschwarzes Milieudrama in einem Klima völliger moralischer Verkommenheit, eingehüllt in Johnny Mandels enthemmte Jazz-Kompositionen. Danach beginnt Grahams Leidensweg durch die Gerichtsprozesse bis hin zum letzten Gang in die Gaskammer. Die Inszenierung wird ruhiger, und auch beim Score treten zunehmend reflexive Motive in Erscheinung. Zu kalten, unbequemen Klängen wird die Hinrichtung quälend langwierig und in allen Details vorbereitet. Als schließlich das Gas aufsteigt wählt Mandel ein klinisch kaltes, gespenstisches Klanggeflecht. Ein jenseitiges Signal, das den eintretenden Tod anstimmt. Ein erschütternder Film. Erschütternd ist aber auch die deutsche Tonspur der neuen Auflage, die die bekannten Stimmen in falscher Geschwindigkeit fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Das Ergebnis mehrerer Normwandlungen in Laufe der Jahre?
  19. DER RUF DES NORDENS (Nunzio Malasomma, 1929) Zwei rivalisierende Männer, eine rauhbeinige Mannschaft und eine Frau auf Such-Expedition im Polarmaar. Ein interessanter Stummfilm mit Luis Trenker, der vor allem durch seine authentischen Aufnahmen beeindruckt. Denn gedreht wurde tatsächlich im hohen Norden, im Eismeer der Arktis und auf Spitzbergen. Das Packeis, in dem das Schiff der Crew feststeckt, ist echt. Interessant ist aber auch die Präsentation auf der EMS-DVD. Es steht nur eine Tonspur zur Verfügung, und auf der haben die Epochen ihre Spuren hinterlassen. Die meiste Zeit läuft der Film völlig stumm. Ab und zu sind allerdings Ambiente-Geräusche wie Wind oder Wasserrauschen dabei - möglicherweise Überbleibsel aus der Tonfassung von 1934. Von dort könnte auch die Orchester-Musik stammen, die in einigen wenigen Sequenzen einsetzt. An mindestens einer Stelle ist aber auch eine 70er-Jahre-Synthie-Musik zu hören. Besonders bemerkenswert ist allerdings die Einführung durch Luis Trenker persönlich. Ich vermute, dass diese Ansprache bei einer um 1980 iniziierten Retrospektive aufgezeichnet wurde. Danach erzählt der bereits hochbetagte Trenker während des gesamten Films erstaunlich detaiiert und wachen Verstandes über die abenteuerlichen Dreharbeiten. Und diese Texte wurden nicht etwa nachträglich über die Bilder gelegt. Er erzählt wirklich live während der Vorführung. Der früheste Audiokommentar?
  20. DER MANN MIT DER GOLDENEN KLINGE (1966) ist ein Film, den es wiederzuentdecken gilt. Er scheint bislang, zumindest bei uns, lediglich in den 60er Jahren im Kino gelaufen und danach in der Versenkung verschwunden zu sein. Der Verleihtitel setzt auf ein schwungvolles Mantel-und-Degen-Abenteuer. Tatsächlich basiert dieser Film aber auf Victor Hugos DER LACHENDE MANN. Ein Roman, der Hugos bevorzugtes Thema der tragischen Liebe und unerfüllten Sehnsüchte eines Ausgestoßenen behandelt. Ein junger Mann, dem als Kind ein unveränderliches, bizarres Lachen ins Gesicht geschnitten wurde, verliebt sich in eine blinde Schönheit. Obwohl der Film von Sergio Corbucci hiervon lediglich die Grundidee übernommen hat, deutet das musikalische Arrangement auf eine ernsthafte, der Tragik und Grausamkeit der Geschichte angemessene Umsetzung hin. Und es gibt tatsächlich zwei Scores zu diesem Werk. Carlo Savinas im Film verwendete Komposition ist eine der beeindruckendsten, die ich von ihm bisher gehört habe. Das Hauptthema ist wuchtig, leidenschaftlich, tragisch. Ein weiteres Thema bietet einen leichteren, beschwingteren Gegenpol, ohne dass es die dräuende Gesamtstimmung trüben würde. Bei der Laufzeit von einer Stunde vielleicht etwas zuviel des Guten, aber dafür wirklich toll und mit voller Orchesterbesetzung umgesetzt. Ähnliches läßt sich auch über den abgelehnten Piccioni-Score sagen, der in einer 12-minütigen Suite das Album abschließt. Warum Piccionis Musik nicht angenommen wurde ist mir hinsichtlich ihrer Qualität unverständlich, zumal sie von der Stimmung her in eine sehr ähnliche Richtung zielt. Tatsächlich habe ich Piccioni selten so dramatisch gehört wie hier. Düstere Klangfarben dominieren von Anfang an, auch dann noch, wenn sich im letzten Drittel ein äußerst intensives, sehnsuchsvolles Geigen-Thema entwickelt, bevor sich die Suite noch einmal wild-dramatisch aufbäumt und zu einem fulminanten Ende findet. Ein spektakulärer Score, den ich sogar der Savina-Musik vorziehen würde (was aber auch an der sehr gut zusammengestellten Suitenform liegen kann). Und da auch Savina hier sehr inspiriert zu Werke gegangen ist, kann ich dieses Album nur guten Gewissens empfehlen.
