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Soundtrack Board

Jerry Goldsmith (Musik & Film)


Mephisto
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Rund die letzten anderthalb Jahre habe ich mich mit einem der bedeutendsten Komponisten der Filmgeschichte auseinandergesetzt. An das mehrfache Hören nahezu aller verfügabren Werke auf Tonträger war auch die Sichtung aller verfügbaren Filme gekoppelt, nach deren Rezeption ich stets einen Text verfasste, um mir selber über meine Ansichten und Eindrücke klar zu werden, aber auch, um diese momentanen Ansichten für mich festzuhalten und eventuell in der Zukunft mit neu gewonnenen Höreindrucken abgleichen zu können. Das Hören der Musiken fand nicht chronologisch, sondern genrebezogen statt, rund 20% der Musiken hörte ich bei diesem Projekt erstmalig. Da meine Ausführungen im entsprechenden Filmthread Zuspruch fanden und für Neulinge, die einer schier unübersichtlichen Masse von CD-Veröffentlichungen gegenüber stehen, habe ich mich entschieden, meine Ausführungen hier noch einmal in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen.



1959

 

City of Fear - Stadt in Angst

 

Dem kriminellen Vince Ryker gelingt mit einem Kumpan die Flucht aus dem Gefängnis. Die beiden Häftlinge stehlen aus der nahe liegenden Krankenstation einen Metallzylinder und fahren in einem Krankenwagen davon. Sein Komplize wird bei dem Kampf mit den Wachen schwer verletzt und verblutet auf der Fahrt, sodass Ryker einen neuen Wagen stiehlt und unter neuer Identität in die nahe gelegene Großstadt fährt. Die Polizeivorstehenden Jensen und Archer versuchen seiner händeringend habhaft zu werden, doch als einzige Anhaltspunkte dienen momentan nur Rykes Freundin und der Schuhladenbesitzer Eddie Crown, bei dem der Flüchtling einst arbeitete. Tatsächlich nimmt dieser bald Kontakt zu seinem ehemaligen Chef auf, denn Crown handelt neben Schuhen auch mit Rauschgift. Vince Ryker nimmt nämlich an, dass sich in dem kleinen Metallzylinder Kokain im Wert von einer Million befindet doch in Wahrheit ist das Behältnis Teil eines Forschungsprojekts und enthält tödliches Kobalt 60…

 

„City of Fear“ ist mit dem Antihelden Vince Ryker, der urbanen Kulisse, der drastischen Schwarzweißfotografie und dem McGuffin des radioaktiven Stoffs ein Film Noir wie er im Buche steht, doch über diese klassischen Stilmittel heraus wenig originell oder eigenständig. Die besonders hohe Bedrohung durch den Kobalt-60-Behälter wirkt durch die zeitgenössisch bedingte charmante Naivität, mit der das Mittel als riesige tickende Zeitbombe interpretiert wird, recht aufgesetzt und somit lässt sich der Film auf ein klassisches Katz und Maus Spiel zwischen der Polizei und dem gehetzten und immer stärker von Verzweiflung getriebenen Protagonisten herunter brechen. Immerhin ist der Film mit nur knapp 80 Minuten Laufzeit straff inszeniert und auch die Schauspieler waren zumindest damals nicht unbekannt. Vince Edwards war als TV Doktor „Ben Casey“ präsent und dürfte heute hauptsächlich als Major Cliff Bricker in „Die Teufelsbrigade“ bekannt sein. Seine Filmpartnerin Patricia Blair hatte ein Jahr zuvor in „The Big Sleep“ an der Seite von Basil Rathbone gespielt. Joseph Mell mimt den zwielichtigen Eddie Crown und besonders Sherwod Price hinterlässt als Kaugummi kauender Dandy Pete Hallon einen bleibenden Eindruck. Letzten Endes weiß „City of Fear“ zu unterhalten, weist aber keinerlei Überraschungen oder interessante Stilmittel auf, die den Film über die Jahre im Allgemeinen cineastischem Gedächtnis halten könnten und überschreitet zu keiner Zeit die Grenze des Gesitteten oder Konservativen.

 

„City of Fear“ war nach dem Western „Black Patch“ und „Face of a Fugitive” der dritte Spielfilm, den der damals 30-Jährige Jerry Goldsmith für’s Kino vertonte. Das Genre des Film Noir bot dem Komponisten die Gelegenheit, seine eigene Identität als modernistischer Komponist voll einzubringen, sodass die Musik für „City of Fear“ durchgehend atonal konzipiert ist. Besonders mittels des häufigen Einsatzes der tiefen Register des Orchesters schuf Goldsmith mit den Bässen, der Bassklarinette und dem Fagott eine düster brodelnde Untermahlung. In den einzelnen Verfolgungsjagden lassen sich bereits einige Manierismen des Komponisten ausfindig machen, die später seine Musik prägen sollten wie das tief hämmernde Klavier (hier gespielt von John Williams!), doch auch zeitgenössische Elemente kamen in der Musik unter wie die prasselnden Wirbel der Bongo, die einige Zeit später in den „U.N.C.L.E.“-Musiken zu hören waren. Eine besonders schicke und lautmalerische Lösung fand der junge Komponist für den McGuffin: Das strahlende Kobald-60 wird durch atonale Akkorde des Vibraphons charakterisiert, das hart angeschlagen wird, in deren Klang sich zusätzlich die Güiro mischt. Für die urbane Kulisse des Films entwarf Goldsmith zusätzlich einige jazzige Passagen wie eine elegische Trompetenlinie oder die hier und da kurz swingig aufzischende Hi-Hat, allerdings verlässt Goldsmith nie seine modernistisch atonalen Pfade. Reinen Jazz gibt es nur in zwei Stücken, die jeweils die undurchsichtigen Handlungen des schlaksigen Pete Hallon unterlegen. Hier kommt mittels synkopierter Melodielinie des Vibraphons, Swing-Rhythmen des Drumsets und dem gezupften Contrabass komplett überzeugende Jazzstimmung auf, die einen fast zum Mitschnipsen animiert.

Ein Merkmal für eine Goldsmithsche Filmvertonung war oft der spärliche aber dafür gezielte und wirkungsvolle Einsatz von Musik, auf den sich selbst einem so kurzen Film wie „City of Fear“ die gerade einmal 28 Minuten Musik zurückführen lassen. Dabei vertonte der Komponist wenige Dialogszenen (oder nur kurze Bruchteile von Gesprächen) und nutzt die Wirkung der Musik für Montagen oder Dialogfreie Szenen wie den durch die Stadt schleichenden Protagonisten oder die temporeich gefilmten Montagen für die Polizeiarbeit, deren Untermalung zusätzlich mit einer ordentlichen Prise militärischer Rührtrommeln gewürzt ist.

„City of Fear“ ist bis heute die älteste auf Tonträger erhältliche Filmmusik Goldsmiths und verfügt somit auch über musikhistorischen Wert. Lange Zeit bildete eine klanglich schlechte Suite als einzige Möglichkeit, die Musik zu studieren, die zusammen mit „The General with the Cockeyed Id“ auf dem Delphi-Label veröffentlicht wurde. Sämtliche Stücke der Musik wurden in einem 37 Minuten andauernden Stück aneinandergereiht und die Laufzeit offensichtlich durch Wiederholung einzelner Tracks in die Länge gestreckt. Erst Intrada machte die Musik auf einer offiziellen und vollständigen klanglich sauberen Ausgabe zugänglich. Bildet die Musik natürlich einen frühen Gehversuch eines späteren Giganten der Filmmusik, so ist „City of Fear“ mehr als eine historische Randnote, sondern bietet durch die düstere Atmosphäre, die leicht jazzigen Einschläge und temporeiche Montagen und Verfolgungsjagden auch heute noch deutliches Hörvergnügen.



1960

 

Studs Lonigan - Kein Stern geht verloren

Zur Zeit der großen Depression sahen mehrere Schriftsteller es als ihre Aufgabe an, ein episches Werk zu schreiben, das die verkommene Gesellschaft wachrütteln sollte. James T. Farrell entschied sich zu einer groß angelegten Romanreihe um den Charakter des William "Studs" Lonigan, der durch seine äußere Umgebung beeinflusst nie von der schiefen Bahn, dem Alkohol und der Ausweglosigkeit loskommt. 1959 wurde die Reihe in einem 94minütigen Film untergebrach, der als frühe Stufe der Karriereleiter vieler angesehener Leute in Hollywood gilt (u. A. Jack Nicholson in seinem vierten Film überhaupt) - allerdings nicht für den Hauptdarsteller Christopher Knight, der nach seinem hieisgen Debüt auch schon wieder in der Versenkung verschwand. Auch der Film ist heute vergessen - zu Recht?
Ich muss zugeben, dass mich der Film durchweg unterhalten konnte und einige wirklich nette Einfälle enthielt. Besonders haften blieb die Trauerfeier um Paulie, einer von Studs Freunden, der betrunken vom Auto überfahren wurde. Kurz zuvor erzählt Paulie von seinem neuesten Plan und bricht in schallendes Gelächter aus, dann folgt ein Schnitt auf die Trauerfeier und das Gelächter des verstorbenen Sohnes wechselt zur weinenden Stimme der Mutter. Studs Lonigan und seine beiden überbliebenen Freunde müssen bestürzt mit ansehen, wie fast alle Trauergäste das Ereignis als fröhliche Wiedersehensfeier missbrauchen. Besonders die Collagen, die den Lebensstil und das bunte Treiben der Gang zu Anfang des Films beleuchten, sind vom Schnitt her sehr gelungen. Doch letzten Endes fehlt dem Film darüber hinaus doch leider das gewisse Etwas, umso einleuchtender ist jedoch, warum es Christopher Knight trotz blendenden Aussehens nicht zum Star gebracht hat: Sein teilweise sehr bemühtes Minenspiel wirkt oft fast parodistisch, ironisch und lächerlich.

Regiesseur Irving Lerner und Komponist Jerry (im Vorspann noch "Jerrald") Goldsmith hatten bereits zuvor für "City of Fear" zusammen gearbeitet, für den Goldsmith eine modernistisch düstere Musik schrieb. Seine Musik zu "Studs Lonigan" hingegen ist eher vom Jazz inspiriert, weist aber schon typische deutliche Americana-Spuren auf und vermengt diese gekonnt mit dem Broadwayjazz und ähnlich gelagerten Stücken Kurt Weills. Wie in vielen Frühwerk ist Goldsmith auch hier noch auf der Suche nach einem Personalstil, schafft es aber gekonnt, seine Vorbilder und Inspirationsquellen handwerklich und dramaturgisch hochwertig zu verarbeiten, ohne auch nur einmal ins Epigonenhafte abzugleiten. Die CD sei jedem empfohlen!



1962

 

Lonely Are the Brave - Einsam sind die Tapferen

 

Jake Burns ist ein Relikt aus einer vergangenen Zeit: Als Viehtreiber in Texas und Mexiko arbeitend, hat der einsame Reiter nur zwei treue Gefährten: Seine Winchester und seine Stute Whisky. Zusammen mit seinem Freund Paul Bondi wuchs er bei einer Indianerin in den Bergen auf. Während Jake das Leben als Viehtreiber nach altem Vorbild lebte, heiratete Paul seine Freundin Jerry, gründete mit ihr eine kleine Familie und wurde Schriftsteller. Aus der Zeitung in Mexiko erfährt Jake von Pauls Verhaftung. Er half illegalen Einwanderern bei der Grenzüberschreitung, wofür er voraussichtlich zwei Jahre absitzen muss. Sein Freund begibt sich sofort in die Heimat, wo Paul in Untersuchungshaft in der Polizeistation sitzt. Jake beginnt in einer Bar eine Schlägerei und wird verhaftet. Sein Plan ist es, gemeinsam mit Paul auszubrechen und zu fliehen, doch als er seinem Freund in der Gemeinschaftszelle begegnet, offenbart ihm dieser, dass ein Ausbruch für ihn unmöglich ist, da er seiner Familie wegen nicht sein ganzes Leben vor dem Gesetz fliehen kann. Paul möchte die zwei Jahre absitzen und dann ein neues Leben beginnen. Jake hat Verständnis für dessen Vorhaben, kann aber selbst nicht einen Tag länger im Gefängnis bleiben und bricht alleine aus. Mit seinem Pferd und seinem Gewehr macht er sich auf den Weg nach Mexiko, während ihm die Polizei stets mit neuester Technologie auf den Fersen ist…

 

In den 60er Jahren wurde der Western, nachdem er „salonfähig“ geworden war, durch Schauspieler wie John Wayne und Regisseure wie John Ford zur Blüte gebracht. Es ist daher besonders bemerkenswert, dass bereits 1962 mit der Verfilmung von Edward Abbeys Roman „The Brave Cowboy“ ein interessanter Gegenentwurf entstand, der den Western-Mythos auf interessante Art und Weise dekonstruiert. Wäre Jake Burns in einem Ford-Western ein rechtschaffener Held, der der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft und ohne dem die Gemeinschaft hilflos wäre, so ist er hier ein Außenseiter, ein Gehetzter und letzten Endes ein Verlierer – gejagt von dem Gesetz, schutzlos und übervorteilt. Der Roman geht dabei dem Experiment nach, einen klassischen Westernhelden in die Gegenwart (1956) zu versetzen und die freie Moralvorstellung der Pionierzeit mit der Gesetzesvorstellung der Zivilisation aufeinander treffen zu lassen. Die Verfilmung unter der Regie von David Miller kann durchaus als gelungen bezeichnet werden, wobei besonders die Verfolgung durch die Berge in der zweiten Hälfte des Films dramaturgisch etwas durchhängen, bevor der Film mit einem sehr starken Ende in der letzten Viertelstunde noch einmal anzieht. Filmisch allerdings ist „Lonely Are the Brave“ absolut hochwertig und Miller schafft es grandios, die verschiedenen Welten aufeinander prallen zu lassen. So bedient er sich klassischer Westerntopoi wie dem am Lagerfeuer schlummernden Cowboy, die den Zuschauer in Sicherheit wiegen, bevor Düsenflugzeuge die Wild-West-Romantik jäh zerschneiden. Oftmals genügt nur ein kleiner Schwenk mit der Kamera, um den klassischen Western in die Gegenwart zu katapultieren.  An anderer Stelle erhält der Regisseur die Western-Romantik auch aufrecht, wie in der Abschiedsszene zwischen Jerry und Jake. Die Einstellung, in der die Frau dem Reiter, der auf die Berge zustrebt, lange nachblickt, versetzt einen tatsächlich in eine andere Zeit, einen anderen, heilen Film. Wohltuender Weise wird auf Schwarzweißmalerei verzichtet. Die Polizisten sind keine klassischen Bösewichte, wollen Jake auch zuerst gehen lassen, bis dieser wieder wild um sich schlägt. Während sich der Cowboy in der Landschaft bestens auskennt, scheinen die Beamten mit der Jagd überfordert und auch wenn ihre Technik dem Flüchtling überlegen ist, so ist sie in der rauen Natur nicht immer hilfreich. Allerdings wäre es wünschenswert, den Kontrast zwischen den Dorfpolizisten, die zwar mit gutem Willen, aber wenig Verstand vorgehen, und dem um seine Freiheit kämpfenden Burns besser heraus zu arbeiten. So allerdings schleppt sich die Jagd etwas hin.

Nichts desto trotz ist „Lonely Are the Brave“ ein gut unterhaltender Film, der neben einer guten Regie und einer hervorragenden Schwarzweißfotografie von Philip H. Lathrop auch mit sehr überzeugenden Schauspielern aufwartet. Kirk Douglas ist ein perfekter Jake Burns: kernig, männlich und von einer sympathischen Einfachheit. Sein Gegenspieler, Sheriff Morey Johnson, wird treffend von einem leicht griesgrämigen Walter Matthau verkörpert. Gena Rowlands überzeugt in der Rolle der Jerry Bondi, die an der moralischen Verstocktheit ihres guten Freundes Jake offensichtlich leidet und „Beißer“ George Kennedy ist in einer kleinen Rolle als sadistischer Hilfspolizist zu sehen.

Insgesamt ist „Lonely Are the Brave“ ein überaus sehenswerter Film, dessen dramaturgische Schwächen durch die handwerkliche Raffinesse mehr als ausgeglichen wird.

 

Jerry Goldsmith hatte seit seinem ersten vertonten Kinofilm – „The Black Patch“ – 1957 durch innovative und äußerst originelle Filmmusiken auf sich aufmerksam gemacht. Mit „Lonely Are the Brave“ sollte er seinen ersten größeren A-Film vertonen und löste diese Aufgabe ohne Frage tadellos. Bernard Herrmann, der einmal bei den Aufnahmen zugegen war, meinte, die Musik sei viel zu gut für den Film. Ob dem so ist, sei einmal dahin gestellt, aber die Qualität der Musik ist über jeden Zweifel erhaben. Für die Musik stand dem Komponisten ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das er zudem um einige folkloristische Instrumente wie das Akkordeon und die Gitarre erweiterte. Im Großen und Ganzen steht die Partitur der konventionellen Western-Vertonung nahe, doch gelingt es Goldsmith meisterhaft, dem Genre seinen eigenen musikalischen Stempel aufzudrücken. Auf große Copland’sche Americana wird größtenteils zu Gunsten kleinerer Besetzungen verzichtet. Klassische Westernklischees werden nur zu Beginn eingesetzt, um den Zuschauer dem Film entsprechend in Sicherheit zu wiegen. Stattdessen ist die monothematische Musik hauptsächlich aus der Sicht des Protagonisten entworfen und dementsprechend lyrisch und impressionistisch geraten. Dabei gelingt es Goldsmith immer wieder meisterhaft, seinem langen und gesanglichen Thema stets neue Facetten abzugewinnen.  Ganz zu Beginn als zarte Melodie in der Gitarre über einen Liegeton der Violinen eingeführt, erklingt das Thema bald als stolze Hornmelodie im Orchester und wenig später als Akkordeon-Solo. Doch auch die um das Thema herum komponierten Passagen oder eigenständige Stücke sind mit äußerster Sorgfalt komponiert. Zu den frühen Höhepunkten der Musik gehört die Vertonung der Schlägerei in der Bar, die durch rhythmische Schichten der Marracas und der Gitarre einen mexikanischen Anstrich bekommt und über die sich komplexe und teils harsche Ausbrüche des Orchesters legen. Auch die atmosphärisch sehr dichte Vertonung von Burns’ erster (und einziger Nacht) im Gefängnis, in der er schlimm verprügelt wird, stellt das musikalische Gespür des Komponisten unter Beweis. Aus lang gezogenen Tönen der Kontrabässe schält sich langsam eine sich immer weiter steigernde Fortspinnung des Hauptthemas heraus, die schließlich abrupt abbricht und von spitzen Pizzicati der Violinen abgelöst wird. Die lang angehaltenen, fast sphärischen Akkorde der Violinen für den Ausbruch des Einzelgängers, die von einigen scharfen Xylophonakzenten gestört werden, erschaffen eine intensive Spannung. Der geringe Aktionismus der Musik entspricht dem angehaltenen Atem des angespannten Flüchtlings. Mit den Stücken für die Jagd durch das Land steuert Goldsmith seine Musik energetisch dem tragischen Finale zu. Harsche Ausbrüche des Blechs, angespannte Triller der Holzbläser und Streicher legen den optimistischen Arrangements des Hauptthemas immer wieder musikalische Hindernisse in den Weg, bis schließlich wieder die Gitarre über sanfte Liegetöne der Violinen das letzte Wort hat. Die Musik zu „Lonely are the Brave“ erhielt zum Filmstart kein kommerzielles Album und bis in die 90er Jahre waren die Aufnahmen nicht zugänglich. Dann ermöglichte das dubiose Bootleg-Label „Delphi“ mit der ersten CD zu dieser Musik eine passable Zwischenlösung, die allerdings weder durch Vollständigkeit noch durch sauberen Klang glänzen konnte. Die definitive Veröffentlichung erfuhr „Lonely Are the Brave“ schließlich erst durch den Varèse-Club, der dieses Juwel angemessen veröffentlichte. Erstmals vollständig und mit einem gut ausgestattetem Booklet versehen, erklingt diese Musik in bestmöglicher Klangqualität und enthält somit auch die kurzen klischeehaften Westernpassagen, die den Rezipienten während des Vorspanns gekonnt in die Irre führen. Jerry Goldsmith nutzte mit dieser oftmals introvertierten Westernmusik seine Chance, einen A-Film zu vertonen, voll aus und legte den Grundstein für eine der erfolgreichsten und längsten Hollywood-Karrieren.       

 

 

The Spiral Road - Die gewundene Straße

In den dreißiger Jahren trifft Dr. Anton Drager mit einer Gruppe junger Mediziner auf der indonesischen Insel Java ein, um dort wie seine Kollegen fünf Jahre im Dienste des Gouvernment Health Services als Arzt zu arbeiten. Er meldet sich freiwillig, Dr. Brits Jansen unterstellt zu werden, der Eingeborene im Dschungel vor Ort betreut. Jansen hat wichtige Erfolge in der Behandlung von Lepra erzielt, allerdings sind keine Berichte oder Aufzeichnungen von ihm bekannt und Drager erhofft sich, an der Seite des großen Mediziners lernen und dokumentieren zu können. Auf einer Zwischenstation seiner Reise in den Urwald begegnet der junge Arzt dem Flussfahrer Frolick und dem Leiter einer Krankenstation für Leprapatienten: Captain Willem Watereus von der Heilsarmee. Frolick, der deutlich angetrunken ist, fängt Streit mit dem frommen Mann an, doch Drager geht dazwischen. Einige Tage später erreicht der junge Arzt endlich sein Ziel. Die leichte Skepsis zu Beginn gegenüber dem sehr pragmatischen und teilweise auf ungewöhnliche Behandlungsmethoden gegenüber den Eingeborenen setzenden Brits weicht und bald entwickeln die Männer schnell ein freundschaftliches Verhältnis zueinander, das jedoch getrübt wird, als Dragers junge Verlobte Els ebenfalls auf Java eintrifft und sie und Anton schließlich heiraten. Brits ist der Überzeugung, dass für seine und Antons Aufgabe nur ein Junggeselle geeignet sei, der sich nicht um seine Verlobte sorgen müsse und gibt seinen jungen Assistenten wieder frei. Dieser ist höchst deprimiert und seine Frau erwirkt bei dem gutmütigen Brits eine neue Zusammenarbeit, die dieses Mal jedoch an den philosophischen Einstellungen der beiden Ärzte scheitert. Anton Drager, der sehr unter seinem dominanten Vater zu leiden hatte, ist überzeugter Atheist und lehnt jede Religiösität ab, rät sogar, sämtliche auf religiösem Standpunkt errichtete Einrichtungen wie die Willem Watereus' dem Gouvernment Health Service zu übertragen. Drager verlässt Brits' Lager und entschließt, mit Els nach Hause zu reisen, als er eine Nachricht seiner Vorgesetzten erreicht: Der Fährmann Frolick ist verschwunden und Drager soll ihn suchen. Erneut begibt sich der junge Arzt in den Urwald und stößt schon bald an seine Grenzen. Anton Drager erkennt, dass nur Gott ihm den Weg auf die gewundene Straße zum Himmel freigeben kann...

1962 zählte Rock Hudson schon längst zu den bekanntesten Schauspielern seine Zeit, hatte in "Giganten" gespielt und in vielen romantischen Komödien mitgewirkt. "The Spiral Road" ist ein heute längst vergessenes Starvehikel für den knapp zwei Meter großen Schauspieler und basiert auf dem Buch von Jan de Hartog. Der Film lebt hauptsächlich von seiner religiösen Botschaft, in der ein junger selbstgefälliger und egoistischer Protagonist an den Erfahrungen älterer und erfahrener Männer zweifelt, bis er im Dschungel, von Eingeborenen in den Wahnsinn getrieben, nach Jahrzehnten wieder zu Gott spricht und gerettet wird. Der von Robert Mulligan handwerklich solide inszenierte Film hat heute deutlich Patina angesetzt und ist in seinem Standpunkt äußerst platt. Eine in Anbetracht des Inhalts immerhin mögliche philosophische Tiefe wird zu Gunsten von ausgetauschten Plattitüden und Schwarzweißmalerei im Keim erstickt. Mit seinen knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit erweist sich "The Spiral Road" als sehr zähes Filmerlebnis, da sich die Zweifel des Protagonisten in einem ewigen Hin und Her äußern und die Handlung so recht zerfahren wirkt. Das letztendliche Schlüsselelement - Medizinmann Burubi, der einsame Weiße im Urwald in den Wahnsinn treibt - wirkt ebenso aufgesetzt wie unglaubwürdig. Auch das Frauenbild, das sich in Els personifiziert, die ihr Glück dem ihres Ehemannes unterordnet und sogar einen Ehebruch schweigsam hinnimmt, ist wie die teils rassistische Darstellung der naiven Eingeborenen mehr als veraltet. Die schauspielerischen Leistungen sind höchstens als durchschnittlich zu bewehrten, allenfalls allenfalls Burl Ives schafft es mit seiner trampeligen Darstellung des plumpen Brits', dem Zuschauer hier und da ein Schmunzeln zu entlocken. Gena Rowlands' Rolle der Els gibt nicht wirklich viel her und Rock Hudson bemüht sich offensichtlich, Drager als zerrüttet darzustellen, letzten Endes ist der Protagonist doch zu sehr der charmante junge Arzt und zukünftige Ehemann. Im Gegensatz zu anderen Filmen Hudsons oder Mulligans ist "The Spiral Road" ein längst überholtes Relikt aus alter Zeit und verfügt weder über filmische Qualitäten noch eine gut formulierte Botschaft und ist somit zu Recht in Vergessenheit geraten.

"The Spiral Road" dürfte entweder für Fans Rock Hudsons, Robert Mulligan oder Jerry Goldsmiths heute noch wichtig sein, denn besonders bei dem Komponisten bildet dieser Film ein wichtiges Bindeglied zwischen dessen erster Filmmusik, die breiteres Interesse weckte ("Einsam sind die Tapferen") und "Freud", die Goldsmith die erste Oscarnominierung einbrachte. Auch in "The Spiral Road", der bis dahin längsten und am größten besetzten Musik Goldsmiths, lässt sich deutlich erahnen, was für ein Könner gerade seine ersten Schritte für die Leinwand macht. Im Frühwerk lässt sich noch eine deutliche Stilsuche erkennen, indem verschiedene Stilisiken und Konzepte in einer Musik nebeneinander stehen und der Komponist fast jeden Film als Möglichkeit für einen neuen Vertonungsansatz wählte. Während "Studs Lonigan" auf Kurt Weils jazzigen Spuren wandelt, "Freud" mit harschen Modernismen vertont wird und in "The List of Adrian Messenger" noch bluesiger Krimiklänge neben archaisch altertümlichen Jagdfanfaren stehen, gehört "The Spiral Road" neben den nicht-jazzigen Passage aus "The Stripper" zu den Musiken, die noch einen deutlichen Hauch Golden Age atmen. Für die Vertonung stand dem Komponisten ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das jedoch um die aus der balinesischen Musiktradition stammenden Gamelan-Instrumente erweitert wurde. Der metallische und helle Klang dieser perkussiven Instrumente verleiht dem Klang einen exotischen Akzent, wobei Goldsmith zu keinem Zeitpunkt auf "echte" Gamelanmusik zurück greift, sondern diese Instrumente meistens für besonders schillernde oder fanfarenartige Passagen verwendet. Die Musik entspricht durch und durch westlicher Vertonungsmuster, was sich besonders in den kurzen Momenten zeigt, in denen Dragers Reise auf dem Fluss oder exotische Schauplätze mit Musik unterlegt wurden. Hier ist die Melodieführung meistens durch pentatonische Hornmotive geprägt, die ebenso erhaben wie klischeehaft klingen. Das Liebesthema für Anton und Els bestreitet mit seinen leidenschaftlichen Violinen und dem süffigen Charakter die meisten Golden-Age-lastigen Passagen und auch das behäbige und etwas niedlich anmutende Thema für Tuba und Posaune, das den dicken Brits charakterisiert, lehnt an die naive Vertonung ähnlicher Figuren in alten Filmen an. Insgesamt ist die Musik vollständig leitmotivisch gegliedert und erfüllt so einen weiteren wichtigen Punkt auf der Golden-Age-Checkliste, doch auch wenn sich der Komponist offensichtlich an Standarts orientiert, die langsam aber sicher abgelöst wurden, blitzen oft Goldsmith-typische Charakterismen wie die schnörkellose Stimmführung und Instrumentation durch.
Die Musik war lange Zeit nicht erhältlich, bis das Bootleg-Label Soundstage Records mit 53 Minuten Musik immerhin drei Viertel des Scores veröffentlichte. Die Musik war zwar in Filmreihenfolge angeordnet, jedoch zu fünf jeweils ungefähr 10 Minuten langen Suiten zusammengefasst und rühmt sich im Booklet, die Originalaufnahmen wie von Goldsmith vorgesehen zu präsentieren. Erst vor kurzer Zeit machte der Varèse-CD-Club die vollständige Musik in überraschend klarer Klangqualität und informativem Booklet zugänglich. Anscheinend enthält die Club-CD die Filmversionen aller Stücke, sodass Komplettisten wahrscheinlich auch die alte Soundstage-CD wegen der alternativen Fassungen nicht aus ihrer Sammlung verbannen werden. Insgesamt handelt es sich bei diesem frühen Abenteuerscore um eine weitere sehr erfrischende Komposition aus dem Frühwerks eines der bedeutendsten Filmkomponisten und offenbart durch den deutlichen Golden-Age-Gehalt einen weiteren interessanten Einblick in die frühe Entwicklungen und Einflüsse des Komponisten.

