Zum Inhalt springen
Soundtrack Board

Angus Gunn

Mitglied
  • Gesamte Inhalte

    745
  • Benutzer seit

  • Letzter Besuch

Alle Inhalte von Angus Gunn

  1. Der Versicherungsagent Walter Neff verfällt der berechnenden Schönheit Phyllis und wird von ihr in ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann verwickelt um eine hohe Versicherungssumme einzustreichen. DOUBLE INDEMNITY ist einer der stimmigsten Noirs überhaupt und besitzt seinen Klassiker-Status völlig zu Recht. MacMurray und Robinson sind vorteilhaft gegen ihre sonstigen Rollenmuster besetzt, und Barbara Stanwyck ist imposant in der Rolle der Femme Fatale. Imposant ist auch die Musik von Miklos Rozsa. In der Vorspannsequenz sehen wir die Silhouette eines an Krücken gehenden Mannes, der sich langsam auf die Kamera zubewegt. Dazu erklingt eine dramatisch-düstere, auf einer Folge von 4 Tönen aufbauende Titelmusik, die bereits für die kommenden Ereignisse kein gutes Ende in Aussicht stellt. Mit dem gleichförmigen Rhythmus, der das Stück begleitet, bekommt man den Eindruck einer fatalen, unentrinnbaren Abwärtsspirale, die nur im Desaster enden kann. Und so kommt es dann ja auch. Beim ersten Zusammentreffen von Neff und Phyllis läßt die Inszenierung keinen Zweifel an ihrer intellektuellen und sexuellen Überlegenheit. Sie erscheint, nur mit einem Badetuch bekleidet, oben an der Treppe und blickt während der Konversation auf ihn herab. In dieser Szene bringt Rozsa erstmals das anmutige Liebesthema zu Gehör. Ein mehrfach wiederkehrendes Motiv ist auch eine unruhige Streicherfigur, die im Booklet als Verschwörungsthema bezeichnet wird. DOUBLE INDEMNITY ist kein Actionfilm, und doch steckt der Score voller dramatischer Spannung, mit der Rozsa die aufgewühlten Emotionen auf akustischer Ebene erfahrbar macht bis eine Solo-Violine Neffs fatales Ende einleitet. Viele Jahre hat die James-Sedares-CD ihre wertvollen Dienste geleistet. Inzwischen, nach dem Erscheinen der Originalaufnahme, kommt mir die Sedares-Version längst nicht mehr so wertig vor wie dereinst. Zu schwerfällig und zu glatt erscheint mit die Einspielung gegenüber dem dynamischeren, prägnanteren von Irvin Talbot geleiteten Original. https://www.youtube.com/watch?v=wshGMhd65Nc
  2. THE DESPERATE HOURS (Musik: Gail Kubik, Daniele Amfitheatrof) Drei flüchtige Kriminelle quartieren sich mit Gewalt für zwei Tage und Nächte bei einer amerikanischen Mittelstandsfamilie ein. William Wylers ungemein spannender, größtenteils als Kammerspiel angelegter Thriller ist zu gleichen Teilen Gangster-Drama wie auch eine packende Studie menschlicher Verhaltensweisen in einer psychologischen Ausnahmesituation. Wie gut dieser Film ist, merkt man vor allem dann, wenn man sich Michael Ciminos Remake von 1990 ansieht, das zwar auch seine Vorzüge hat, aber insgesamt deutlich blasser ausfällt. Auch der dort in der Schurkenrolle agierende Mickey Rourke ist keine Konkurrenz für den wesentlich charismatischeren Bogart. Komponist Gail Kubik, der mit Wyler schon an zwei Dokumentarfilmen gearbeitet hatte, entfernt sich mit aggressiven, stampfenden Rhythmus-Gebilden so radikal vom damals noch verbreiteten Golden-Age-Stil, dass Wyler von Produzent Don Hartmann dazu gedrängt wurde, Teile der Komposition aus dem Film zu entfernen. Die Szenen der finalen Konfrontation Bogarts mit der Polizei sind dann auch von Amfitheatrof vertont, der ebenfalls wirkungsvolle Thriller-Klänge beizusteuern wußte, die aber schon in deutlich konventionelleren Gefilden angesiedelt sind. Eine trotz ihrer Kürze sehr interessante, und gerade für ihre Entstehungszeit bemerkenswerte Filmmusik, die auf Intradas glorreichem "Film Noir at Paramount"-CD-Set in sauberem Stereo-Klang ihre verdiente Premiere hatte. Die Musik zu den Schlußszenen stammt übrigens ebenfalls von Amfitheatrof, findet sich aber nicht auf der CD. Statt dessen wird die Suite mit dem nicht verwendeten Kubik-Finale beendet.
