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Jonas Uchtmann

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Alle Inhalte von Jonas Uchtmann

  1. Das hat, angefangen bei den Büchern, vor allem mit sich verändernden Interessen zu tun: Zwei oder drei Mal im Jahr ziehe ich HdR, SILMARILLON und Co. noch aus dem Regal und lese die eine oder andere Stelle, aber die Zeiten, in denen ich "Fach"-Diskussionen über die Rangunterschiede der Istari und Sindarin-Etymologie hätte führen können, sind irgendwie vorbei. Filmisch ging es für mich stetig bergab: Die Kinoversion von FELLOWSHIP OF THE RINGS hat mich 2001 zutiefst beeindruckt und ich halte sie immer noch für einen exzellenten Fantasyfilm. Was mir aber schon als 15-Jähriger im Kino übel aufstieß, war vor allem die Maßlosigkeit der Sets: Das wirkte alles viel zu groß (Moria, Lothlorien) und völlig entgegen dem Geist der Vorlage. Neben der in TTT und ROTK immer weiter ausufernden Gigantomanie hatte ich auch für die schwindende Vorlagentreue kein Verständnis, zumal für die meisten Änderungen keinerlei dramaturgische Notwenigkeit bestand (vgl.: https://web.archive.org/web/20110110222219/http://www.cinemusic.de/rezension.htm?rid=5124). Inzwischen ist mir der Bakshi-Film, mein erster Berührungspunkt mit Mittelerde, filmisch wie musikalisch wieder die mit Abstand liebste Bearbeitung des Stoffes. Trotzdem höre ich FOTR immer noch gerne, weil hier die Klangvielfalt landschaftlicher und "ethnischer" Zuordnungen besonders groß und - dem Film sei Dank - dramaturgisch sinnvoll ausbalanciert ist; sie kommt weder zu anbiedernd folkloristisch noch zu variantenarm lärmend herüber (an beidem leidet m. E. insbesondere THE TWO TOWERS - der dritte Teil zum Glück nur partiell). Unabhängig davon ist Shores Mittelerde als größte zusammenhängende Filmpartitur eine Großtat und ein Meisterwerk motivischer Konstruktion. Doch m. E. kommen leider einige von Shores größten Stärken als Filmkomponist in den Tolkien-Stoffen nicht ausreichend zur Geltung (die trotz Leitmotivik eher ethnologisch statt romantisch hergeleitete Vorstellung vom Epos, die Gestaltung von Klangfarben und deren Variation, musikalische Einfachheit, die - auf unkonventionellem Wege erreicht - nicht in Primitivität ausartet), während einige personalstilistische Schwächen nicht ganz wegzudiskutieren sind (behäbiger bis statischer Gestus, mangelnde Berücksichtigung und Strukturierung musikalische Großformen, kaum polyphone Gestaltung abseits rein melodischer Zusammenhänge). Das verursacht oft mehr Monotonie, als es müsste.
  2. Kann ich gut nachvollziehen. Wäre mein Interesse an Mittelerde, den Filmen und ihrer Vertonung noch so groß wie vor zehn Jahren, wäre das auch für mich entscheidend. Leider dürfte hierzu zumindest in den nächsten Wochen seitens der Macher und Insider nichts zu erfahren sein - insofern wird darüber wohl Dein - glücklicherweise gut ausgebildetes - Gehör entscheiden müssen.
  3. Das würde voraussetzen, dass Morton oder Courage einem Goldsmith-Score überhaupt Stimmen hinzugefügt hätten, die sich nicht originär aus dem Particell ergeben. Eben das war, von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen, aber nicht der Fall. Hier übrigens eine Liste der von Morton und Courage co-orchestrierten Goldsmith-Scores ab 1990, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: IQ FOREVER YOUNG DENNIS RUDY THE SHADOW RIVER WILD CONGO FIRST KNIGHT CHAIN REACTION FIRST CONTACT L.A. CONFIDENTIAL Meinste mich? Natürlich kann ich zu diesem Zeitpunkt noch kein endgültiges Urteil fällen, aber eine Einschätzung zur kompositorischen Substanz sollte bei 30+ Minuten schon drin sein. Sofern abseits davon versteckte Kabinettstückchen en masse oder eine völlig neuartige Konzeption bislang verborgen geblieben sind, werde ich das in Kürze reumütig bekennen. Neugieriger als der erste HOBBIT macht mich die EINÖDE VON SMAUG musikalisch nämlich schon, sonst hätte ich mich gar nicht weiter dazu geäußert. Im Übrigen hat Thomas natürlich vollkommen recht: Es wäre schöner, wenn eine Diskussion zustande kommt, NACHDEM ein Score veröffentlicht wurde und der Mehrheit zur Verfügung steht. Aber da selbst bei Veröffentlichungen dieser Größenordnung im entscheidenden Moment meist Schweigen im Walde herrscht, werde ich meine Äußerung lieber jetzt los, als dass ich später nur mein eigenes Echo höre.