 

Freud

Der 30-Jährige Dr. Sigmund Freud gerät während seiner Tätigkeit in dem Wiener Allgemeinem Krankenhaus immer wieder mit seinem Professor Dr. Theodor Meynert aneinander. Meynert vertritt wie fast alle Kollegen die Ansicht, dass Hysterie keine ernst zu nehmende Nervenkrankheit sei. Schließlich gibt Freud auf und reist nach Frankreich, um unter Jean-Martin Charcot zu studieren, der wegweisende Fortschritte auf dem Gebiet der Behandlung neurotischer Patienten mittels Hypnose erzielt hat. Begeistert von Charcots Behandlungsmethoden begibt sich Freud einige Zeit später zurück nach Wien, wo er allerdings von Meynert bei einer Lesung öffentlich bloßgestellt wird. Einzig und allein Dr. Josef Breuer, der ebenfalls Experimente mit Hypnose durchführt, ist dem Referenten zugetan. Er schlägt diesem vor, eine gemeinsame Studie zu verfassen und lässt seinen Kollegen auch bei weiteren Sitzungen anwesend sein. Schließlich überträgt Breuer seine Patienten auf Freud, der sich immer klarer über die Rolle des Unterbewusstseins des Menschen bei dessen Handlungen wird. Seine Methoden und Erkenntnisse stoßen Kollegen und Patienten gleichermaßen vor den Kopf, doch Freud forscht unbeirrt weiter…

1946 gab die amerikanische Regierung den Film „Let There Be Light“ in Auftrag, der die psychiatrische Behandlung u. A. mittels Hypnose von durch Kriegserlebnisse traumatisierten Soldaten zeigt. Gedreht wurde dieser Dokumentarfilm von Filmgröße John Huston, den die Möglichkeiten von Hypnose seit diesem Projekt faszinierten. Huston setzte sich in den Kopf, einen Film über Sigmund Freud zu drehen, der zu den Urvätern der Psychoanalyse gehört, doch erst mehr als eine Dekade später erst konnte das Projekt realisiert werden. Der französische Autor Jean-Paul Sartre wurde beauftragt, das Drehbuch zu verfassen, doch Huston dürfte das entstandene Script gleich doppelt vor den Kopf gestoßen haben. Zum Einen war Sartres Drehbuch viel zu umfangreich und hätte einen über zehn Stunden laufenden Film ergeben, zum Anderen schien Huston als Freud-Begeisterter außer dessen Erfolge im Bereich der hypnotischen Behandlung nicht sehr vertraut mit den Ansichten und Theorien des großen Psychologen gewesen sein, denn Freuds Ansichten zur infantilen Sexualität und die Theorie, dass sich jedes Trauma auf ein sexuell ausgerichtetes Erlebnis zurück führen lässt, dürften den konservativ eingestellten Regisseur stark vor den Kopf gestoßen haben. Sartre weigerte sich, seinen Drehbuchentwurf zu kürzen sodass Charles Kaufmann und Wolfgang Reinhardt sich letzten Endes für das Skript verantwortlich zeichnen. Angeblich wurde Huston erst kurze Zeit vor Drehbeginn zugetragen, dass der Hauptdarsteller Montgomery Clift homosexuell war und die in München stattfindenden Dreharbeiten vor allem seitens Hustons mit größter Anspannung und in einer insgesamt beklemmenden Atmosphäre vonstatten gingen.
Doch vielleicht waren es gerade diese schwierigen Vorraussetzungen, die „Freud“ zu einem auch heute noch sehr sehenswerten Film gemacht haben, denn hier wird eine übermäßige Heroisierung des Protagonisten – wie sonst besonders in Hollywood-Biographien üblich – vermieden. „Freud“ verfügt über ein hohes Maß an Zurückhaltung und Objektivität, das Unverständnis Freuds Umgebung wird glaubwürdig thematisiert und dient nicht nur als rein dramaturgischer Gegenpol, gegen den der Protagonist anzukämpfen hat.
Die Beteiligung von durchweg fähigen und begabten Könnern ihres Faches macht „Freud“ zudem auch rein filmisch zu einem überdurchschnittlichen Werk. Das einzige Manko des Films ist der Versuch, den Zuschauer nicht mit allzu vielen individuellen Patienten zu verwirren und die Möglichkeit zu bieten, auch zu der von Freud zu behandelnden Person eine emotionale Bindung aufzubauen. Dazu dient der Charakter der Cecily Koertner, die von den Autoren mit nahezu jedem Phänomen gestraft wurde, das Freud in den fünf geschilderten Jahren beobachtete. Schon in der Mitte des Films fragt man sich als Zuschauer, wann dieses arme Wesen doch endlich von den unzähligen Neurosen geheilt sein wird. Neben der detaillierten Ausstattung, den Kostümen und der äußerst gelungenen Schwarzweißfotografie Douglas Soclombes überzeugen besonders die Schauspieler durch die Bank. Montgomery Clift tastet sich mit stechendem Blick durch die Labyrinthe seiner Patienten, während er sein eigenes Trauma bekämpft. Gerade die etwas zweifelnde und zurückhaltende Charakterisierung des großen Denkers stieß bei Freud-Anhägern auf große Unzufriedenheit, da dieser stets als entschlossener und willensstarker Mann beschrieben wurde. Larry Parks als psychiologischer Ziehvater Breuer sowie Ferdinand Ledoux als Charcot verkörpern die historischen Figuren mit absoluter Glaubwürdigkeit und Susannah York liefert als geplagte Cecily Koertner durchweg schauspielerische Höchstleistungen ab. Einen ebenfalls sehr beeindruckenden aber recht kurzen Auftritt hat David McCallum, der später als Agent von „U.N.C.L.E.“ zum Jugendidol wurde.

Die Musik Jerry Goldsmith trägt ebenfalls maßgeblich zu der dichten Atmosphäre des Films bei. Der junge Komponist feierte mit „Freud“ seinen ersten großen Erfolg, brachte ihm dieser seine erste Oscar-Nominierung ein. Wie auch die drei Jahre zuvor entstandene Untermalung von „City of Fear“ ist diese Musik durch und durch modernistisch geprägt. Statt einer walzerseeligen Charakterisierung Wiens um 1880 knüpfte Goldsmith einen anachronistischen aber vollständig einleuchtenden musikalischen Bezugspunkt, indem er sich an der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg orientierte, ohne dabei seinen eigenen charakteristischen Umgang mit seriellen Techniken abzulegen. Anstatt wie von Schönberg geplant, die Reihen als „sich selbst begleitende Tongestalten“ seinen Kompositionen zu Grunde zu legen, verwendet Goldsmith seine Tonfolgen als eigene Motive, die durch teils harsche und atonale oder auch traditionelle Akkorde harmonisiert und somit einzeln manipuliert werden. Schon gleich zum Vorspann schlängelt sich eine Tonreihe durch das farbige Netz, dass die verschiedenen Klangfarben des Orchesters aufspannen und die den äußerst versierten Umgang des Komponisten mit einer solchen Besetzung unter Beweis stellen. Doch nicht nur Anklänge an die Zweite Wiener Schule lassen sich finden, sondern zwei weitere musikalische Vorbilder und Inspirationen Goldsmiths besonders in seiner frühen und mittleren Phase: Bartók und Stravinsky. Besonders die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ des ersteren lässt sich als Vorbild für einige Passagen in „Freud“ ausmachen. Dieser sehr modernistischen Klangwelt wird ein sehr lyrisches, fast unschuldiges und an ein Kinderlied erinnerndes Thema für Cecily gegenübergestellt, das sanft in der Celesta erklingt und sich wie ein roter Faden durch die Musik zieht. Doch auch in den atonalen Passagen arbeitet Goldsmith überwiegend motivisch und schöpft seine einzelnen kurzen Fragmente stets voll aus, sodass sich der Musik auch ohne tonalen Halt sehr gut folgen lässt. Insgesamt schrieb Goldsmith mit „Freud“ ein frühes Meisterwerk, das einen starken Einblick in das Potential und die Fähigkeiten dieses damals aufstrebenden Komponisten ermöglicht, der einige Zeit später zu den gefragtesten und angesehensten Filmkomponisten Amerikas aufsteigen sollte.
Wie so oft setzte Goldsmith auch in „Freud „ Musik nur sehr sparsam ein, um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Im Film selbst wurde die Musik auch teilweise grob geschnitten, ein- oder ausgeblendet. Von der knappen Dreiviertelstunde musikalischen Materials wurde ein gut halbstündiges LP-Programm für eine kommerzielle Veröffentlichung zusammengestellt, das lange Zeit nur durch eine legale Grauzone über das Tsunami-Label in Deutschland verfügbar war. Da als Quelle für die CD eine LP verwendet wurde ist die Klangqualität denkbar scheppernd und vollständig in mono. Erst 2009 veröffentlichte Varèse-Sarabande die vollständige Filmmusik im Rahmen des Varèse-Clubs auf einer auf 3000 Stück limitierten CD erstmals auch in stereo. Komplettisten werden allerdings auch das Tsunami-Album aufbewahren, da es als einziges Album die Möglichkeit bietet, die Filmversion von „Desperate Case“ zu hören, die es durch den Temp-Track aus Ridley Scotts „Alien“ zu größerer Bekanntheit gebracht hat. Die Klangqualität der Varèse-CD ist erstaunlich frisch und klar, der Begleittext lässt allerdings zu wünschen übrig und unterschlägt wichtige Informationen, z. B. warum auf der CD nur eine alternative Fassung von „Desperate Case“ zu hören ist. Abgesehen von diesem Makel ist das „Freud“-Album allerdings eine vorzügliche Präsentation einer nicht nur historischen sondern auch musikalisch äußerst bedeutenden Leistung, die in keiner Filmmusiksammlung fehlen sollte.



1963

 

The List of Adrian Messenger - Die Totenliste

John Huston, Regiesseur des "Schatzes der Sierra Madre", "Roy Bean" und "The Maltese Falcon" drehte 1963 mit "Die Totenliste" einen Film, der mit dem Landhaus im gotischen Stil, der Fuchsjagd, den verrauchten Pubs und verregneten Städten hätte britischer nicht sein können. Als wichtiges britisches Thema geht es in diesem ansprechend in Schwarzweiß fotografierten Film natürlich um die Suche nach einem Mörder, der seit mehreren Jahren schon Männer umbringt und die Morde geschickt als Unfall tarnt, dabei auch durch getürkte Zugunfälle und Zeitbomben in Flugzeugen locker den Tod Unschuldiger in Kauf nimmt. Adrian Messenger entdeckt einen losen Zusammenhang zwischen den Opfern und bittet, seinen Freund Anthony, einige Nachforschungen aufzunehmen, als auch er prompt ermordet wird...

Im Gegensatz zu den klassischen "britischen" Wallace-Krimis oder den Miss-Marple-Filmen steht der Mörder eigentlich für jeden spätestens ab der Hälfte des Films fest. Stattdessen entwickelt Huston ein geschicktes Verwirrspiel, an dem auch das Marketing des Films eine gehörige Verantwortung zu tragen hatte. Mit den fünf Stars Kirk Douglas, Frank Sinatra, Burt Lancaster, Robert Mitchum und Tony Curtis, die alle bis zur Unkenntlichkeit (teilweise als Frau) maskiert sind, erwartet der Zuschauer eine mögliche Wendung, einen unerwähnte Komplizen oder Ähnliches. Erst beim Abspann merkt man, dass die Stars nur im Film sind "weil sie's können" - naja, bis auf einen.

Jerry Goldsmith und John Huston haben ein Jahr zuvor bereits für "Freud" zusammen gearbeitet und auch für "Die Totenliste" schrieb Jerry Goldsmith eine interessante und frische Partitur. Doch wie viele Spielfilmvertonungen im Frühwerk des versierten TV-Komponisten zeigt sich hier die leicht stückhafte Vertonung der einzelnen Szenen mit entgegen gesetzter Stilistik, wie es auch bei "The Prize" und teilweise bei "The Stripper" der Fall war. Als Hauptthema schrieb Goldsmith eine elegante leicht jazzig-getragene Melodie des Saxophons, doch das wesentliche Element der Musik ist ein sehr einfach gestricktes Suspense-Motiv, das die Musik auch eröffnet. Das achttönige Motiv durchzieht die Musik wie ein roter Faden und verknüpft die sehr unterschiedlich vertonten Szenen wie die schmetternd begleitete Fuchsjagd und die pastoral anmutenden Kompositionen für die typisch britischen Schauplätze, die durchaus von Miklos Rozsas "Ivanhoe"-Musik inspiriert gewesen sein dürften. Einige harsche dissonante Ausbrüche beim unvermeidlichen Tod des Mörders und des Flugzeugabsturzes dürfen natürlich nicht fehlen. Durch den Einsatz des Cembalos und des Teremins bekommt die Musik einen leicht spleenigen und unheimlichen Charakter. Alles in Allem ein netter Film mit einem sehr interessanten Frühwerk eines bedeutenden Filmmusikkomponisten, der noch auf der Suche nach seinem finalen Stil ist.

 

 

Lilies on the Field - Lilien auf dem Felde

Der Tagelöhner Homer Schmidt sucht an einem heißen Tag in Arizona eine kleine Farm auf und bittet um Kühlwasser für sein Auto. Der kleine Hof wird von fünf deutschen katholischen Nonnen betrieben, deren Oberin in Homer einen von Gott Gesandten sieht. Sie ist überzeugt, dass der Besucher die Antwort auf die vielen Gebete nach einem starken Helfer ist, der die Farm wieder in Stand bringen soll. Nach einigen Überlegungen stimmt dieser aus Geldmangel zu, das lecke Dach des Wohnhauses neu zu decken, doch als dieser am Abend um die Bezahlung bittet, wird er enttäuscht. Nach einem kläglichen Frühstück am nächsten Morgen offenbart ihm Oberin Teresa ihr wahres Anliegen: Einst stand auf dem Grundstück der Farm eine kleine Kapelle, die nun wieder errichtet werden soll. Smith lehnt ab und will sich auf den Weg in die nächstgelegene Ortschaft machen, allerdings bittet ihn die Oberin, sie und eine weitere Schwester mit zu einem dort ansässigen Bauunternehmen zu fahren. In dem Glauben, die sei der letzte Dienst, macht Smith keine Einwände. Die Nonnen erzählen dem Chef der Baufirma – Mr Ashton – von ihrem Plan und dieser bietet dem Gelegenheitsarbeiter einen Job an, macht sich allerdings gleichzeitig über das Vorhaben, alleine eine Kapelle bauen zu wollen, lustig. In seiner Ehre gekränkt entscheidet sich Homer aus Trotz um und beschließt, die kleine Kirche zu errichten, nicht ahnend, auf was er sich alles einlässt…

Sidney Portier gewann für seine Darstellung des Homer Smith als erster schwarzer männlicher Hauptdarsteller den Oscar. Abgesehen von diesem historischen Ereignis ist die ein Jahr nach der gleichnamigen Romanvorlage entstandene Verfilmung von Ralph Nelson ein gefälliger Film, der seine Kernelemente Gottvertrauen und Nächstenliebe in erfrischend heiteres Gewand kleidet. Auch heute noch fällt positiv auf, dass „Lilien auf dem Felde“ wohltuend an der Oberfläche bleibt und die zwischenmenschlichen Aspekte im Vordergrund stehen. Dabei werden religiöse Inhalte nie mit der Keule eingedroschen, vielmehr bieten sie die Grundlage für heitere Szenen, zum Beispiel als Smith die Oberin mit einem Bibelzitat zu überzeugen versucht, ihn zu bezahlen und sie mit vier anderen Versen antwortet, die von Homer eine selbstlose Haltung fordern. Außerdem versucht niemand den anderen von seinen Ansichten zu überzeugen, wird Smith als Baptist von den Nonnen trotzdem als von Gott gesandt angesehen. Allerdings braucht der Film ungefähr eine Viertelstunde Vorlauf, bis er sich voll entfaltet, das erste Abendessen mit den ständig durcheinander schnatternden Nonnen ist um Einiges zu lang geraten.
In der Tat trägt Sidney Portiers augenzwinkernde Darstellung des Homer Smiths sehr viel zum Gelingen des Films und seiner heiteren warmen Atmosphäre bei. Dem lockeren und verschmitzten Tagelöhner steht die strenge Oberin gegenüber, die überzeugend von Lilia Skala gespielt wird. Stanley Adams als gutmütiger Kneipenwirt Juan macht ebenfalls eine große Figur – im wahrsten Sinne des Wortes.
Insgesamt ist „Lilien auf dem Felde“ auch heute noch ein überraschend kleiner und feiner Film, der auch heute noch oft zum Schmunzeln anregt.

Für die musikalische Untermalung des Films wurde Jerry Goldsmith verpflichtet, der seinen Ruf als äußerst kreativer Filmkomponist in den frühen 60er Jahren mit Musiken wie „Freud“ und „Lonely are the Brave“ gefestigt hatte. Oftmals wich er dabei von der konventionellen Besetzung eines Orchesters ab und stellte für jeden Film einen individuellen Klangkörper zusammen, so auch bei „Lilien auf dem Felde“: Das schmal besetzte Orchester enthält kein Schlagzeug und das Blech wird nur durch eine Trompete und eine Posaune repräsentiert wird. Stattdessen erweiterte der Komponist die Besetzung um folkloristische Instrumente wie Mundharmonika, Gitarre und Banjo, die den Geist der ländlichen Gegend und der Mentalität Homers musikalisch einfangen sollen. Die monothematisch angelegte Musik basiert auf dem im Film von Portiers Charakter gesungenen „Amen“. Portier war übrigens so unmusikalisch, dass dieser nur die Lippen zum Gesang von Jester Hairston bewegte. Dieses Thema erklingt im Score oft beschwingt in der Mundharmonika mit volkstümlich simpler Begleitung im gezupften Bass und dem Banjo sowie sanfter Streicherunterstützung. Goldsmith komponierte außerdem zwei Kontrapunkte zu dem Hauptthema, die allerdings auch als eigenständige Melodien fungieren und in ruhigeren Passagen entweder vom Banjo gezupft oder der Trompete intoniert werden. Die Musik ist wie der Film von einem heiteren Charakter geprägt und spiegelt viele komödiantische Elemente wider, sodass z. B. Homers Gähnen in Form einer lässigen Posaunenfigur musikalisch gedoppelt wird.
Da Goldsmith ungefähr ein Drittel des Films mit Musik unterlegte wurde für die zum Filmstart erscheinende LP fast die vollständige Musik chronologisch auf das Album gepresst. Diese um ungefähr vier Minuten gekürzte Fassung ist dreimal auf CD veröffentlicht worden, zuletzt 2012 von Perseverance Records in einer auf 3000 Stück limitierten Edition. „Lilien auf dem Felde“ schlägt in dieselbe Kerbe wie „The Flim-Flam-Man“, „A Girl Named Sooner“ oder entsprechende Passagen aus „The Travelling Executioner“ und ist ein äußerst gelungener und beschwingter Ausflug des oftmals strengen und modernistischen Goldsmiths in folkloristische Gefilde, der ohne Frage gute Laune macht.

 

The Prize - Der Preis

Als Alfred Hitchcock begann, von Agenten, die durch Zufall an Frauen gekettet sind oder über die Dächer von Nizza hüpfen ablies, um sich jungen Studenten zuzuwenden, die Leute in Truhen verstecken oder Frauen unter der Dusche abmurksten kam Fox auf die Idee, dem angewiderten Publikum einen Film wie ein guter alter Hitchcock vorzusetzen - durchaus mit Erfolg. Die auf dem gleichnamigen Roman von Irving Wallace basierte Verfilmung enthielt alles, was eine gute Agentengeschichte ausmacht: Der recht junge aber verbrauchte und kaputte Schriftsteller Andrew Craig (Paul Newman) kommt nach Stockholm, um den Nobelpreis für Literatur entgegen zu nehmen. Dabei macht er mit Professor Stratmann Bekanntschaft, dem Anwärter des Nobelpreises für Physik. Am nächsten Tag allerdings erscheint ihm der Professor merkwürdig verändert und beginnt, sich immer weiter in eine politische Intrige zu verstricken und so - immer von einem langgesichtigen Killer verfolgt - von einer gefährlichen Situation in die nächste zu schlittern.
Seine Betreuerin Inger (Elke Sommer) und die Nichte des Professors Emily (Diane Baker) versuchen, Craig zu bremsen - aus verschiedenen Gründen.

Regiesseur Mark Robson gelang mit den guten bis sehr guten Schauspielern ein sehr gelungener Film, der durchweg spannend und nett anzusehen ist. Besonders die pointierten Dialoge sind hervorragend geschrieben und auch die Idee, alle Nobelpreisträger am Anfang vorzustellen, indem man zwei Kellner bei der Auslieferung von Präsentkörben begleitet ist sehr nett. Klassische Elemente wie das Austauschen einer Person durch einen Doppelgänger und der anonyme Killer im langen Mantel mit Hut sind natürlich ein Muss.

Die Filmmusik Jerry Goldsmiths dürfte deutlich mehr als bloß ein Gesellenstück des damals noch jungen und frischen Komponisten sein. In den rund 46 Minuten Musik für den Film führte Goldsmith gleich zwei Hauptthemen ein: Ein typisch fanfarenartiges Hauptthema im ternären 7/4-Takt (also 21/8) und ein lieblich jazziges Thema für Inger und ihre Beziehung zu Andrew. Zudem finden sich in "The Prize" viele Elemente, die später geradezu charakteristisch für Goldsmiths Musik wurden wie die ineinander glissandierenden Hornseptimen, die melodisch eingesetzte Perkussion und modernistisches und rhythmisch markantes Actionscoring. Interessanterweise greift Goldsmith eine Phrase des typisch perkussiv genutzten Klaviers aus "The List of Adrien Messenger" während der Vorbereitungen zum Fahrstuhlabsturz auch hier wieder auf, als Andrew Craig einen Fahrstuhl benutzt und oben dem Killer begegnen wird.
Ich möchte das sich dem Ausverkauf zuneigenden FSM-Album mit der kompletten Film- und Source-Musik sowie vier Neueinspielungen markanter Themen für eine LP nur wärmstens empfehlen! Eine wirklich tolle und abwechslungsreiche Goldsmith-Musik.

 

 

Shock Treatment - Der Mörder mit der Gartenschere

Der Bühnenschauspieler Dale Nelson wird von Harley Manning beauftragt, sich in eine psychiatrische Anstalt als Patient einzuschleusen. Manning misstraut der leitenden Ärztin Dr. Edwina Beighley sowie ihren Methoden und unterstellt ihrem Institut, vorsätzliche Mörder unter dem Deckmantel der psychischen Störung zu schützen. Nelson gelingt es, sich durch die Erregung öffentlichen Ärgernisses in Dr. Beighleys Anstalt einweisen zu lassen und freundet sich zum Schein mit dem Patienten Martin Ashley an. Dieser ist besessen von der Idee, den schönsten Garten der Welt zu züchten und arbeitete als Gärtner für eine reiche Dame, von der er sich allerdings in seiner Tätigkeit unterdrückt fühlte, sodass er sie kurzerhand mit der Gartenschere köpfte und angeblich eine Millionen Dollar in bar im Garten verbrannte. Schon bald wird klar, dass es auch Ärztin Beighley auf das Geld abgesehen hat, das Martin nur zum Schein verbrannt und in Wahrheit versteckt haben soll, um damit später seinen Garten finanzieren zu können. Bei seinen Nachforschungen gerät Nelson schnell in Gefahr, da Beighley ihn bald entlarvt hat und ihn nun zum Schweigen bringen will. Bei dieser Gelegenheit muss der Schauspieler als Versuchskaninchen für mehrere gefährliche Experimente herhalten…

Nachdem Regisseure wie Alfred Hitchcock die geistige Krankheit in „Ich kämpfe um Dich“ oder „Psycho“ „salonfähig“ gemacht hat, entstanden unzählige Filmchen, die sich nicht auf den psychologischen Aspekt sondern einzig und allein die möglichst grausamen Äußerungen des gestörten Geistes konzentrierten. Auch die Romanverfilmung „Shock Treatment“ hätte leicht ein solcher Streifen werden können, doch was auf den ersten Blick wie reißerischer Trash aus vergangenen Zeiten anmutet entpuppt sich bei der Filmsichtung allerdings als eine dicht inszenierte und überraschend hervorragend gespielte längst vergessene Perle. Zwar wandelt „Shock Treatment“ auf den Spuren des voyeuristischen Psycho-Reißers, verfügt allerdings über eine sehr differenzierte Darstellung der einzelnen Phänomene. Die Insassen der Anstalt werden nicht als möglichst bekloppte Irre dargestellt und auch wenn zwei oder drei Randfiguren ein bisschen zum Schmunzeln anregen, so werden die Geisteskranken als Menschen mit Problemen, nicht aber sinnlosen Tics charakterisiert. Durch den Handlungskern, nämlich die Verschwörung, die es aufzudecken gilt, folgt der Film einem straff gespannten Leitfaden. Regisseur Denis Sanders hielt dabei perfekt die Balance zwischen Stimmung und Atmosphäre schaffenden Anstaltsszenen und der Geschichte um Nelson. Die drastische Schwarzweiß-Fotografie Sam Leavitts, der auch „Anatomie eines Mordes“ filmte, verleiht dem Film zusätzlich eine sehr kantige Nuance. Auch die Schauspieler tun ihr Übriges, allen voran natürlich Stuart Whitman als falscher Patient sowie Lauren Bacall als seine sadistische und skrupellose Gegenspielerin Dr. Beighley. Roddy McDowalls Darstellung des psychisch labilen Blumenliebhabers Ashley gehört zu den Höhepunkten des Films ebenso wie Carol Lynleys Rolle der Cynthia Lee Albright, die durch ihre schizophrene Sexbesessenheit der unvermeidlichen Filmromanze des Protagonisten eine gewisse Tiefe verleiht.
Insgesamt handelt es sich bei „Shock Treatment“ um einen äußerst unterhaltsamen und sehenswerten Thriller, der trotz hervorragend agierender Schauspieler und einer dichten Atmosphäre heute längst in Vergessenheit geraten ist.

Einen bedeutenden Anteil an der beklemmenden Stimmung des Films hat vor Allem die Musik Jerry Goldsmiths, der als junger modernistischer Komponist bei Thrillervertonungen voll in seinem Element war. Seine von Bartók und Schönberg beeinflusste atonale Filmmusik für „Freud“ oder die experimentelle Musik zu „Seven Days in May“ sind äußerst versierte und fortschrittliche Werke eines jungen aufstrebenden Komponisten. Auch „Shock Treatment“ unterlegte Goldsmith mit äußerst harschen Klängen und teilweise drastischen Dissonanzen. Zwar standen wahrscheinlich aus finanzellen Gründen nur ein Streichorchester, Perkussion und Tasteninstrumente (Klavier, Celesta, Orgel) zu Verfügung, trotzdem schuf der Komponist eines faszinierende und abwechslungsreiche Partitur. Besonders markant sticht die finale Actionpassage während Nelsons Flucht aus der Anstalt heraus, die mit den treibenden Schlägen der kleinen Trommel, den dicht aneinander gestauten Trillern der Streicher und den rollenden Girlanden des Klaviers in tiefer Lage deutliche Merkmale Goldsmith’scher Actionvertonungen aufweist. Als Hauptmotiv fungiert eine fast fanfarenartige aufteigende Tonfolge aus fünf Noten, die atonal harmonisiert wird sowie ein schleichendes Suspense-Motiv, das besonders solistisch im Marimbaphon und der Solovioline erklingt. Besonders die Einwürfe der Violine verleihen der Musik einen makabren Anstrich. Ein bisschen klischeehaft und überholt mag der immerhin nur spärliche Einsatz des Teremins auf heutige Hörer wirken, doch insgesamt fügt sich das Instrument gekonnt in den Klangkörper der Streicher ein.
Um die Verfügbarkeit der Musik steht es denkbar schlecht, denn die einzige offizielle Veröffentlichung bildet eine rund 20 minütige Suite, die innerhalb der hoffnungslos vergriffenen „Goldsmith at 20th Century Fox“-Box des Varèse-Clubs erschien. Einige Zeit später wurde ein um zehn Minuten längeres Bootleg verfügbar, das zwar vollständiger aber noch nicht komplett ist, da rund fünf Minuten Material auch hier nicht zu finden sind. Ob der kurzen Laufzeit der Musik (rund 35 Minuten) und der hohen Qualität sowie der kompositorischen Raffinesse in jedem einzelnen Stück ist eine komplette Veröffentlichung des Materials mehr als überfällig. Leider sind beide Quellen von antiquierter Klangqualität, sodass einige Details verloren gehen und vielleicht eine vollständige Neuaufnahme dieses charakteristischen Scores die beste Lösung wäre.