  3. Und auch FRAU OHNE GEWISSEN. Und das bringt mich zu einem weiteren tollen Noir, den ich sehr schätze: THE BLACK BOOK (a.k.a. REIGN OF TERROR) - Musik: Sol Kaplan Während der französischen Revolution schlüpft Charles D´Auvigny (Robert Cummings) in die Rolle eines Vertrauten Robespierres und erhält als solcher den Auftrag das sogenannte "Schwarze Buch" wiederzubeschaffen, da dessen Inhalt (eine Liste von politischen Gegnern, die hingerichtet werden sollen) bei Bekanntwerden die Machtbestrebungen Robespierres beenden könnte. Das Spionage- und Intrigenspiel, das sich nun entwickelt, ist von Anthony Mann in düsteren Bildern mit eindrucksvollen Licht- und Schattenkontrasten inszeniert worden. Auch wenn Assoziationen zur damaligen Gegenwart (vor allem natürlich der McCarthy-Ära) beabsichtigt waren, so läßt sich doch die interessant ausgeklügelte Geschichte auch abseits der politischen Botschaft als spannendes und optisch wunderschön umgesetztes Noir-Drama goutieren. Lohnenswert ist auch hier der Blick auf die Filmmusik. Sol Kaplan mußte in der deutschen Fassung vollständig das Feld räumen. Statt dessen begleitet den Titelvorspann Miklos Rozsas Main Title von DOUBLE INDEMNITY (nicht die Filmeinspielung, sondern ohrenscheinlich eine später entstandene Aufnahme). Gerade die ersten drei Minuten machen sehr schön den Unterschied beider Versionen deutlich. Nach den Feuersbrünsten des Vorspanns folgt eine kurze Einführung in die Handlung samt Vorstellung der Protagonisten durch einen Erzähler. Dann sehen wir eine sehr beeindruckende Szene in der ein Reiter in rasantem Tempo über eine Hügelkuppe bis zu einer Mühle galoppiert, über ihm der von Quellwolken durchzogene Abendhimmel. Diese erste Szenenfolge bekommt durch die Rozsa-Fremdverwertung eine schwermütige, schicksalhafte Tragik. Funktioniert irgendwie. In der Originalfassung ist die Wirkung allerdings um einiges besser. Denn Kaplans Score ist wesentlich aufbrausender, kommt erst zur Ruhe, wenn D´Auvigny samt Pferd die Mühle nach dem Treffen mit dem Informanten wieder verläßt. Kurz: Man merkt sofort, dass diese Musik auch hierfür geschrieben wurde. Die Stimmung ist eine völlig andere, dynamischer und mitreißender, akzentuierend und anschmiegsam. Eine tolle Musik, die Kaplan wiedermal als Meister seines Fachs zeigt.
  4. Da kommt es auf den Einzelfall an. Bei LAURA sind die Musikänderungen wesentlich offensichtlicher, also auch ohne geschultes Gehör meiner Meinung nach klar zu benennen. Auch bei CASABLANCA ist nach der Titelmusik die kleinere Orchesterbesetzung herauszuhören, auch ohne speziell darauf zu achten. STAGECOACH sowieso. Aber im Fall von HIGH SIERRA wird das schon schwieriger. Dort wurde abgesehen vom Main Title die Musik fast vollständig, oder sogar komplett ausgetausch, wenn ich mich jetzt nicht irre. Aber wie soll man das ohne Kenntnis des englischen Originals wissen? Würde ich nur die deutsche Fassung kennen, wäre ich wohl auch hereingefallen, wobei es natürlich was anderes ist als Fan und Filmliebhaber etwas in ein Forum zu tippen, oder eben als Musikwissenschaftler ein Buch über Filmmusik zu schreiben. Wieder eine sehr amüsante Anekdote übrigens
  5. Ja, stimmt. Bei Dialogszenen zwischen Milland und Reynolds wurde Musik ersetzt oder frühzeitig ausgeblendet. Ich muß sagen, dass hier seitens der Synchronverantwortlichen wirklich sorgfältig gearbeitet wurde. Wo immer es möglich war, ist Young dringeblieben, und alles andere wurde durch gut ausgewählte, adäquate Stücke ersetzt. Leise unter die Dialoge gelegt, ist mir das hier, wie man sieht, kaum aufgefallen.