  4. Schon richtig, dass man ANGIE nicht mit MULAN vergleichen kann - aber dann hätte Jerry nach Deiner Logik für eine Romanze wie ANGIE, die "weniger Noten" erfordert, Sandy Courage verpflichten müssen. Hat er aber nicht, weil es vor allem darum ging, zwei elder statesmen - auch Courage war ja schon vergleichsweise betagt - möglichst gleichmäßig zu belasten. Zwischen (ca.) 1993 und 1997 findet man auf den meisten Goldsmith-CDs deshalb auch beide Namen. Aussagen dazu, wer wann was instrumentiert hat, sind mir nicht bekannt, aber folgende Bemerkung Mortons erhellt hoffentlch den Sachverhalt insgesamt noch einmal: “I take the music from the yellow paper and put it on the white paper.”
  5. Das scheint mir eher daran zu liegen, dass Arthur Morton zum Zeitpunkt von FIRST KNIGHT stolze 87 Lenze zählte und damit sicher nicht mehr das Pensum bewältigen konnte, das JG in den Jahren noch locker gestemmt hat. Wenn man sich das Interview mit Morton im Bonus-Material der Goldsmith-Doku anschaut, ist Mortons Alter auch nicht zu überhören. Vielleicht war er nie der Eloquenteste - das hätte er dann mit seinem Chef gemeinsam -, aber ein wenig eingeschränkt wirkt er da schon.Wenn man nur in den 90ern bleiben möchte: MULAN und MUMIE (Courage) haben viel mehr "Noten" als ANGIE und NOT WITHOUT MY DAUGHTER (Morton). Dass man auch gegenteilige Beispiele findet (TOTAL RECALL - Morton, BASIC INSTINCT - Courage), ist natürlich klar. @ HOBBIT II: Besser als der - bis auf wenige Momente - mäßige Vorgänger wirkt das allemal, aber von der idiomatischen Vielfalt eines FELLOWSHIP OF THE RINGS, dessen sorgfältig gestalteten Tableaus Shore schon in den folgenden Teilen vermissen ließ, sind die bisher verfügbaren Ausschnitte weit entfernt. Ausnahmsweise kann das ja auch nichts mit einer veränderten Filmmusikästhetik zu tun haben, denn wirklich hipper als LOTR klingt der HOBBIT nicht - nur schwächer. Erfreulich fällt bei DESOLATION OF SMAUG auf, dass Shore weniger um die Untermalung des zweifellos ausufernden Hauens und Stechens, sondern wieder mehr um epische Bögen bemüht ist. Und ja, alles wirkt etwas bewegter als noch im Vorgänger. Ob das an Pope liegt oder an Shore, dessen Stärke das Leichtfüßige und Scherziose nun wirklich nicht ist, lässt sich schwer sagen. Dazu müsste Pope schon viel Spielraum und einen sehr markanten Personalstil haben - und das hatten unter den Filmmusik-Orchestratoren nur wenige, Hugo Friedhofer vor allem, oder in neuerer Zeit Steve Bartek und Nicholas Dodd.