1964

 

Rio Conchos

Als der ehemalige Major der Konföderiertenarmee James Lassiter eines Tages nach Hause kommt, findet er seine Frau und seine Tochter von Apachekriegern unter Häuptling "Blutige Hand" gefoltert und ermordet in den rauchenden Trümmern seines Hauses vor. Er schwört bittere Rache und begibt sich auf einen gnadenlosen Vergeltungszug. Als er eines Tages einen Leichenzug der Apachen aus dem Hinterhalt niederschießt, wird er wenig später von einer Truppe der Nordstaatenarmee unter Captain Haven gefangen genommen und ins Fort gebracht. Dort verlieren der Offizier und sein Vorgesetzter jedoch bald das Interesse für Lassiters Gräueltaten, denn diese wurden mit einem neumodischen Repetiertgewehr verübt, das aus einer Waffenlieferung stammt, die vor einigen Wochen geraubt wurde. Diese Lieferung wurde von Captain Haven geführt, der nun die Chance wittert, seine Niederlage wieder gut zu machen und bietet Lassiter die Freiheit an, wenn dieser ihn zu dem Mann bringt, von der er das Gewehr hat. Der ehemalige Offizier der Südstaatenarmee verweigert allerdings die Kooperation und wird inhaftiert. Lassiters Zellengenosse ist der Mexikaner Juan Luis Rodriguez, ein charmanter, aber egoistischer Trickbetrüger und Messerwerfer, der im Fort auf seine Hinrichtung wartet. Er sieht in Lassiter die Möglichkeit, dem Strick zu entrinnen und ermutigt seinen Bekannten, einzuwilligen und die Soldaten zu dem Waffenhändler zu führen. Und tatsächlich fordert Lassiter nach einigen quälenden Tagen in der heißen und engen Zelle, den Colonel und Captain Haven zu sprechen. Er eröffnet ihnen, dass er einverstanden ist, vorausgesetzt, Rodriguez würde auch mitreiten. Widerwillig stimmt der Offizier zu, doch da die Gewehre schon längst über die mexikanische Grenze gegangen sind, ist es unmöglich mit einem Trupp Soldaten nach Mexiko zu reiten, was einer Kriegserklärung gleich käme. Stattdessen sollen sich Lassiter, Rodriguez, Haven und dessen Seargent Franklyn mit einem Wagen voller Schießpulver für die Gewehre als Köder nach Mexiko begeben und mit dem Händler Kontakt aufnehmen. Captain Haven hofft, den Wagen mit den Schießpulver in die Nähe der Gewehre buxieren zu können, diesen dann in die Luft zu jagen und die Gewehre so zu zerstören und unschädlich zu machen. Am nächsten Tag machen sich die vier unterschiedlichen Männer auf zu der gefährlichen Mission...

Regisseur Gordon Douglas war für unzählige B-Filme zwischen 1935 und 1977 verantwortlich, doch immer wieder drehte der gebürtige New Yorker Filme, die deutlich über dem Durchschnitt anzusiedeln sind. Hierzu gehört ohne Zweifel der 1964 entstandene Western "Rio Conchos", der auf dem gleichnamigen Roman von Clair Huffaker basiert. Die Geschichte um vier ungleiche Männer, die sich mit einem Wagen voller Schießpulver in Mexiko auf die Suche nach einem Waffenhändler machen, ist von ungewöhnlicher kompromissloser Stringenz und einem hohen Maß an Komplexität in der Darstellung der einzelnen zwischenmenschlichen Beziehungen gezeichnet. Dabei verzichtet der Film vollständig auf das westerntypische Heldentum und pathetisch vorgetragene Moralvorstellungen zu Gunsten eindrucksvoller Charakterstudien. Jeder der vier vier Protagonisten handelt letzten Endes nur zu seinem eigenen Vorteil. Captain Haven, der den Verkauf der Gewehre an die Apachen und einen damit verbundenen Krieg verhindern will, war außerdem der Kommandant, der den Wagenzug begleitete. Diese Mission ermöglicht ihm, die militärische Schmach des Verlusts der ihm anvertrauten Gewehre zu bereinigen. Ex-Major Lassiter entrinnt zum Einen dank des Ritts nach Mexika der engen Gefängniszelle, zum Anderen rechnet er mit weiteren Gelegenheiten, seinen privaten Krieg gegen die Apachen fortzusetzen. Rodriguez, seit jeher ein Egoist, benutzt Lassiter, vor dem Strick zu fliehen und lässt sich während der Reise keine Gelegenheit entgehen, zu seinem eigenen Vorteil zu handeln. Seargent Franklyns Ambitionen scheinen am wenigsten niederträchtig oder gefährlich, stattdessen bleiben seine Motive stets im Dunkeln. Er scheint sich stets um das Gleichgewicht in der Gruppe zu bemühen, steckt deshalb Rodriguez auch ein Messer oder ein Gewehr zu oder schneidet entgegen Havens Befehlen Lassiters Fesseln durch. Jenseits der untypisch vielschichtigen dramaturgischen Basis wartet "Rio Conchos" dennoch mit einer hohen Anzahl Western-Klischees wie dreckig lachenden Bandidos, knapp bekleideten Indianer-Squaws oder leicht bestechlichen Barmännern auf. Außerdem ist die Inszenierung von Gewalt schonungslos brutal und teilweise äußerst makaber geraten. Kameramann Joseph MacDonald fasste den Film gekonnt in überwiegend von Brauntönen dominierte Bilder. Besonders faszinierend wird der Film allerdings in der letzten halben Stunde, in der die Männer zu der Zentrale des finsteren Drahtziehers gelangen: Am Rio Conchos scharte der ehemalige Südstaatenoffizier Theron 'Gray Fox' Pardee eine kleine Armee um sich, um zum Vergeltungsschlag gegen die Union auszuholen. Die bizarre Kulisse wird von einer sich im Aufbau befindenden Plantagenvilla für den Colonel dominiert, die in ihrer grotesken Fassade mehr als fehlplatziert in der Einöde der Landschaft prangt. "Rio Conchos" ist hauptsächlich mit Schauspielern aus B-Filmen besetzt, die allerdings allesamt grandiose Darstellungen liefern. Richard Boone erlangte größtenteils in diversen Rollen als John Waynes Widersacher Bekanntheit und ist die treffende Besetzung für den verbitterten Major Lassiter. Stuart Whitman überzeugt als aufrechter Captain Haven, der allerdings nicht uneigennützig handelt und Tony Franciosa spielt Juan Luis Rodriguez gekonnt charmant. Footballspieler Jim Brown, der später als Darsteller in vielen Blaxpoitationfilmen eine zweite Karriere startete, hat in "Rio Conchos" in der Rolle Seargent Franklyns seinen ersten Filmauftritt und Wende Wagner, hauptberuflich Tauchlehrerin und  Unterwasserdouble, überzeugt als Apachenfrau Sally, die sich unfreiwillig dem Trek anschließt und auf ihrer Reise mit den vier Männern gegenüber ihren blutrünstigen Stammesbrüdern immer skeptischer wird. Besondere Beachtung verdient auch Edmond O'Brian in der Rolle als fanatischer Südstaatenoffizier Pardee. "Rio Conchos" ist ein zu Unrecht in Vergessenheit geratener Western, der, von untypischer Vielschichtigkeit geprägt und hervorragend gespielt, auch heute noch mehr als sehenswert ist.

"Rio Conchos" war die erste Zusammenarbeit zwischen Regisseur Gordon Gouglas und Komponist Jerry Goldsmith, der mit "Stagecoach", "In Like Flint" und "The Detective" drei weitere gemeinsame Filmprojekte folgen sollten. Goldsmith, der mit den beiden Western "Black Patch" und "The Face of a Fugitive" seine ersten Kinofilme vertonte, machte vor Allem kurz vor seiner ersten Oscarnominierung für "Freud" 1962 mit dem zeitgenössischen Western "Lonely Are the Brave" auf sich aufmerksam. Sein Stil war entgegen dem des Golden Age deutlich modernistischer geprägt, was den jungen Komponisten für Thriller gerade zu prädestiniert machte, doch neben Filmen wie "Seven Days in May" oder "Shock Treatment" konnte er in Filmen wie "The Stripper" auch sein melodisches Gespür unter Beweis stellen. "Rio Conchos" war mit seinen reichhaltigen Actionszenen für Goldsmith eine der ersten Möglichkeiten, seinen energetischen und kompromisslosen Stil voll auszuformulieren und zeitgleich den Umgang mit amerikanischen folkloristischen Elementen aus Filmen wie "Lilies o the Field" weiter zu entwickeln. Für die Vertonung von "Rio Conchos" verfügte Goldsmith über ein durchschnittlich besetztes Orchester, das, wie oft bei Westernmusiken, um Soloinstrumente wie Gitarre, Banjo und Akkordeon erweitert war. Besonderen Anteil an dem raffiniert ausgearbeiteten Klangbild der Partitur hat zusätzlich auch das üppig besetzte Schlagwerk, das neben dem üblichen Orchesterschlagzeug wie Pauken, kleine Trommel und große Trommel auch über Marimba, Xylophon, Tomtoms, Ratsche, Peitsche, Holzblöcke, Schlitztrommeln, Zimbeln, Schellenbäume und Tamburin verfügt. Die Musik ist thematisch konzipiert, wobei natürlich das Hauptthema eine zentrale Rolle übernimmt. Diese folkloristische Melodie mit leichtem Americana-Einschlag wird während des Vorspanns erst als Akkordeonsolo über eine dezente Begleitung des Schlagwerks gespielt, bevor es von den Holzbläsern zu den Streichern gereicht und erstmals üppig vorgetragen wird. Diese Thema begleitet die vier Männer auf ihrer gefährlichen Reise nach Mexiko und erklingt oft als kräftige Melodie der Blechbläser, die von synchopierten Rhythmen der Streicher und des Schlagwerks vorangetrieben wird oder schimmert bruchstückhaft in den Suspensepassagen durch. Auch in den Actionszenen spielt das Hauptthema eine wichtige Rolle. Hier lässt Goldsmith es oft in schrillen und dissonanten Bläserakkorden mit voller Gewalt auf hektische Streichergirlanden prallen. Lassiters Hass auf die Indianer wird in der Musik durch eine Art "Todes-Rhythmus" repräsentiert, der klar Goldsmiths Vorliebe für den frühen Stravinsky dokumentiert. Hämmernde Paukenschläge auf die Zählzeit und knackige Posaunenakkorde auf den Offbeat geben Raum für spitze Hornrufe oder ruppige Streicherlinien. Die Indianer charakterisierte der Komponist mit einer markanten Fünftonfanfare, die oft in den Holzbläsern erklingt und auch Rodriguez erhielt sein eigenes musiklaisches Material in Form eines lateinamerikanischen Habanerarhythmuses, der vom Marimbaphon intoniert wird. Neben den fulminanten Actionpassagen bestichte die Musik zu "Rio Conchos" auch durch die atmosphärisch dichten und raffiniert instrumentierten Suspense-Passagen, die hauptsächlich vom Schlagzeug bestritten werden, das mit interessanten Klangkombinationen den Rahmen für einzelne Einwürfe der tiefen Streicher oder verhaltenen Bläser absteckt. Das erste Mal öffentlich zugänglich wurde die Musik zu "Rio Conchos" in Form einer von Intrada produzierten Neuaufnahme unter Jerry Goldsmith selbst. Für diese Produktion wurde auf die Originalpartitur zurück gegriffen, allerdings nicht die vollständige Musik eingespielt. So fehlen neben einigen verzichtbaren kurzen Passagen leider auch der erste Auftritt des Todes-Rhythmus oder die rein perkussive Musik zu der Marterszene. Die digitale Neueinspielung wurde von Bruce Botnick aufgenommen und gemischt und besticht durch einen sehr ausgewogenen vollen Orchesterklang. Im Gegensatz zu den weniger gelungenen Aufnahmen zu "Patton" oder "Tora! Tora! Tora!" ist die 89er Einspielung zu "Rio Conchos" eine sehr willkommene Ergänzung zu den Originalaufnahmen in Mono, die 1999 von Filmscore Monthly veröffentlicht wurden. Die Aufnahmen haben dem Zahn der Zeit erstaunlich gut stand gehalten, allerdings ist der Klang deutlich schriller und vor Allem einzelne Instrumente des Schlagwerks wie die Peitsche oder das Xylophon stechen überdeutlich hervor. Nichts detso trotz bietet die FSM-CD ein äußerst faszinierendes Hörerlebnis, enthält sie erstmals die vollständige Filmmusik. Da die Stereo-Bänder in nicht so gutem Zustand waren, griff man auf die Monoelemente zurück, allerdings sind rund 17 Minuten der wichtigsten Passagen der Musik als Bonus auch in Stereo enthalten. Als kleines Schmankerl gibt es zusätzlich am Schluss der CD einen Auszug aus dem Begräbnisgesang der Indianer und einen Titelsong, der allerdings sehr hallig geraten ist und wegen der sängerischen Leistung Johnny Desmonds nicht zu häufigem Hören einlädt. Das Begleitheft ist, wie immer bei FSM, sehr informativ, verzichtet aber leider auf eine Beschreibung der Musik in Hinblick auf den Filmverlauf, was gerade bei einem so unbekannten Film wie "Rio Conchos" wünschenswert gewesen wäre. Darüber tröstet allerdings ein interessantes Kapitel über den generellen Einfluss lateinamerikanischer Elemente in die E- und Filmmusik des 20. Jahrhunderts hinweg. Insgesamt schuf Jerry Goldsmith mit "Rio Conchos" eine herausragende Westernmusik voller Orchestergewalt, schonungslos und dennoch raffiniert instrumentiert sowie einem lyrischen Hauptthema. Beide CDs zu dieser Musik sind leider vergriffen, wobei besonders die FSM-Ausgabe immer schwerer zu finden ist, sodass man nur hoffen kann, dass auch "Rio Conchos" in Hinblick auf die vermehrten Goldsmith-Neuauflagen möglichst schnell zum Zuge kommt.



1965

 

 

The Satan Bug - Geheimagent Barrett greift ein

Zwei Killer dringen in die geheime Forschungseinrichtung Station 3 ein, ermorden den leitenden Doktor Baxter sowie den Sicherheitschef Reagen und entwenden mehrere Kolben eines tödlichen Gases sowie den „Satanskäfer“, ein Virus, das in geringer Menge sogar innerhalb kurzer Zeit das gesamte Leben auf Erden auslöschen kann. Der Geheimdienst schaltet Lee Barrett, einen ehemaligen Agenten und zudem ehemaligen Sicherheitschef der Station ein, um sich der Sache anzunehmen, der hinter dem Vorfall einen sehr intelligenten aber auch exzentrischen Kopf vermutet. Tatsächlich trifft am Tag darauf ein Fax mit Forderungen ein, deren Verweigerung den Tod vieler Menschen zu folge hätte. Barrett nimmt an, dass die beiden Diebe Hilfe von einer Person innerhalb der Station hatten und schon bald kristallisiert sich in den Ermittlungen heraus, dass sich dieser Mann noch in dem Forschungsteam befinden muss…

Erfolgsautor Alistair MacLean wollte sich 1962 beweisen, dass nicht nur sein bekannter Name ein Buch zum Bestseller machen würde und verfasste unter dem Pseudonym Ian Stuart „The Satan Bug“. Drei Jahre später wurde das lose auf dem Roman basierende Drehbuch von James Clavell und Edward Anhalt unter der Leitung des Regisseurs John Sturges verfilmt. Sturges wendete sich mit diesem Film von seinem Format All-Star-besetzten Films wie „The Great Escape“ und „The Magnificent Seven“ ab und interpretierte dabei das Genre des Spionagefilms, das hauptsächlich von James Bond geprägt war, neu. Dabei verließ sich der Regisseur auf frische und viel versprechende Darsteller wie George Maharis, der durch die Fernsehserie „Route 66“ bekannt geworden war und Anne Francis, die bereits an der Seite von Leslie Nielsen in „Forbidden Planet“ zu sehen war. Mit Richard Baseheart und Dana Andrews waren zusätzlich zwei erfahrene Filmschauspieler von der Partie. Entgegen James Bond und vielen anderen Agenten dieser Zeit kommt Lee Barrett allerdings komplett ohne technische Spielereien aus und löst die Probleme mit seinem Kopf. Nur im Extremfall kommt es mal zu einem Faustkampf oder einem einzigen Pistolenschuss – wobei der letzte Kampf mit dem Bösewicht in einem Helikopter über Los Angeles auch heute noch nett anzusehen ist. Derartige Szenen sind in „The Satan Bug“ allerdings sehr rar gesät. Der Film enthält nahezu keine wirkliche Actionszenen und kommt angesichts der riesigen Bedrohung des „Satanskäfers“ sehr nüchtern und reserviert rüber, sodass der Film besonders heute teilweise etwas hölzern wirkt. Auch zu seinem Erscheinen war dem „Satan Bug“ kein Erfolg gegönnt, sodass der Film schnell in der Versenkung verschwand. Insgesamt bietet „The Satan Bug“ recht ansprechende wenn auch unspektakuläre Unterhaltung auf handwerklich überzeugendem Niveau, wird allerdings wegen der zurückhaltenden Inszenierung und der heute völlig unbekannten Darsteller so schnell nicht aus der Versenkung gehoben.

Jerry Goldsmith, der sich in seiner gesamten Karriere unter Anderem besonders durch seine musikalische Wandlungsfähigkeit auszeichnete, vertonte besonders zu Beginn seiner Tätigkeit viele Filme mit völlig unterschiedlichen Ansätzen und Stilistiken. Trotzdem bezeichnete er sich selbst als „seriellen Komponisten“. Besonders in „Freud“ und „Shock Treatment“ lassen sich serielle Techniken ausfindig machen, wobei Goldmsith niemals eine durch und durch dodekaphonische oder gar serielle Filmmusik schrieb. Für „The Satan Bug“ entschied sich der Komponist ebenfalls für eine modernistisch konzipierte und nahezu vollständig atonale Musik, deren Charakter zusätzlich durch die ungewöhnliche Besetzung verschärft wurde. So wurde auf den Einsatz von Violinen und Violen vollständig verzichtet, sodass die ausschließlich tiefen Streicher der Musik einen oftmals düsteren und bedrohlichen Charakter verleihen. Neben vierfach besetztem Holz standen Goldsmith außerdem eine volle Blechbesetzung sowie üppig besetztes Schlagwerk inklusive Marimbaphon, Vibraphon, Maracas, Ratsche und vieles mehr zur Verfügung. Des Weiteren lässt sich schon in dieser frühen Musik Goldsmiths Experimentierfreude mit elektronischen Elementen in seiner Musik ausfindig machen. Durch den Einsatz des Novachords und des Ultravox Synthesizers lassen sich in dem Orchester wahre Dinosaurier der elektronischen Musik ausfindig machen, wobei sie oftmals kurz und solistisch mit leichter Perkussionsunterstützung eingesetzt werden und fast nie mit dem restlichen Orchester zusammen spielen.
Goldsmith kreierte für seine Musik mehrere Motive, an denen sich teilweise seine Verknüpfung der seriellen Techniken mit traditionellen Mitteln festmachen lässt. So komponierte er für die Eröffnung eine Fanfare, die aus einer Zwölftonreihe besteht. Diese Reihe zieht sich wie ein roter Faden durch die Musik, wobei sie sogar als jazzige Klavierlinie erklingt. Meistens allerdings manipuliert Goldsmith diese Reihe mit in der Tonalität verankerten Akkorden und löst sie so aus ihrer seriellen Bedeutung und Funktion. Ein weiteres wiederkehrendes Motiv sind drei atonale Akkorde, die bereits im Vorspann gleich nach der Eröffnungsfanfare zu hören sind. Das tödliche Virus wird durch ein kurzes prägnantes Motiv charakterisiert, das meistens von einem Holzblasintrument gespielt wird und eine fallende Leiter von vier Tönen zum Kern hat. Außerdem setzt Goldsmith zusätzlich den schwirrend vibrierenden Klang des Novachords für die unheimliche Bedrohung ein. Für die beiden Killer, die die Drecksarbeit für den mysteriösen Erpresser erledigen schrieb der Komponist ein kurzes Motiv für den Ultravox Synthesizer, das im 5/4-Takt steht und eines von jenen typischen Actionostinati in seinen späteren Musiken sein könnte.
Auch die restlichen Passagen für Dialogszenen sind oftmals aus kleinen Motiven kreiert, die oftmals wiederholt werden und die einzelnen Register des Orchesters durchziehen, sodass die Musik auch ohne tonalen Zusammenhang stets leicht zu verfolgen ist.
Goldsmith nahm die Musik innerhalb von zwei Tagen auf, wobei er nur bei der ersten Aufnahmesitzung mit der vollen Besetzung zur Vertonung sämtlicher Actionszenen arbeitete. Ausgerechnet diese Bänder sind verloren gegangen und die Musik überlebte lediglich auf zu Synchronisierungszwecken angefertigten „Musik & Effekt“-Spuren. Die restlichen kleiner besetzten Passagen sind erst vor einigen Jahren in Besitz eines Sammlers gefunden worden, sodass FSM die vollständige Musik in chronologischer Reihenfolge aus den Stero- sowie den Effektbändern rekonstruieren konnte. Trotz des deutlich getrübten Hörgenusses durch die Geräuscheffekte in der Hälfte der Musik ist die Qualität der Musik ungemindert und lädt zu wiederholtem Hören ein. Das liebevoll gestaltete Booklet gibt genauen Aufschluss über die Musik (inklusive der genauen Auflistung der Instrumente und die jeweiligen Reihentöne) sowie die Entstehung des Films und speziell der CD-Zusammenstellung. Da es sich bei „The Satan Bug“ um Goldsmiths erste Sci-Fi-Blockbustermusik handelt und eine hervorragende noch dazu sei die FSM-CD zur Schließung dieser wichtigen diskographischen Lücke jedem Goldsmith-Freund ans Herz gelegt.

 

 

In Harm’s Way - Erster Sieg

Captain Rockwell W. "Rock" Torrey ist der Kommandant des schweren Kreuzers „Old Swayback“, der sich während des Angriffs der Japaner auf Pearl Harbour im Hafen aufhält und beauftragt wird, den Gegenschlag auszuführen. Doch die „Old Swayback“ wird auf See von einem japanischen U-Boot torpediert und muss umkehren, worauf Captain Torrey das Kommando entzogen wird. Sein bester Freund und erster Offizier Paul Eddington verliert während des Angriffs seine Ehefrau, deren Affären und Alkoholexzesse ein stets Gesprächsthema auf Honolulu waren. Nach der Rückkehr von der „Old Swayback“ gerät Eddington in einer Bar in eine Schlägerei und wird nach seinem Arrest als Aufseher in einem Warenlager eingesetzt während Captain Torrey einen Schreibtischjob erhält. Auf einer Party lernt er die Krankenschwester Maggie Haines kennen, deren Mitbewohner die Freundin von Torreys Sohn Jeremiah ist. Torrey hat seinen Sohn seit der Scheidung von seiner ersten Frau vor über zehn Jahren nicht mehr gesehen und die erste Begegnung im Hafen fällt äußerst kühl und ablehnend aus. Während der Vater ein aufrichtiger Offizier ist, der an die gute Sache und die wichtige Aufgabe der Armee glaubt ist dessen Sohn ausschließlich an einer guten politischen Karriere interessiert und verlässt sich auf die Unterstützung eines Senators. Im Verlauf des Krieges wird Torrey zum Admiral ernannt und erhält den Auftrag, eine von den Japanern besetzte Inselkette zurück zu erobern. Kurz vor Aufbruch vergewaltigt Eddington Jeremiahs Freundin, die daraufhin Selbstmord begeht. Eddington macht sich zu einem Erkundungsflug nach der japanischen Flotte auf, deren Aufenthalt der Marine noch unbekannt ist und wird kann diesen per Funk mitteilen, bevor er von feindlichen Fliegern abgeschossen wird. Die letzte Tat des einstigen Freundes ermöglicht Admiral Torrey nun, zu der entscheidenden Schlacht aufzubrechen…

„Erster Sieg“ war John Waynes letzter Schwarzweißfilm und läutet die späten Filme Otto Premingers ein. Abgesehen von den markierenden Wendepunkten hat die Verfilmung des fast gleichnamigen Romans von Wendell Mayes allerdings wenig Aufregendes zu bieten. Die Schuld liegt dabei nicht an Preminger, dessen Regie neben der hervorragenden Fotografie von Loyal Griggs zu den besten handwerklichen Aspekten des Films zieht, vielmehr liegt es an der fast an eine Seifenoper erinnernde Handlung, die von zwei unübersichtlichen Gefechten eingerahmt wird. Nicht nur dass sämtliche agierende Figuren reine Stereotypen sind, auch die unbeholfen vor sich hinstolpernden Romanzen zwischen besagten Charakteren ziehen sich zäh wie Kaugummi über eine Stunde hin. Dabei glänzen die Dialoge weder durch Tiefgang oder Einfallsreichtum. Stattdessen scheitert das Vorhaben, den Krieg und seine Folgen an Hand berührender Einzelschicksale zu schildern kläglich an den melodramatischen Plattitüden, die zwischen den Personen ausgetauscht werden sowie einer kruden Mischung aus langweilig vorhersehbaren oder völlig absurden Aktionen. So erscheint einem Paul Eddington als leicht draufgängerischer aber grundsympathischer Typ, dessen Wandel zum brutalen Vergewaltiger völlig ohne Vorwarnung oder sinnvolle Entwicklung vollzogen wird. Dass der für den Selbstmord eines jungen Mädchens verantwortliche seine abscheuliche Tat mit einem wertvollen Dienst für’s Vaterland und einem somit ehrenvollen Tod auszugeichen versucht, hinterlässt dabei einen mehr als bitteren Nachgeschmack. Insgesamt wird Krieg eher als eine romantisch verklärte Möglichkeit dargestellt, sich als aufrichtiger Mann zu beweisen, ein von explodierenden Schlachtschiffen überzogenes Meer wird zum Abenteuerspielplatz degradiert. Ohnehin sind die Gefechte auf dem Wasser äußerst unübersichtlich inszeniert sodass der Zuschauer sehr schnell den Überblick über Amerikaner und Japaner sowie deren einzelne Positionen verliert. Wenn zum Schluss fünf Minuten unzählige Einstellungen von explodierenden Modellschiffen aneinander gereiht werden, wünscht man sich fast die berieselnd oberflächlichen Dialoge aus dem mittleren Drittel des Films herbei. Auch die Darsteller liefern allesamt recht blasse und unspektakuläre Darstellungen. John Wayne soll gesundheitlich angeschlagen gewesen sein und ließ sich wenige Monate nach den Dreharbeiten immerhin einen ganzen Lungenflügel und zwei Rippen operativ entfernen. Sein Rockwell Torrey ist das Abziehbild eines kernigen, aufrichtigen und erfahrenen Marineoffiziers, der mit jeder Faser hinter seinen Taten steht. Kirk Douglas spielt den Paul Eddington in der ersten Filmhälfte recht ausgewogen und vermag das Gleichgewicht zwischen dem augenzwinkerndem Draufgänger und dem gebrochenen mehrfach betrogenen Ehemann und Witwer durchaus glaubhaft rüber zu bringen. Sein Wandel zum Vergewaltiger ist allerdings nur fehl am Platz. Der Rest der Besetzung besteht aus ebenfalls sehr prominenten Gesichtern wie Herny Fonda, Burgess Meredith, Stanley Holloway und Patricia Neil als Torreys Freundin Maggie Haines. Allesamt sind mehr oder weniger blass und austauschbar wie die Figuren die sie spielen. Insgesamt ist „In Harm’s Way“ ein deutlich in die Jahre gekommenes Kriegs-Epos, dessen unübersichtliche Seeschlachten, platten Liebesgeschichten und fragwürdige Romantisierung von Krieg und seinen Auswirkungen für den heutigen Zuschauer wenig unterhaltsam sein dürften.

1965 vertonte Jerry Goldsmith insgesamt drei Kriegsfilme: „In Harm’s Way“, „Morituri“ und „Von Ryans Express“. Während der Komponist für letztere mittels kleinerer Orchesterbesetzungen, modernistischen Action- und Suspsense-Passagen sowie je einem Hauptthema mit entsprechendem Lokalkolorit Musiken schrieb, die seinem frühen kammermusikalischen Denken entsprechen wählte er für „In Harm’s Way“ einen deutlich glatteren und symphonischen Ansatz. Hierfür stand Goldsmith ein normal besetztes Symphonieorchester zur Verfügung, damit die Musik dem groß angelegten Film gerecht werden kann. Im Zentrum der Musik steht das Hauptthema, welches größtenteils für Rockwell Torrey, aber auch als Liebesthema für den jungen Offizier William McConnell und dessen Frau steht. Am Filmverlauf orientiert lässt sich die Musik in zwei Abschnitte untergliedern: Für die ersten beiden Dritten des Films komponierte Goldsmith hauptsächlich ruhige Stücke die von warmen Streichern und melodischen Holzbläsersoli getragen werden. Hierzu zählen die verschiedenen Variationen des Hauptthemas als Liebesthema – insbesondere bei der Untermalung der Szenen zwischen Torrey und seiner Freundin Patricia. Das teils unbeholfene Verhalten beider Figuren wird durch fast an Golden Age erinnerndes emotionales Mickey-Mousing mit einigen albernen Klarinetten-Soli musikalisch eingefangen. Zu den starken dramatischen Momenten der Musik gehört außerdem wie Eddington seine verstorbene Frau im Leichenschauhaus identifiziert. Des Weiteren spielen verschiedene Source-Musiken, derer es im Film reichlich zu hören gibt, eine wichtige Rolle sodass neben diversen Bigband-Arrangements auf Marine-Feiern und als Radiomusik außerdem typisch hawaiianische Lap-Steel-Gitarren-Klänge und rustikale Dschungelmusik voller Pentatonik für die Ureinwohner zum Einsatz kommen. Hierbei entspricht die Musik allerdings eher westlicher Klangvorstellung geschuldeter Klischees als authentischer Folklore was ebenfalls für die kürzeren in Suspense-Momente eingebundenen pentatonischen Einsprengsel für die japanischen Soldaten zutrifft. Die feindlichen U-Boote charakterisierte Goldsmith übrigens ganz ähnlich wie das tödliche Virus in „The Satan Bug“ mittels glissandierender Perkussion und zischelnder Elektronik. Wenn der Film sich nach fast stundenlanger vor sich hin dümpelnder Melodramatik wieder auf die kriegerischen Aspekte fokussiert lässt Goldsmith das Hauptthema als ruppigen symphonischen Marsch von hellen Trompeten, schnarrenden Marschtrommeln und synchopischen Attacken der Streicher und tiefen Blechbläser erklingen. Obwohl dieser sehr stereotype Ansatz dem Film insgesamt angemessen ist schafft es der Komponist, dieses Thema in Marschform tatsächlich als 7/4-Takt erklingen zu lassen.
Insgesamt lässt sich in der Musik deutlich das frische Talent des jungen Komponisten klar erkennen, kratzt allerdings – wie der Film – klar an der Oberfläche, sodass eine sehr glatte themenorientierte Musik entstand, die allerdings noch nicht über den intellektuellen Tiefgang von „Patton“, die ausladende meisterhafte Orchestrierung von „Blue Max“, die authentischere Exotik aus „The Sand Pebbles“ oder die spannenden Einfällt aus den modernistischen Suspense-Passagen zu „Tora! Tora! Tora!“ verfügt.
Von der rund einstündigen Musik zu „In Harm’s Way“ wurde gut die Hälfte der Originalaufnahmen zum Filmstart auf LP gepresst wobei ein deutlicher Anteil von der Source-Musik bestritten wird zwischen die ein repräsentativer Querschnitt durch Goldsmith Themenvariationen, sanften Streicherpassagen und einem Actionstück verteilt wurde. Da die vollständigen Bänder anscheinend verloren sind enthalten sämtliche CD-Neuauflagen ausschließlich den LP-Schnitt. Die letzte Veröffentlichung kam aus dem Hause Intrada im Rahmen der „Special Collection“ und ist mittlerweile vergriffen – ebenso wie die vorherigen limitierten Editionen. Es lohnt sich dennoch, sich auf die Suche nach einer Ausgabe zu machen, da „In Harm’s Way“ ein interessanter Eintrag in Goldsmiths Frühwerk ist, der die Waage zwischen am Golden Age orientierten symphonischen Ansatz und dem eher nüchternen und direkten Personalstil des jungen Komponisten hält.