  6. Ich hab´ gerade mal zwei Stichproben gemacht. Einmal in der Szene in der 16. Minute als Milland die Detektei aufsucht, und dann das komplette Finale, von dem Moment an wenn Milland und seine Partnerin die Treppe zum Dach hochlaufen. Es ist definitiv in beiden Szenen der Score von Young der dort läuft, deckungsgleich auch in der deutschen Fassung. An die übliche Archivmusik kann ich mich im ganzen Film auch nicht erinnern. Und das macht die Sache sehr interessant, denn dann scheint es doch von dieser einen Synchronisation (nämlich die aus den 70ern mit Christian Rode auf Milland) wiederum zwei verschiedene Bearbeitungen, bzw. Abmischungen zu geben. Jedenfalls kann ich mir das anders nicht erklären.
  7. Auch von mir ein großes Dankeschön für diesen Aufwand! Mir war bisher nicht bewußt, wieviel Spuren er im Rockbereich hinterlassen hat. Dabei hatten wir früher den Film THE WALL als 35mm-Kopie zu Hause und auch des öfteren gesehen. Die verlinkten Songs sind zum Teil richtig gut (nur Metallica sind nicht so meins, mir war auch gänzlich unbekannt, dass er auch mit denen zusammengearbeitet hat) und bei einigen meint man Kamen deutlich herauszuhören. Als Filmkomponist mag ich nicht alles von ihm, aber bei Gelegenheit komme ich vielleicht mal auf mein Lieblings-Soundtrack-Album von ihm zu sprechen.
  8. Ministry of Fear (Musik: Victor Young) England 1944: Stephen Neale (Milland) wird aus der Nervenheilanstalt entlassen, in die man ihn wegen der geleisteten Sterbehilfe an seiner Frau eingewiesen hat. Auf einem zufällig aufgesuchten Wohltätigkeitsbasar gewinnt er eine Torte, die er anscheinend nicht hätte gewinnen dürfen. Wenig später sitzt er mit einem vermeintlich Blinden im Abteil, bis der Zug wegen eines Fliegerangriffs auf freier Strecke halten muß. Der Fremde schlägt ihn nieder, flüchtet mit dem Kuchen in die Landschaft hinaus, wird aber von einer Fliegerbombe erwischt, die einen großen Krater zurückläßt. Im Schutt findet er nur noch die Pistole des Fremden. Seine Nachforschungen bringen Neale daraufhin auf die Spur eines Spionagerings der Nazis. Angeblich war Fritz Lang mit dem Drehbuch nicht einverstanden und hat den Film nur wegen seiner vertraglichen Verpflichtung abgedreht. Ich muß mich wundern, was dennoch daraus geworden ist. Der Film ist großartig, straff erzählt und unterhält von der ersten bis zur letzten Minute blendend. Mit seinen skurrilen Szenarien (zu denen auch eine tragisch endende Seance zählt) balanciert er haarscharf an der Grenze zur Satire entlang, ohne aber wirklich ins Alberne abzudriften. Beim finalen Schußwechsel auf einem verregneten, nächtlichen Dach werden Neales im Dunkeln stehende Gegner immer nur für Sekundenbruchteile im aufblitzenden Mündungsfeuer sichtbar. Und auch hier vertrödelt Lang keine überflüssige Zeit und beendet den Film auf ähnlich effiziente Weise, wie man es von Hitchcock her kennt. Überhaupt weißt der Plot unübersehbare Parallelen zu den Werken des Suspense-Meisters auf, inklusive Mikrofilm-MacGuffin. Bevor ich noch mehr ins Schwärmen gerate, noch ein paar Anmerkungen zur Musik: Victor Youngs Score ist sehr effektiv, wird sparsam dosiert und ist gerade im Titelvorspann (der über einem schwingenden Uhrenpendel abläuft) von schwerer, packender Dramatik. Ohne jetzt einen 1:1-Vergleich angestellt zu haben scheint in diesem erfreulichen Fall die Filmmusik in der deutschen Synchronfassung vollständig erhalten geblieben zu sein.