  6. FIRST KNIGHT ist als Beispiel eher unglücklich gewählt: Zum einen klingt der Score sujetbedingt sicherlich noch etwas "simpler" als der (ohnehin ultraschlanke) Goldsmith-Sound der 90er, zum anderen hatte Jerry nicht viel Zeit, was sich u. a. auch in der Verwendung von nicht weniger als sechs Orchestratoren äußert. Zwar hat Alexander Courage den Haupt-Credit, aber neben ihm haben, welch Überraschung, u. a. Arthur Morton und Conrad Pope mit instrumentiert. Nach einigen markanten Ausnahmen in den frühen 90ern (BASIC INSTINCT zuvorderst) markieren die Jahre 1995-1997 die endgültige Staffelübergabe von Morton zu Courage. Stilistisch ist davon absolut nichts zu merken: Ein Score wie CITY HALL (Morton) ist nicht dichter instrumentiert als THE GHOST AND THE DARKNESS (Courage): ganz im Gegenteil. Zieht man Scores aus Jahrzehnten hinzu, in denen der Komponist noch auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft stand, dann nivelliert sich aufgrund der Vielfalt der Stile und Idiome ein vermuteter Personalstil der Orchestrator sogar noch weiter: PLANET OF THE APES als DAS Beispiel ökonomischer (sinfonischer) Instrumentation wurde von Morton, eine dicke Schwarte wie LEGEND von Courage instrumentiert. Hier scheinen, bedingt durch die heutigen Arbeitsbedingungen in Hollywood und aufgrund der Instrumentationspraxis heute mittelalter Komponisten wie Howard, Silvestri oder Elfman, die zumindest zu Beginn ihrer Karriere ohne Orchestrator völlig aufgeschmissen gewesen wären, völlig falsche Vorstellungen vorzuliegen, wie hoch die kreative Eigenleistung eines Goldsmith-Orchestrators einzuschätzen war: nämlich in der Regel bei Null. Die Particelle mit 8 bis 14 Systemen, die Goldsmith anzufertigen pflegte, sind für jeden Orchestrator (= Komponisten) zu 80 Prozent, nach langjähriger Zusammenarbeit in 95 Prozent aller Fälle, selbsterklärend. Der einzige, der noch detaillierter notiert, ist John Williams, bei dem auch mehr als 20 Systeme nichts Ungewöhnliches sind. Wer das alles nicht glaubt, vergleiche ganz einfach von Goldsmith vollständig oder überwiegend selbst instrumentierte Scores wie STUDS LONIGAN, SPIRAL ROAD, CASSANDRA CROSSING, THE EDGE oder HOLLOW MAN mit ihrem näheren zeitlichen Umfeld. Der Unterschied in den bevorzugten Besetzung, Timbres, Mixturen, Effekten etc. ist marginal oder allein im Unterschied der Scores zueinander zu suchen.
  7. Die Gordon-Cover von Varèse sind alle grauenhaft - allen voran ON THE BEACH, das man nur noch durch eine Colosseum-Pressung mit dem deutschen Verleihtitel USS CHARLESTON - DIE LETZTE HOFFNUNG DER MENSCHHEIT hätte toppen können. Als 2003 SALEM'S LOT veröffentlicht wurde, ging übrigens das Gerücht um, Varèse habe von dem Album bis dato gerade einmal 150 Exemplare verkauft. Souchaks ist also vermutlich Mr. 157. Bei mir im November ansonsten auch nur Gordon-Titel: ADORE GIFT OF LIGHT/REVERIE/MUCH ADO ABOUT SOMETHING
  8. Hatte ja im "Ich höre gerade ..."-Thread auch schon ein wenig was geschrieben, aber dem kann ich nur noch einmal beipflichten: Bei so klangschöner Musik hätte möglicherweise selbst Josquin - also der Herr links im Bild - anerkennend genickt.
  9. Meine Nummer 1 ist hier denn doch UNDER FIRE, bei aller Liebe zu RETURN OF THE JEDI, den ich aber ungleich seltener auflege, sowie KRULL, den ich in seiner Eigenschaft als sicherlich reichhaltigstes Tableau aus der Horner-Werkstatt auch sehr schätze.
  10. Freut mich, Babis, wenn Du mit dem Text was anfangen kannst. Kennst Du seine zwar stilistisch ganz anders gelagerten, aber mindestens ebenso beeindruckenden TV-Scores MOBY DICK und ON THE BEACH? Beide gehören zum Besten, was die Filmmusik seit 1990 hervorgebracht hat. Großartig sind natürlich auch MAO'LAST DANCER sowie das Horror-Duo SALEM'S LOT und DAYBREAKERS ... Und auch ADORE ist, s. Samis Appetithäppchen, wirklich hübsch, wenngleich eher ein Vertreter der Marke "klein, aber fein" so wie Gordons WHEN GOOD GHOULS GO BAD.
