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Klassik Sammlung
Sebastian Schwittay antwortete auf coforgottens Thema in Klassische Musik & Orchester
Noch nicht in Gänze gehört, aber die Hörclips von Amazon versprechen eine wunderbare Interpretation der Ersten! -
Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
Nun, ob ich alle 112 Songs vorstelle, weiß ich noch nicht - aber die wichtigsten und schönsten mit Sicherheit, und das sind sicher um die 50. Wenn ich das wöchentlich mache, wird das kein Ives-Gedächtnis-Spätsommer, sondern ein Ives-Gedächtnis-Jahr. -
Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
So, heute geht es dann mal los mit meiner Ives-Song-Reihe: Den Anfang macht "The Side Show", ein sehr kurzer Song aus dem Jahr 1921, an dem beispielhaft zu sehen ist, wie miniaturhaft Ives in seinen Liedern gearbeitet hat. Doch trotz einer Länge von nur 35 Sekunden steckt in diesem kleinen Stückchen unglaublich viel musikalischer Witz und ironische Text-Ausdeutung. http://www.youtube.com/watch?v=CIYnuYjgPlQ Der Text, der vermutlich auf ein Traditional zurückgeht, beschreibt den leicht trotteligen Hotelbesitzer Mr. Riley ("Is that Mr. Riley, who keeps the hotel?"). Auf einer Trabrennbahn bekommt er sein Pferd nicht recht unter Kontrolle, dreht sich mit seinem Pferd unbeholfen im Kreis und weckt damit Erinnerungen an einen Russentanz ("... making poor Mr. Riley look a bit like a Russian dance."). Ives deutet den Text musikalisch äußerst humorvoll aus: als Ausdruck des stolpernd-unbeholfenen Charakters von Mr. Riley verwendet Ives einen Walzer-Takt (3/4), den er immer wieder mit einem eingeschobenen 2/4-Takt "aushebelt". Durch diesen ständigen Wechsel zwischen 3/4- und 2/4-Takt bekommt die Musik einen ähnlich unsteten, tollpatschigen Charakter wie der im Text beschriebene Riley. Unstet und "ungeschickt" wirkt auch die rhythmische Gestaltung der Singstimme: in den eingeschobenen 2/4-Takten wird die Melodie gestaucht, es häufen sich Achtel- und Sechzehntel-Noten, die der Melodie einen gehetzten, stotternden Charakter verleihen. Am auffälligsten ist dies an der Textstelle "...is the tune that accomp'nies..." und, vier Takte später, bei "...turns the merry-go-round". (Die fett markierten Silben und Wortteile sind entsprechend "stotternd" mit Sechzehntel- oder Achtelbewegungen vertont.) Auch das Motiv des sich drehenden Pferdes, das mit Mr. Riley wie ein tanzender Russe aussieht, wird von Ives clever musikalisch umgesetzt: bei "...Russian dance..." verwendet Ives eine 5-nötige Dreh-Figur aus c, des und h, die die Drehung des Pferdes versinnbildlicht. Wie ihr seht, steckt schon in diesem kleinen Song unglaublich viele Ideen und detailreicher musikalischer Witz - darüber hinaus lassen sich an diesem, wie auch an vielen anderen Ives-Songs Bezüge zum amerikanischen Alltagsleben herstellen. Kleine, witzige Alltags-Erlebnisse werden von Ives hochgradig originell und gehaltvoll umgesetzt, die kleinen "Side Shows" des Alltags zum Anlass für witzige Miniatur-Kompositionen genommen. Dieser Alltags-Bezug ist kennzeichnend für Ives' gesamtes Schaffen - inbesondere auch, was die Einarbeitung von "Alltagsmusik" (Märsche, Hymnen, Ragtimes, etc.) in seine Werke betrifft. Nächste Woche geht es weiter mit dem Song "The Things our Fathers Loved" (1917). -
Wer heute Abend in der Nähe von Frankfurt unterwegs ist, sollte sich das hier nicht entgehen lassen: http://www.negativ-film.de/2011/08/david-cronenbergs-erotik-groteske-crash.html
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Crunch Time (5): Thomas Newman.