  9. Terence Hill als britischer Upperclass-Snob mit Neigung zu Poesie und Frühsport unter raubeinigen Wild-Westlern. VERFLUCHT, VERDAMMT UND HALLELUJA ist eine seiner besseren Komödien, deren Musik gerade zum dritten Mal auf CD erschienen ist. Der musikalische Ansatz ist dem des erfolgreichen Vorgängers VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA sehr ähnlich. Den Rahmen setzt der Titelsong "Don´t Loose Control", eine geschmeidige Pop-Ballade mit Country-Flair, wieder von Gene Roman interpretiert. Verschiedene Instrumental-Versionen folgen, von denen gerade ARRIVO IN TRENO mit schlichtem Banjo-Solo gefällt. Hübsch und süßlich mit Harfe und singender Säge (!) auch IL GIORNO DEI CAVALLI BIANCHI, bei dem der Sirup von den Streicherbögen rinnt. Eine Romanze zwischen Hill und Yanti Somer wird von Regisseur Barboni in kitschig-schönen Bildern präsentiert und die Komponisten reagieren darauf mit dem nicht minder zuckrigen TEMA DI CANDIDA. Erwähnenswert ist noch der anmutige Gospel "Jesus Come To My Heart" (Nora-Orlandi-Chor) und SFIDA IN PAESE, dem einzigen Stück des Albums, das mit milden Slapstick-Klängen die komödiantische Seite des Films berücksichtigt. Ein charmanter Score, der aber eine gewisse Unempfindlichkeit gegenüber dick aufgetragenem Romantik-Kitsch einfordert. Andernfalls droht akute Überzuckerung.
  10. Das allgemeine Interesse läßt nach, das stimmt. Erst vor kurzem sind zwei Sol Kaplans bei Counterpoint erschienen, die eigentlich viel mehr Aufmerksamkeit in den Foren verdient hätten, als ihnen letztlich zuteil wird. Ich kann an dieser Stelle nur eine nachdrückliche Empfehlung aussprechen, denn diese beiden CDs sind wirklich klasse!
  11. Ein bei uns nicht gezeigter, italienischer Fernsehfilm aus dem Jahr 1973, der einen authentischen Fall nachzeichnet. Zur Zeit des ersten Weltkriegs stellt sich der Militärseelsorger Don Giovanni Minzoni in der Provinz Ferrara gegen die dortige Terrorpolitik und wird daraufhin von den faschistischen Machthabern getötet. Der Film rekonstruiert das Verbrechen bis hin zum Prozeß gegen die Mörder im Jahr 1925. Ein durchaus zeittypischer, anspruchsvoller Stoff also, den De Angelis mit einem außerordentlich schönen, melancholisch-traurigen Thema mit Folk-Anstrich versehen. Auch ohne Kenntnis des Films würde ich eine vollständige Edition der Musik begrüßen. Neben der Vinyl-Single wurde dieses Thema meines Wissens nach bisher nur ein einziges Mal auf CD verwertet, und zwar auf dem wirklich gelungenen RCA-Sampler GLI ANNI D´ORO, auf dem sich auch solche Bonmots wie die Instrumentalversionen von DUNE BUGGY und WHY IS EVERYONE SO MAD finden.