  11. GIFT OF LIGHT/REVERIE/MUCH ADO ABOUT SOMETHING (Christopher Gordon) Christopher Gordons Score zum australischen Doku-Film MUCH ADO ABOUT SOMETHING von 2001 war für mich jahrelang das Highlight unter den unveröffentlichten Musiken des Komponisten gewesen. Nun liegt endlich seit Anfang November zumindest ein virtuelles Album vor. Nach zwei Hördurchgängen sei schon verraten, dass sich das Warten gelohnt hat: In der Tat erweist sich die überwiegend im Renaissance-Idiom gehaltene, für kleines Streichorchester und Kammerchor gesetzte Partitur als echtes Kleinod. Mit dem erstmals in "Stratford-upon-Avon" zu hörenden Hauptthema in Moll - oder besser: Äolisch - gelingt Gordon ein echter Ohrwurm, der fast vergessen macht, dass die nur rund 25-minütige vollständig, also mitsamt Fitzel-Tracks und einigen Wiederholungen, auf die CD gepresst wurde. Die einfache, aber sehr sangliche und ausdrucksstarke Melodie wird vor allem satztechnisch (kanonisch, Verlängerungen oder Verkürzungen der Notenwerte) und klangfarblich (instrumental oder vokal, solistisch oder ensemble) variiert. Vorgestellt wird das Thema zunächst im langsamen Kantionalsatz und unmittelbar anschließend als Solmisations-Kanon ("Stratford"). Schön sind auch die tänzerische Variante für Streicherensemble ("Italy") und die pizzicato-Variation in "As You Like It", doch der Höhepunkt dürfte das über dreieinhalb Minuten gesteigerte Finale sein, das homophone und polyphone Verarbeitung schließlich vereint. Die gewählten historischen Satzmodelle (gleich ob antiphonal, kanonisch oder homophon) bleiben überwiegend auf weltliche Renaissance-Musik beschränkt, obwohl sich im eröffnenden "Sanctus" und dem "Salve" ("Perchance to Dream") liturgische Bezüge finden. Hier und in einigen weiteren Tracks treten noch zusätzliche Sekundärthemen und -Motive hinzu, z. B. das Stadt-Thema ("Canterbury", "Mantua") und ein weiteres, beschwingtes Solmisationsmotiv ("The Globe Theatre"). Das Idiom - angefangen beim Instrumentarium und dem Thema - ist bewusst nicht durchgehend authentisch angelegt. Gordons herrlichen Streichersätze etwa sind natürlich zutiefst romantisch, fügen sich aber aufgrund der für ihn so typischen Bevorzugung der tiefen Streicher mühelos ein. Gelegentliche Intermezzi der Musik des 20. Jahrhunderts (dezente Minimalismen und Chor-Glissandi in "My Name Be Buried") irritieren ebenfalls nur marginal. Letztlich zwar eine Musik, die sich mit (deutlich freier historisierenden) wie Renaissance-Scores wie AGONY & ECSTASY oder CROMWELL nicht messen kann; dazu fehlt ihr der große sinfonische Bogen. Als augenzwinkerndes Pasticcio und Beweis handwerklichen Könnens stellt sie aber einmal mehr den Rang Christopher Gordons als eines herausragenden Filmkomponisten unserer Zeit unter Beweis. Die kürzeren Zugabe-Musiken (für kleines Streicherensemble) sind zwar gut, kommen aber an MUCH ADO nicht ganz heran.
  12. Wenn Du LION IN WINTER phänomenal findest, sollte Dir LAST VALLEY zumindest sehr gefallen. Beide Scores ergänzen sich prima, wobei LAST VALLEY weniger festlich und hymnisch ist, sondern düster und erhaben. Insgesamt vielleicht etwas weniger eingängig, aber von vergleichbar hoher Güte, in den lyrischen Momenten sogar etwas ausgefeilter. Siehe Samis Suite ... Der Film mit Michael Caine und Omar Sharif kann LION IN WINTER natürlich in keiner Sekunde das Wasser reichen und ist nicht zu Unrecht total geflppt, aber die schöne Ausstattung und die Thematik rechtfertigen durchaus mal einen Blick: Dem Dreißigjährigen Krieg widmet sich eine britisch-amerikanische Produktion nicht alle Tage ... eigentlich eher nie.
  13. Genau diese beiden Scores, die für mich die Spitze in Barrys sinfonisch(ere)m Schaffen markieren, habe ich zu Ehren des Meisters heute auch aufgelegt. Tolle Melodien und tolle Chorsätze (im LETZTEN TAL inkl. der Vorlagen: Gryphius und Des Knaben Wunderhorn!). Besonders amüsant ist es in der Tat, wie in beiden Musiken immer wieder der jazzige Bomd-Barry durchschimmert ...