 

 

Von Ryans Express

Colonel Joseph L. Ryan ist ein Pilot der amerikanischen Luftwaffe und wird über Italien abgeschossen. Er überlebt den Absturz und wird von den Soldaten des faschistischen Regimes in ein Kriegsgefangenenlager gebracht, in dem hauptsächlich britische Gefangene inhaftiert sind. Das Lager wird von Major Battaglia geleitet, dessen raue Führung schon mehrere Gefangene das Leben gekostet hat. Da Ryan der ranghöchste Offizier ist, erhält er die Führung über die Häftlinge. Anfangs kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen dem britischen Offizier Eric Finchman und Ryan, da dieser keine Fluchtversuche der Gefangenen zu deren Schutz zulässt. Als die Kapitulation Italiens bekannt wird, fliehen die italienischen Soldaten bis auf Battaglia und seinen Adjutanten Oriani. Ryan kann das Todesurteil des durch die Häftlinge gebildeten Kriegsgerichtes verhindern. Nachdem Battaglia in den eisernen „Schwitzkasten“ gesperrt wurde, in dem zuvor unter Anderem ein britischer Offizier ums Leben gekommen ist, machen sich die Kriegsgefangenen mitsamt Oriani zur Flucht auf. Doch schon am nächsten Tag werden die Flüchtlinge von deutschen Soldaten überrascht und erneut gefangen genommen. In einem Güterzug sollen die Alliierten über Brenner nach Innsbruck gebracht werden. Von Ryan und den britischen Offizieren gelingt es, die Wachen zu überwältigen und den Zug zu übernehmen, doch die größte Hürde steht ihnen noch. Des Deutschen kaum bis gar nicht mächtig müssen die Flüchtlinge sich als Nazis verkleidet mit dem Zug bis in die Schweiz durchschlagen, um endlich in die Freiheit zu gelangen…

1963 erschien „Gesprengte Ketten“, der auf einer wahren Flucht von alliierten Kriegsgefangenen aus einem deutschen Lager handelt und Steve McQueen die Hauptrolle in „The Sand Pebbles“ einbrachte. „Von Ryans Express“ versucht offensichtlich, auf den Erfolgszug dieses Films aufzuspringen, erreicht aber niemals den Cahrme oder die Spannung des Vorbildes. Eindeutig als Sinatra-Vehikel geplant und umgesetzt braucht der Film eine lange Zeit, um endlich in Fahrt zu kommen. Besonders die Lagerszenen, die zur Charakterisierung der Figuren dienen sollen und eventuelle Konflikte etablieren, sind ausgesprochen holprig und teilweise zäh. Erst das mittlere Filmdrittel schafft es, Spannung aufkommen zu lassen und den sonst etwas unbeholfenen Film mit einer Prise wohldosierten Humor zu würzen. Da Captain Costanzo der einzige Gefangene ist, der die Deutsche Sprache beherrscht, muss er als Offizier Von Klemment während der einzelnen Stationen des Zugs die deutschen Soldaten in Sicherheit wiegen. Hierbei ergeben sich einige kurze amüsante, aber auch sehr brenzlige Situationen. Das Finale hingegen nimmt mit einer satten halben Stunde viel zu viel Zeit in Anspruch. Die etwas unbeholfene Regie schafft es nicht, dem Aufeinandertreffen deutscher Soldaten und der Flüchtlinge kurz vor der Schweizer Grenze die nötige Action zu verleihen. Stattdessen sieht man aneinander gereihte Einstellungen von Alliierten oder Wehrmachtssoldaten, die in den Alpen herumklettern und Granaten werfen. Hier und dort gibt es einige Explosionen und mehrere Statisten werfen sich beherzt zu Boden. Die Darsteller schienen von dem Projekt ebenfalls nicht zu Höchstleistungen angespornt, denn die Charaktere bleiben blass und stereotyp. Frank Sinatra mimt den gewitzten Ryan recht schnörkellos, Trevor Howards Major Finchman ist bemüht grantig, Sergio Fantoni überzeugt als zurückhaltender Oriani und Adolfo Celi scheint an seiner Rolle als Mini-Duce durchaus Spaß zu haben, jedoch hat man solche Figuren schon oft gesehen und wie bei fast allen Aspekten dieser Produktion fehlt auch hier das gewisse Etwas. Dass „Von Ryans Express“ von Fox nach dem finanziellen Desaster von „Cleopatra“ aus Trotz groß produziert und größtenteils vor Ort in Italien gedreht wurde kommt dem Film allerdings zu Gute, sodass man einige tolle Landschaftsaufnahmen und eine detaillierte Ausstattung zu sehen bekommt. Insgesamt ist „Von Ryans Express“ jedoch ein blasses Weltkriegsabenteuer, dass über die Zeit einiges an Patina angesetzt hat und nur bedingt zu unterhalten weiß.

1965 vertonte Jerry Goldsmith mit „The Satan Bug“ seinen ersten Blockbuster, doch auch schon zuvor hatte sich der Komponist bereits einen Namen gemacht. „Freud“ hatte ihm seine erste Oscarnominierung beschert und seine Musik zu „Einsam sind die Tapferen“ hatte sogar Bernard Herrmann beeindruckt. Goldsmith zeichnete sich in den 60er Jahren durch eine modernistischen Tonsprache und ökonomische Instrumentierungen aus. Gleichzeitig war er äußerst kreativ und schien zu jedem Film eine eigene musikalische Sprache zu finden. „Von Ryans Express“ ist ähnlich der im selben Jahr entstandenen Partitur zu „Morituri“ mit einem kleinerem Orchester besetzt und erinnert in einigen Passagen auch an die TV-Musiken – insbesondere zu „The Man From U.N.C.L.E.“ – aus dieser Schaffensphase.
Den Kern der Musik bildet das Hauptthema für Ryan in Form einer vergnügten Marschmelodie, die oftmals in der Flöte erklingt und einen Gegenpol zu den ruppigeren und harschen Passagen bildet, die zur Vertonung der Actionszenen und zur Charakterisierung der deutschen Soldaten dienen. Eine getragene und ebenso noble wie resignative Hornmelodie nimmt den restlichen Raum des thematischen Materials ein und erklingt immer dann, wenn sich das Blatt gegen die alliierten Flüchtlinge wendet. Die Actionsequenzen sind – wie für Goldsmith zu dieser Zeit typisch – mit ruppigen Rhythmen der kleinen Trommel, hämmernder Pauke und tiefgrummelndem Klavier sowie einiger Bläser- und Streicherunterstützung unterlegt. Allerdings nimmt das Schlagwerk hier noch mehr Raum ein, um den militärischen Aspekt zu unterstreichen. Die Suspense-Passagen sind mit kurzen ostinativen Elementen im E-Bass, einzelnen Klavierakzenten und dissonantem Streicherspiel sehr dicht an ähnlich gelagerten TV-Musiken des Komponisten gelehnt und verstärken mit ihrer klaren Instrumentation den schmal besetzten Klangkörper der Musik. Für kurze Momente färbt Goldsmith seine Musik mit ein bisschen Lokalkolorit mit Hilfe einiger kurzen Mandolinenpassagen. Einer der musikalischen Höhepunkte findet sich bereits zu Anfang der Musik während die Häftlinge im Lager ihre Kleidung verbrennen. Hier schichtet Goldsmith seinen Ryan-Marsch von leichter Instrumentierung mit Flöte, kleiner Trommel und Röhrenglocken zu einer regelrechten Zirkusmusik und unterlegt die wütende Reaktion Battaglias mit reinem Mickey-Mousing.
„Von Ryans Express“ erschien offiziell nur innerhalb des „Jerry Goldsmith at 20th Century Fox“-Sets des Varèse-Clubs und hierzulande in Form einer Suite auf einem Tsunami-Album mit den beiden Flint-LP-Aufnahmen. Beide Ausgaben fallen auf ihre Art und Weise unbefriedigend aus. So erscheint es merkwürdig, dass Varèse einige Stücke zu Gunsten einer alternativen Fassung des „Fire Sales“ verzichtet und insgesamt die Tsunami-Fassung mehr Material enthält. Auf der anderen Seite ist die Kombination der einzelnen Stücke als 20-minütige Suite keine gute Lösung und außerdem nicht einleuchtet, warum auch auf der Tsunami-CD vier Stücke unterschlagen wurden. Die Klangqualität ist auf beiden Fassungen gleich und kann in Anbetracht des Alters der Aufnahmen als durchweg gut bezeichnet werden. Vollständig zu hören ist der Score somit nur auf der isolierten Musikspur der Doppel-DVD-Edition aus den USA, die als Quelle für unzählige Bootlegs diente. Ehrliche Goldsmith-Freunde, die die Box nicht haben, werden aber auch mit der Tsunami-CD zufrieden sein, denn insgesamt reicht „Von Ryans Express“ nicht an die Rafinesse anderer Kriegsfilmmusiken – auch nicht „Morituri“- von Goldsmith heran und wirkt insbesondere in den Action- und Suspensepassagen austauschbar. Das Hauptthema allerdings ist ein netter melodischer Einfall und zumindest die vier Minuten des „Fire Sales“ sind es wert, ein Ohr zu riskieren.

 

 

Morituri - Kennwort: Morituri

Der deutsche Robert Crain ist Pazifist und desertiert während des zweiten Weltkriegs. Untergetaucht in der britischen Kolonie Indien wird der kultivierte Deserteur von Colonel Slatter – einem Offizier des britischen Geheimdienstes – aufgesucht und mit einem Auftrag versehen. Ein deutscher Frachter transportiert Gummi für Kriegsmaschinerie von Japan nach Europa. Da das Schiff die britische Blockade durchbrechen muss, ist es mit Sprengladungen zur Selbstzerstörung ausgestattet, die vom Kapitän zu zünden sind, sollte der Frachter in feindliche Hände fallen. Der Sprengstoffexperte Crain soll sich als Gestapo-Offizier Hans Keil während der Überfahrt an Bord des Schiffes aufhalten, die einzelnen Sprengsätze ausfindig und unschädlich machen, damit die ebenfalls für die Briten wertvolle Ladung nicht verloren geht. Crain nimmt den Auftrag unwillig an und betritt am nächsten Tag in Verkleidung das Schiff, auf dem die Verhältnisse zwischen den einzelnen Besatzungsmitgliedern gespannt sind: Kapitän Müller, der der NS-Propaganda ablehnend gegenüber steht, ist der angebliche Gestapo-Offizier ein Dorn im Auge während der erste Offizier Kruse ein treuer Befürworter der Nazis ist. Kruse selbst hatte eigentlich damit gerechnet, den Frachter als Kapitän führen zu können. Bei den Matrosen handelt es sich fast ausschließlich um politische Gefangene, die nur auf die Gelegenheit warten, eine Meuterei anzuzetteln…

„Morituri“ ist heutzutage leider trotz der beiden Hauptdarsteller Marlon Brando und Yul Brunner größtenteils in Vergessenheit geraten. Basierend auf dem Roman „Morituri“ von Werner Jörg Lüddecke handelt es sich bei dem von Aaron Rosenberg produzierten Film um einen überdurchschnittlichen Spionage-Thriller. Regisseur Bernhard Wicki, platziert seine Figuren dabei gekonnt in der ausweglosen Situation auf dem kleinen deutschen Frachtschiff auf hoher See – einem von Wassermassen umgebenen stählernen Mikrokosmos, dessen zwischenmenschliche Beziehungen von Abneigung, Misstrauen und Spannung dominiert werden. Während alle Charaktere augenscheinlich Hand in Hand für das Schiff arbeiten verfolgt jede Gruppe gleichzeitig stur ihr eigenes Ziel und repräsentiert dabei eine politische Orientierung zur Zeit der letzten Jahre des zweiten Weltkriegs.
Neben Bernhard Wickis wirkungsvoller Regie trägt neben den überzeugenden Darstellern auch die atmosphärische Schwarzweißfotografie des Kamermanns Conrad L. Halls zu der Stimmung des Films maßgeblich bei. „Morituri“ war übrigens der erste Film des ausgezeichneten Kameramanns, der später an Produktionen wie „Der Marathon Mann“ oder „American Beauty“ beteiligt war.
Auch die Darsteller machen ihre Sache mehr als gut. Marlon Brando schien von der Produktion nicht allzu überzeugt und seine teils flapsigen Kommentare in Interviews waren seine Reaktion auf die Bitte der Produzenten, den Film zu bewerben. So erklärte er einer Journalistin, dass ihr Leben erst Sinn ergäbe, hätte sie den Film „Morituri“ gesehen. Die schwierige Art des Schauspielers wird auch während des Films deutlich, da er auch hier seine schnöselige Art auf die Darstellung Robert Crains überträgt. Allerdings passt die arrogante Interpretation auf den egoistischen Pazifisten, der nichts weiter als seine Bücher und seine Musik braucht, perfekt. Yul Brunner, den man eigentlich mit dem schweigsamen Revolverschwinger oder dem Kosakenführer Turas Bulba in Verbindung bringt, liefert als Kapitän Müller eine starke Leistung ab. Er schafft es, die inneren Konflikte des Kapitäns, nachvollziehbar zu transportieren. Sein verzweifelter Wutausbruch nachdem er erfahren hat, dass seine Sohn, auf den er so stolz war, dafür belohnt wurde, ein feindliches Hospitalschiff versenkt zu haben, gehört zu den großen Momenten des Films. Als einer der ganz wenigen Kritikpunkte des Films könnte man bemängeln, dass Brunner und Brando für sich genommen hervorragend spielen, in gemeinsamen Szenen allerdings teilweise aneinander vorbei spielen, was allerdings hauptsächlich an Brando liegt. Auch die Nebendarsteller Martin Benrath als erster Offizier Kruse und Janet Margolin als jüdische Kriegsgefangene Esther, die später auf das Schiff gebracht wird, tragen zum hohen Niveau des Films bei. Ingesamt gelang Bernard Wicki ein äußerst spannender Spionage-Thriller, der handwerklich und dramaturgisch kaum Schwächen aufweist und heute leider zu Unrecht in Vergessenheit geriet.

1965 vertonte Jerry Goldsmith neben „Morituri“ zwei weitere Kriegsfilme: „Von Ryans Express“ und „In Harm’s Way“. Vergleicht man diese drei Filmmusiken fällt auf, dass „Morituri“ und „Von Ryans Express“ sich besonders in den Action- und Suspensepassagen ähneln während „In Harm’s Way“ mit seinem symphonischen Vertonungsansatz um einiges glatter und traditioneller daher kommt. Für die Musik zu „Morituri“ stand dem Komponisten ein schmal besetztes Orchester zur Verfügung, dass um Zither, E-Bass und Solovox – einen frühen Synthesizer – erweitert war. Besonders die Zither spielt eine wichtige Rolle, da sie für die europäischen Charaktere steht. Der Einsatz der Zither erinnert zusätzlich an die Musik zu „Der dritte Mann“ und auch bei „Morituri“ wird das Hauptthema während des Vorspanns und auch vermehrt im Film von der Solozither gespielt. Dieses Thema ist im ¾-Takt gehalten und von leicht melancholischem Einschlag. Zu Beginn des Films, der in Indien spielt, steuert Goldsmith wenige Minuten exotisches Lokalkolorit – hauptsächlich mit Gamelan – bei, bevor der Frachter in See sticht und hauptsächlich Suspense- und wenige Actionszenen das Steuer übernehmen. Auch wenn diese Musik ein Frühwerk des Komponisten ist zeigen sich hier schon deutlich die wichtigsten Elemente der Actionvertonung, die Jerry Goldsmith im Verlauf seiner langen Karriere beibehielt. So kommt bei einem Bootsmanöver das in tieferer Lage hämmernde Klavier zum Einsatz, ungerade Rhythmik prägt die treibenden Ostinati und auch die sehr transparente Instrumentation ist nicht nur der schmalen Orchesterbesetzung geschuldet sondern auch dem kammermusikalisch ökonomischen Denken des Komponisten und ähnelt besonders wegen des starken Bläser- und Schlagzeugeinsatzes sowie des E-Basses an ähnliche Musiken aus Goldsmiths TV-Schaffen dieser Zeit. Die Actionvertonung neigt durchgehend zu modernistisch harschen Harmonik und einige schrille Streicherfiguren erinnern außerdem an die ein Jahr zuvor entstandene Musik zu „Shock Treatment“. In den Suspense-Passagen zeichnet sich die Musik oftmals durch unerbittlich standhafte Motive auf wie die in der Harfe zu hörende Tonrepetition die an ein Uhrenticken erinnert, als Brando erstmals den Frachtraum des Schiffs erkundet oder das 5/8-Ostinato in der Pauke, als sich das Schiff durch eine Linie von englischen Schiffen manövriert. Einen weiteren Höhepunkt stellt die getragene kanonisch sich überlappende Hornpassage für die Übergabe der Gefangenen eines U-Boots dar.
Die Musik zu „Morituri“ erschien erst in den 90er Jahren erstmals auf CD und wurde von Tsunami herausgebracht. Diese Pressung wurde allerdings mit der Ausgabe von FSM hinfällig. Klanglich überraschend frisch präsentierte sich auf der FSM-CD erstmals die vollständige Musik, da im Film selbst einige Passagen umgestellt, geschnitten oder gar ganz ausgelassen wurden. Das Booklet ist mit einem sehr informativen Begleittext ausgestattet und somit lässt diese Edition keine Wünsche offen.
Insgesamt schuf Jerry Goldsmith mit „Morituri“ ein interessantes Frühwerk, das den Film maßgeblich unterstützt. Durch die schmale Orchestrierung und die Nähe der Suspense-Passagen zur TV-Musik wie „The Man From U.N.C.L.E.“ wirkt „Morituri“ allerdings ein bisschen wie ein Rohdiamant, die einzelnen Elemente noch nicht so ausgefeilt wie in späteren Kompositionen. Das Hauptthema allerdings ist in seiner Gestalt innerhalb Goldsmith Werk recht originell. Dank der vorbildlichen FSM-Veröffentlichung schließt sich nun eine weitere Lücke in der Goldsmith-Diskographie und ermöglicht einen weiteren Einblick in das frühe Werk eines talentierten Aufstrebenden Komponisten, der wenige Jahre später unvergleichliche Meisterwerke für das Kino schreiben wird.

 

 

A Patch of Blue - Träumende Lippen

Die 18-jährige blinde Selina D'Arcey wohnt mit ihrer Mutter Rose-Ann, die als Prostituierte arbeitet und ihrem alkoholsüchtigen Großvater in ärmlichen Verhältnissen. Während letzterer sich meistens in seine eigene Welt des Rausches flüchtet lässt Rose-Ann ihren Frust über sich selbst an ihrer wehrlosen Tochter aus. Ohne Schulbildung und von der Außenwelt isoliert kümmert sich die junge Frau um den Haushalt und verdient für die kleine Familie etwas Geld dazu, indem sie Perlenketten für Herrn Faber aufzieht. Dieser nimmt sie eines Tages mit in einen nahe gelegenen Park und die vielen verschiedenen Eindrücke eröffnen Selina eine völlig neue Welt. Ihr gelingt es, ihre Mutter und ihren Großvater zu überreden, am nächsten Tag wieder mit Herrn Faber in den Park gehen zu dürfen. Während sie unter einem Baum sitzt und Perlen auf die Schnüre zieht fällt ihr eine Raupe in den Nacken. Dem vorüber gehenden schwarzen Geschäftsmann Gordon gelingt es, der panischen Selina die Raupe aus dem Blusenkragen zu entfernen und zwischen den beiden entwickelt sich ein Gespräch. Gordon erfährt von dem Unfall, der sie erblinden ließ und empfindet Mitleid. Wenig später kommt er mit Essen zurück in den Park und schenkt Selina eine Sonnenbrille. Die junge Frau fasst schnell Vertrauen zu dem Unbekannten mit sanfter Stimme und auch dieser empfindet schnell freundschaftliche Gefühle. Von nun an treffen sich die beiden jeden Tag im Park und Gordon lehrt Selina, sich im Alltag zu recht zu finden, über die Straße zu und Einkaufen zu gehen. Als er sie in seine Wohnung nimmt, eröffnet Selina Gordon, dass sie ihn liebt und möchte sogar mit ihm schlafen. Doch dieser lehnt ab, denn die junge Frau weiß nichts von seiner Hautfarbe, die eine unmögliche Hürde für die Beziehung der beiden darstellt…

Die 1965 entstandene Verfilmung von Elizabeth Katayamas erstem Roman „Be Ready With Bells and Drums“ behandelt ein für die damalige Zeit sehr heikles Thema und „A Patch of Blue“ verfügt natürlich über eine gewisse Portion Elendskitsch, der – wenn nicht ausschließlich – auch der Zeit geschuldet ist. „A Patch of Blue“ wird hauptsächlich durch die inhaltlichen und äußeren Gegensätze strukturiert. Es gibt nur Gut und Böse, die Außenseiter gegen die Gesellschaft, Liebe gegen Hass. Sämtliche Charaktere sind hundertprozentige Stereotypen allen voran natürlich die völlig unschuldige und naive Protagonistin und ihre garstige hasserfüllte und frustrierte Mutter. Auch Gordon ist ein klassisches Abziehbild des Gutmenschen, selbstlos und gleichzeitig wegen seiner Hautfarbe ein Verfolgter der Gesellschaft, ein personifizierter Appell, auf innere Werte zu achten und zur Toleranz mahnend. Nicht nur zwischen den Menschen, auch in ihrer Umwelt spiegelt sich der krasse Gegensatz wider: Auf der einen Seite die Natur, der Park gegen das laute urbane Treiben. Während die Wohnung der D’Arceys ein tristes Loch bildet, in dem nur getobt, gezetert und geschrieen wird, ist Gordons geschmackvoll und modern möbliertes Apartment das Spiegelbild. Doch trotz all dieser Klischees, dem unterschwelligen Pathos und der zelebrierten Nächstenliebe vermag der Film – vielleicht gerade deshalb – zu berühren. Regisseur Guy Green erzählt die Geschichte um Gordon und Selina sehr ruhig, konzentriert sich auf die positiven Aspekte der Geschichte und versinkt nicht in einer resignativen Bitterkeit. Der lautstarke Eklat zwischen Rose-Ann und ihrem Vater verliert sich zum Beispiel nicht in anwiderndem Hass sondern schwingt in fast komödiantische Richtung, als sich die Nachbarn erst einmischen, um die beiden Streithähne zu beruhigen, letzten Endes allerdings sich selbst fast an die Hälse springen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass der Film in schwarzweiß gedreht wurde und man sich so immerhin zum Teil in die Protagonistin hinein versetzen kann. Als sie mit ihrem Großvater in den Park geht und ihn nach der Farbe der Bäume fragt, kann auch der Zuschauer selbst diese nicht erkennen. Auch die Darsteller tragen einen großen Teil zu der Wirkung des Films bei:
Sidney Portier spielt wie gewohnt sehr zurückhaltend und verleiht Gordon etwas Nobles und Würdevolles. Die junge und sehr begabte Elizabeth Hartman bietet als Selina mit ihrem kindlich-naiven Verhalten voller Gutmütigkeit den entsprechenden Gegensatz. Shelley Winters gewann für ihre Leistung als Rose-Ann sogar den Oscar für die beste Nebendarstellerin und schafft sie es, ihre Rolle überzeugend zu spielen, ohne unangenehm zu übertreiben. Auch Wallace Fords Ol’ Pa ist sehr glaubwürdig. Ford verleiht der Rolle etwas Tiefgang, indem er nicht nur den alten Trunkenbold spielt, sondern klar erkennen lässt, dass dieser mit sich selbst überfordert ist.
Insgesamt ist „A Patch of Blue“ ein sehr gefühlvoller Film, dessen wertvoller Aufruf zu mehr Toleranz zwar nicht immer einfallsreich umgesetzt, dafür aber berührend und nachvollziehbar wird.
 

„A Patch of Blue“ brachte Jerry Goldsmith die zweite Oscarnominierung nach „Freud“ (1962) ein und tatsächlich stellt diese Musik im frühen Schaffen des Komponisten ein Juwel dar. Dem Grundton des Films entsprechend wählte er einen sehr ruhigen Ansatz und besetzte ein kleines fast kammermusikalisches Ensemble aus Streichern, Holzbläsern, Harfe, Schlagzeug, Klavier, E-Bass und Mundharmonika. Die Musik geht von einem Thema aus, dem drei Elemente zu Grunde liegen: Zwei Mundharmonika-Akkorde fangen die Rahmenintervalle der Melodie ein und eine fast tänzerisch anmutende repetive Figur im Klavier bildet den Kontrapunkt zu einer zarten Streichermelodie. Dabei spielt der Klavierkontrapunkt eine gleichbedeutende Rolle wie das Hauptthema und erklingt besonders in den dramatischen Höhepunkten als verzweifeltes Motiv kraftvoll in den Kontrabässen oder fungiert in zarter Gestalt als eigene Melodielinie. Im Verlauf der rund halbstündigen Musik variiert und kombiniert Goldsmith seine Elemente und schafft eine äußerst gefühlvolle, intime und zurückhaltende Musik, die sehr im Gegensatz zu den im selben Jahr entstandenen Kriegsfilmmusiken oder modernistischen Beiträgen des Komponisten zum Thrillergenre dieser Zeit steht. Oft erklingt das sangliche Hauptthema in den Holzbläsern über warme Streichakkorde und Harfenarpeggien, umspielt die Mundharmonika die Klavierfigur. Neben den beiden etwas kraftvolleren Passagen für Selinas eigenständig unternommene Läufe durch die Stadt komponierte Goldsmith außerdem eine kurze leicht modernistische Passage für die Schilderung von Selinas Unfall. Ein stets repetierter Ton in der Harfe bildet hier das Fundament für eine leise tröpfelnde Celesta-Linie über der sich ein anschwellendes und plötzlich abreißendes Cluster in den Streichern bildet. Außerdem komponierte Goldsmith zwei gefällige Radio-Source-Musiken für Jazz-Ensemble und Rock’n’Roll-Besetzung.
Da die Filmmusik fast eine halbe Stunde dauert wurde sie nahezu vollständig für das zum Filmstart erscheinende LP-Album veröffentlicht, das später zusammen mit der Musik zu „David & Lisa“ von Mark Lawrence und hierzulande bei Tsunami mit der LP-Aufnahme von Goldsmiths „Patton“ auf CD erschien. 1997 veröffentlichte Intrada schließlich die komplette Musik in chronologischer Reihenfolge. Da die Aufnahmen von den originalen Masterbändern abgenommen wurden ist die Klangqualität für das Alter hervorragend und ein sehr informatives Booklet über Film, Komponist und die Musik rundet die Veröffentlichung ab. Leider ist die CD seit einiger Zeit vergriffen und es ist zu hoffen, dass die Musik zu „A Patch of Blue“ bald wieder erhältlich ist, denn Jerry Goldsmith schrieb hier eine wundervolle zurückhaltende Drama-Musik, deren musikalische Raffinesse und emotionale Wirkung die zu einem der ganz großen Einträge im Schaffen des Komponisten macht.



1966

 

Our Man Flint - Derek Flint schickt seine Leiche

Als MGM mit dem dritten James-Bond-Film "Goldfinger" erneut absahnte wollte 20th Century Fox nicht mehr tatenlos zusehen und schickte James Coburn als Agent 0008 ins Rennen, um die Welt vor einer skrupellosen Organisatin zu bewahren, die Frauen zu Sexeinheiten gehirnwäscht und eine friedliche Welt erschaffen will. Erzwingen wollen die drei Chefs von "Galaxy" - Dr. Wu, Schneider und Dr. Krupov - diese Vorhaben indem sie die Welt erpressen, das Wetter komplett durchdrehen zu lassen, das sie mit Hilfe ihrer Technologie steuern können.
Anstatt einen Bond-Abklatsch zu produieren, wählte 20th Century Fox glücklicherweise einen leicht parodistischen Einschlag mit vielen ironischen Elementen, die typische Bond-Manierismen auf die Schippe nehmen. So hält sich Flint direkt einen Harem von vier Schönheiten, besitzt ein Feuerzeug mit 82 Spezialfunktionen und beherrscht natürliche jede Kampfsportart. Auch die Organisation "Galaxy", deren Motive eigentlich nicht so negativ (Vernichtung der Atomwaffen, friedliche Welt), aber teilweise völlig bekloppt sind (Frauen als Lustobjekte), ist ein galanter Seitenhieb gegen die Bond-Bösewichte, die oft unter ihrer Erscheinung als reine Irre leiden, deren Motive man manchmal nur bedingt folgen kann. Was oft vergessen wird, ist, dass die Flint-Filme die eigentliche Basis der Austin-Powers-Filme sind, nicht (alleine) die Bond-Streifen sodass Powers-Kenner in den Flint-Filmen viele Parallelen finden werden."Derek Flint schickt seine Leiche" ist somit auch heute noch toll anzusehen und überaus unterhaltsam.
 