  12. Vielen dank für die Archiv-Musik-Tipps. Da kommt mir beim Querhören auch so einiges bekannt vor. Die Raksin-Anekdote ist ja wirklich genial. Und das passiert auch noch einer Filmhochschule. Viel mehr blamieren kann man sich eigentlich nicht . Alternativ kann man auch zu PREMINGER AT FOX von Kritzerland greifen. Mit der dort enthaltenen 27-Minuten-Suite aus LAURA kann man eigentlich sehr zufrieden sein. Außerdem enthält dieses 2-CD-Set u.a. noch Cyril Mockridges Musik zu WHERE THE SIDEWALK ENDS, den Preminger wieder mit Andrews und Tierney in den Hauptrollen gedreht hat, und den ich als Film sogar noch mehr schätze als LAURA.
  13. Und genau wegen dieser Notsituation mache ich da auch niemandem einen Vorwurf. Irgendwo müßte ich auch noch die Ausgabe der Filmharmonischen Blätter haben, in der Dein Leserbrief zu dem Thema abgedruckt ist. So schließen sich nach über 30 Jahren die Kreise. Interessant der Hinweis, dass DIE SPUR DES FALKEN vorher hier untertitelt in den Kinos lief. Ist mir neu.
  14. Als Synchron-Fan habe ich weniger Probleme mit den deutschen Fassungen. Mit einer Ausnahme: THE MALTESE FALCON. Denn hier gehen mir die Verfälschungen wirklich zu weit, sowohl bei den gegenüber dem Original wesentlich flapsigeren Dialogen, wie natürlich auch bei der Musikauswahl. Früher, als ich DIE SPUR DES FALKEN im Fernsehen sah, da war noch alles in Ordnung, denn ich wußte ja nichts von den Begleitumständen. Und es war auch völlig klar, dass Adolph Deutsch für jenes flockige Jazz-Geklimper verantwortlich war, das den ganzen Film durchzog. Erst Anfang der 2000er Jahre wurde ich durch das Erscheinen der DVD und vor allem der Filmmusik-CD gewahr, welch verheerende Eingriffe hier stattgefunden haben. Trotzdem hat die Synchronfassung als Zeitdokument für mich ihre Berechtigung. Und bei der Gelegenheit nochmal meine Ehrerbietung an das Morgan-Stromberg-Team für diese tolle Einspielung:
  15. "Vorerst" war in der Tat etwas optimistisch. Ich kann mit der TV-Synchro gut leben, aber bedauerlich ist dieser fahrlässige Umgang mit Kulturgut schon.
  16. Amerikanischer CIA-Mann bekommt es in Rom mit einem Geiselnehmer zu tun, der sich in einem Hotelzimmer verschanzt hat. Ein exzellenter Politthriller von Damiano Damiani (mit Tony Musante, Claudia Cardinale), der völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und im Schatten seiner Meisterwerke DER CLAN... und ICH HABE ANGST steht, diesen aber aus meiner Sicht in nichts nachsteht. Die Musik ist zwar repititiv, trifft aber mal wieder perfekt den Ton. Das Hauptthema ist dem Musante-Charakter zugedacht. Synthetische Instrumentierung über handgeschlagenen Percussions und rocklastigen Gitarrenläufen erzeugen das nötige Flair für den stoischen, abgeklärten CIA-Agenten. Das zweite Thema gehört dem Geiselnehmer (John Steiner). Enervierend und disharmonisch, erzeugt es ein Gefühl von Kälte und Unbehagen. Gerade beim Finale, wenn Geiseln und Geiselnehmer mit Motorradhelmen vermummt durch die dunklen Hotelflure ihrem Zielort zustreben, erwirkt die Musik zusammen mit den düsteren Bildern eine beträchtliche Spannungssteigerung. Leider fehlten auf den Masterbändern ausgerechnet Titel- und Schlußmusik, die beide in mäßiger Tonqualität vom DVD-Ton gezogen wurden. Auch findet sich hier nicht der großartige Song "A Man on the Boat" (eine gesungene Version des Titelthemas), der nicht im Film vorkommt, aber möglicherweise als Titelsong angedacht war, denn der Text paßt exakt auf die Musante-Figur.