  14. Nun, die Tempi der Herrmann-Einspielung sind (wie in so vielen seiner konzertanten Aufnahmen) natürlich ein (möglicher) Kritikpunkt. Ein wenig war Herrmann halt auch Kind seiner Zeit. Man muss - mit Blick auf Erscheinungen wie Karajan - schließlich bedenken, dass Anno 1970 die Stilisierung des romantischen Repertoires auf ihrem Höhepunkt angelangt und von historischer Aufführungspraxis noch so gut wie keine Rede war. Im konkreten Fall der "Lenore" würde ich das aber nicht überbetonen: Den Kopfsatz könnte man in der Tat schneller und auch leichter (HIPer) nehmen, doch im langsamen Satz und auch im Marsch steigert das langsame Tempo eher die romantische Wirkung; im Finale schließlich liegen die Unterschiede zwischen Herrmann und Stadlmaier - dem flottesten der Konkurrenten - im Sekundenbereich, wenngleich insgesamt zwischen beiden immerhin ein Unterschied von sechs Minuten (56 : 50) besteht. Im direkten Vergleich mit Stadlmaier, den ich als Nummer 2 sehen würde, gestaltet Herrmann allerdings überwiegend dnyamisch, agogisch und hinsichtlich der Artikulation packender, teils auch nachvollziehbarer und besser durchhörbar - da kommt auch die Pauke einfach besser zur Geltung - das sollte Dir besonders gefallen , obgleich der Klang ansonsten leider nicht so dolle ist. Etwas kurios ist, dass die von Dir angesprochenen Passagen bei Smith die einzige mir bekannte negative Äußerung zu dieser Aufnahme ist. In der Raff-Community (raff.org, unsung composers etc.), aber auch in der Literatur (Wiegandts Raff-Monografie, die Dir sehr emphohlen sei) gilt die Herrmann-Aufnahme fast ausnahmslos als besondrs gelungen. Ein wenig liegt das vielleicht auch daran, dass es - neben Stadlmaier - die einzige mit einem Top-Orchester. Hinsichtlich des gesamten Zyklus würde ich erst einmal schon zu den Bambergern unter Stadlmaier raten (inzwischen mid price bei Tudor): Das Orchester ist natürlich top, der Klang sehr gut und es gibt jede Menge Zugaben (an Essenziellem fehlen einzig die Shakespeare-Ouvertüren - da ist aber die Bamberger Einspielung seit Erscheinen der Järvi-CD auf Chandos nicht mehr erste Wahl!). Bei den Sinfonien 1, 4, 6 und 8 bis 12 wirst Du zur Zeit nichts Besseres finden und bzgl. der "Lenore" wird man zumindest die Unicorn-LP mit Herrmann in den meisten größeren Musikbibliotheken finden.
  15. BRAINSTORM ist Horners bester Score und auch mir einer der liebsten, ROTJ knapp vor der (musikalisch überlegenen) Episode V mein Favorit unter den STAR WARS-Scores und UNDER FIRE mein Goldsmith des Jahrgangs (knapp vor TWILIGHT ZONE).
  16. Bernard Herrmann und Joachim Raffs "Lenore" Bernard Herrmann hat sich, was heutigen Filmmusikhörern weitgehend unbekannt sein dürfte, als Dirigent zeitlebens für Musik stark gemacht, die in den Augen der breiteren musikalischen Öffentlichkeit vergessen, verkannt und verunglimpft worden ist. Das konnte die seinerzeit noch überwiegend belächelte Gattung Filmmusik betreffen, deren Stellenwert er durch seine konzertanten Einspielungen eigener Scores deutlich anhob, das konnte sich aber auch in der frühen Protektion der Musik Charles Ives' bereits in den 1930er Jahren äußern, der damals von seinem heutigen Stellenwert als Titan der amerikanischen Musik noch weit entfernt war. Auch für einen - gefallenen - Titanen der deutschen Musikgeschichte, nämlich für Joseph Joachim Raff (1822-1882), hat sich Herrmann wiederholt stark gemacht. Zu Lebzeiten als führender Sinfoniker zwischen Schumann und Brahms allgemein anerkannt, fiel Raffs Werk nach seinem Tod erst in Ungnade und dann in Vergessenheit. Herrmann hingegen setzte Raffs Sinfonien während seiner Zeit als Chefdirigent des CBS Symphony Orchestra mehrfach aufs Programm, und versuchte, Werbung für dessen Sinfonik zu machen, wo immer es ihm möglich war. Besonders nachhaltig hat auf die Raff-Rezeption Herrmanns Ersteinspielung der Sinfonie Nr. 5 E-Dur "Lenore" (1872) gewirkt. Dass diese Aufnahme von 1970 Herrmann eine Herzensangelegenheit war, zeigt schon die äußerst ungewöhnliche Tatsache, dass er die Einspielung aus eigener Tasche bezahlte, weil kein Label bereit war, mit der "Lenore" ein kommerzielles Risiko einzugehen. Es wird Herrmann nur ein schwacher Trost gewesen sein, dass ein vermögender Raff-Fan ihm später einen Scheck ausstellte, der Herrmanns Auslagen in etwa deckte. Von der (Tonträger-)Renaissance Joachim Raffs konnte Herrmann hingegen nichts mehr mitbekommen; sie begann erst nach 1980. Momentan ist bereits die achte Einspielung der Sinfonie im Rahmen der dritten Gesamteinspielung in Arbeit - und Herrmann dürfte an dieser Entwicklung durch seine Pioniertat alles