Sebastian Schwittay antwortete auf Souchaks Thema in Komponisten Diskussion
Yea. Zwar klingt bei Newman im Dramen-Fach vieles ähnlich - aber er versteht es ausgezeichnet, träumerisch-entrückte Atmosphären zu erschaffen, Scores voller Zärtlichkeit und Subtilität, die trotz ihres leisen Charakters einen sehr starken emotionalen Eindruck hinterlassen. Ein Paradebeispiel hierfür ist für mich sein Score zu IN THE BEDROOM - mein erster Newman-Score auf CD und auch bis heute meine Lieblingsmusik von ihm. Dass er auch ganz anders kann, zeigt seine Musik zu THE GOOD GERMAN, ebenfalls einer meiner Newman-Favoriten. Eine großorchestrale, düster-bedrohliche Musik mit stilistischen Anleihen bei Max Steiner und anderen Golden-Age-Größen. -
Ich verstehe immer noch nicht, wo du in seinen SCREAM-Scores kompositorische Klasse entdeckst. Das ist zwar solide ausgearbeitete Routine, aber eben leider auch ziemliches Stückwerk ohne große dramaturgische Entwicklungs- und Spannungsbögen. DON´T BE AFRAID OF THE DARK klingt da schon deutlicher breiter auskomponiert, im sinfonischen Sinne.
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Höre gerade im US-iTunes rein: schon in den kurzen Clips schimmert ein hochkarätiger, brillant gearbeiteter Score durch, der möglicherweise zum Besten zählt, was Beltrami je im Horror-Genre geschrieben hat. Allein die "Main Titles" rechtfertigen schon den Kauf. 2011 ist wohl das Beltrami-Jahr schlechthin!
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Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
Da das Board vergangenen Freitag bzw. das ganze Wochenende nicht zu erreichen war, starte ich meine Einführung in die Ives-Songs am kommenden Freitag. Würde mich übrigens auch über Meinungen und Eindrücke von anderen zu Ives' Musik freuen - bisher haben sich ja nur wieder die üblichen Verdächtigen geäußert... -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
MELANCHOLIA (Lars von Trier) Der Planet Melancholia nähert sich der Erde, droht mit ihr zu kollideren. Währenddessen verfällt Justine (Kirsten Dunst) auf ihrer Hochzeit in eine schwere Depression - die Feier platzt, die Trauung findet nicht statt. Ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) nimmt Justine bei sich, ihrem kleinen Sohn und ihrem Mann (Kiefer Sutherland) auf. Auf dem idyllischen Landsitz der Schwester erwarten die vier das Ende der Welt. MELANCHOLIA ist Lars von Triers bester Film seit DOGVILLE, auch wenn er mit diesem stilistisch wenig gemeinsam hat. Neben dem typischen von Trier'schen Realismus (etwa in den Hochzeits-Szenen, die etwas an Thomas Vinterbergs FESTEN erinnern) ist es dieses Mal vor allem ein schwelgerisch-(spät-)romantischer Stil, der große Teile des Filmes prägt. Die romantische Ebene wird durch den prägnanten Einsatz von Wagners "Tristan und Isolde" beinahe überbetont. All das macht MELANCHOLIA zu einem durchaus stilisierten, "schwülstigen", aber auch unbeschreiblich schönen Film, dessen glorreicher Cast zu schauspielerischen Höchstformen aufläuft. Kirsten Dunst, Kiefer Sutherland und John Hurt bewundert man in ihren besten Darstellungen seit langem; ich würde gar soweit gehen und behaupten, Dunst spielt hier die Rolle ihres Lebens. Fazit: ein Meisterwerk, der bisher beste Film des Jahrgangs, noch vor Malicks THE TREE OF LIFE. -
http://www.negativ-film.de/2011/08/roman-polanskis-carnage-erster-trailer.html Lässt Großartiges erwarten!