  21. Ich kenne den Film nicht. Wäre denn da überhaupt mehr Musik möglich gewesen?
  22. Zwei neue Titel von Quartet. Was ist davon zu halten? LE CHAT besitzt eines meiner Lieblingsthemen von Sarde, allerdings scheinen hier hauptsächlich Source-Music und ein paar Sekunden-Schnipsel hinzugekommen zu sein. CESAR ET ROSALIE ist interessant, weil erheblich erweitert. Werde ich mir wohl beide holen.
  23. Ja, der hat sicher ein mitreißendes Titelthema, ist aber darüberhinaus weniger ergiebig. Meine erste Begegnung mit Piccioni war, wie oben schon geschrieben, der Film "Das Licht am Ende der Welt". Mein erster Tonträger muß dann "Sartana" gewesen sein, der auf der B-Seite einer Intermezzo-LP zu finden war. Zu der Zeit fing ich gerade erst mit dem Sammeln an und Italo-Western gehörten damals zu meinen bevorzugten Filmmusik-Trophäen. Und wo ich den gerade schon erwähne, kann ich auch direkt damit weitermachen: SARTANA - BETE UM DEINEN TOD ist ein unterhaltsam inszenierter, leichenreicher, aber ironisch gebrochener Italo-Western. Der Film war die eigentliche Geburtsstunde des von Gianni Garko verkörperten Sartana-Charakters, dessen Name ironischerweise von deutschen Verleihern für den früher entstandenen Garko-Film MILLE DOLLARI SUL NERO ersonnen wurde, und dann von den italienischen Produzenten übernommen wurde. Piccionis Western-Scores sind stets von ganz eigener Art und kaum mit den Werken anderer Komponisten in diesem Genre zu vergleichen, weder in Italien, noch in Amerika. Nicht jeder kommt damit klar. In den Amazon-Kommentaren ist von einem "saumäßigen Soundtrack" zu lesen. Oder von einer Musik "auf Saloon-Niveau" - was immer das heißt. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass diese CD auch damals in Luc van de Vens Soundtrack-Magazin die schlechteste Bewertung bekam. Vermutlich wurden konventionellere Western-Klänge erwartet, aber Piccioni wandelt hier tatsächlich auf ganz eigenen Pfaden. Und so sind auch die zwei Hauptthemen dieses Albums so eigenwillig wie originell. Zum einen das anschwellende Sartana-Thema mit Blech und Orgel. Zum anderen das eingängige, lounge-jazz-geprägte SYCAMORE TRAILS, das in seiner entwaffnenden Lässigkeit gefällt. Auch spätere Varianten dieses Themas wie COMING TO THE POINT oder MEXICAN BORDERS gehören zu den Highlights des Albums. ANNELISE heißt das flauschige, aber auch wenig inspirierte Liebesthema, das schnell wieder vergessen ist. In einigen Tracks nutzt Piccioni bevorzugt das Fagott zum Erzeugen einer mysteriösen, spannungsfördernden Atmosphäre. Eine handvoll Saloon-Tracks sind natürlich auch vorhanden, und im kurzen THE GREEN VALLEY werden vorübergehend wuchtigere, fast epische Töne angeschlagen. Es ist nicht Piccionis bester Western-Score, aber er bietet gefällige Themen und relativ viel Abwechslung, dass auch die Laufzeit von immerhin fast einer Stunde ohne größere Flauten goutiert werden kann.
  24. Die 70er Jahre brachten eine ganze Schwemme von Filmen hervor, die dem Publikum das unmoralische Treiben hinter Klostermauern näherzubringen trachteten. Auslöser dieser Welle war vermutlich der Film DIE NONNE VON MONZA aus dem Jahr 1969, für den Ennio Morricone eine seiner anmutigsten Partituren geschrieben hatte. Aber auch Piero Piccioni empfand das Genre offenbar als überaus inspirierend, denn er legte ein paar Jahre später gleichwertig nach. Und das tat er mit der Musik zu DIE NONNE VON VERONA. Ein Werk, das sich zwar ebenfalls auf eine literarische Vorlage beruft, aber um einiges exploitativer angelegt ist, weswegen man sich über die beseelte und überaus kultiviert klingende Komposition fast schon wundern muß. Das Hauptthema ist ohne Zweifel eine von Piccionis schönsten und malerischsten Schöpfungen. In kunstvollen Verianten zieht es sich durch den gesamten Score und wird auch, in etwas abgewandelter Form, in den Nachfolge-Film DER NONNENSPIEGEL mit hinübergenommen. Die musikalischen Schwerpunkte liegen auf den Streichern, den Holzbläsern und der Orgel. Sakrale Frauenchöre runden das Bild ab, und in einem Track wechselt mal kurz Stimmung hin zu majestätischer Jagdhorn-Romantik.
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