andere als unschuldig sein. Seine Einspielung ist jedoch nicht nur von historischem Wert, sondern sie bleibt bis heute die packendste Interpretation der "Lenore", indem sie die Dramatik des Werks in geradezu cineastischer Weise auskostet. Was mag Herrmann interessiert haben an einem Komponisten, der von den Nachgeborenen als bieder und eklektisch hingestellt wurde und zudem als lieblos fertigender Vielschreiber galt? Nun, zunächst einmal war für Raff ebenso wie für Herrmann der Klangcharakter seiner Werke zentral. Der Ausdruck "RAFFinierte Instrumentation" war auf dem Höhepunkt von Raffs Ruhms geradezu sprichwörtlich. Der zweite Grund dürfte Raffs im Kontext des 19. Jahrhunderts absolut neuartiger (wenngleich nicht weiter folgenreicher) Umgang mit der musikalischen Form gewesen sein: Gerade im Spätwerk, vor allem in den Shakespeare-Ouvertüren, neigte er dazu, musikalische Episoden übergangslos aneinanderzureihen, was frappierend an die filmische Montagetechnik erinnert. Beide Eigenschaften treffen auf die "Lenore" in besonderer Weise zu. Bei Raffs op. 177 handelt sich um eine Programmsinfonie, als deren Vorlage Gottfried August Bürgers gleichnamige Schauer-Ballade aus dem Sturm und Drang diente. In der Ballade geht es um die Liebe Lenores zu Wilhelm, einem Soldaten, der eines Nachts an Lenores Bett auftaucht und sie zu einem Ritt ins Hochzeitsbett einlädt, vorbei an Leichenzügen und Spukgestalten. Lenore bemerkt dabei nicht, dass auch Wilhelm nur ein Geist ist ... Allerdings vollzieht Raff nur im vierten Satz die Handlung der Ballade tatsächlich nach, indem er Lenores Ritt zum Hochzeitsbett in naturalistisch-plastischer Weise illustriert. Die ersten drei Sätze enthalten - was die Sinfonie gattungsgeschichtlich und formal als einen Weg zwischen absoluter Musik und Programmmusik so spannend macht - die Vorgeschichte zur Ballade. Der klassizistische Kopfsatz könnte in seiner formalen Klarheit auch eine absolute Sinfonie eröffnen; im Sinne einer poetischen Idee wird in ihm der imponierende Soldat Wilhelm charakterisiert. In den folgenden Sätzen wandelt sich die Sinfonie dann sukzessive vom Abstrakten ins Konkrete. Zwar sind die thematische Arbeit und die handwerkliche Gestaltung gerade des ersten Satzes brillant, doch für den filmmusikaffinen Hörer dürften die folgenden Sätze sicherlich spannender sein: Gleich vier weitgespannte lyrische Themen enthält der zweite, ein langsamer Variationssatz, der die letzte Liebesnacht Lenores und Wilhelms unterm Sternenhimmel beschreibt (das ariose Duett von Violinen und Celli im Mittelteil zu deuten fällt nicht sonderlich schwer, auch das Verlöschen der Sterne durch den Hoketus im sich ausdünnenden Satz ist wunderbar gelöst ...). Am vierten Satz beeindruckt die Gestaltung des knapp achtminütigen Ritts durch variierende Ostinati, bei dem auskomponierte Dopplereffekte ähnlich einer Kamera die Wechsel der Erzählperspektive anzeigen. Im Zusammenhang mit der Leichenzug-Episode - umgesetzt als an- und abschwellender Choral - und dem Hochgericht der Toten - vertont mit irrlichternden Tanzfiguren der Holzbläser - ergibt sich ein dichtes Geflecht, das in einer hymnischen Schlussapotheose kulminiert, die Lenores Tod und Wiedervereinigung mit Wilhelm im Himmel beschreibt. Highlight für unsere Klientel ist jedoch die zweite Abteilung, respektive der dritte Satz, die "Trennung" (s. YouTube-Clip der Herrmann-Einspielung). Es handelt sich um einen Militärmarsch mit Intermezzo. Der Marschteil ist - beginnend im Pianissimo mit Solo-Pauke und im Fortissimo endend - als großer Steigerungssatz angelegt. Im Sinne des Programms handelt es sich um eine am Horizont langsam heranziehende Kompanie mit Kapelle. Je näher die Soldaten kommen, desto lauter wird auch der Marsch, bis das Heer unmittelbar am Ohr des Zuhörers vorbeizuziehen scheint und (durchaus realitätsgetreu) beinahe in Krach übergeht. Da erklingt auf einmal ein Moll-Akkord und es folgt eine expressive Kantilene in den ersten Geigen, die später von den Celli aufgegriffen und dialogisch stetig gesteigert wird. Dies ist also der Moment, in dem Lenore (Geigen) und Wilhelm (Celli) voneinander Abschied nehmen müssen, da Wilhelm gleich darauf mit der Kompanie ins Feld ziehen wird (zweiter Marschteil mit wieder abziehender und schließlich am Horizont verschwindender Marschkapelle). Der Zuhörer nimmt in Raffs Narration den Platz eines Hörers ein, der sich in der Nähe des Paares befindet, ohne deren Worte zu verstehen. Fast wie Filmmusik also - und so klingt auch die Musik mit ihren ohrwurmartigen Themen. Vielleicht hat ja der eine oder andere Lust bekommen einmal reinzuhören ...