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Strombergs eigene Kompositionen sind eigentlich durchgehend klasse. Sowohl seine Doku-Scores (TRINITY AND BEYOND), als auch STARSHIP TROOPERS 2, der üppig instrumentiertes, schwungvolles Actionscoring à la Max Steiner mit scharfkantig-modernistischen, Penderecki-nahen Passagen kombiniert. Ehrlich gesagt finde ich die Stromberg-CD auch weitaus interessanter als den Scott, auch in Sachen Hörclips.
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Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
Ich werde im Laufe der nächsten Zeit verschiedene Ives-CDs näher vorstellen und empfehlen - aber meine absolute Lieblings-Ives-Platte ist und bleibt diese hier: Charles Ives: An American Journey Michael Tilson Thomas spielt mit der San Francisco Symphony und dem San Francisco Symphony Chorus verschiedenste Ives-Werke ein und präsentiert sie in einer bunten und abwechslungsreichen Zusammenstellung. Enthalten sind die "Three Places in New England", verschiedene Ives-Lieder in Original-Besetzug für Klavier und Singstimme, aber auch in Bearbeitungen für Orchester und Chor, und auch "The Unanswered Question" in einer besonders feinsinnigen, zurückhaltenden Interpretation. Ein großartiges Album, klanglich spitze und interpretatorisch auf höchstem Niveau. Eine meiner liebsten Klassik-CDs überhaupt! -
Sieht von der Seite ein bisschen nach Robin Williams aus...
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Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
Freut mich, dass dir die Musik gefällt. Freitag startet dann meine wöchentliche Song-Vorstellung, jede Woche einen. Bei 114 Songs haben wir einiges vor uns... Ob Zappa Ives-Anhänger war, weiß ich nicht - auf jeden Fall war er Anhänger von Edgar Varèse. Ein weiterer Außenseiter und Querkopf der Musik des 20. Jahrhunderts, der auch mal mit einem eigenen Thread geehrt werden könnte. -
Nur aufgrund der Verwendung von karibischer und mittelamerikanischer Percussion auf eine konzeptionelle Ähnlichkeit zu schließen, finde ich etwas gewagt. Kompositorisch haben beide Scores nämlich ziemlich wenig gemein. Er meint wohl "Rescuing Sarah" - Eddie wird nämlich (leider) nicht gerettet. Mit dem hatte ich schon als Kind immer Mitleid, sehr fiese Sterbeszene.
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Eine Aussage, der ich mich durchaus anschließen könnte. Noch viel mehr anschließen kann ich mich samis RISE-Kritik - endlich mal jemand, der diesen Schmarrn in angemessen aggressivem Tonfall zerreißt. Ich hab mich da (auf der letzten Seite) viel zu sehr zurückgenommen... -
The Lost World: Jurassic Park - John Williams_____________________11 (+) Mighty Morphin Power Rangers - Graeme Revell____________________5 Masters of the Universe - Bill Conti______________________________9 (-) Cape Fear - Bernard Herrmann__________________________________17 In the Mouth of Madness - John Carpenter/Jim Lang________________10 (+) Brother - Joe Hisaishi__________________________________________17 The Man Without A Face - James Horner__________________________12 The Addams Family - Marc Shaiman______________________________13 Oh, THE LOST WORLD, einer meiner Williams-Lieblinge - da gibt´s natürlich gleich ein dickes Plus. Eine der exotischsten, aber auch schroffsten und grimmigsten Williams-Actionmusiken überhaupt. Die Percussion ist der Knüller, ebenso die modernistischen Ecken, die es in dieser extremen Form sonst nur selten bei Williams zu hören gibt.
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Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten - Martin Böttcher__________17 Mighty Morphin Power Rangers - Graeme Revell_______________________6 Masters of the Universe - Bill Conti________________________________10 (-) Cape Fear - Bernard Herrmann____________________________________17 (+) In the Mouth of Madness - John Carpenter__________________________9 (+) Brother - Joe Hisaishi___________________________________________17 The Man Without A Face - James Horner___________________________12 The Addams Family - Marc Shaiman_______________________________11 Bzgl. IN THE MOUTH OF MADNESS kann ich BigMacGyver nur zustimmen: ein wirklich origineller, unheimlicher Synthie-Score, wohl einer von Carpenters besten und stimmungsvollsten Scores.