  17. In diesem Faden soll es um die Filme gehen, die im Allgemeinen mit dem Begriff FILM NOIR (bei uns auch als "Schwarze Serie" bekannt) umschrieben werden. Der Begriff wurde von französischen Kritikern geprägt, und obwohl der FILM NOIR kein eigenes Genre ist so ist er doch in der Regel (aber nicht nur) in der Kriminalliteratur von Schriftstellern wie Woolrich, Chandler und Hammett verwurzelt, um mal die bekanntesten zu nennnen. Zu seinen Eigenschaften zählen neben der stimmungsbetonenden Schwarz-weiß-Fotographie eine dichte Atmosphäre und ein tendenziell pessimistisches Menschen- und Weltbild. Klar abgesteckt sind die Grenzen nicht. So ist in der rühmlichen "Film-Noir"-Kollektion von Koch beispielsweise auch das Spukhaus-Drama THE UNINVITED (1944) zu finden, das ich persönlich nicht dort eingliedern würde, aber da gehen die Ansichten halt auch mal auseinander. Im Allgemeinen wird John Hustons THE MALTESE FALCON (1941) als der erste, und Orson Welles´ TOUCH OF EVIL als der letzte Film dieser Gattung definiert, daher habe ich mal diese beiden Jahreszahlen als Rahmen gesetzt. Natürlich sollte auch und gerade die Filmmusik im Fokus stehen, unabhängig davon ob sie als Soundtrack-Veröffentlichung existiert oder nicht, denn oft sind auch bloße Vergleiche der Originalversion mit der deutschen Synchronfassung interessant. Da ich ein großer Anhänger dieser Filme bin, aber längst nicht alles kenne, was es in diesem Bereich gegeben hat, springt vielleicht auch für mich der ein oder andere Geheimtipp heraus. Los geht´s mit: LAURA ist ein hinreißend fotographiertes Kriminaldrama mit Mystery-Touch, das nahezu gänzlich ohne Action auskommt und stattdessen mit ausgefeilten Charakteren und brillanten Dialogen fesselt. Der Kriminalbeamte McPherson untersucht den gewaltsamen Tod von Laura Hunt. Beeindruckt von ihrem Porträt über dem Kamin, steigert er sich bis zur Besessenheit in den Fall und Lauras Charakter hinein, bis die Totgeglaubte sehr lebendig vor ihm steht.... Einer der schönsten Noirs mit einem wunderbaren Schaupieler-Ensemble, von dem vor allem Clifton Webb als zynischer Radiokolumnist Waldo Lydecker beeindruckt. In einer Szene, in der Laura ihn in einem Restaurant um eine Gefälligkeit bittet und beim Dinieren stört, legt er entnervt das Besteck beiseite und unterbricht sie harrsch: "Hören Sie, junge Frau. Entweder Sie haben Ihre Erziehung in unglaublich rustikaler Gesellschaft genossen, wo gute Manieren unbekannt sind, oder Sie leiden an der üblichen Selbsttäuschung, dass die bloße Tatsache eine Frau zu sein, sie von den Regeln zivilisierten Verhaltens entbindet. Oder möglicherweise beides." Die Filmmusik von David Raksin ist monothematisch konzipiert und umwabert das Geschehen mit dem einschmeichelnden Laura-Thema ("nicht gerade klassisch, aber hübsch"), das sich samtig durch die Handlung schlängelt. Es ist sicherlich eine der bekanntesten Filmmelodien der 40er Jahre, und dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass für die (TV-) Synchronisation mit wesentlich kleinerem Ensemble eine neue Filmmusik eingespielt wurde, die das Laura-Thema ebenfalls verwendet, sich aber an anderer Stelle leider auch im Ton vergreift. So werden beispielsweise die Szenen gegen Ende, als sich im Gespräch zwischen Tierney und Andrews des Rätsels Lösung allmählich abzeichnet, von einer viel zu modern klingenden Komposition begleitet, die man eher in einer "Kommissar"-Folge aus den 70er Jahren verorten würde. Und höre ich in der Restaurant-Szene im Hintergrund etwa ein Keyboard heraus? Ich fürchte ja.... Derlei Ausrutscher hätten nicht sein müssen, denn im Großen und Ganzen will ich die Synchronisation