  17. Ich kann gut nachvollziehen, wenn Du beleidigt bist: Wie der Komponist bei diesem Dir gewidmeten Score sämtliche Deiner musikalischen Präferenzen so vollkommen ignoriert hat, ist schon ein starkes Stück ...
  18. Korrektur: die Prager UNDER FIRE-Suite ist doch besser gelungen, als ich in Erinnerung hatte. Ans Original kommt sie freilich nicht ran ...
  19. In ein oder zwei Beispiele lässt sich der JG-Sound nicht fassen, weil hier neben dem Dirigierstil auch die Aufnahmeästhetik (Goldsmith hat in den letzten 20 Jahren seines Lebens nur zwei Tonmeister beschäftigt) und Instrumentationsgewohnheiten als Konstituenten mit reinspielen. Wenn Urheber und Interpret identisch sind, ist die Interpretation durch die Instrumentation natürlich schon in besonderer Weise vorgezeichnet: Das macht es im Allgemeinen so interessant, wenn (echte) Komponisten eigene Werke dirigieren.Als Modernist war Goldsmiths Klangideal grundsätzlich geprägt vom Prinzip der Durchhörbarkeit, also dem Anspruch, dass jederzeit alle Stimmen und Instrumentengruppen dem Hörer präsent und plastisch vor Augen treten. Dem entspricht auf Ebene der Instrumentation, zumindest abseits der romantischen Werkphase der 1980er, die Vermeidung von Mischklängen und die häufige Verwendung von Registerkontrasten in komplexeren Satzgefügen. Auf Ebene der Interpretation äußert sich das bspw. in der auffälligen Vermeidung von Streichervibrato, expressiv ausgeführten Soli und dem Bemühen, Haupt- und Nebengedanken in der Balance klar zu unterscheiden. Dynamik, Tempo und Agogik (sofern man davon bei Filmmusikaufnahmen überhaupt sprechen kann) sind in JGs Studioaufnahmen dementsprechend recht straff geführt und von dem eher nivellierenden konzertanten Klang, wie Goldsmith ihn ab Mitte der 90er Jahre in seinen Konzerten selbst zu pflegen begann, weit entfernt. Ein paar Beispiele: Das schon genannte STAR TREK-Thema: ST: TMP oder ST: V vs. Goldsmiths konzertante Neueinspielungen, wahlweise auch Prager und sonstige Aufnahmen (Kunzel, Williams usw.). Hier hat Jerry sich in seinen eigenen späten Einspielunge einen konzertanten Sound (mit solistischer Hervorhebung der Solo-Trompete: INSURRECTION und Mätzchen wie brass droputs: "The Film Music of Jerry Goldsmith") verordnet. THE BLUE MAX: Die Originaleinspielung und Jerrys brillante Neueinspielung auf "Goldsmith conducts Goldsmith" versus Prager Klangbrei oder André Previns Valium-Einspielung von "The Attack" auf YouTube. UNDER FIRE: Original vs. Prag. Man höre den Streicherklang des Originals im Vergleich mit dem Brei der Nachspielung. AIR FORCE ONE, "The Parachutes" und THE MUMMY, "Sand Volcano": Vgl. Original mit Kunzels vergleichsweise fahrigen Einspielungen auf dem Sampler "Mega Movies" Abschließend ein gelungenes Beispiel - THE SALAMANDER: In einigen Tracks, v. A. dem Finale, ist hier der Goldsmith-Sound wirklich gut getroffen.