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Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay antwortete auf Sebastian Schwittays Thema in Klassische Musik & Orchester
Stimmt so, hatte ich vergessen zu erwähnen - Herrmann setzte sich sogar noch vor Leonard Bernstein für Ives ein, bereits noch zu Ives' Lebzeiten in den 1940er Jahren. -
Der Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer
Sebastian Schwittay erstellte ein Thema in Klassische Musik & Orchester
Schon lange wollte ich diesen Komponisten (einen meiner Lieblingskomponisten der modernen klassischen Musik, neben Schostakowitsch und Penderecki) hier im Board vorstellen - jetzt packe ich es endlich an. Es geht um einen der bedeutendsten musikalischen Querköpfe des 20. Jahrhunderts und um einen der wichtigsten (wenn nicht gar um den wichtigsten) Komponisten der amerikanischen Musik: Charles Edward Ives (1874-1954). Ives wurde 1874 in Danbury, Connecticut als Sohn eines äußerst experimentierfreudigen Armee-Kapellmeisters geboren - sein Vater machte ihn schon in seiner Kindheit vertraut mit klassischer Musik, aber auch mit musikalischen Experimenten: so ließ Ives Sr. etwa zwei Blaskapellen durch die Stadt laufen, beide verschiedene Stücke in verschiedenen Tonarten spielend. Die Kapellen liefen aufeinander zu und entfernten sich wieder voneinander, wodurch ein ungewöhnlicher (räumlicher wie tonaler) Überlagerungseffekt entstand. Ebenfalls unternahm der Vater mit dem jungen Ives Experimente im bitonalen Gesang, also dem gemeinsamen Singen in zwei verschiedenen Tonarten. All das prägte den jungen Ives immens: bereits in seinen frühen Kompositionen finden sich bitonale Elemente und weitere experimentelle Ansätze. Von besonderem Einfluss auf Ives waren auch die traditionelle Blaskapellen-Musik, die alten Kirchenhymnen, die Rag-Times und die Parademärsche aus dem amerikanischen Alltag, die Ives seit seiner Kindheit ständig in seinem Umfeld hörte. Diese amerikanischen „Alltags-Melodien“ tauchen in Form von Zitaten überall in Ives‘ Musik auf und werden mitunter hochgradig originell und experimentell verarbeitet. Ab 1894 studierte Ives in Yale Komposition und wurde vertraut mit traditionellen Kompositionstechniken, den Werken Beethovens und Brahms' sowie der klassischen Sonatensatzform. Seine Erste Sinfonie (1897-1908) zeugt bereits von der handwerklichen Finesse des jungen Komponisten, lässt überdies aber auch schon (trotz Brahms-Nähe) individuelle Ansätze erkennen. Seine Zweite Sinfonie (1897-1909) ist dann geprägt von der Einarbeitung populärer amerikanischer Melodien, Volkslieder, Märsche und Hymnen - das wichtigste Charakteristikum von Ives‘ Musik, wie oben beschrieben. Die Struktur der Sinfonie verweist auf die Sinfonien europäischer Romantiker wie Brahms oder Dvorák, das musikalische Material jedoch (die zitierten Märsche, Hymnen, etc.) macht die Sinfonie durch und durch „amerikanisch“. Die erst 1951 von Leonard Bernstein uraufgeführte Sinfonie endet schließlich mit einem typischen Ives-Witz: der Abschluss des ansonsten absolut tonalen Werks ist ein schriller, atonaler Akkord der Blechbläser. Das Video springt gleich zum Schluss des Satzes: Nach seinem Studium beschloss Ives jedoch, einem traditionellen Beruf nachzugehen und ging in die Versicherungsbranche. Als Komponist arbeitete er fortan nur noch in seiner Freizeit. Vielleicht ist dies mit ein Grund dafür, warum seine Musik so außergewöhnlich