nicht verteufeln. Vor allem Webb und Price haben exzellente Sprecher bekommen, und rein von der stimmlichen Besetzung her gibt es hier nichts zu beanstanden. Auch die neue Musik des mir unbekannten Musikers geht trotz mancher Schwäche für mich aber in Ordnung, obwohl immer dann ein Qualitätssprung zu bemerken ist, wenn zwischendurch Raksins Originalmusik erhalten geblieben ist. Dies ist z.B. in der Szene der Fall, in der McPherson allein und gedankenversunken vor dem Porträt in ihrer Wohnung sitzt bis die angeblich ermordete Laura zur Tür hereinkommt. Wirklich gerne würde ich LAURA mal in der Kinosynchronisation erleben, aber daran ist vorerst wohl nicht zu denken. "In meinem Fall ist Egoismus vollkommen gerechtfertigt. Ich habe nie irgend etwas entdecken können, das sich meiner Aufmerksamkeit würdig erwiesen hätte" (Waldo Lydecker)
  18. Zur neuen Edition: Das bisherige Album war mehr eine Collage aus Rotas Musik und Live-Atmosphäre aus dem Zirkuszelt, was ich auch stets als angemessene Art der Präsentation empfunden habe. Jedoch birgt der originale Filmscore nun doch einige Überraschungen und erweist sich als unerwartet unterhaltsam. Denn neben den Märschen und Paraden (teils aus Rotas Feder, teils Arrangements berühmter Musikstücke, u.a. natürlich der unvermeidliche "Einzug der Gladiatoren") finden sich auch mehrere melancholische Varainten des Hauptthemas (z.B. mit Celesta in Track 17). Wie auch die ein oder andere herrliche Klavierpassage, das elegante FASCINATION, der Walkürenritt und manch anderes Kleinod. Alles Dinge, die auf dem Original-Album entweder fehlten oder mit Dialog versetzt waren. Ein besonderes Fundstück ist aber das mit klagendem Trompeten-Solo intonierte EBB TIDE, wegen dem allein sich der Kauf der CD für mich bereits gelohnt hat. Unterm Strich ist I CLOWNS bisher die einzige CD aus der Reihe der Fellini/Rota-Expandierungen die gegenüber dem originalen Album eine wirklich substanzielle Alternative bietet.
  19. Selbe Situation bei mir. Allerdings mag ich auch den Film immernoch ganz gern, so bescheuert er auch ist. Gibt´s doch schon längst! Heißt "Lone Wolf McQuade". Allerdings darf davon gerne mal die LP-Version erscheinen, die sehr gut zusammengestellt war und außerdem zumindest teilweise alternative Einspielungen bietet.
  20. KENNWORT 777 Prohibitionszeit in Chicago: Seit 11 Jahren sitzt Frank Wiecek (Conte) wegen Mordes an einem Polizisten im Gefängnis. Seine Mutter ist von seiner Unschuld überzeugt und setzt für eine entlastende Aussage eine Belohnung von 5000 Dollar aus. Reporter McNeal (Stewart) spürt dem Fall nach. Ein verdammt guter Film, den ich bisher nicht kannte, und der mich gerade wirklich gefesselt und begeistert hat. Es handelt sich um einen authentischen Fall, den Henry Hathaway nüchtern und sachlich, teilweise mit dokumentarischen Mitteln, erzählt. Ganz wie im ähnlich gelagerten THE WRONG MAN gibt es auch in KENNWORT 777 keinerlei Kintopp-Action und das Finale besteht lediglich im vermeintlich unspektakulären Bearbeiten einer Beweis-Fotografie. Und doch weiß der Film durchgehend enorm spannend zu unterhalten. So sind die Szenen zwischen McNeal und der Mutter des angeblichen Mörders von erschütternder Eindringlichkeit, und ein banaler Lügendetektor-Test besitzt mehr Thrill als manch ein Thriller. Neben Stewart und Conte ist vor allem die ansonsten kaum bekannte Kasia Orzazewski in der Rolle der Mutter zu nennen, die neben ihren berühmten Kollegen mit einer emotional höchst eindringlichen Darstellung beeindruckt.
  21. Doch wohl nicht LORD JIM? Ich wage es ja nicht zu hoffen.... CAST A GIANT SHADOW wäre auch mal toll, oder vielleicht mal KRAKATOA?