Der zu dieser Zeit bei 20th Century Fox Angestellte Jerry Goldsmith hatte schon einige Filme mit Agenten-Thematik wie "The Prize" und "The Satan Bug" vertont, jedoch entspricht die Musik zu "Derek Flint schickt seine Leiche" nicht den modernistischen Partituren mit leichten Jazz-Einlagen der oben genannten Filme. Stattdessen kommt die Flint-Musik in deutlich poppigererem Easy-Listening-Gewand mit Jazz-Combo, leichten Streichern und einigen elektronischen Einsprengseln daher. Die Musik ist hautpsächlich monothematisch auf dem Flint-Thema aufgebaut und schlüpft je nach Situation und Lokalität in ein anderes Gewand: In Italien von der Mandoline tremoliert erklingt das Thema im Strip-Lokal als röhrende Nummer. Auch die Action- und Spannungsszenen wurden hauptsächlich an Hand des Themas vertont. Im Film funktioniert die Musik hervorragend, auf CD fehlt der ständigen Hauptthemen-Variation allerdings die Abwechslung, zumal auch bei dem Thema selbst das gewisse Etwas fehlt. Immerhin wurde die Musik auch für die kommerzielle Veröffentlichung neu eingespielt (bei Tsunami erschienen) und dürfte sich damals gut verkauft haben. Dem letzten Satz im Varèse-Booklet zu den Originalaufnahmen mit dem Fazit: "Die Filme sind Kind ihrer Zeit/Die Musik zeitlos" muss ich allerdings widersprechen: Der Film machte viel Spaß, aber die Musik ist ein nettes Souvenir, weil zu sehr Kind ihrer Zeit.

 

 

Stagecoach - San Fernando

In der kleinen Stadt Tonto, Aruzona, bricht im örtlichen Saloon ein Streit zwischen zwei Soldaten um das Animiermädchen Dallas aus, der für die beiden Kontrahenten tödlich endet. Dallas wird von der Armee der Stadt verwiesen und soll am nächsten Tag die Postkutsche nach San Fernando nehmen, die bald eintrifft. In der Kutsche fährt die schwangere Offiziersgattin Lucy Mallory sowie der ängstliche Schnapsvertreter Peacock. Joshua Boone, der Doktor von Tonto, schließt sich der Prostituierten Dallas an, denn besonders die Aussicht auf eine Kutschfahrt mit einem Vertreter für Spirituosen scheint ihm sehr verlockend. Auch der Berusfspieler Hatfield verlässt die Stadt und schließt sich der Reisegruppe an. Als weiterer Gast besteigt kurz vor Abfahrt der Bankangestellte Henry Gatewood, der in der Bank seines Schwiegervaters 10 000 Dollar unterschlug und behauptet, er werde dringend in San Fernando erwartet. Begleitet wird das vom raubeinigen Fahrer Buck gelenkte Gefährt von Marshal Curly Wilcox. Diesem ist der Häftling Ringo aus dem Gefängnis entflohen und der Marshal nimmt an, dass Ringo nach San Fernando gereist ist, um dort Matt Plummer zur Rechenschaft zu ziehen, der Ringos Vater und Bruder ermordeten und ihn durch Falschaussagen ins Gefängnis brachten. Doch schon wenige Stunden nach Aufbruch macht der Marshal den ersehnten Fang: Am Wegrand sitzt Ringo, der sein Pferd verlor und bittet um eine Mitfahrgelegenheit, um nach San Fernando zu gelangen. Marshal Wilcox stimmt zu, um den Entflohenen sofort am Ziel einzusperren und von der Belohnung endlich seine Ranch aufbauen zu können. Doch zwischen Tonto und San Fernando warten zuerst viele Schwierigkeiten auf die Passagiere und den Fahrer. So kommt es nicht nur zu Spannungen zwischen den verschiedenen Passagieren, vor Allem haben die Indianer wieder das Kriegsbeil ausgegraben und halten die Strecke zwischen Tonto und San Fernando besetzt...

1939 drehte John Ford mit "Stagecoach" eins der frühen Western-Meisterwerke, das den Grundstein für dessen und John Waynes Karriere legte. Schon bei der Premiere von Publikum und Kritikern gefeiert ist dieser Film auch heute noch ein erstklassiger Western. Allerdings ist "Stagecoach" ein Beweis dafür, dass zeitlose Klassiker nicht nur heute von Produzenten als antastbar und verbesserungswürdig gelten, denn als Produzent Martin Rackin bekannt gab, dass er eine Neuverfilmung 1966 in die Kinos bringen würde, war die Empörung groß. Sogar Ford selbst schrieb Rackin persönlich einen Brief worauf dieser sinngemäß antwortete, dass es nicht seine Schuld sei, wenn Ford damals keinen guten Film gedreht hätte und Rackin jetzt die endgültige Fassung produzieren müsse. Bei der Sichtung des fertigen Films von 1966 fällt jedoch schnell auf, dass der Produzent seinen eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte und stattdessen bloß einen blassen Abklatsch des Originals produzierte. Weder verfügt die Neuverfilmung über die Bildgewalt des Originals, noch vermögen es die Schauspieler (bis auf eine Ausnahme), ihren Figuren so vortrefflich Leben einzuhauchen wie die Darsteller 1939.
Einzig und alleine Ann-Margret bleibt mit ihrer leicht zynischen Darstelleung der im Kern redlichen und gutmütigen Prostituierten Dallas im Gedächtnis und lässt ihre Kollegen durchweg verblassen. Das als amüsant ausgelegte Verhältnis zwischen Bing Crosbys Doc Boone und dem von Red Buttons gespielten Schnapsvertreter Peacock ist viel zu albern geraten, Mike Connors in der Rolle des kavalierartigen Hatfields genauso wie Stefanie Powers' Lucy Mallory äußerst blass geraten und auch wenn Robert Cummings sich in der Rolle Henry Gatewoods bemüht, so fällt er einem schnell mit seinem ewigen Drängen zum völlig unangebrachtem Zeitpunkt auf die Nerven. (Frau Mallory hat ihr Kind jetzt endlich bekommen? Gut, dann können wir ja bitteschön weiterfahren!) Western-Urviech Slim Pickens liefert eine nette Leistung als einfältiger Fahrer ab, allerdings ist seine Rolle recht klein und weder Alex Cord als Ringo oder Van Heflin schaffen es, ihre Rollen überzeugend darzustellen. Zu belanglos werden die Textzeilen heruntergeleiert, zu ausdrucksschwach ist die ohnehin kaum vorhandene Mimik.
Regisseur Gordon Douglas war so ziemlich in jedem Genre tätig, doch kann seine Neuverfilmung niemals das Original übertreffen. Stattdessen setzt der Regisseur in der 1966er-Verfilmung auf ein hohes Maß an Gewalt - besonders die ersten fünf Minuten sind sehr blutig geraten. Das erste Bild nach dem Vorspann zeigt einen Soldaten, der einen Tomahawk ins Gesicht geschlagen bekommt, ein zweiter wird von hinten mit einer Lanze getroffen. Nach einem sehr blutigen Überfall der Indianer auf einen Armeestütztpunkt folgt der brutale Kampf der Soldaten im Saloon, auch hier werden Messer in den Körper gerammt und bleiben stecken, fließt das Blut. Stand im Original besonders das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen den einzelnen Charakteren im Mittelpunkt, das von der Bedrohung durch die Indianer überschattet wurde, so versucht Gordon in seiner Version, die fehlende Stimmung durch Schockmomente wie haufenweise aufgetürmte Leichen von Soldaten zu übertuschen. Dies allerdings geht zu keinem Zeitpunkt auf, sodass "Stagecoach" aus dem Jahre 1966 nichts weiter als eine blasse und überflüssige Kopie eines zeitlosen Klassikers darstellt. Interessanterweise rollte die Postkutsche 1986 in einer TV-Verfilmung erneut über heimische Bildschirme, dieses Mal in einer obskuren Neuverfilmung mit Kris Kristoffersen als Ringo und Willie Nelson als Doc Holiday.

 Komponist Jerry Goldsmith schien von dem Film ebenfalls nicht besonders inspiriert geworden zu sein, denn seine Musik ist relativ blass geworden und hält Vergleichen mit dessen großen Würfen im Bereich der Westernvertonung nicht stand. Für die Musik stand dem Komponisten ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das außerdem um folkloristische Instrumente wie Akkordeon, Mundharmonika, Banjo, Gitarre und Maultrommel erweitert war. Es fällt auf, dass Goldsmith sämtliche Actionszenen wie den ersten Angriff der Indianer zu Beginn, den Kampf im Saloon, den Überfall auf die Kutsche oder feurige Finale stets unvertont lässt. Stattdessen komponierte er eine sehr folkloristisch orientierte Musik, die neben ruppigen Actionpassagen auch die für Goldsmith typischen lateinamerikanischen Elemente sowie die für das Genre typische Americana vermissen lässt. Der folkloristische Charakter wird schon in der Musik für den Vorspann während einer ausladenden Kamerafahrt über eine Waldlandschaft voll ausgespielt: Ein Rhythmus der Maultrommel und eine kleine Figur der Mundharmonika bilden das Fundament für eine volksliedhafte Melodielinie des Akkordeons, bevor schließlich die Streicher einsetzen und Raum für das eigentliche Hauptthema schaffen. Dieses ist eine seichte wiegende Melodie, die von der Trompete intoniert wird und sich wie ein roter Faden durch die folgende Musik zieht, allerdings lässt sie den markanten musikalischen Charakter vieler anderer Western-Themen aus der Feder Goldsmiths vermissen.Neben einigen Außenaufnahmen der durch die Landschaft rollenden Kutsche, die mit einigen rhythmisierten Akkorden der Bläser und Streicher unterlegt sind, über die sich entweder der Akkordeonkontrapunkt der Vorspannmusik oder das Hauptthema selbst legen, vertonte der Goldsmith in seiner kurzen Komposition von gerade einmal 22 Minuten Länge hauptsächlich Dialogszenen, die er mit sanften Darbietungen des Hauptthemas in der Mundharmonika, den Streichern oder solistischen Holzbläsern über lang ausgehaltene Akkorde der Streicher vertont, die mit einigen Harfenarpeggien oder Gitarrenakkorden garniert werden.Zu den wenigen starken Momenten der Musik gehört die Untermalung für eine Szene, in der die Passagiere in einer Blockhütte einen Berg von Soldatenleichen entdecken. Die fröhliche und beschwingte Reisemusik schwenkt hier innerhalb weniger Sekunden in eine effektvolle Passage mit tiefen grummelnden Streichern, col-legno-Schlägen und einer archaisch anmutenden aber verhaltenen Melodie der Altflöte, die für die ständig präsente Bedrohung durch die Indianer steht.Obwohl „Stagecoach“ keine besonders starke Westernmusik Goldsmiths ist, wurde sie bereits zum Filmstart auf LP veröffentlicht. Auf Grund der kurzen Länge der Musik konnte nahezu die vollständige Partitur auf dem Album untergebracht werden. 1998 erschien die Musik schließlich auf CD und bildet die erste Veröffentlichung des renommierten Filmmusiklabels FSM. Leicht erweitert enthält die CD neben zwei kurzen Klavier-Source-Musiken aus „Stagecoach“ auch Musik aus der kurzlebigen Westernserie „The Loner“. Die sehr gut restaurierte Musik und das äußerst informative Begleitheft setzten Maßstäbe für 250 kommende Veröffentlichungen Lukas Kendalls, trotzdem dauerte es über 12 Jahre, bis die auf 3000 Stück limitierte Veröffentlichung ausverkauft war. In der Zwischenzeit erschien auch die allererste Veröffentlichung des Films nach der Kinopremiere in der „Twilight“-Reihe auf Bluray-Disc, die zusätzlich eine isolierte Musikspur enthält. „Stagecoach“ wurde schließlich 2012 von Lalaland Records neu veröffentlicht und neben einigen Minuten Musik wie weiterer Source-Stücke auch um die auf der FSM-Ausgabe fehlende Banjospur erweitert. Dennoch enthält keine der beiden CD-Veröffentlichungen die vollständige Filmmusik. Zu den prominentesten fehlenden Stücken gehört die rund einminütige Passage, die die Kusche zur ersten Raststätte begleitet. Es wäre wünschenswerter gewesen, Lalaland hätte eine andere, bedeutendere vergriffene Western-Musik des Komponisten neu aufgelegt wie „The Ballad of Cable Hogue“, „Bandolero!“ oder „Rio Conchos“, denn „Stagecoach“ ist leider einer der wenigen sehr blassen Einträge Jerry Goldsmiths, der zwischen 1960 und 1975 mehrere Western äußerst effektiv und originell vertonte.

 

 

 

The Blue Max - Der blaue Max

Bruno Stachel ist ein einfacher Infanterist im ersten Weltkrieg. Als er eines Tages im Schützengraben einen Kampfflieger beobachtet, steht sein Entschluss fest: Er möchte selbst den Kampf in der Luft aufnehmen. Schon zwei Jahre später – gegen Ende des Krieges – kommt Stachel nach der Fliegerschule in ein deutsches Jagdgeschwader unter Kommandant Heidemann. Schon die erste Begegnung des aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Stachels und den anderen Offizieren adliger Herkunft verläuft nicht ohne Spannung. Den Kameraden stößt von Anfang an der verbissene Ehrgeiz des Neuankömmling auf, denn dieser hat nur ein Ziel: Den Blauen Max – die höchste Auszeichnung, die das Deutsche Reich verlieh und jedem Kampfflieger verliehen wurde, der 20 feindliche Flugzeuge abschoss. Genau dieser Orden soll Willi von Klugermann, dem Fliegerass des Geschwaders, bald verliehen werden. Gleich beim ersten Einsatz schießt Stachel ein britisches Flugzeug ab, doch da sein Kamerad ebenfalls abstürzt und das Wrack nicht gefunden wird, bekommt Stachel den Abschuss nicht angerechnet, sodass sich der ehrgeizige Pilot trotz Gewitters auf die erfolglose Suche nach dem Wrack macht und den anderen Offizieren suggeriert, das abgeschossene Flugzeug schere ihn mehr als der Tod eines Kameraden. Als Stachel einige Tage später den Schützen eines feindlichen Flugzeugs außer Gefecht setzt, will er den Piloten zur Landung auf deutschem Boden zwingen, doch kurz vor der Landung versucht der verwundete Schütze noch einmal, das Feuer zu eröffnen, sodass Stachel den britischen Flieger in Notwehr abschießt. Kommandant Heidemann glaubt, dass Stachel seinen Abschuss vor möglichst vielen Zeugen machen wollte und ist entsetzt. Doch General Baron von Klugermann, der einige Tage später eintrifft, um seinem Neffen Willi den blauen Max zu verleihen, ist der ehrgeizige Stachel sympathisch. Auch Klugermanns zweite junge Ehefrau Käti ist von dem jungen Piloten sehr angetan und die Fronten verhärten sich, als Stachel mit der hübschen Blondine ein Verhältnis beginnt, zu der auch Willie sich hingezogen fühlt. Die Rivalität der beiden Männer gipfelt schließlich in einem waghalsigen Flug-Wettstreit, bei dem Willi ums Leben kommt. Kommandant Heidemann wird sich der Gefahr bewusst, die Stachels Ehrgeiz für sein Geschwader darstellt, doch sind ihm die Hände gebunden, denn Baron Otto von Klugermann machte den jungen Kampfflieger in Berlin zum neuen Helden, um dem deutschen Volk in den letzten Kriegsmonaten noch einmal Hoffnung zu machen…

Bereits zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Jack D. Hunters Roman „Der Blaue Max“ kam die Verfilmung in die Kinos. Allerdings gestattete sich das Autorenteam Ben Barzman, Basilio Franchina, David Pursall, Jack Seddon und Gerald Hanley einige Änderungen. Die Spannungen zwischen Willie und Stachel oder die Ablehnung Heidemanns sind im Roman nicht zu finden - im Gegenteil: Heidemann hält Stachel für den besten Piloten des Geschwaders nach sich selbst und Willi und Stachel verbindet ein freundschaftliches Verhältnis. Auch die Entwicklung Stachels vom idealistischen Piloten zum egozentrischen Ignoranten geht auf die Drehbuchautoren zurück, denn im Roman neigt der Protagonist von Anfang an zur Unehrlichkeit und übermäßigem Alkoholkonsum.
All diese Neuerungen bilden die Vorraussetzung neben den Kriegsszenen auch auf zwischenmenschlicher Ebene einen interessanten Film zu machen, allerdings sind alle Figuren ein bisschen zu statisch und zu hölzern, sodass die wahren Schauwerte des Films tatsächlich bei den brillant fotografierten und beeindruckend akrobatischen Flugszenen liegen für die mehrere Flugzeuge der Ära nachgebaut wurden. Auch die in Wahrheit irische Landschaft und die üppige Innenausstattung machen den Film heute noch sehenswert, der allerdings in den Dialogszenen deutlich Patina angesetzt hat. Das fast ausdruckslose Spiel sämtlicher Darsteller ist definitiv ein Relikt aus vergangenen Zeiten, wirkt heutzutage allerdings sehr hölzern. George Peppard ist entschieden älter als die 19-Jährige Romanfigur, Jeremy Kemps Willi von Klugermann ist recht überzeugend und auch Ursula Andress schafft es hin und wieder, das Potential der verruchten und verführerischen Käti auszuschöpfen. Lob gebührt jedoch vor Allem James Mason in der Rolle des Otto von Klugermann sowie Karl Michael Vogler als aufrichtigen Hauptmann Otto von Heidemann, die die militärischen Führungskräfte mit einer überzeugenden Balance zwischen militärischer Straffheit und menschlicher Regungen ausfüllen. Insgesamt lässt sich „Der Blaue Max“ auch heute ohne Frage gut ansehen, denn auch wenn dieser bei den Dialogszenen und allgemein der Zeichnung zwischenmenschlicher Beziehungen schwächelt so haben die herrlichen Flugszenen auch heute nichts von ihrer Wirkung verloren.

1966 hatte Jerry Goldsmith sich bereits einen Namen in der Filmszene gemacht. Mit zwei Oscarnominierungen und Kompositionen wie „Rio Conchos“ oder „A Patch of Blue“ hatte sich der junge Komponist einen mehr als stabilen Grundstein für seine Karriere gelegt. Dabei ging Goldsmith in seinen Vertonungen oft sehr ökonomisch vor, indem er kleinere Orchesterbesetzungen wählte, die er individuell für den jeweiligen Film anpasste und wählte nicht selten einen modernistischen Vertonungsansatz. Da bei „The Blue Max“ allerdings das Fliegen im Vordergrund steht, entschied sich Goldsmith für eine spätromantisch üppige Musik, deren nicht selten schwelgerischer Gestus die Freiheit und die Erhabenheit des Fliegens in Töne fasst. Für dieses Gefühl steht das Hauptthema, eine ausladende Streichermelodie, die stets weiter nach oben steigt und nicht selten in noblen Blechakkorden und einen steten Orgelpunkt in der Pauke mündet, über die sich eine Fortführung des Themas nun auch im Blech legt, deren Höhepunkt von einem Beckenschlag und schillernder Triangel gekrönt wird. Doch Goldsmiths meisterhaftes Talent spiegelt sich vor allem in der Variation dieser Melodie wider, denn auch wenn es einem nicht sofort auffällt ist „The Blue Max“ mehr oder weniger monothematisch konzipiert. Dabei erklingt das Hauptthema in so vielen Erscheinungen, dass man es oftmals fast als neues Material ausmacht. Ob als schwere Marschmelodie in moll für Actionpassagen oder heiter beschwingter Walzer für Solovioline für die ersten Annäherungsversuche Stachels gegenüber Käti, das Hauptthema lugt an allen Ecken und Ende der Musik hervor. Auch das Liebesthema basiert auf dieser Melodie, das oftmals sehr zurückhaltend im Soloklavier erklingt und an die zeitgenössische Musik eines Debussys erinnert und somit den musikalischen Geist der Epoche einfängt. Obwohl dem Komponisten ein Orchester von über 100 Musikern zur Verfügung stand gibt es auch viele zurückhaltende und sparsam instrumentierte Passagen, doch ist „The Blue Max“ ohne Zweifel eine großorchestrale Filmmusik die komplett tonal ausgelegt ist, aber dennoch Goldsmiths konsequenten Personalstil trägt. Besonders in den Actionpassagen spart der Komponist nicht an ruppigen Rhythmen, die längere Passagen in Form von dröhnenden Marschtrommeln unterlegen und sich überlappenden schweren Blechmotiven. Dabei fällt in den Actionpassagen besonders auf, dass Goldsmith über weite Strecken auf alte Formen zurückgreift, um während der rasanten Actionszenen musikalisch nicht den Faden zu verlieren. So erklingt bei Stachels erstem Einsatz ein Streicherfugato und der Rückzug der Armee ist maßgebend von einer Passacaglia unterlegt.
Goldsmith komponierte rund 55 Minuten Musik, von denen allerdings nur ein Teil im Film zu hören ist. Für damalige Verhältnisse war die Musik recht harsch wenn man sie mit den oftmals heroisierenden Kriegsfilmmusiken der damaligen Zeit vergleicht, sodass oftmals längere Actionpassagen gekürzt und umgestellt und auch einige ruhigere Stücke komplett gestrichen wurden, da John Guillermin die Musik oft zu dissonant war. Auf der zum Filmstart veröffentlichten LP fanden sich mit 38 Minuten die wichtigsten Passagen inklusive einiger Source-Stücke, die von Arthur Morton arrangiert war bevor 1985 von Varèse Sarabande 50 Minuten der Musik auf CD veröffentlicht wurden. Zehn Jahre später erschien die fast vollständige Filmmusik von Legacy bevor Intrada 2010 erstmals eine komplette Edition der neu aufgefundenen Bänder auf den Markt brachte, die mittlerweile vergriffen ist. Die Intrada-CD erweitert die Legacy-Fassung nicht nur um einige Minuten Musik sondern präsentiert die Filmmusik in um einiges besserer Klangqualität und sollte daher – wenn möglich – unbedingt in jede Goldsmith-Sammlung wandern, denn dem jungen Komponisten gelang mit „The Blue Max“ eine ebenso heroisch-schwelgerische wie actionreich-massive Partitur, deren Themenvariation und Vielfältigkeit vergebens in vielen ähnlich gelagerten Kriegsfilmmusiken ihresgleichen sucht.

 

 

The Sand Pebbles - Kanonenboot am Yangtze-Kiang

Jake Holman ist Maschinist und tritt seinen Dienst auf dem kleinen Kanonenboot – der “San Pablo” – an, da er lieber für sich alleine arbeitet. Auf der Fahrt von Peking zur San Pablo lernt er auf einem Dampfschiff den Missionar Jameson und die junge Shirley Eckart kennen, die als Lehrerin in der Mission des Predigers arbeiten wird und mit ihrem Idealismus das genaue Gegenteil zu dem zynischen und abgeklärten Holman darstellt, der Maschinen der menschlichen Gesellschaft vorzieht. Jameson und Eckart begeben sich zu der Mission in China Light, während Holman auf der „San Pablo“ eintrifft. Schon bald muss er feststellen, dass es dort nicht wie auf anderen Kanonenbooten zugeht: Während chinesische Arbeiter – so genannte „Kulis“ die Arbeit der Matrosen übernehmen, faulenzt die amerikanische Besatzung den ganzen Tag. Holman, der mit Leidenschaft Maschinist ist, sagt dieses Prinzip gar nicht zu und schon am ersten Tag kommt es zu einem Konflikt zwischen ihm und Chien, dem Aufseher der Maschinenkulis. Als Chien bei einer Testfahrt des Schiffs durch einen Fehler der Maschine ums Leben kommt, wird die Mannschaft misstrauisch und um die anderen Kulis nicht zu verärgern muss Holman einen neuen anlernen: Po-Han. Trotzdem ist das Verhältnis zwischen dem Maschinisten und der Mannschaft – bis auf Frenchy, einem Matrosen – gespannt. Frenchy hat eine Beziehung mit Mai-Li, einem Animiermädchen in einer Bar, die vor der Prostitution rettet. Die politische Situation im Land verschärft sich währenddessen und die „San Pablo“ erhält den Befehl, stets neutral zu bleiben und keine Waffen zu gebrauchen, denn die nationalistischen Parteien betrachten die Kolonialmächte als Bedrohung und werden immer gefährlicher. Als eines Tages Po-Han von seinen Landsmännern vor den Augen der Besatzung brutal gefoltert und von Holman schließlich mit einem Schuss erlöst wird, beschließt Kapitän Collins, die Mission zu evakuieren und bringt ihre Bewohner in die Botschaft von Chang-Sha. Bei der Ankunft von Chang-Sha wird die „San Pablo“ gezwungen, den ganzen Winter im Hafen zu verbringen, da rebellische Chinesen das Schiff blockieren. In dieser Zeit treffen sich Jake und Shirley erstmals seit der Dampfschifffahrt wieder und bei beiden wachsen ernsthafte Gefühle, doch Jake macht ihr deutlich, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat. Währenddessen heiratet Frenchy Mai-Li, die er im Winter heimlich besucht und sich durch das kalte Hafenwasser den Tod holt. Anshcließend wird Mai-Li tot gefunden und Holman, der am Tag nach Frenchys Tod einen Botengang auf dem Festland erledigen sollte, für den Mord verantwortlich gemacht. Die Situation für die Besatzung scheint aussichtslos…

Obwohl Richard McKennas Roman aus dem Jahre 1962 keinen Bezug zu historischen Tatsachen hat und rein fiktiver Natur ist, wurde der Vietnam-Krieg beim Erscheinen des Films 1966 oft erwähnt. McKenna hatte selbst in den 30er Jahren auf einem Patrouillenboot in China gedient. Robert Wise wollte das Buch direkt Verfilmen, doch mehrere Schwierigkeiten wie die Suche nach einem Hauptdarsteller und Zweifel von Seiten der Produzenten bei 20th Century Fox verzögerten die Produktion. In der Zwischenzeit drehte Wise für das Studio „The Sound of Music“ – einen der erfolgreichsten Filme der 60er Jahre, sodass ihm endlich für „The Sand Pebbles“ grünes Licht gegeben wurde. Nach dem Erfolg von „The Great Escape“ bekam Steve McQueen die Rolle Jake Holmans und setzte nach dem Film für zwei Jahre aus, da sich die Dreharbeiten als sehr anstrengend erwiesen. Der Film wurde in Taiwan und Hong Kong gedreht, allerdings erwiesen sich die Dreharbeiten wegen starkem Regen und einem technischen Unfall als sehr schwierig. Steve McQueen wurde nach der Rückreise krank und somit verzögerten sich auch die Dreharbeiten in Hollywood für die Innenaufnahmen. Trotz all dieser Probleme und Hürden, die Stab und Besetzung zu überwinden hatte, ist „The Sand Pebbles“ auch heute noch ein äußerst eindrucksvolles Filmerlebnis. Brillant fotografiert, aufwendig in Szene gesetzt und mit hervorragenden Schauspielern besetzt beleuchtet der Film Einzelschicksale in einer bedrohlich politisch unruhigen Umgebung, wobei durchgehend von Pathos, Vorurteilen, überzeichnetem Nationalismus und Patriotismus wohltuend Abstand gehalten wird. Die handelnden Personen sind allesamt menschlich mit all ihren Schwächen und Stärken, nie Klischees. Der Film spricht sich deutlich für Menschlichkeit und Frieden aus, ist vom Regisseur nüchtern und realistisch in Szene gesetzt und rutscht niemals in geschmacklosen Kitsch ab. Neben der tadellosen Arbeit hinter der Kamera tragen auch die Darsteller viel zu dem Gelingen des Films bei – allen voran Steve McQueen, dem seine Rolle als zynischer Einzelgänger Jake Holman seine einzige Oscarnominierung einbrachte. Die junge Candice Bergen als Shirley Eckart beeindruckt im jungen Alter von 19 Jahren und Richard Attenborough spielt einen wohltuend fröhlichen Fenchy, dem man seine Liebe zu der Chinesin Mai-Li voll und ganz abnimmt. Diese wird übrigens von Emmanuelle Arsan gespielt, die später für ihre „Emanuelle“-Romane und deren Verfilmung berühmt wurde. Richard Crenna, der vorher hauptsächlich in Komödien zu sehen war, scheint die Rolle des militärisch strengen und idealistischen Kapitän Collins geradezu auf den Leib geschrieben zu sein. Seine berühmteste Rolle – Sam Trautman in den „Rambo“-Filmen – scheint hier ihren Ursprung zu haben. „The Sand Pebbles“ ist ein filmisch sowie darstellerisch großartiges Werk, dessen aufwendige Inszenierung mit großen Schauwerten sowie einer wertvollen Botschaft absolut sehenswert ist.