originell und experimentell ist: da er nie darauf angewiesen war, mit seiner Musik Geld zu verdienen (in seiner Versicherungs-Agentur verdiente er gut genug), musste er sich folglich auch nie um die Befindlichkeiten des Publikums scheren. Das hatte jedoch auch zur Folge, dass seine Musik bis zu seinem Tod 1954 recht unpopulär blieb, und erst in den Jahren nach seinem Tod entsprechend gewürdigt wurde. Nach Ives' Tod bemühten sich zahlreiche Musiker, Komponisten und Dirigenten (u.a. Lou Harrison und Leonard Bernstein), der Musik Ives' posthum zu ihrem verdienten Ansehen zu verhelfen. Heute gelten seine Werke als wichtigste Wegbereiter einer eigenständigen amerikanischen Musikkultur und als bedeutende Vertreter des Modernismus, in denen Atonalität zum Teil noch vor Arnold Schönberg, und andere frühe Pionier-Leistungen zu entdecken sind. So gilt Ives u.a. auch als Vorreiter der Vierteltonmusik, in der die zwölf Halbtonschritte der chromatischen Tonleiter nochmal in Viertelton-Stufen aufgeteilt werden (was insgesamt 24 Töne pro Oktave macht). Schön zu hören ist dies in seinen "Three Quarter-Tone Pieces" für zwei Klaviere (1923/1924) - hier sind beide Klaviere so gestimmt, dass sie genau einen Viertelton auseinander liegen. Die daraus entstehenden Viertelton-Reibungen sind für unsere Ohren äußerst ungewöhnlich, man hat fast das Gefühl, "musikalisch seekrank" zu werden. Ein kleiner Eindruck, wie das Ganze klingt: Zu seinen wichtigsten Orchesterwerken zählen neben seinen vier Sinfonien und der unvollendeten "Universe Symphony" v.a. sein Orchestral Set No. 1, "Three Places in New England" (1903-1914), sowie die beiden einsätzigen Orchesterwerke "Central Park in the Dark" und "The Unanswered Question" (beide 1906). Letztere wird sehr häufig in Filmen verwendet, etwa in Terrence Malicks THE THIN RED LINE oder in Tom Tykwers LOLA RENNT. Doch erst zu den "Three Places in New England": hier entwirft Ives in drei Sätzen expressive Tondichtungen, die Landschaften und Ereignisse der amerikanischen Geschichte reflektieren. Der zweite Satz, „Putnam´s Camp, Redding, Connecticut“ bezieht sich auf einen Soldatenaufstand, bei dessen Gedenkfeiern Ives als Kind teilnahm. Der Satz vermischt unzählige Zitate aus Märschen, Hymnen und Soldatenliedern, schichtet sie polyrhythmisch übereinander und steigert sie in ein atonales Chaos, das trotzdem extrem unterhaltsam und spannend anzuhören ist. Diese experimentelle Überlagerung verschiedenster Zitate, Stil-Elemente, Rhythmen und Motive gehört zu den typischsten Ives-Kompositionen überhaupt - mit der Analyse aller verschiedenen Schichten dieses Stücks ließe sich eine Uni-Abschlussarbeit füllen. Das folgende YouTube-Video hat eine tolle Animation, die zur Thematik des Stücks (Soldaten, Märsche) passt: Auch der dritte Satz des Werks, „The Housatonic at Stockbridge“, ist hochinteressant, und darüber hinaus auch wunderschön. Inspiriert wurde Ives hier von einem Spaziergang, den er mit seiner Frau Harmony Twitchell im Sommer nach seiner Hochzeit unternommen hat: von der anderen Seite eines Flusses hörten die beiden die vom Wind herübergewehten Klänge der Erweckungshymnen eines Gottesdienstes. Über einem ruhigen, impressionistischen, polytonalen „Klangteppich“ der Streicher und Holzbläser erheben sich langsam die hymnischen Gesänge des Gottesdienst-Chors und steigern sich zu einer dissonanten Klimax, auf deren Höhepunkt der Chor schließlich abbricht, und die ruhigen