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MISSION: IMPOSSIBLE - oder warum Tritonus und Jazz-Harmonik dem Publikum nicht mehr zugemutet werden


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Da mich @TheRealNeo in einem anderen Thread gebeten hat, es näher zu erläutern: 

Seit Lorne Balfe die MISSION: IMPOSSIBLE-Scores übernommen hat, reduziert sich nicht nur die Komplexität der Instrumentierung, sondern auch die Jazz-Harmonik im Hauptthema ("Mission: Acomplished" oder "Curtain Call" auf den Score-Veröffentlichungen der letzten Filme). 

Besonders auffällig ist das beim Schlussakkord, der bei Schifrin (und auch bei Elfman, Giacchino und Co.) eine sehr jazzige Wendung aufweist. Das finale DA-DAAAA ist in der Melodie ein Sprung von F nach G. Das G ist Grundton des Themas, aber statt in der Akkordbegleitung einfach nur zur Grundharmonie g-moll zu wechseln, wählt Schifrin einen Es-Dur-Akkord in der 2. Umkehrung (b - es - g) und würzt ihn sehr prägnant mit einem Des im Bass! Ein aufregender und abenteuerlicher Akkord, nicht zuletzt, weil das Des ein Tritonus zu G und damit eine Dissonanz zum Grundton ist!

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Balfe macht nichts dergleichen: in FALLOUT springt er an der Stelle (F > G) lediglich in eine Harmonie auf C. Relativ langweilig, da C einfach nur die Subdominante von G ist, und auch im Bass keine weitere Reibung oder Dissonanz mehr vorhanden ist. 

 

In DEAD RECKONING lässt er den Akkord an der Stelle, an der er kommen sollte, ganz weg. 

 

In FINAL RECKONING wechseln Max Aruj und Alfie Godfrey nicht mal mehr nach C, sondern einfach nur zurück nach g-moll, also zur Tonika. Langweiliger geht es nicht. 

 

Fazit: es findet eine extreme Vereinfachung des harmonischen Ausdrucks statt. Offenbar möchte man dem jungen Publikum keine jazzige Harmonik mehr zumuten und hält deswegen alles so einfach und clean wie möglich. Was am Ende übrig bleibt, ist nur noch das Hauptmotiv als Gerippe und der prägnante 5/4-Takt. 

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Sehr interessant, das so direkt im Vergleich auch zu hören und ja das ist dann doch klar ein Unterschied hörbar.
Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich es als langweiliger bezeichnen würde, nur frage ich mich eben auch, ob das wirklich bewusst so gemacht wird, weil man es der heutigen Hörerschaft nicht mehr zumuten möchte? Oder will man da einfach nur was anders machen?

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Ich würde schon sagen, dass das bewusst gemacht wird, weil es eben „poppiger" und glatter klingt. Und damit den aktuellen Hörgewohnheiten mehr entspricht. Wobei ich tatsächlich bezweifle, dass dem normalen Kinogänger, der jetzt nicht so Musik-affin ist, der Unterschied wirklich auffällt. Das ist dann eher unterbewusst. 

Gibt es das bei anderen „alten" Themen eigentlich auch? Bei James Bond beispielsweise? Mal abgesehen vom Arrangement, das sich je nach Komponist natürlich immer mal verändert hat. Zimmer hat bei NO TIME TO DIE die E-Gitarre im Thema wieder eingesetzt, also Barrys Arrangement aus DR. NO übernommen, welches bei Barry danach auch lange zum Einsatz kam. Moby hat 1997 eine neue Version des Themas produziert und dabei beispielsweise die charakteristischen Bläser im zweiten Teil des Themas weggelassen, wodurch sich das Ganze auch schon anders anhört. Aber das sind eben alles andere Arrangements oder wurde da auch das Thema mal in den Tonarten oder Harmonien verändert?

 

 

Und beim ersten MISSION: IMPOSSIBLE gab es damals ja auch eine extra für eine Single-Veröffentlichung produzierte Version des Themas, produziert von Adam Clayton und Larry Mullen von U2.

 

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vor 5 Stunden schrieb TheRealNeo:

Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich es als langweiliger bezeichnen würde

Auf jeden Fall ist es eine Regression. Das späte 19. und das 20. Jahrhundert haben unsere Harmonik erweitert, bereichert und an den Rand der Tonalität gebracht. Seit dem Siegeszug der Minimal Music entwickeln wir uns wieder zurück zur einer primitiven Harmonik der Grundakkorde (Tonika, Subdominante, Dominante). Manche werfen den Parameter Harmonik sogar komplett über Bord und bleiben nur auf einem einzelnen Ton oder rhythmischen Grundmuster (siehe auch die Entwicklungen hin zum reinen Sprechgesang in der Popmusik). 

Dass mittlerweile nun auch schon Klassiker des Jazz (einer einst populären Musikform) derart "umgeschrieben" werden, finde ich schon sehr trist. Hat ja auch was mit Überlieferung und Vermittlung zu tun. Heutzutage schreibt man Altes lieber um, damit es in den Zeitgeist passt. 

vor 4 Stunden schrieb Alexander Grodzinski:

Aber das sind eben alles andere Arrangements oder wurde da auch das Thema mal in den Tonarten oder Harmonien verändert?

Höre ich bei deinen Beispielen eigentlich nicht. Bei der Clayton/Mullen-Version des M:I-Themas ist der Jazz-Akkord am Ende auch drin - zwar nur gesampelt vom Original, aber immerhin. In den 90ern konnten das Populäre und das Kunstvoll-Traditionelle eben noch nebeneinander bestehen, ohne dass eins davon an das andere angeglichen werden musste. 

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