Eigentlich war Alex North als Komponist für den Film vorgesehen, doch störte der sich an der heftigen Gewaltdarstellung, sodass er den Auftrag seinem Schützling Jerry Goldsmith übergab. Dieser hatte sich in den Jahren zuvor bereits einen renommierten Namen als Film- und Fernsehkomponist gemacht und vier Jahre zuvor seinen ersten großen Kinofilm – „Lonely Are the Brave“ – vertont. Von einem modernistischen Stil geprägt, setzt er Musik oft sparsam ein und machte von für jeden Film individuell zusammengestellten Besetzungen Gebrauch, doch „The Sand Pebbles“ benötigte einen anderen Vertonungsansatz. Für den rund 180 Minuten langen Film komponierte Goldsmith 70 Minuten mit einem großen Orchester. Mit der Vertonung von Filmen mit in Asien angesiedelter Handlung war der Komponist durch „The Spiral Road“ vertraut und „The Sand Pebbles“ erweist sich neben „Tora! Tora! Tora!“ als sein bester Umgang mit asiatischen Elementen in seinem Werk, da das musikalische Lokalkolorit niemals platt und klischeehaft daher kommt, sondern stets raffiniert ausgearbeitet und in die westliche leicht modernistische Klangwelt der Partitur eingeflochten ist. Die Musik kommt zudem nie in vollem Tutti daher, stattdessen setzt Goldsmith nach seiner kammermusikalischen Vorliebe die verschiedenen Instrumentengruppen des Orchesters in immer frischen Kombinationen ein, die Musik orientiert sich konzeptionell allerdings an der themenreichen Tradition des Golden Age. Im Mittelpunkt steht eine liebliche Melodie für die Beziehung zwischen Jake und Shirley, die später auch als Song vermarktet wurde. Die ersten vier Töne des Liebesthemas sind ein motivischer Kern, von dem aus der Komponist in zwei verschiedene Richtungen geht, denn auch die „San Pablo“ erhält ein eigenes Thema, dessen erste vier Töne sich mit dem Anfang Liebesthemas decken. Holmans Zuneigung für die junge Lehrerin und seine Hingabe für die Maschinen sind so musikalisch miteinander verknüpft. Für Frenchy und Mai-Li setzte Goldsmith eine eigene, pentatnoisch stark eingefärbte Melodie ein, die ihren Ursprung allerdings in der TV-Musik zu der „Perry Mason“-Folge „The Case of the Blusshing Pearls“ hat, die dort sie die weibliche asiatisch-stämmige Protagonistin charakterisierte. Eine äußerst wichtige Funktion nimmt außerdem das klassische Seufzermotiv der kleinen Sekunde ein, das Goldsmith zu einem viertönigen Motiv ausarbeitete und als musikalische Keimzelle für einen der Höhepunkte seiner Vertonung verwendete: „Death of a Thousand Cuts“. Nachdem Holman seinen Freund Po-Han getötet hat, spiegelt die Musik in der ewigen Wiederholung des Seufzermotivs Holmans Verzweiflung eindrucksvoll wider und mündet in einer fast konzertanten Steigerung in einem dissonanten Aufschrei aus Trauer und Schmerz. Goldsmith setzt dieses viertönige Motiv sonst nur noch zweimal in der ganzen Musik ein. Auch die Actionpassagen klingen voll und ganz nach dem Komponisten, sind raffiniert gefertigt und verlieren sich nie in großorchestralem Bombast oder Chaos. Stattdessen setzt Goldsmith hier schon seine ostinativen Streicherakkorde und grummelnden Klavierläufe ein, die später so bezeichnend für seine Actionmusik werden sollten. Besonders beeindruckend ist auch die Musik zum Showdown, in der der Komponist über 8 Minuten eine streng durchorganisierte und unglaublich dichte von Motivpartikeln durchzogene Klangschichtung über lange Zeit entwickelt und schließlich zum vollen Ausbruch steigert.
Zum Erscheinen des Films wurde ein Album mit 35 repräsentativen Auszügen der Originalaufnahmen – dirigiert von Lionel Newman - veröffentlicht. 1997 ergriff Jerry Goldsmith das erste Mal selbst den Taktstock, um eine erweiterte Fassung für Varèse-Sarabande neu einzuspielen. Im Gegensatz zu der für die gleiche Serie entstandene Neueinspielung zu „Patton“ und „Tora! Tora! Tora!“ ist die Aufnahme der „Sand Pebbles“ sehr gelungen und die etwas halligere Akustik tut der Musik keinen Abbruch. Der Varèse-Club veröffentlichte 2002 eine „Deluxe Edition“ mit der fast vollständigen Musik in klarem Stereo und einem sehr ausführlichen Begleittext, der allerdings leider verschweigt, warum diverse kürzere Stücke nicht zu auf der CD enthalten sind.
Diese wurden schließlich 2011 von Intrada in einer 2-CD-Edition veröffentlicht mit der vollständigen Filmmusik auf CD 1 und einer zweiten CD mit Album-Schnitten und alternativen Fassungen sowie Source-Musik. Das Klangbild der Intrada ist deutlich schärfer im Gegensatz zu der etwas dumpferen aber weniger schrillen Club-CD. Dabei verliert die 2-CD-Edition definitiv auf dem Gebiet des Begleittextes. Die von Julie Kirgo gefüllten Seiten sind ebenso wie ihre Ausführungen zu „Patton“ größtenteils belanglos und teilweise recht krude. Der anschließende „Tech Talk“, dessen roten Faden der 11. September bildet, schweift ebenfalls stark ab.
Nichts desto trotz sei der Kauf der Intrada-Fassung jedem Filmmusik-Hörer ans Herz gelegt, da sie eine vorzügliche Präsentation der Musik bildet. Jerry Goldsmith schuf nämlich für „The Sand Pebbles“ ohne Frage eines seiner besten Werke.

 

 

The Flim-Flam Man - Der tolle Mister Flim-Flam

Der junge Curly desertiert von der Armee und befindet sich auf der Flucht. Er versucht, auf einen Zug aufzuspringen, der ihn weit weg bringen soll, doch als er gerade in den anfahrenden Zug klettern will beobachtet er, wie ein anderer Mann aus einem Viehwaggon geworfen wird. Curly fasst sich ein Herz, springt ab, hilft dem älteren gut gekleideten Mann auf und nimmt ihn mit in sein Versteck. Dort offenbart der Alte Curly seine Identität: Mordecai Jones ist ein alter erfahrener Trickbetrüger, der seinen gesellschaftlichen Auftrag in der Läuterung all jener sieht, die habgierig ihr Geld vermehren wollen. Für diese Tätigkeit braucht er öfters einen Partner und aus Geldmangel sowie Abenteuerlust schlägt Curly ein. Nachdem sie erfolgreich einen Ladenbesitzer und dessen Kunden mit einem Kartentrick über’s Ohr gehauen haben müssen die beiden fliehen und stehlen bald darauf das Auto der jungen Bonnie Lee Packard. Dadurch wird die Polizei auf die beiden Flüchtlinge aufmerksam sodass Jones eine zerstörerische Verfolgungsjagd durch die Stadt startet, in deren Verlauf das Fluchtauto komplett zerlegt wird. Nach einer geglückten Flucht in dem Lastwagen eines Schnapsbrenners gehen Jones und Curly weiteren Betrügereien nach. Dabei wird sich der junge Mann immer stärker der habgierigen Natur der Menschen bewusst. Da er sich außerdem in die schöne Peggie Lee verliebt hat, eröffnet er Mordecai Jones, er wolle aus der Branche aussteigen, doch soweit soll es nicht kommen. Schon am näcsten Morgen werden die beiden von Polizisten geweckt und abgeführt…

Bevor Irvin Kershner seine Karriere mit „Star Wars Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ krönte und nachfolgend „Sag’ niemals nie“ oder „Robocop 2“ drehte, entstanden unter seiner Regie Filme wie „Face in the Rain“oder „S*P*Y*S“, in denen Kershner seine Vorliebe für skurrile Charaktere und verschrobene Handlungen auf Zelluloid fasste. Auch „The Flim-Flam Man“ zählt zu diesen früheren kleineren Arbeiten, die allerdings das Potential des Regisseurs klar unter Beweis stellen. Mordecai Jones ist ein gewiefter Trickbetrüger, der seine Tätigkeit durch einen sich selbst auferlegten gesellschaftlichen Auftrag rechtfertigt. Dabei ist Jones kein durchgängig augenzwinkernder Charakter noch ein verbitterter alter Mann, der seinen Frust über menschliche Eigenschaften zerknirscht an seinen Opfern auslebt. In „The Flim-Flam Man“ steht ohne Frage der Spaß an erster Stelle ohne jedoch die einher gehende Melancholie und Ernsthaftigkeit vermissen zu lassen, sodass eine sehr ausgewogene Stimmung vorherrscht und letzten Endes mehr als ein Funken Hoffnung bleibt. Neben nachdenklichen Dialogen zwischen Jones und seinem Schüler Curly inszenierte Kershner ebenso wirkungsvoll wie witzig mehrere haarsträubende rasante Verfolgungsjagden, in denen klassische Slapstick-Elemente voll zum Einsatz kommen und einiges zu Bruch geht. Dabei stellen die Polizisten nie eine ernsthafte Gefahr dar sodass man sich voll und ganz an den zerstörerischen Schauwerten dieser Szenen ergötzen kann. Außerdem fängt der Film die Stimmung der ländlichen Gegen um Arizone in der Mitte der 60er Jahre mit tollen Landschaftsaufnahmen – insbesondere der Schienenfahrt“ – toll ein.
George C. Scott ist mit seinen buschigen Augenbrauen und der tief brummelnden Stimme die ideale Besetzung für die Rolle des Mordecai Jones. Ihm zur Seite steht Michael Sarrazin als Curly, der mit dieser Rolle seinen ersten Filmauftritt hat und diesen sehr gut meistert. Sue Lyon überzeugt als engelsgleiche Bonnie Lee und Harry Morgan bietet einen grandios verbissenen und kernigen Kleinstadtsherrif.
Insgesamt ist „The Flim-Flam Man“ eine charmante Gaunerkomödie, die neben Witz und Humor auch einige philosophische Inhalte transportiert.

Für die Musik zu „The Flim-Flam Man“ war Jerry Goldsmith verpflichtet, der in den 60er und 70er Jahren einige kleinere Dramen und Komödien mit amerikanisch-folkloristischem Lokalkolorit vertonte. Dabei griff Goldsmith meistens auf eine kleinere Orchesterbesetzung zu, die er um bestimmte Instrumente erweiterte. Hierzu zählt neben der Mundharmonika das Banjo, die Gitarre oder das Akkordeon und „The Flim-Flam Man“ nutzte der Komponist außerdem noch ein elektronisch verfremdetes Klavier, dessen sehr trockener Klang an alte Saloon-Pianos erinnern. Ein kleines Schlagwerkensemble bestehend aus Triangel, Holzblock, kleiner Trommel und Marimbaphon sorgt für rhythmische Unterstützung. Für den Protagonisten Mordecai Jones schrieb Goldsmith ein sehr verschmitztes Thema, das während des Vorspanns erst von der Mundharmonika über gezupften Kontrabass mit leichter Unterstützung des Akkordeons gespielt und anschließend von den Streichern übernommen wird. Die meisten melodischen Passagen werden von diesem Hauptthema bestritten, das im Verlauf der Musik verschieden variiert wird. Bei den rasanten Verfolgungsjagden hob Goldsmith zusätzlich zu den sichtbaren Slapstickelementen den Spaß an der Sache hervor indem er treibende Orchesterpassagen komponierte, die stark an Square-Dance-Musik erinnern und von dem Klavier garniert werden. Auch hier kommt oftmals das Hauptthema diesmal in heroischem Gewand in Form einer starken Hornmelodie zum Einsatz. Die Gespräche zwischen Jones und seinem Schüler Curly sowie dessen heimliche Treffen mit Bonnie Lee unterlegte der Komponist mit gefühlvollen Passagen, die von warmen Streicherklängen und zarten Holzbläsersoli geprägt sind. Ein weiteres musikalisches Glanzlicht stellt die Vertonung einer Szene dar, in der der erfinderische Mordecai Jones einen Truck wie einen Zug auf Schienen fahren lässt. Hier lässt Goldsmith durch eine mit Besen gespielte kleine Trommel klassische Zuggeräusche imitieren, über die er eine heitere Melodie legt.
Insgesamt ist die Musik zu „The Flim-Flam Man“ eine sehr charmante und raffinierte Komposition, die über bloße Anbiederung an das amerikanische Volksidiom weit hinausgeht, ohne die musikalischen Wurzeln zu persiflieren. Dabei trifft Goldsmith stets den Nerv der vertonten Szene und verleiht dem unterhaltsamen Film ein entsprechend klingendes Gewand. Erstmals auf CD erschien die Musik auszugweise auf der streng limitierten Dinner-CD der Film Music Society, die später identisch von dem Tsunami-Label veröffentlicht wurde, bevor FSM eine vollständig autorisierte Fassung nachreichte (zusammen mit der stilistisch ähnlich gelagerten Musik zu „A Girl Named Sooner“). Der für diese CD neu erstellte Stero-Mix lässt die Musik trotz ihres hohen Alters sehr frisch und klar klingen, allerdings handelt es sich hier nicht – wie von FSM angegeben – um die vollständige Musik. Die Passage zu Curlys Flucht, die aus Reminiszenzen an die Verfolgungsmusik vom Beginn des Films besteht, aber um einen weit gröberen Kontrapunkt des Klaviers erweitert wurde, findet sich leider nicht auf dem Album, obwohl es gerade die sehr ruhige zweite Hälfte der Musik aufgelockert hätte. Das Booklet ist wie üblich sehr informativ, verzichtet allerdings leider auf die typische Analyse der einzelnen Stücke in Hinblick auf filmische Handlung, was besonders bei unbekannten Filmen dem Hörgenuss sehr zuträglich ist. Abgesehen von diesen beiden minimalen Kritikpunkten ist „The Flim-Flam Man“ eine sehr zu empfehlende Musik, die in keiner Goldsmith-Sammlung fehlen sollte und auch vielen anderen Filmmusikfreunde Freude bereiten dürfte.



1967

 

Hour of the Gun - Die Fünf Geächteten

 

In Tombstone hat sich die Lage zwischen dem Rancher Ike Clanton mit seinen Anhängern und den Brüdern Wyatt, Morgan und Virgil Earp zugespitzt, die zusammen mit Doc Holliday das Amt des City Marshals vertreten. Clanton beschäftigt auf seiner Ranch mehrere Männer, die der Bande der "Cowboys" angehören und die in illegale Machenschaften wie Viehdiebstahl und Raubüberfälle verwickelt sind, während die Earps die Interessen der Stadt vertreten. Nachdem Clanton öffentlich gedroht hat, die Earps umzubringen, kommt es am 26. Oktober 1881 gegen 14:30 auf einer freien Parzelle hinter dem Mietstall zu einer gewaltvollen Auseinandersetzung von gerade einmal 30 Sekunden. Bei der Schießerei sterben Ike Clantons Sohn Billy sowie die Brüder Frank und Tom McLaury, die beide den "Cowboys" angehören. Die Gebrüder Earp und Doc Holliday werden von Ike Clanton wegen Mordes angeklagt, aber wegen widersprüchlicher Aussagen der Zeugen freigesprochen. Anschließend kandidiert Virgil Earp für das Amt des City Marshals, wird allerdings von den "Cowboys" aus dem Hinterhalt erschossen. Der Friseur der Stadt kann den Vorfall beobachten, verweigert aber, aus Angst um seine Familie, vor Gericht auszusagen, sodass die Mörder freigesprochen werden. Morgan kandidiert nun an Virgils Stelle für das Amt des City Marshals und wird am Tag der Wahl während eines Billardspiels aus dem Hinterhalt erschossen. Obwohl er gewonnen hat, bekommt nun Pete Spence, einer von Clantons Männern das Amt. Die Earps und Doc Holliday verlassen vorläufig die Stadt, doch bald darauf kehren Wyatt Earp, Doc Holliday und Sheriff Sherman McMasters aus Tucson mit Haftbefehlen in der Tasche nach Tombstone zurück. Dort teilt der Stadtrat ihnen mit, dass auf die Mörder der Earp-Brüder eine Belohnung ausgesetzt ist. Doc Holliday wirbt mit seinen alten Bekannten Jack Vermillion und Creek Johnson zwei Hilfsheriffs an. Als die Gruppe wenig später Rast macht, kommt ihnen der ausgeraubte Lohntransport entgegen, der die Gelder für die Minenarbeiter transportierte und der sterbende Fahrer kann vor seinem Tod mitteilen, dass der Überfall von Marshal Spence ausgeführt wurde. Alleine macht sich Wyatt Earp auf die Suche nach Spence und trifft ihn an einer naheliegenden Poststation, wo er ihn erschießt. Wegen des Verlusts der Belohnung, die nur auf die lebendige Ergreifung ausgesetzt war, kommt es zu einem Streit zwischen Wyatt Earp und Doc Holliday, worauf hin letzterer in die nächste Stadt reitet, um sich zu betrinken. Hier begegnet er dem zweiten Mörder, Curly Bill Brocius, doch bei der Verhaftung kommt es zu einer Schießerei, in der Brocius von Wyatt Earp, der Holliday nachritt, mit einem sauberen Schuss in die Stirn getötet wird. Nun wird Holliday klar, dass sein Freund weder an der Gerechtigkeit noch an der Belohnung interessiert sind, sondern sich auf einem brutalen Rachefeldzug befindet...

1957 drehte John Sturges mit "Zwei rechnen ab" einen einflussreichen Western-Klassiker, der auch heute noch kaum etwas von seiner handwerklichen Brillanz oder allgemeinen Wirkung eingebüßt hat. Genau zehn Jahre später versammelte der Regisseur seine Protagonisten um die Schießerei am O.K. Corral erneut für eine inoffizielle Quasi-Fortsetzung: "Hour of the Gun". "Zwei rechnen" ab basierte auf einem die Schießerei schildernden Zeitungsartikel, der sich allerdings nicht streng an die Fakten hält, sodass beispielsweise Ike Clanton am Ende des Films am O.K. Corral erschossen wird, obwohl er in Wahrheit unbewafnnet war und floh. Mit "Hour of the Gun" wollte Sturges die Folgen der berühmten Schießerei beleuchten und hält sich weitegehend an die historischen Fakten - ein Vorsatz, der schon im eingeblendeten Text nach dem Vorspann deutlich wird: "Dieser Film zeigt, was wirklich geschah". Das Drehbuch wurde von Edward Anhalt basierend auf dem Buch "Tombstone's Epitaph" (so nannte sich eine der beiden örtlichen Zeitungen) von Douglas D. Martin verfasst und konzentriert sich nach den Anschlägen auf Virgil und Morgan Earp auf den Rachefeldzug von Wyatt sowie den daraus resultierenden Bruch zwischen Wyatt Earp und Doc Holliday. Dauerte die Schießerei am O.K. Corral noch fünf Minuten, hält sich Sturges in "Hour of the Gun" näher an die Fakten, die Gerichtsverhandlungen werden sehr detailliert geschildert und in der Szene beim Bestatter nimmt Sturges auch auf ein historisches Foto von den aufgebahrten Opfern der Schießerei bezug. Doch schnell macht sich der Eindruck breit, dass Sturges bei seiner fast dokumentarischen Schilderung der Ereignisse die technische Raffinesse des Vorgängers vermissen lässt, nahezu sklavisch an den Fakten klebt und das der Geschichte hörige Drehbuch sämtliche Darsteller in ihren Möglichkeiten einengt. Offensichtlich als Charakterstudie eines von rachsucht gezeichneten Wyatt Earps angelegt, wird den geschichtlichen Abläufen viel zu viel Raum gelassen, sodass eine tiefgründige Zeichnung des Protagonisten in den Hintergrund rückt und der Film überraschend kühl und anteilnahmslos geraten ist. Dabei standen Sturges vortreffliche und Western-Erprobte Schauspieler zur Verfügung. James Garners grimmige Darstellung Wyatt Earps birgt jede Menge Potential, verblasst allerdings innerhalb der Konzeption des Films genau wie Jason Robarts bärbeißiger Doc Holliday. Es wäre ratsam gewesen, das Potential beider zu nutzen und das zwischenmenschliche gespannte Verhältnis zwischen den beiden Männern zu beleuchten. Als Gegenspieler Ike Clanton ist Robert Ryan zu sehen, der ebenfalls eine sehr gute Leistung abgibt und vielleicht noch am meisten vermag, seine Figur zu zeichnen. Auch Bill Fletcher in der Rolle des korrupten Sheriffs Jimmy Bryan ist nicht nur optisch treffend besetzt und hinterlässt einen merklichen Eindruck.
Letzten Endes ist "Hour of the Gun" ein bemerkenswerter Western, der unüblich großen Abstand von der Heroisierung seiner Protagonisten Abstand nimmt, aber leider durch seinen Vorsatz, die wahren Ereignisse zu schildern, nicht seiner eigentlichen Intention nachkommen kann, eine Charakterstudie einer Westernlegende zu sein und dadurch auch seine mehr als fähigen Schauspieler vernachlässigt.

 Für die Filmmusik wurde der Komponist Jerry Goldsmith verpflichtet, der mit “Hour of the Gun” wahrscheinlich die konventionellste Westernmusik seiner gesamten Laufbahn schrieb. Auch wenn er in Fußstapfen von Komponistengröße Tiomkin stieg, der „Zwei rechnen ab“ vertont hatte, klingt die Musik durch und durch nach Goldsmith, denn der Komponist knüpft in keinster Weise an die Musik zum Vorgänger an. Für die Vertonung des Films stand ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das zusätzlich um typische folkloristische Elemente wie das Akkordeon oder die Gitarre erweitert war und dank des versierten Umgang des Komponisten mit dem Klangapparat entstand eine orchestrale und vielseitige Westernmusik. Im Zentrum der monothematisch konzipierten Partitur steht das Hauptthema, welches über einen großen Americana-Einschlag verfügt und das während des nahezu fünfminütigen Ganges der Earps zum O.K. Corral zu Beginn des Films erstmals erklingt. Über leichte Einwürfe des Schlagwerks, zittrige Liegetöne der Streicher und einiger anschwellenden Bläserakkorde erklingt die Melodie zuerst in der Gitarre und wird schließlich vom Akkordeon abgelöst. Goldsmith zieht seine eigentlich kräftige Melodie deutlich in die Länge und lädt die bedrohliche Szene zusätzlich mit einer ungeheuren Portion Spannung auf. Nahezu unverändert wird das Thema von anderen Instrumenten solistisch aber stets verhalten über die stärker werdende Begleitung des Orchesters gespielt, bis die Musik schließlich beim Aufeinandertreffen beider Parteien zu einem ersten Höhepunkt kommt. Wie so oft ließ Goldsmith entscheidende Momente – im diesen Falle die eröffnende Schießerei – unvertont.Im weiteren Verlauf der Musik gewinnt Goldsmith dem Hauptthema immer neue Facetten ab. So bringt er während Morgans Sterbeszene dieses Thema in sich kanonisch überlagernden Schichten in den Streichern zu einem schmerzhaften Ausbruch voller Wut, Verzweiflung und Trauer, lässt es bei dem letzten Gespräch zwischen Wyatt Earp und Doc Holliday als sanfte Elegie in den Violinen erklingen oder bringt es in bester Westerntradition als glorreiche Hornmelodie über rhythmische Begleitung des ganzen Orchesters zur Blüte. Doch auch jenseits des Hauptthemas komponierte er charaktervolle Stücke wie die Musik zu der Szene, in der Wyatt Earp und Doc Holliday mit der Hilfe von mexikanischen Soldaten Viehtreiber von Clanton überwältigen. Der schnelle boleroartige Rhythmus der Castagnetten und die üppigen Klänge der Streicher nehmen die knappe fünfzehn Jahre später entstandene Musik für „Cabo Blanco“ vorweg. Zum Filmstart wurde ein LP-Album mit der Musik zu „Hour of the Gun“ veröffentlicht, wobei der Schwerpunkt durch die Auswahl der einzelnen Stücke auf den großorchestralen und melodischen Passsagen liegt. Einzig de Vorspannmusik bildet den gesamten Anteil der im Film reichhaltig vertretenen Suspense-Passagen. Stattdessen eröffnet das Album eine poppige Ballade, die auf dem Hauptthema basiert. Dieses Arrangement ist im Gegensatz zu ähnlichen Versuchen bei „Tora! Tora! Tora!“ oder „Logan’s Run“ recht gut gelungen und bildet eine schöne Eröffnung des tadellos geschnittenen Albums. Erstmals auf CD veröffentlicht wurde die Musik von Intrada, bevor sich Varèse den Aufnahmen annahmen und den LP-Schnitt chronologisch sequenzierte. Da anscheinend die Originalbänder der Musik jenseits der für das Album verwendeten Stücke nicht mehr erhalten sind, wählte Promethus Records „Hour of the Gun“ als erste Veröffentlichung einer neuen Reihe mit neu eingespielten Goldsmith-Werken. Diese Neueinspielung ergänzt die bereits bekannten Passagen mit rund 20 Minuten neuer Musik und einer Konzertsuite mit Stücken aus der TV-Musik „The Red Pony“, deren vollständige Originalaufnahmen beim Varèse Club erschienen sind. Insgesamt schuf Jerry Goldsmith mit „Hour of the Gun“ eine stimmungsvolle Partitur, die aber zeitgleich seine konservativste Westernmusik sein dürfte.

 

 

Derek Flint - hart wie Feuerstein (In like Flint)

Wie auch der erste Film strotzt der Film vor parodistischen Elementen, funktioniert aber trotz aller Späße auch als Agentenfilm. Flint beherrscht hier nicht nur jede Kampfsportart, sondern kann natürlich auch mit Delphinen sprechen. Besonders schön ist die Handlung um eine Gruppe Frauen, die ihre Geschlechtsgenossinnen mittels Gehirnwäsche für ihre Sache - eine von Frauen geleitete Welt - gewinnen wollen. Ein schöner Hieb gegen die damals aufkommende Emanzipationsbewegung. Dass die Gehirnwäsche mittels Frisierhauben und somit einem fast altbacken spießigen Hausfrauengerät erreicht wird, setzt der Parodie gelungen die Krone auf. Letzten Endes ist es allerdings sehr schade, dass Fox sich nach der Überschwemmung des Kinos und TVs mit zig Agentenfilmen nicht mehr dazu durchringen konnte, einen weiteren Flint-Film zu drehen obwohl auch "In like Flint" durchaus erfolgreich war. Der leicht parodistische Ansatz hätte dem Genre wahrscheinlich auch damals schon sehr gut getan.

Jerry Goldsmith schrieb für diesen Film einen leichten Jazzwalzer als neues Hauptthema, das einen deutlich größeren Ohrwurmcharakter als das eigentliche Flint-Thema besitzt, das natürlich auch wieder auftritt. Doch glücklicherweise löste sich der Komponist bei dieser Filmmusik von seinem fast durchgängig poppigen Easy-Listening-Charakter und schöpft öfter aus den Vollen. Umso ärgerlicher, dass viele orchestralere und blechlastigere Passagen nicht nur auf der LP-Einspielung fehlten, sondern auch bei der Varèse-CD mit den Originalaufnahmen unter den Tisch fielen.