  22. GESPENSTER-GESCHICHTEN Kurze Meldung zwischendurch: Es gibt jetzt die Möglichkeit diese einmalig 1985 ausgestrahlte, 6-teilige Serie auf DVD zu erwerben. Wolfgang Büttner führt als Gastgeber durch die mit Augenzwinkern erzählten Schauergeschichten. Der knuffige Intro-Song leitet eine jede Folge ein, mag auf den ersten Blick etwas deplaziert wirken, setzt aber einen verschroben-skurrilen Rahmen um die originellen Episoden, in denen sich Darsteller wie Hannes Messemer, Peer Augustinski oder Heinrich Schweiger mit sichtlichem Vergnügen tummeln. Der begleitende Score ist dann auch genregerecht von atmosphärisch-düsterem Charakter. Schöne Sache nicht nur für TV-Nostalgiker. Ghosts will live forever...
  23. Christian Bruhn: JACK HOLBORN Der Waisenjunge Jack aus Bristol träumt vom großen Abenteuer als Schiffsjunge und gerät an den undurchsichtigen Kapitän Sharingham (Matthias Habich), den eine düstere Vergangenheit umgibt. Ein Jahr nach SILAS war hier wieder dasselbe Team am Werk, dem erneut eine überaus reizvolle, unterhaltsame und spannende Abenteuergeschichte gelungen ist. Ebenfalls mit an Bord (oder um im Kontext zu bleiben: an Deck) ist Komponist Christian Bruhn, der sich diesesmal der sinfonischen Klangfülle des Graunke-Orchesters bedient. Sein Score glänzt mit melodischem Einfallsreichtum und verfehlt seine Wirkung sowohl im Film wie auch als Album nicht. Hier das wunderbar-sehnsüchtige, vom Cembalo begleitete CAPTAIN´S THEME, gefolgt vom marschähnlichen Swashbuckler-Thema DIE PIRATEN: https://vimeo.com/316393023
  24. Schau an. Ich habe hier die "Essential Alfred Hitchcock"-CD von Silva Screen, und dort ist lediglich "Lisa" enthalten. Anscheinend doch nicht so "essentiell" wie behauptet...
  25. Mal wieder Zeit für ein wenig Fernseh-Nostalgie: Rolf Bauer: KINTOPP, KINTOPP In den 20er Jahren übernimmt der Bankbeamte Tommi (Georg Thomalla) eine Stelle als Buchhalter bei der Filmproduktionsgesellschaft "Colossal". Als sich deren Chef mit dem erwirtschafteten Gewinn aus dem Staub macht, versucht Tommi das Unternehmen zu retten und beginnt, selber Filme zu produzieren. - Eine sehr schöne Idee, die aber leider nicht mit der gebotenen Seriosität, sondern als leidlich unterhaltsame Sitcom umgesetzt wurde. Schade, denn das Thema wäre hochinteressant gewesen und hätte das Zeug zu einem großen Klassiker gehabt. So aber ist nicht mehr als nette Zwischendurch-Unterhaltung daraus geworden. Die Musik ist jedoch ein humorvolles Kleinod, das den Charakter der Serie auf eingängige Weise einfängt. DAS KALTE HERZ Wilhelm Hauffs mehrmals verfilmte Märchenerzählung vom armen Schlucker, der sich um des Reichtums willen ein steinernes Herz einsetzen läßt, in einer sehr schönen, 6-teiligen TV-Adaption, die ich sogar der sehr guten DEFA-Verfilmung vorziehen würde. Autor Justus Pfaue erzählt die Geschichte mit ein paar kleineren Abweichungen und überrascht mit einem Ende, das durchaus mehrere Interpretationen zuläßt. Für die Musik nutzt Rolf Bauer sowohl akustisches wie auch elektronisches Instrumentarium und gefällt vor allem mit der kurzen, aber sehr einschmeichelnden Abspannmusik.
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Wir nutzen auf unserer Webseite Cookies, um Ihnen einen optimalen Service zu bieten. Wenn Sie weiter auf unserer Seite surfen, stimmen Sie der Cookie-Verwendung und der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über Formulare zu. Zu unserer Datenschutzerklärung: Datenschutzerklärung