Streicher-Klänge vom Anfang das Stück sanft ausklingen lassen. Ein wundersamer, faszinierender, magischer Satz, einer der größten Momente in der Musik des 20. Jahrhunderts: „Central Park in the Dark“ und „The Unanswered Question“, beides einsätzige Werke von etwa 7 Minuten Länge, sind weitere Ives-Werke von enormer Bedeutung. „Central Park in the Dark“ beschreibt musikalisch eine Sommernacht im Central Park: über leisen, impressionistischen Streicher-Akkorden, die die nächtliche Natur darstellen, erklingen nach und nach immer mehr „Klangfetzen“ von populären Melodien, die aus Bars und Kneipen „herübergeweht“ werden: man kann sich förmlich vorstellen, wie man im Central Park sitzt und den Geräuschen des Nachtlebens lauscht. Ein Rag-Time aus einer Kneipe, eine gepfiffene Melodie eines Passanten, etc. ... „The Unanswered Question“ ist eine philosophisch angehauchte Komposition, die, grob formuliert, die Frage nach dem Sinn des Lebens zum Thema hat. Auch hier haben wir als musikalisches „Fundament“ einen ruhigen, meditativen Streichersatz, über dem mehrere Male eine Solo-Trompete ein fragendes Motiv erklingen lässt (die Frage nach dem Sinn). Dissonante Holzbläser versuchen zu antworten bzw. eine Antwort auf die Frage zu finden, verstricken sich aber immer wieder in Dissonanzen und Widersprüche. Ein letztes Mal stellt die Trompete ihre (Sinn-)Frage, und es kommt keine Antwort mehr... nur der ruhige, immer gleich bleibende Streichersatz ist noch zu hören, der nun langsam verklingt. Steht der Streichersatz für Gott, der keine Antworten gibt? „The Unanswered Question“ ist eines der schönsten und wohl auch zugänglichsten Stücke von Ives. Aufgrund ihres meditativen, vergeistigten Charakters wurde die Komposition, wie oben erwähnt, in vielen Filmen verwendet, bevorzugt in Sterbeszenen (LOLA RENNT, THE THIN RED LINE). Ebenfalls ließ sich David Shire in seiner Filmmusik zu ZODIAC von „The Unanswered Question“ inspirieren: auch Shire verwendet hier die Solo-Trompete, die immer wieder ein fragendes Motiv einwirft - eine Frage nach der wahren Identität des Zodiac-Killers; eine Frage, die ebenfalls (bis heute) unbeantwortet blieb. Ein weiterer, wichtiger Teil von Ives‘ Schaffen sind seine insgesamt 114 Songs - Kunstlieder für Singstimme und Klavier, alle entstanden zwischen 1888 und 1921. Für mich zählen die Songs zu Ives persönlichsten, gehaltvollsten und interessantesten Kompositionen. Auf kleinstem Raum ballt Ives unglaublich viele Ideen: die meisten seiner Songs dauern nur rund eine Minute, stecken aber voller Witz, Experimentierfreude und hochinteressanter Ideen. Die kürzesten seiner Songs dauern nur rund 30 Sekunden, die längsten gerade mal 4 Minuten. Ich werde ab jetzt, den ganzen Spätsommer über, jede Woche einen Ives-Song in diesem Thread vorstellen - der „Charles-Ives-Gedächtnis-Spätsommer“ des Soundtrack-Boards. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Interesse wecken für diesen Komponisten, der einige der schönsten, aufregendsten und außergewöhnlichsten Werke des 20. Jahrhunderts zu verantworten hat. Ein Komponist, der die strenge Welt der klassischen Musik mit der Welt der Unterhaltungs- und Alltagsmusik (Volkslieder, Hymnen, Parademärsche, etc.) gekreuzt hat und so hochinteressante musikalische Collagen geschaffen hat. Und so schließe ich mit den Worten Arnold Schönbergs über Ives: „There is a great man living in this country, a composer. [...] His name is Ives.“