1968

 

Planet of the Apes - Planet der Affen

Laut einer Theorie vergeht in einem Raumschiff, dass fast mit Lichtgeschwindigkeit reist, innerhalb weniger Sekunden so viel Zeit, wie auf der Erde Jahrzehnte. Um das zu testen, schickt man ein Raumschiff mit vier Astronauten an Bord für sechs Monate auf eine Reise durchs all, um mindestens 2000 Jahre später wieder auf der Erde zu landen. Die vier Freiwilligen, die sich melden sind George Taylor, Landon, Dodge und als einziges weibliche Besatzungsmitglied die Astronautin Stewart. Während Dodge neugierig ist und Landon etwas Besonderes vollbringen will, ist der Misanthrop Taylor von dem kriegerischen Treiben der Gegenwart angewidert. Die vier Weltraumfahrer befinden sich während des computergesteuerten Landeanflugs auf den Heimatplaneten in einem künstlichen Tiefschlaf, aus dem sie durch einen Aufprall aufgeschreckt werden. Anscheinend gab es einen Fehler in der Berechnung, sodass das Schiff seine Besatzung auf einem einsamen Planeten abgesetzt hat. Mit Schrecken müssen die drei Männer kurz bevor das Raumschiff in einem See versinkt feststellen, dass Stewart bereits während des Fluges durch einen Fehler bei der Sauerstoffzufuhr in ihrer Schlafkabine verstorben ist. Völlig orientierungslos machen sich Taylor, Landon und Dodge auf der Suche nach Wasser und anderen Lebensformen. Halb verdurstend gelangen sie an eine Wasserstelle, in der sie ein Bad nehmen. Da werden ihnen ihre Anzüge und die Ausrüstung von primitiven Lebensformen gestohlen. Nachdem die drei Männer die Verfolgung aufnahmen stellen sie verdutzt fest, dass es sich bei den Dieben um primitive Menschen handelt, die in der Wildnis leben und stumm zu sein scheinen. Bevor sich die Bestohlenen allerdings ihre Sachen zurückholen können, fallen berittene Eindringlinge über sie und die anderen Menschen her. Bei diesen Angreifern handelt es sich um berittene Gorillas, die über entwickelte Schusswaffen verfügen und die fliehenden Menschen entweder töten oder einfangen. Während Dodge noch auf dem Feld zu Tode kommt, wird Taylor am Hals verwundet und in die Stadt der Affen gebracht. Hier erfährt er bald, dass dieser Planet von Affen beherrscht wird, die in einer strengen Hierarchie leben. In den Grundsätzen des Zusammenlebens ist die Wissenschaft klar den religiösen Dogmen unterstellt und der Mensch wegen seiner Unfähigkeit zu sprechen, als niedere Wesen angesehen. Wegen seiner Verwundung ist es Taylor im Moment nicht möglich, zu sprechen und so scheint auch ihn dasselbe Schicksal wie seinen Artgenossen zu erwarten…

In dem 1963 von Pierre Boulle veröffentlichten Roman „Planet der Affen“ beschreibt die Flaschenpost eines menschlichen Raumfahrers, die im All umherschwebt und von einem Pärchen gefunden wird, wie er auf einen fremden Planeten reiste, wo die Menschen von Affen beherrscht werden. Als er von diesem Planeten in Lichtgeschwindigkeit auf die Erde reist, sind Jahrhunderte vergangen und auf dem Heimatplaneten des Raumfahrers haben sich nun die Zustände auf dieselbe Art und Weise umgestellt. Rod Sterling verfasste ein Drehbuch nach diesem Roman, das später von Michael Wilson umgeschrieben wurde. Statt der umgekehrten Gesellschaft steht in Wilsons Fassung die Tragödie um den Menschen im Mittelpunkt, der durch seine Zerstörungswut selbst die Schuld an der Affenherrschaft trägt. Diese Fassung wurde 1968 von dem Regisseur Franklin Schaffner verfilmt, der mit diesem Meilenstein der Filmgeschichte seinen Durchbruch hatte. Mit seiner extrem pazifistischen Aussage war der Film zur Zeit des kalten Krieges brisant, hat aber auch heute nichts von seiner wertvollen Botschaft eingebüßt. Die umgekehrte Gesellschaft führt dem Zuschauer allegorisch auf erschreckend nachvollziehbare Art und Weise vor Augen, wie brutal der Mensch nicht nur mit seinen Artgenossen, sondern auch seiner Umwelt umgeht. Dabei spiegeln sich die menschlichen Eigenschaften des Intellekts, der Neugierde, der Brutalität und der Liebe in den verschiedenen Affen. Trotz seines Alters hat der „Planet der Affen“ auch nichts von seiner filmischen Kraft verloren. Insbesondere die hervorragend gestalteten Affenmasken John Chambers machen viel von dem Reiz des Films auf. Während der ersten Drehtage dauerte es sechs Stunden, die Masken anzulegen – ein Vorgang, der sich durch die wachsende Routine der Maskenbildner um immerhin die Hälfte der Zeit verkürzen ließ. Durch diese überraschend natürlichen Masken war es den Schauspielern dennoch möglich, mimisch zu agieren und ihre Emotionen filigran zu transportieren.
Auch die Darsteller vermögen alle zu überzeugen, auch wenn man bei den meisten nichts von ihren echten Gesichtern sieht. Eine der wenigen Ausnahmen bietet Charlton Heston als George Taylor, der den Wandel vom pessimistischen Misanthrop zum geknechteten und verzweifelten Individuum intensiv darstellt. Maurice Evans’ Charakter des Dr. Zarius entpuppt sich während des Films fast als eine Art tragischer Bösewicht, der durch seine Sabotierungen seine Zivilisation vor dem Schicksal der früheren menschlichen Welt bewahren möchte. Zwischen Roddy McDowell und Kim Hunter als die beiden Forscher Dr. Cornelius und Dr. Zira stimmt die Chemie vollkommen Einzig und allein Linda Harrisons Rolle der Nova wirkt – abgesehen von der optischen Komponente – überflüssig. Spielte die stumme Frau im Roman eine wichtigere Rolle so erfüllen ihre Auftritte im Film keine bestimmte Funktion.
Insgesamt ist der „Planet der Affen“ nicht nur ein Meilenstein des Science-Fiction Genres, sondern des Kinofilms allgemein, der auch heute noch wegen seiner filmischen Qualitäten und der wertvollen Botschaft sehenswert ist.

Jerry Goldsmith vertonte bereits Schaffners ersten Film „The Stripper“, doch war es der „Planet der Affen“, drei Filme später, mit dem der den Komponisten und der Regisseur den Grundstein für eine überaus fruchtbare kreative Freundschaft legen sollten. Wie filmisch ist „Planet der Affen“ auch musikalisch ein Meilenstein und gehört zu den frühen Meisterwerken Goldsmiths. Dieser hatte seine musikalischen Möglichkeiten in den 60er Jahren in vielen Genres wie Kriegsfilmen, Dramen, Komödien, Thrillern und Actionfilmen ausgebaut und war ein Vertreter der Generation, die mit der spätromantischen Tonsprache des Golden Age brach. „Planet der Affen“ gehört zu den radikalen Neuerungen der Filmmusik, denn der Komponist suchte nach einer Möglichkeit, den fremdartigen Planeten mit seiner merkwürdigen Ordnung auch durch eine musikalisch dem Zuschauer möglichst befremdliche Musik zu charakterisieren. War die Atonalität in akademischen Kreisen längst anerkannt, so war sie nicht nur dem Gelegenheitshörer und Klassikliebhabern, sondern auch anerkannten Filmkomponisten wie Miklos Rozsa oder Dimitri Tiomkin verhasst. Goldsmith, modern geschult, entsprach jedoch der atonale Tonsatz und die von Schönberg begründete Reihentechnik, sodass er mit „Planet der Affen“ die erste völlig atonale Filmmusik der Geschichte des Kinos schrieb. Den roten Faden der Musik bildet eine Reihe, die während des Vorspanns erstmals vollständig von der Flöte gespielt wird. Diese stark rhythmisierte längere Tonfolge, die einen großen Tonvorrat bildet, dient für viele musikalische Passagen als Grundlage. Manchmal erklingen die ersten Töne als lautstarker Ausbruch des Klaviers oder die Reihe wird unterkühlt von den Violinen über atmosphärische Klangschichten gespielt. Neben der sehr streng an der Reihe orientierten Kompositionsweise setzt Goldsmith außerdem auf sehr ausgefeilte und ungewöhnliche Klänge. Neben einem durchschnittlich besetzten Orchester kommen auch mehrere exotische Instrumente wie ein Widderhorn oder die brasilianische Cuíca, die dem norddeutschen „Rubbelpott“ ähnlich funktioniert und sofort Assoziationen mit Affenlauten weckt. Insbesondere das Schlagwerk wurde mit mehreren besonderen Klangerzeugern bereichert. Neben Schlitztrommeln zählt insbesondere der metallene Klang bestimmter Kochtöpfe zu den maßgeblichen spezifischen Klängen, die „Planet der Affen“ so individuell machen. Neben äußerst spärlichem Einsatz eines Synthesizers experimentierte Goldsmith auch hier schon mit dem Echoplex, das in dem nächsten Schaffnerprojekt „Patton“ eine wichtige Rolle spielen sollte. Es ist erstaunlich, wie Goldsmith es schafft, mit seinem fast kammermusikalischen Satz derart vielschichtige und reichhaltige Klangkompositionen zu gestalten. Diese Passagen bestehen meistens aus rhythmisch sehr gerade durchorganisierten Schichten und bei mehrfachem Hören fällt auf, wie rhythmisch konventionell insbesondere mehrere Einwürfe der Perkussion wie Triangelschläge oder einzelne Xylophontöne organisiert sind. Goldsmith blieb also nicht nur seinem durchsichtigen und ökonomischen Umgang mit dem Orchester treu, sondern auch seiner klar definierten Rhythmik, die auch in seinen späteren Actionscores so maßgeblich wurde. Die beiden großen Actionszenen in „Planet der Affen“ wurden von dem Komponisten auf rasante und meisterhafte Weise vertont. Insbesondere die auf kleinen Motiven und Ostinati basierende Musik für den Überfall der berittenen Gorillas auf den Menschenstamm lässt viele Goldsmith-typischen Actionstilismen erkennen. Den Absturz des Raumschiffs wurde mit an „Rio Conchos“ erinnerndem kantigem Wechselspiel zwischen Trompeten und gehetzten Streichern vertont, das mit hämmerndem Schlagwerk durchsetzt ist. Während Taylors Ausbruch aus dem Labor lässt Goldsmith seine Reihe mehrfach kanonisch von den Streichern über den schlendernden Rhythmus einer Guiro zupfen, bevor diese pirschenden Abschnitte von einem weiteren Markenzeichen der goldsmith’schen Actionmusik unterbrochen werden: Hektischen Klavierläufen in mittlerer bis tiefster Lage wie sie auch schon in „Shock Treatment“ zu hören waren.
Zum Filmstart erschien ein LP-Album, das knapp die Hälfte der Musik präsentierte. Die erste CD-Veröffentlichung war um mehr als 20 Minuten erweitert, doch die vollständige Musik wurde erst 2001 von Varèse-Sarabande zeitgleich mit der Special Edition-DVD des Films veröffentlicht. In bestmöglicher Tonqualität ist die Musik nun erstmals vollständig zugänglich und der informative Booklettext gibt einen sehr detaillierten Einblick in die Musik. Dieses Album gehört ohne Frage in jede gut sortierte Filmmusiksammlung, denn Jerry Goldsmith gelang hier nicht nur ein Meisterstück in seiner erfolgreichen und langen Karriere, sondern eine drastische Erweiterung der filmmusikalischen Klangsprache.

 

 

Bandolero

 

Dee Bishop überfällt mit seiner Bande die Bank des kleinen Städtchens Val Verde, das dicht an der Grenze nach Mexiko liegt, doch das Unternehmen schlägt fehl. Sie werden von dem reichen Großrancher Stoner überrascht, der von den Banditen niedergeschossen wird. Sheriff July Johnson und seinem Gehilfen Rosco Bookbinder gelingt es, die Bande zu verhaften und schon am selben Tag beginnt die kleine Gemeinde, auf dem Marktplatz einen Ganlgen zu errichten. Dees Bruder Mace erfährt von dem Vorfall in einem Badehaus, in dem sich der Henker Ossie Grimes damit brüstet, die berüchtigte Bishop-Bande hängen zu dürfen. Auf der Reise nach Vel Verde fängt Mace Bishop den tüchtigen Henker ab und stellt sich wenig später als dieser verkleidet dem Sheriff vor. Er rät Johnson, während der Hängepartie sämtliche Waffen einzusammeln und Saloons zu schließen und der Sheriff kommt dieser Aufforderung nach. Mace jubelt seinem Bruder bei der "Hinrichtung" einen Revolver unter, mit dessen Hilfe Dee den Sheriff überwältigen und seine Bande befreien kann. Vor Augen der versammelten Gemeinde bemächtigt sich Bishop mit seinen Männern der konfiszierten Waffen und nimmt auf der Flucht die Witwe Maria Stoner als Geisel. Während sich die männliche Bevölkerung von Val Verde auf die Jagd nach den Banditen begibt, nutzt Mace die Gunst der Stunde und raubt in aller Seelenruhe die Bank aus. Anschließend holt er die Bande seines Bruders ein, die sich gerade das erste Feuergefecht mit Johnsons Aufgebot kurz vor der Überquerung des Rio Grande liefert. Mace kommt seinem Bruder mit Feuerschutz zu Hilfe und die Banditen können mit ihrer Geisel fliehen, doch die Jagd hat gerade erst begonnen, denn July Johnson ist in die schöne junge Witwe des erschossenen Ranchers verliebt und wittert seine Cahnce, indem er nach Mexiko reitet und sie befreit. Zusammen mit seinem Aufgebot überquert auch er die Grenze, um sich auf die Suche nach den beiden Brüdern zu begeben und ihnen die Frau zu entreißen. Die Jagd führt Flüchtlinge sowie Verfolger immer weiter in die heiße Wüste, in der mexikanische Banditen - sogenannte Bandoleros - ihr Unwesen treiben und jedem Gringo, den sie treffen, das Leben nehmen. Dabei machen sie keinen Unterschied zwischen Banditen oder Gesetzeshüter...

1968 hatte der Western sein Zenit bereits Jahre zuvor überschritten und sollte ein Jahr später durch Sam Peckinpahs "The Wild Bunch" in eine neue Richtung gelenkt werden. "Bandolero!" jedoch scheint wie ein letzter Versuch, noch einmal einen klassischen Western um Helden, Freundschaft, Familie und Ehre zu schaffen. Dabei ist sicherlich kein Meisterwerk entstanden, aber ein unterhaltsames Filmerlebnis bietet der - wenn auch etwas routiniert wirkende - Film dann doch. Schließlich waren an der Produktion größtenteils vor und hinter der Kamera absolute Koryphäen des Westerns beteiligt. Auch wenn "Bandolero!" größtentiels aus austauschbaren Western-Versatzstücken zusammen gesetzt scheint und einem viele Szenen und Einstellungen schon in unzähligen Western zuvor begegnet sind, so besticht der Film besonders zu Beginn durch eine große Portion äußerst bissigen und makabren Humors. Besonders die Darstellung des Henkers Grimes, der mit Begeisterung von all den Tücken des Hängens berichtet, spielt mit dem altbekannten Klischee des abgebrühten Henkers und Totengräbers, das zusätzlich ironisch gebrochen wird, wenn Mace Bishop in der Rolle Ossi Grimes' dessen Berufsethos nahezu parodistisch verstärkt, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.In Szene gesetzt wurde "Bandolero!" von Andre McLaglen. Der britische Film- und TV-Regiesseur hatte in den vorigen Jahrzehnten unzählige Western - unter Anderem mit John Wayne - gedreht und stellt auch hier seine Erfharung in Sachen Schießereien und Reiterein unter Beweis. James Stewart wirkt zugegebenermaßen ein bisschen müde und erschöpft, meistert seine Rolle als verschmitzter Mace Bishop jedoch mit erfrischender Lockerheit und einer gesunden Portion Ironie. Dean Martin knüpft in seiner Darstellung als Dee an ähnliche Rollen mit gewohnter Lässigkeit an und Rapeul Welch - stets nach neuester Mode frisiert -  glänzt wie immer vor Allem durch ihre optischen Reize. Ihre Rolle als reiche schöne Witwe des alten Ranchers, der sie aus dem Bordell holte, die nun von einer rauen Bande entführt wurde, erfodert allerdings auch nicht viel Talent. Die beste schauspielerische Leistung liefert George Kennedy in der Rolle July Johnsons. Er schafft es, den gutmütigen und ehrlichen Gesetzeshüter, der aus seiner naiven Liebe zu der schönen Maria einen verbissenen Ehrgeiz entwickelt, glaubhaft darzustellen. Des Weiteren bilden Will Geer, Clint Richie, Denver Pyle und Tom Heaton eine treffende Besetzung für die egoistische und heruntergekommene Bishop-Bande.
Insgesamt ist "Bandolero!" weder ein heraus ragendender Film noch ein wichtiger Beitrag für das Genre, trotzdem ist Stab und Besetzung hier ein klassischer Western gelungen, der für anderthalb Stunde zu unterhalten weiß.

Die Karriere Jerry Goldsmiths war besonders in seinen ersten Schaffensjahren deutlich vom Western geprägt. So vertonte er mit seinen ersten beiden Kinofilmen "Black Patch" und "Face of a Fugitive" zwei Western. Der Film "Lonely Are the Brave" war der erste vom Komponisten vertonte A-Film und brachte ihm außerdem Anerkennung bei Kollegen wie Bernard Herrmann ein. Zwei Jahre später bot ihm mit "Rio Conchos" erstmals die Möglichkeit, seinen von der Avantgarde geprägten Stil großorchestral auszuformluieren und mit seinem melodischen Gespür zu verbinden und für "Hour of the Gun" schrieb er einen größtenteils der Tradition verpflichteten klassischen Westernscore. Während die meisten melodischen Einfälle für Goldsmiths Westernmusiken dem amerikanischem Volksidiom entsprangen, lässt sich in "Bandolero!" ein deutlicher Einfluss des Italowesterns ausmachen, ohne dass der Komponist Arbeiten seiner italienischen Kollegen bloß kopierte, denn die Musik zu "Bandolero!" ist ohne Frage 100 % Goldsmith. für die Vertonung stand ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, dass dem Genre entsprechend um folkloristische Instrumente wie die Maultrommel, Gitarre und Akkordeon erweitert war. Auch das Schlagwerk wurde um einige exotische Perkussionsinstrumente wie Marimba, Castagnetten, Ratsche und Holzblock ergänzt. Allerdings setzt Goldsmith seine verhältnismäßig üppige Besetzung selten in vollem Tutti ein, sondern spaltet aus dem Orchester immer wieder einzelne Ensembles ab und erschuf dadurch eine kammermusikalische und weitestgehend ökonomisch instrumentierte Partitur, sodass voll ausladende orchestrale Passagen eine doppelt wuchtige Wirkung erzielen.
Mit vier eigenständigen musikalischen Ideen ist "Bandolero!" für Goldsmith-Verhältnisse überraschend themenreich geraten, wobei natürlich das Hauptthema im Zentrum steht. Gleich zu Beginn der Vorspannmusik lässt sich der Einfluss des Italowesterns ausfindig machen: Über den lässigen Rhythmus eines abwechselnd offen und gedämpft gespielten Triangels, des Holzblocks und des E-Basses wird ein eingängiges Motiv gepfiffen. Anschließend setzt das Akkordeon mit einer zweiten Melodie ein, bevor die gepfiffene Tonfolge nun von de Streichern ausgespielt wird. Der Einsatz des E-Basses, das reduzierte Instrumentalensemble und der menschlichen Stimme weisen stark auf die Spaghetti-Western-Tradition hin, bleiben aber Goldsmith eigener Charakteristik verpflichtet. Für Stoners schöne Wite komponierte er ein lateinamerikanisch anmutendes Thema, das von Marimbaphon, den Streichern sowie mehreren Gitarren gespielt wird und somit vom melodischen und instrumentatorischen Konzept die wahre Heimat der jungen Frau widerspiegelt. auch für den Sheriff sowie für die Banditen schrieb Goldsmith kurze Leitmotive, sodass "Bandolero" mit einer verhältnismäßigen Vielzahl von Themen ausgestattet ist. Auch jenseits dieser entwarf der Komponist überzuegende Stücke wie die stets anschwellende, von dem E-Bass getriebene Passage für der Befreiung der Bande oder die harsche Orchestermusik für die Flucht über die Grenze.

Zum Filmstart erschien ein LP-Album mit Neueinspielungen der wichtigsten Passagen, das eine knappe halbe Stunde lief. Diese Präsentation wurde in den 90er Jahren auf CD gepresst, bevor Intrada die vollständigen Originalaufnahmen sowie die LP-Einspielung in der Special Collection Reihe heraus brachte. Klanglich deutlich verbessert und mit einem informativen Begleittext versehen handelt es sich hierbei um die definitive Veröffentlichung von "Bandolero!". Leider ist dieses Album ausverkauft und nur noch zu hohen Preisen erhältlich, sodass es an der Zeit ist, dass sich ein anderes Label dieser Musik annimmt. Jerry Goldsmith schrieb für "Bandolero!" einen äußerst abwechslungsreichen und themenreichen Score, der durch ein absolut eingängiges Hauptthema, interessante Instrumentation und packende Actionpassagen überzeugt!



1969

 

100 Gewehre

1912 überfällt der Halbindianer Yaqui Joe Herrera eine Bank in Pheonix, um mit der Beute von 6 000 US-Dollar 100 Gewehre zu kaufen und sie dem Volk der Yaqui-Indianern in Mexiko für ihre Revolution zur Verfügung zu stellen. Die Ureinwohner werden nämlich von dem brutalen mexikanischen General Verdugo aus ihrer Heimat vertrieben, wobei der gnadenlose Diktator auch nicht vor der Ermordung der friedlichen Yaqui zurück schreckt. Zur Seite stehen Verdugo neben dem deutschen Leutnant Franz von Klemme auch der amerikanische Industrielle Grimes von der Eisenbahnlinie. Der schwarze Hilfssheriff Lyedecker nimmt die Verfolgung auf und stellt Herrera zwölf Tage nach dem Überfall, doch dem Bankräuber gelingt kurz nach der Verhaftung die Flucht. In der Ruine einer alten Kirche trifft er sich mit der mexikanischen Sarita, deren Vater kurz zuvor von Verdugos Männern gehenkt wurde und die ebenfalls den Rebellen angehört. Herrera teilt ihr das Versteck der Gewehre mit und Sarita macht sich mit ihrem Freund, dem Indianer Humara, auf, um die Waffen zu holen. Während Herrera auf die beiden Verbündeten wartet, wird er von Lyedecker überrascht, doch bevor der Hilssheriff ihn verhaften kann, trifft Verdugo mit seinen Männern ein und nimmt die beiden Männer gefangen. Auch Sarita erreicht in diesem Moment wütend die Kapelle, denn die Gewehre waren nicht an dem angegebenen Ort. Allerdings gelingt ihr und Humara die Flucht, bevor Verdugos Männer sie ergreifen können, sodass nur Lyedecker und Herrera in Verdugos Stützpunkt gebracht werden. Dort erwartet zumindest Herrera eine böse Überraschung: Der General selbst ist der Gewehre habhaft geworden! Während Lyedecker und Herrera die Hinrichtung erwarten, versucht Grimes zumindest die Erschießung des Hilfssheriffs aus politischen Gründen zu verhindern, doch Verdugo lässt sich nicht darauf ein. Als das Erschießungskommando bereits die Waffen auf Lyedecker und Herrera anlegt, stürmt Sarita mit den Yaqui-Kriegern das Fort und befreit die Gefangenen. Mit den zurück eroberten Gewehren nehmen die drei Helden nun den blutigen Kampf gegen Verdugos Diktatur auf...

1969 versetzte Sam Peckinpah dem ohnehin im Sterben liegenden Genre des Westerns mit "The Wild Bunch" den Todesstoß, der gleichzeitig die Tür für nachdenkliche und melancholische Spätwestern aufstieß, von denen mit "The Ballad of Cable Hogue" und "Pat Garret and Billy the Kid" immerhin zwei von Peckinpah selbst inszeniert wurden. Der im selben Jahr entstandene "100 Gewehre" von Action-Regisseur Tom Gries gehgört jedoch nicht dazu. Dabei ist erstaunlich, wie viele Elemente aus "The Wild Bunch" auch hier auftauchen: Der fiese mexikanische General mit deutschen militärischen Beratern, der Zugüberfall, Autos und der Einfluss des Eisenbahnunternehmens. Dabei ist die sehr gradlinige Handlung mit zahlreichen temporeichen Actionsequenzen und Schießereien gespickt, die jedoch zu keiner Zeit die handwerkliche Raffinesse oder Intensität der großen Schussgefechte aus "The Wild Bunch" erreichen, von der allgemeinen filmischen Bedeutung ganz zu schweigen. "100 Gewehre" ist ein zweifellos unterhaltsames Actionvehikel geworden, das aus ganz anderen Gründen Kinogeschichte schrieb: Der ersten Sexszene zwischen einem schwarzen Mann und einer weißen Frau. Doch nicht nur diese Minute, die ein absolutes Tabu brach, lässt den Zeitgeist der aufkeimenden Menschenrechtsbewegung erahnen. Es ist Lyedeckers Rolle des aufrechten und standhaften Helden, die von einem Schwarzen gespielt wird und in früheren Zeiten undenkbar gewesen wäre. Gespielt wird der rechtschaffende Hilfssheriff von Footballstar Jim Brown, der in "Rio Conchos" 1964 seinen ersten Filmauftritt hatte und in den 70er Jahren zu einem der bekanntesten Darsteller in Blaxpoitationfilmen aufstieg. Sein anfänglicher Widersacher und späterer Verbündeter Joe Herrera wird von Burt Reynolds dargestellt, der bereits in seinem hiesigen Kinodebüt nicht ohne den prägnanten Schnurrbart auskommt und seine Figur gewohnt schlitzohrig und sympatisch interpretiert. Für den weiblichen Ausgleich sorgt nicht zu knapp das Sex-Symbol der sechziger Jahre: Raquel Welch. Neben der legendären Dusche unter dem Wasserturm bewältigt sie sogar einige schauspielerische Hürden gekonnt, bleibt aber vor Allem wegen ihrer physischen Präsenz in Erinnerung. Fernando Lamas scheint sichtlich Spaß an seiner Rolle des Generals Verdugo zu haben und Hans-Jörg Gudegast spielt sich als steifer deutscher Offizier in das Gedächtnis. Auch Dan O'Herlihys Leistung als windiger Industrieller Steven Grimes ist sehr überzeugend. Insgesamt erreichte Tom Gries mit "100 Gewehre" eine interessante Mischung aus Elemtenten des amerikanischen und italienischen Westerns, um sein bunt gemischtes Darstellerensemble temporeich und unterhaltsam von einem Feuergefecht in die nächste explosive Lage zu bringen.

Jerry Goldsmiths Filmmusik zu "100 Gewehre" gehört zu den frühen Meisterwerken seiner langen Karriere. Für diese Arbeit wählte er ein groß besetztes Ensemble, wobei er vollständig auf Violen verzichtete und nur drei Violinen besetzt. Eine mit 17 Celli und und sechs Bässen im tiefen Register stark besetzt Streichergruppe steht einer voll besetzten Bläsergruppe gegenüber. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Westernmusiken verzichtete Goldsmith nahezu vollständig auf den Einsatz folkloristischer Instrumente wie Akkordeon oder Mundharmonika und griff stattdessen auf eine größere Anzahl verschiedener Saiteninstrumente zurück, die neben akkustischer und elektrischer Gitarren sich besonders durch den Einsatz der indischen Sitar auszeichnet, die mit ihrem schnarrenden Klang in Tutti oder Suspensepassagen eine besonders eigentümliche Wirkung entfaltet. Die raffinierte und effektvolle Partitur wird neben dem häufigen Einsatz des präparierten Klaviers auch von einer überdurchschnittlich besetzten Schlagzeuggruppe bereichert, die vor Allem durch den Einsatz von lateinamerikanischen Instrumenten wie Castagnetten, Marimba oder Ratsche für entsprechendes Lokalkolorit sorgt, aber zusätzlich mit weiteren besonderen Klangerzeugern wie Almglocken aufwartet.
Goldsmith komponierte mehrere melodische Elemente, die sich durch die ganze Partitur ziehen. Da wäre zuerst das im tänzerischen 3/4-Takt stehende Hauptthema, eine kräftige Hornmelodie mit einem heiter mexikanisch anmutenden Mittelteil für Gitarre und Trompete. Sarita wird durch eine sehr zurückhaltende Melodie charaktersiert, die anfangs von einem Duo für Gitarre und Marimba gespielt wird, aber später sogar längere Suspensepassagen trägt. Die Bedrohung durch General Verdugo ist in der Musik von einer durch enge Intervalle geprägte Trompetenmelodie charaktersiert und die rasanten Verfolgungsjagden und Actionszenen bedachte Goldsmith mit einer kantigen rhythmisch komplexen Bläserlinie. Sämtliche melodische Elemente sind so gestaltet, dass sie als eigenständiges Material funktionieren, sich aber auch gegenseitig als Kontrapunkt begleiten können. Dabei geht der Komponist äußerst raffiniert und kreativ vor, schichtet oftmals mehrere Linien übereinander, spaltet einzelne Motive ab, variiert diese und führt sie schließlich wieder zusammen. Besonders auffallend ist, dass alle melodischen Elemente trotz ihrer Gegensätzlichkeit viele musikalische Verwandschaften aufweisen wie bestimmte Intervalle oder einzelne rhythmische Zellen. Der äußerst gekonnte Einsatz des vielfältig genutzten Orchesters trägt zusätzlich zu der hohen kompositorischen Qualität der Partitur bei, die mit ihrer motivischen und melodischen Dichte nahezu einzigartig ist. Dabei schafft es Goldsmith, die vielen unterschiedlichen musikalischen Elemente zu einer grandios funtkionierenden Symbiose zu vereinen: Folklore trifft auf avantgardistische Klangkomposition, tänzerische Rhythmen auf komplexe Schichten des Schlagwerks, Tonales auf Atonales und dennoch ergibt sich ein ganzes, zusammen hängendes Werk!
Die Musik zu "100 Gewehre" war lange Zeit nur in Form eines 1994 in Umlauf gebrachten CD-Bootlegs des Delphi-Labels verfügbar, da zum Filmstart oder später kein Album veröffentlicht wurde. Erst 1999 brachte FSM eine hochwertige und lobenswerte Veröffentlichung dieser hochkarätigen Musik auf den Markt. Dabei ist die Musik auf der FSM-CD fast zweimal vertreten: die vollständigen Monobänder waren in gutem Zustand, dennoch versuchte man, von den Filmspuren einen Stereomix zu erstellen, was größtenteils gelang. Der Versuch schlug bei lediglich drei Stücken fehl. Allerdings offenbaren die Mono sowie wie Stereoelemente jeweils andere Details der Musik, sodass man sich entschied, beide Fassungen auf die CD zu pressen. Ein äußerst informatives Booklet sowie zwei Source-Musiken als Dreingabe rundet den sehr guten Eindruck ab.
Jerry Goldsmith schuf mit seiner Musik zu "100 Gewehre" nicht nur eine seiner besten Westernmusiken, sondern in Hinblick auf seine ganze Laufbahn eine absolut hervorragende Musik, die neben der klanglichen Raffinesse besonders durch die detailreiche und konsequente Verabreitung der einzelnen vierlseitigen melodischen Einfälle besticht und in absolut keiner Filmmusiksammlung fehlen darf!