  20. Ein optimal disponiertes Orchester vorausgesetzt (Studiomusiker aus L.A. oder Lonson, LSO, Philharmonia Orchestra etc.), sind JGs Interpretationen einwandfrei und verfügen über einen charakteristischen Klang, der sie - zunächst einmal - ähnlich maßstabsetzend macht, wie Originaleinspielungen von Newman, Herrmann und Williams, die allesamt technisch versiertere Dirigenten waren bzw. sind. Der Unterschied kommt erst da zum Tragen, wo die Orchesterqualität sinkt. Den spezifischen Goldsmith-"sound" kriegen aber, ob beabsichtigt oder nicht", trotzdem nur wenige Nach- und Neueinpielungen hin.
  21. Um den Takt zu halten oder den Einsatz zu treffen, natürlich nicht (schließlich hören auch die Musiker den click track). Zur dynamischen Balance und zur Strukturierung brauchen auch Hollywoods Studiomusiker einen Dirigenten - so wie jedes Orchester auf der Welt. Es ginge natürlich, aber es wäre nicht das gleiche. Da würde ich als zweites Beispiel eher STREETCAR NAMED DESIRE heranziehen - AGONY sehe ich, wie die anderen RSNO-Aufnahmen Goldsmiths, eher als Beispiel dafür, dass er einem nicht jederzeit völlig fehlerlosen Orchester eben nicht immer (völlig) einwandfreie Leistungen abringen konnte. Angreifbarer als die Interpretation ist freilich der Klang dieser Aufnahmen. Natürlich war Goldsmith ein kompetenter, vor allem auch sehr erfahrener Dirigent, der eine Beethoven-Sinfonie jederzeit akzeptabel bewältigt hätte - er war aber eben kein Furtwängler.
  22. Scoring Sessions und (gelebte) Emotionen passen nicht recht zusammen, dazu fließen Minute für Minute zu viele $$$. In dem speziellen Fall muss man auch bedenken: RIVER WILD war ein replacement score, in Windeseile geschrieben und aufgenommen (merkt man der Musik ja auch an) - da gingen Musiker und Dirigent bei den Suspense- und Actioncues am Ende des Tages sicherlich auch mal auf dem Zahnfleisch. Von dem Goldsmith, den manche Studiomusiker geradezu vergöttert haben, kommt so leider nur eine Facette, die des Routiniers, rüber. In den Ausschnitten, die letzten Endes in der Doku gelandet sind - die Aufnahme des hinsichtlich Faktur und (mutmaßlich) Synchronpunkten eher übersichtlichen Main Title etwa - sieht das schon wieder anders aus, da witzelt Jerry zum Beispiel über das "geklaute" Hauptthema, ist also nicht nur bierernst. Das konnte er auch sein, würde aber seinem in der Tat komplexen Charakter wahrlich nicht gerecht. Generell sind Filmmusikdirigate im Studio, anders als die gepflegten Einspielungen von E-Pultstars, eine recht nüchterne Angelegenheit, bei der nicht viel Raum für extrovertierte Posen bleibt, egal wer da dirigiert. Im Konzert pfleg(t)en Goldsmith oder auch Williams natürlich einen anderen Stil. Das kann man in den beiden nachfolgenden Videos vielleicht ansatzweise nachvollziehen, auch wenn das ebenfalls ein Studiodirigat ist (allerdings ein für die Öffentlichkeit gedachtes) und das zweite (ab 10:50) sehr kurz ausfällt. Wie auch immer, Jerry war kein besonders herausragender Dirigent, weder als Orchesterpädagoge noch in Bezug auf die Schlagtechnik. Anhand von Video 1 kann man evtl. auch nachvollziehen, dass er überwiegend Chor- und nicht Orchesterdirigieren studiert hat.
  23. Sagen wir mal so: Er hat weit schlimmere Filme auf dem Kerbholz, über die er sich positiv/nicht negativ/gar nicht geäußert hat. Jerry war nicht immer der beste Richter für die Qualität seiner eigenen Werke - und auch der anderer -, sodass man das nicht überbewerten sollte. Im Zweifel hat er sich mit Sommers einfach nicht mehr verstanden. Deine "old school"-These, die Stimulanz durch die auf Klassisches rückverweisenden Bilder, könnte also schon hinkommen.
  24. Ersteres: Goldsmith hat den Film wohl irgendwann in der ersten Jahreshälfte 1999, also kurz vor seinem 70. Geburtstag, in weniger als drei Wochen vertont und aufgenommen: insgesamt rund 90 Minuten Score. Das war für den Alten nicht nur logistisch ziemlich unangenehm (und entsprechend das letzte Mal, dass er sich auf sowas eingelassen hat) - er muss auch den Film ziemlich zum Kotzen gefunden haben, sonst hätte er ihn bei seiner nächsten LSO-Konzertreihe nicht allen Ernstes als "piece of crap" bezeichnet.
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