 

 

The Illustrated Man - Der Tätowierte

1933: Der junge Willie reist per Anhalter nach Californien, wo sein Schwager ihm eine Arbeit anbietet. Nachdem er sich auf seiner Reise nach dem Bad in einem See einen Kaffee brüht, gesellt sich ein merkwürdiger älterer Fremder namens Carl zu ihm und fragt ihn nach einem bestimmten Haus. Willies Zurückhaltung gegenüber dem wunderlichen Mann mit rauem Umgangston weicht der Faszination, als Carl ihm sein Geheimnis offenbart: Er ist am Körper über und über mit Tätowierungen bedeckt, doch er warnt den jungen Mann, sie zu lange zu betrachten, denn dann würden sie lebendig und Geschichten erzählen. Nur an der linken Schulter gibt es eine freie Stelle, die den Menschen, die sie betrachten, ihre Zukunft zeigen würden, doch oft sehen sie sich hässlich im Alter oder erfahren gar ihren Tod. Diese Eigenschaften machten Carl zum Außenseiter und gehasst von den Menschen sucht er nun nach dem Haus, in dem die Frau wohnt, die ihm die Tätowierungen verpasst hat.
Während Willie dem älteren Wanderer zuhört verliert sich sein Blick mehrmals in den einzelnen Bildern, die tatsächlich zum Leben erwachen und ihm Geschichten aus ferner Zeit und fernen Welten erzählen: In einer utopischen übertechnologisierten Zukunft sorgt sich ein Elternpaar um die Gefahren, die ein bestimmter Raum auf ihre Kinder ausüben könnte. Auf einem fernen Planeten, auf dem es ununterbrochen regnet, suchen bruchgelandete Raumpiloten nach einem mystischen Unterschlupf und in einer weiteren Zukunftsvisionen, in der Mensch und Natur wieder im Einklang leben, steht angeblich der letzte Tag der Welt bevor.
Der junge Mann ist immer mehr gebannt von der Erzählung Carls und dessen Bilder auf der Haut und als dieser sich schlafen legt, kann Willie sich nicht beherrschen und blickt auf die freie Stelle an Carls Schulter. Dort sieht er, wie er noch in derselben Nacht von Carl erwürgt wird…

Im Dezember 1967 verkaufte Ray Bradbury die Rechte an seiner Kurzgeschichtensammlung „The Illutstrated Man“ für 85,000 $, allerdings nicht die Filmrechte, sodass er auch nicht für das Drehbuch hinzugezogen wurde. Regisseur Jack Smight wählte drei Geschichten – „The Veldt“, „The Long Rain“ und „The Last Night of the World“ -, die von Drehbuchautor Howard B. Kreitsek zusammengefasst wurden, wobei der Protagonist des Prologs und des Epilogs der Kurzgeschichtensammlung als Erzähler in einer Rahmenhandlung fungiert. Durch diese Rahmenhandlung, die Rückblenden in Carls Erzählung wie er die einzelnen Tatoos bekam sowie die einzelnen drei Episoden ergibt sich ein vielschichtiger auf vielen Ebenen funktionierender Film, in dem jedes Puzzlestück durch seine eigene Ästhetik und Optik geprägt wird. Die klinisch fast ausschließlich in weiß gehaltene erste Zukunftsvision stellt einen starken Kontrast zur dritten Episode mit den ausladenden Wiesen und der fast an römische Antike erinnernde Kostüme dar. Genau wie Carl der wundersamen Schönheit verfällt, die ihm die Haut färbt, so zieht dieser wiederum den jungen Anhalter in seinen Bann.
„The Illustrated Man“ besticht neben den Schauspielern besonders durch die detaillierte Ausstattung – hier sei natürlich der ewig verregnete Planet zu erwähnen, für dessen Dreharbeiten 50 Sprenkler rund 1000 Liter Wasser pro Minute auf die Schauspieler schütteten – und die beeindruckenden aufwändigen Bemalungen Rod Steigers durch Gordon Beau, der in drei Monaten Postproduktion ein Verfahren entwickelte, was dem Schauspieler ermöglichte, die Illustrationen sechs Tage auf der Haut zu behalten, solange er sich nicht mit Seife wusch.
Ein besonderer Kniff Smights war es, für alle fünf Handlungsebenen stets dieselben Schauspieler einzusetzen, sodass Rod Steiger und Claire Bloom in den beiden Zukunftsepisoden als Elternpaar zu sehen sind und auch ihre Kinder von denselben Schauspielern dargestellt werden. Der Zuschauer muss sich nicht nur an die neue Umgebung gewöhnen, sondern stets seine Einstellung zu den einzelnen Personen überdenken, da in nahezu jeder Episode jeweils eine andere Figur ein Verräter wird.
„The Illustrated Man“ fand weder bei den Kritikern noch beim Publikum Anklang und zur ersten DVD-Auflage 2006 erschien eine Besprechung, die zusätzlich die mittlerweile veraltete Ausstattung der Zukunftsvisionen ankreidet. Dabei ging es Jack Smight viel weniger um einen Sci-Fi-Film denn um die Tatsache, dass Menschen zu jeder Zeit und in jeder Umgebung stets dieselben Sorgen haben werden.
Der Film ist nicht ganz perfekt, wirkt in zwei Übergängen etwas holprig und nicht immer zu 100% schlüssig, aber dennoch ist Jack Smight und seinem Stab ein überaus faszinierender Film gelungen, der nicht nur durch überzeugende Darsteller und detailverliebte Ausstattung besticht sondern sich durch seinen philosophischen Ansatz und die raffiniert verknüpften Episoden wohltuend von durchschnittlichen platten Zukunftsfilmchen der damaligen und heutigen Zeit abhebt.

1969 hatte sich Jerry Goldsmith bereits mit seinen ausgezeichneten Filmmusiken zu „Freud“, „Sand Pebbles“ und „Planet der Affen“ einen Namen gemacht, doch bezeichnete er „The Illustrated Man“ lange als seine beste Arbeit und tatsächlich ist dem Komponisten mir dieser Musik ein wahres Meisterwerk gelungen. Fast spielerisch verknüpft Goldsmith hier serielle Techniken mit impressionistisch angehauchter Folklore, reiht avantgardistische Klangflächen an rein elektronische Sequenzen und verschmilzt brutale Orchesterausbrüche mit äußerst lyrischen Einfällen. Obwohl dem Komponisten ein relativ kleines Orchester zur Verfügung stand, verfügte er außerdem über mehrere Soloinstrumente wie Harfe, Gitarre (elektrisch wie auch akustisch), Sitar, Klavier, Celesta und groß besetztes Schlagwerk.
Jede einzelne Episode und Handlungsebene des Films verfügt über eine ganz eigene charakteristische musikalische Untermalung, wobei die Musik durch ein Thema zusammen gehalten wird. Diese Melodie ist ein äußerst zarter melodischer Einfall, der während des Vorspanns von einer Sängerin vokalisiert und von kleinem Kammerorchester mit impressionistisch verspielter Stilistik fortgeführt wird. Die musikalisch folkigen Wurzeln der (unbekannten) Sängerin verleihen dem Klang nicht nur einen etwas rauen und natürlichen sondern auch mystisch Touch.
Dieser melodische Einfall zieht sich durch fast jedes Stück der Musik, wobei Goldsmith zu jeder Episode einen neuen Ansatz wählte: „The Veldt“ zum Beispiel ist rein elektroakustisch gehalten und besteht in den ersten Minuten größtenteils aus Klangcollagen bevor eine Zwölftonreihe für die Kinder etabliert und in dem folgenden Stück streng an der neuen Wiener Schule variiert wird. „Theo Long Rain“ blieb zu Gunsten des prasselnden Regens vollständig unvertont und in „The Last Night of the World“ wählte der Komponist einen sehr warmen und introvertierten Ansatz, indem er das Hauptthema Solo vom Cello oder der Blockflöte über sanfte Harfenakkorde und helle Zimbelklänge spielen lässt.
Doch auch in der Rahmenhandlung kommt Goldsmiths avantgardistisch-serielle Seite zum Vorschein, so vermitteln klappernde Col Legbo Streicher, Vierteltonakkorde und nach dem Anschlagen in Wasser getauchte Glocken einen Eindruck von Carls gequältem Dasein während Zwölftonreihen in der Celesta oder oktavierten Solostreichern uns in das geheimnisvolle Haus Felicias entführen.
Mit „The Illustrated Man“ ist Jerry Goldsmith neben „Logan’s Run“ sein größtes Meisterstück in Hinblick auf die Verknüpfung von atonalen, freitonalen, seriellen und tonalen Elementen gelungen und bildet ein faszinierendes Ganzes. Jahrelang nur als unübersichtliche Suite auf dem deutschen Label Delphi erschienen, veröffentlichte FSM 2001 die Musik erstmalig und vollständig offiziell in bestmöglicher Klangqualität. Das höchst informative Booklet lässt ebenfalls keine Wünsche offen und enthält detaillierte Angaben über die einzelnen musikalischen Strukturen. „The Illustrated Man“ ist eine von Goldsmiths ganz großen Musiken und sollte daher in keiner Filmmusiksammlung fehlen.

 

 

The Chairman - Der gefährlichste Mann der Welt

Der Wissenschaftler und ehemalige Geheimagent John Hathaway erhält einen Brief seines alten Kollegen und Mentors Professor Soong Li. Der amerikanische Geheimdienst will sich die Freundschaft der beiden Wissenschaftler zunutze machen und schickt Hathaway als Geheimagent in das kommunistische China. Videofilmen zufolge soll das Land nämlich ein bestimmtes Enzym entwickelt haben, dass es Pflanzensamen ohne Beeinträchtigung jeder klimatischer Bedingungen ermöglicht, überall ausgesät zu werden und zu gedeihen. Aus Angst, Mao wolle die Dritte Welt mit diesem Mittel erpressen oder gegen die westlichen Mächte aufwiegeln, hat die amerikanische Regierung beschlossen, des Enzyms habhaft zu werden. Da Soong Li den geheimen Stoff entwickelt hat, fällt die Wahl auf Hathaway, um die Formel zu entwenden. Damit jedes Gespräch mitgehört werden und der Agent zu seinen Vorgesetzten kommunizieren kann, wird dem Wissenschaftler ein kleiner Chip im Schädel implantiert, der über eine weite Strecke eine Funkverbindung herstellen kann. Was Hathaway allerdings nicht weiß ist eine weitere Funktion des kleinen Chips: Bei Bedarf kann der amerikanische Geheimdienst durch das Implantat eine Explosion herbeiführen, um Hathaway sofort auszuschalten, sollte er gefangen genommen werden…

Regisseur J. Lee Thompson zeichnete sich in den 60er Jahren mit Breitwandabenteuern wie „Taras Bulba“ oder atmosphärisch dichten Thrillern wie „Cape Fear“ aus, doch größtenteils war Thompson für gehobene Unterhaltungsfilme verantwortlich, die meistens mit bekannten Schauspielern auf gehobenem Niveau inszeniert waren. Auch „The Chairman“ bildet da keine Ausnahme. Der auf der Romanvorlage Jay Richard Kennedys basierende Agentenstreifen bietet sich als Unterhaltung für einen freien Abend an, geht darüber jedoch nicht hinaus, denn dazu ruht sich der Film zu sehr auf Klischees auf, bemüht sich nicht ansatzweise, das kommunistische China und den Führer Mao von einer anderen Seite zu beleuchten. Die Chinesen bestehen entweder aus ewig jubelnden, ihre roten Büchlein schwenkenden Volksmassen oder steingesichtigen Verrätern. Gregory Peck mimt den humanistisch eingestellten Saubermann, der von den Intrigen, die der Geheimdienst schmiedet, nichts wissen will, auf konsequent routiniertem Niveau mit dem einem oder anderen charmanten Spruch auf den Lippen. Ein klarer Spannungsbogen ist nicht zu erkennen und erst gegen Ende schöpfen Regisseur und Drehbuch das Potential des explosiven Implantats erst ein wenig aus. Insgesamt inszenierte J. Lee Thompson einen mäßig spannenden und handwerklich soliden Agentenfilm mit einem abgeklärten Gregory Peck in der Hauptrolle.

„The Chairman“ war die erste von insgesamt vier gemeinsamen Zusammenarbeit von J. Lee Thompson und Jerry Goldsmith Der Komponist hatte sich in den 60er Jahren mit äußerst originellen Kompositionen bewährt und sollte ein Jahr nach diesem Projekt mit „Patton“ 1970 breite Anerkennung verdienen. Außerdem war er durch seine Arbeit an „The Sand Pebbles“ vertraut mit Stoffen, die in China angesiedelt waren. Für „The Chairman“ wählte Goldsmith allerdings eine völlig andere Herangehensweise als für „The Sand Pebbles“, sodass Ersterer viel konservativer daher kommt. Wie auch der Film enthält die Musik in Bezug auf China ausschließlich Klischees, die sich besonders in den pentatonischen Melodien niederschlagen. Auch die Politik wird ebenso wie im Film als Bedrohung gespiegelt, in dem Goldsmith für die „Roten Wächter“ einen brachialen Marsch komponierte. Als Gegenpol zu diesem brutalen Stück steht ein sehr westlich geprägtes Liebesthema für Haythay und seine Freundin Anne. Die schlichte aber äußerst lyrische Melodie ist eins von vielen Beispielen für Goldsmiths Fähigkeit, emotionale Themen ohne überbordenen Kitsch zu schreiben. Hauptsächlich ist die Musik orchestral konzipiert, wobei die Besetzung zu Gunsten des nötigen Lokalkolorits um eine chinesische Zither, die Qin sowie Holzflöten und Holzblöcke erweitert. Doch auch in „The Chairman“ verlässt der Komponist letzten Endes seine konventionellen Pfade und vertonte die finalen Actionszenen mit seiner typischen durchsichtig kammermusikalischen Instrumentierung, wobei er besonders sein kompositorisches Können durch den kreativen Einsatz einzelner Motive macht. Hierbei spaltet er hauptsächlich Kontrapunkte und Begleitmotive aus dem Marsch heraus und setz sie als eigenständige Actionmotive neu zusammen. Insgesamt schuf Jerry Goldsmith für „The Chairman“ eine versierte Komposition, die allerdings hauptsächlich auf fernöstlichen Klischees und einem hübschen Liebesthema aufbaut, sodass sich erst in den modernistischen Actionpassagen der Personalstil Goldsmiths in einer sehr konventionellen orchestralen Filmmusik behaupten kann.
Zum Filmstart erschien ein LP-Programm, das aus den originalen Filmaufnahmen sowie einer extra für das Album arrangierten Fassung des Liebesthemas bestand. Angeblich sind sämtliche Bänder der Aufnahmesitzungen verschollen, sodass stets nur die LP-Version erhältlich ist, die allerdings gut ¾ der kompletten Musik enthält. Die neuste Ausgabe stammt aus dem Jahr 2004, in dem das Label Prometheus Records die ehemals auf einer Silva-CD vertretenen Goldsmith-Alben zu „Ransom“ und „The Chairman“ auf zwei seperaten Alben neu auflegte. Abgesehen davon, dass man die beiden Alben auch ruhig wieder auf einer CD hätte veröffentlichen können, kann sich die CD zu „The Chariman“ sehen lassen und enthält einen soliden Booklettext auch in Hinblick auf Informationen zur Musik im Film. Wenn auch die Tonqualität nun deutlich klarer ist, hallt und scheppert die Musik besonders bei den großorchestralen Passagen, sodass es zu hoffen gilt, dass irgendwann doch einmal die originalen Master gefunden und die Musik vollständig in guter Klangqualität veröffentlicht werden kann.

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1970

 

Patton – Rebell in Uniform

1943 treffen alliierte Truppen mit deutschen Verbänden zum ersten Mal in größerem Rahmen am Kasserinpass aufeinander. Zwar kann ein Vorstoß auf das amerikanische Nachschublager in Tebessa abgewendet werden, allerdings ist das II. US-Korps wegen äußerst hoher Verluste stark demoralisiert und der Kommandant Lloyd Fredendall wird durch General George S. Patton ersetzt. Patton ist ein äußerst komplizierter Mensch, tief gläubig und gleichzeitig ein unnachgiebiger Kämpfer, der alleine auf dem Schlachtfeld zu Hause ist. An Reinkarnation glaubend ist er sich sicher, bereits unter den Römern gekämpft zu haben und inszeniert sich gerne als Krieger eines anderen Zeitalters, den es in das ihm verhasste 20. Jahrhundert verschlagen hat. Er kommandiert das II. US-Korps mit strenger Hand, fordert Disziplin in allen Bereichen und geht mit seinen neuen Soldaten Tunesien bei der Schlacht von El Guettar gegen die deutschen Panzer siegreich hervor. Nachdem Nordafrika den Alliierten zufällt befiehlt Patton die amerikanischen Truppen bei der Invasion Siziliens. Allerdings wird sein Landungsplan dem des britischen Generals Montgomery vorgezogen, sodass Patton mit seiner Armee im Südwesten der Insel landen muss. Er fühlt sich bevormundet und ignoriert seine Befehle, indem er erst Palermo und den Hafen von Messina einnimmt und so Montgomery zuvor kommt. Sein aggressives Verhalten löst bei seinen Unteroffizieren Unmut aus und schließlich verliert er sein Kommando, als er in einem Lazarett einen traumatisierten Soldaten schlägt, dem er Feigheit vorwirft. Obwohl er sich anschließend öffentlich entschuldigt erhält Patton in den folgenden Kriegsmonaten kein Kommando. Nachdem er sich allerdings für ein Täuschungsmanöver hingibt erhält er das Kommando über die dritte Armee, mit deren Hilfe er den Vormarsch der alliierten Truppen nach der Landung in Frankreich sichern soll. Voller Tatendrang stürzt sich der General in den Kampf, angetrieben vom Ehrgeiz, mit seinen Panzern bis nach Berlin zu fahren…

George C. Patton zählt neben Douglas MacArthur zu den exzentrischsten Offizieren der amerikanischen Militärgeschichte. Von den einen als Idol gesehen, von anderen wiederum als Negativbeispiel herangezogen war der General wenig mit strategischem Talent gesegnet – kämpferisch sowie diplomatisch. Er neigte zu radikalen Frontalangriffen, nahm unnötige Verluste in Kauf und äußerte sich mehrfach unvorteilhaft in der Öffentlichkeit. Bereits seit 1953 bestand der Plan, einen Film über Patton zu drehen, doch die Familie des 1945 bei einem Autounfall verstorbenen Generals wollte keinen Einblick in die Tagebücher gewähren, sodass man sich auf zwei Biografien zurück griff: „Patton: Ordeal and Triumph“ von Ladislas Farago und „A Soldier's Story“ von Omar N. Bradley, der anfangs in Afrika und Sizilien in Pattons Stab diente und ihm anschließend sogar das Kommando über die dritte Armee verschuf. Beide Vorlagen wurde von niemand geringerem als Francis Ford Coppola sowie Edmund H. North zu einem Drehbuch adaptiert und von Regisseur Franklin Schaffner verfilmt. Mit einem Budget von 12 Millionen Dollar und unzähligen verschiedenen Drehorten in Spanien, Marokko, Griechenland, Italien, Großbritannien und Amerika ist der 170 Minuten lange Film auch heute noch ein faszinierendes Erlebnis. Dabei verzichtet „Patton“ wohltuend auf patriotischen Kitsch, Pathos und einer Beweihräucherung des Protagonisten, sondern lässt ihn unkommentiert agieren, sodass jeder Zuschauer sich selbst sein eigenes Bild machen kann. Brillant in Szene gesetzt und hervorragend von Fred J. Koenekamp fotografiert verfügt der Film über viele Schauwerte und grandiose Szenen, doch der Star des Films ist George C. Scott in der Rolle des Generals. Nachdem man Schauspieler wie Rod Steiger, Robert Mitchum oder Lee Marvin in Erwägung gezogen hatte fiel sie letzten Endes George C. Scott zu, der eine absolute Glanzleistung hinlegte. Auch die Nebendarsteller sind durch die Bank treffend besetzt, sodass als Omar N. Bradley Karl Malden, Stephen Young in der Rolle des Captain Hansen und Karl Michael Vogler als Erwin Rommel zu sehen sind, die ebenfalls hervorragend spielen.
Insgesamt ist „Patton“ ein absolut sehenswertes Kriegsepos, das sich mit der brillanten Fotografie, der überragenden Regie Schaffners, den grandiosen Darstellern und dem kontroversen Protagonisten von vielen anderen Filmen des Genres abhebt.

Franklin Schaffner arbeitete Jerry Goldsmith hatten bereits bei „The Stripper“ sowie „Planet der Affen“ zusammen, für den der Komponist eine bahnbrechende Musik schrieb, die den ersten atonalen Beitrag in der Filmmusik darstellt. Er wurde auch für „Patton“ engagiert, obwohl er eigentlich für die Vertonung der Fortsetzung „Beneath the Planet of the Apes“ vorgesehen war, die dann Leonard Rosenman übernahm. Für „Patton“ schrieb Goldsmith einen weiteren Meilenstein, der zu seinen besten Werken, wenn nicht zu seiner besten Arbeit überhaupt gezählt wird, denn die Musik ist nicht nur äußerst originell, sondern verknüpft die dramaturgische Ebene mit der in den Szenen vorherrschende Stimmung und fungiert zusätzlich als musikalische Charakterspiegelung des Protagonisten. Dabei bewegt sich der Komponist nicht nur intellektuell sondern auch kompositorisch auf höchstem Niveau. Wie auch zu „Rambo“ oder „The Flim-Flam Man“ komponierte Goldsmith eine Titelmusik, die die verschiedenen Facetten des Protagonisten treffend einfängt. Pattons Glaube an Reinkarnation und seine Überzeugung, schon in vielen Leben als Krieger gekämpft zu haben, wird durch eine kurze Fanfarenfigur der Trompeten wiedergegeben. Dabei setzte Goldsmith eine der neuesten Errungenschaften der Technik dieser Zeit ein: Ein Echoplex, mit dessen Hilfe die einmal live aufgenommene Fanfare als langsam verklingende Schleife wiederholt wird und es so scheint, als wehen einige Schlachtrufe aus der Vergangenheit von längst überwucherten Schlachtfeldern hinüber. Als nächstes erklingt ein feierliches Solo für Orgel, das für Pattons tiefen Glauben steht, bevor ein traditioneller Marsch in der Piccoloflöte mit leichter Streicherunterstützung folgt. Dieser Marsch wird bald vom gesamten Orchester interpretiert, wobei die Posaunenfraktion als Kontrapunkt das Material der Orgel gegen den Marsch spielt und die Musik von den Fanfarenechos gekröhnt wird: Alle drei Charaktereigenschaften des Generals sind hier musikalisch auf den Punkt gebracht und grandios ineinander verzahnt. Wie durchdacht Goldsmith seine einzelnen Themen entwarf, zeigt sich auch an dem „deutschen Marsch“, den er für die Nazi-Truppen während Pattons Feldzug durch Europa einsetzt. Dieser scharf synchopierte Marsch für Orchester mit leichtem Moll-Einschlag lässt sich ebenfalls als Kontrapunkt zum Patton-Marsch einsetzen – vorausgesetzt, dieser steht ebenfalls in Moll. Während einer längeren Montage in Frankreich schichtet Goldsmith eine faszinierende Klangschichtung aus in sich bewegenden Clustern und einer bizarren Mischung aus live eingespielten Fanfaren und den Echoplex-Aufnahmen. Aus dieser brutalen Klangkulisse tut sich anschließend der Patton-Marsch in Moll hervor, gegen den der deutsche Marsch gesetzt ist.
Für mehrere Szenen zu Beginn des Films komponierte Goldsmith außerdem einige atmosphärisch dichte Suspense-Passagen, die raffiniert instrumentiert sind. Schwirrende Streicherglissandi bilden hier das Fundament für diverse Glocken und die gedämpfte allgegenwärtige Trompetenfigur, während sich dichte Triller der Holzbläser durch die Register ziehen. Für diese Passagen schrieb der Komponist ein zusätzliches kontrapunktisch verwobenes Thema, das ebenfalls an eine langsame Fanfare erinnert und oft in den Streichern erklingt.
Jerry Goldsmith vertonte besonders im Zenit seiner Karriere erstaunlich kurze Filmmusiken für lange oder große Filme, da er der Überzeugung war, dass man Musik nur einsetzen solle, wenn sie einer Szene etwas Zusätzliches abgewinnen könne. Daher entstanden für „Patton“ nur 37 Minuten Musik, von denen eines der längsten Stücke nicht verwendet wurde. Zum Filmstart erschien ein LP-Album, für das der Komponist seine Musik leicht arrangierte und neu einspielte. Insbesondere die Reihenfolge der Musik wurde umgestellt und so die anfänglichen Suspense-Stücke mit den massigen Actionpassagen des letzten Filmdrittels gemischt, um einen ausgewogeneren Hörfluss zu erzielen. Außerdem komponierte er zusätzlich eine Konzertversion des deutschen Marsches, der im Film nur im Zusammenhang mit anderem Material erklingt. Zwei Sprachmitschnitte aus dem Film füllen die Laufzeit auf. 1997 spielte Goldsmith für Varèse fast die vollständige Musik neu ein, doch diese Neueinspielung leidet unter dem starken Hall, in dem viele Details untergehen und auch der Versuch, den Echo-Effekt akustisch mit Ferntrompeten zu lösen, ist nicht vollständig geglückt. FSM machte schließlich die vollständige Filmmusik in den Originalaufnahmen erstmals (zusammen mit Frank DeVols „Flug der Phoenix“) zugänglich, doch die CD war bald vergriffen. Intrada veröffentlichte 2011 ein Doppel-CD-Set mit der LP-Fassung sowie den Filmaufnahmen und schließt somit eine wichtige Lücke in der Goldsmith-Diskographie. Klanglich äußerst frisch ist die Intrada-CD die definitive Veröffentlichung dieser Ausnahme-Musik. Einzig und allein die völlig nichtssagenden Begleittexte Julie Kirgos sind ein großes Ärgernis, hätte man das Booklet doch mit vielen Informationen füllen können und müssen! Ernsthafte musikalische Analysen wie im FSM-Booklet und sogar der Varèse-Neueinspielung sucht man hier vergebens. Dennoch sei absolut jedem (Film)musikliebhaber diese Edition empfohlen, denn Jerry Goldsmith schrieb mit „Patton“ ohne Frage eines seiner wichtigsten Werke überhaupt!

 

 

The Ballad of Cable Hogue - Abgerechnet wird zum Schluss

 

Der Goldsucher Cable Hogue wird von seinen beiden Kameraden Taggert und Bowen in der Wüste zurück gelassen, weil die Wasservorräte nur noch für zwei reichen. Hogue irrt vier Tage durch die Wüste und bricht schließlich zusammen. Kurz bevor er das Bewusstsein verliert fällt ihm auf, dass seine Stiefelspitzen nass sind und mit letzter Kraft fängt er an zu graben. Tatsächlich ist er in der vollkommenen Einöde auf ein Wasser gestoßen. In den folgenden Tagen erholt sich Cable Hogue und richtet sich ein kleines Wasserloch ein, dass dieses direkt an der einzigen Postkutschenstrecke in der Umgebung liegt. Sein erster Kunde ist der Wanderprediger Rev. Joshua Duncan Sloane, der ihm rät, sich das Gebiet abstecken zu lassen. Sofort macht sich Hogue auf in die nächste Stadt, um von seinem letzten Geld das Land mit dem Wasserloch zu erwerben. In der Stadt angekommen, läuft ihm die Prostituierte Hildy über den Weg, in die er sich sofort verliebt. Nachdem er sich von seinen letzten Münzen 2100 Quadratmeter Land kaufen konnte, nimmt er bei der Bank einen Kredit über 100 Dollar auf und begibt sich anschließend zu Hildy im Saloon. Doch als er sich darüber im Klaren wird, dass er sein wertvolles Land, das er nicht abgesteckt hat, schon lange allein ließ, bricht er den Besuch bei der Prostituierten ab, die darüber nicht sehr erfreut ist. Wieder bei seinem Wasserloch angekommen, beginnt Cable Hogue mit Sloane, eine Postkutschenstation aufzubauen. Eines Abends kommen die beiden wieder in die Stadt und Hogue stattet Hildy erneut einen Besuch ab, der zu beider Zufriedenheit verläuft. Sloane bekommt stattdessen Ärger mit dem Ehemann einer Frau, die er über ihren Verlust ihres Bruders "hinweg tröstete" und muss fliehen. Wenig später wird auch Hildy aus der Stadt vertrieben und sucht "Cable Springs" auf. Obwohl sie nach San Francisco gehen will, bleibt sie drei Wochen dort und zwischen Cable und ihr entwickelt sich eine zärtliche Romanze, bis Hildy schließlich ihren Plan in die Tat umsetzt und nach San Francisco geht. Cable Hogue bleibt alleine zurück und sinnt noch immer auf Rache für das, was seine einstigen Kameraden ihm antaten. Sein Verlangen nach Vergeltung scheint befriedigt, als Bowen und Taggert eines Tages tatsächlich in einer der Postkutschen sitzen, die bei "Cable Springs" hält...

Die Figur des Verlierers im Wandel der Epochen und der Untergang des Wilden Westens, der der Zivilisation weicht, gehört zu den zentralen Themen der Filme Sam Peckinpahs. In "Ride the High Country" versuchen zwei alternde Banditen noch einmal ihr Glück, "Pat Garret jagt Billy the Kid" ist eine tragische Geschichte um zwei einstige Freunde, die sich bekämpfen müssen und "Junior Bonner" handelt von einem alternden Rodeoreiter und dessen zerrütteter Familie. Nachdem Peckinpah das Publikum sowie die Kritiker mit "The Wild Bunch", der dasselbe Thema behandelt, mit äußerst blutigen Gewaltdarstellungen schockierte aber auch begeisterte, entpuppt sich "The Ballad of Cable Hogue" als das genaue Gegenteil. Der Regisseur bezeichnete diesen Film oft als seinen persönlichen Lieblingsfilm und behauptete, das sei das einzige Projekt gewesen, das er sich jemals selbst ausgesucht hätte. Das Studio erhoffte sich mit "The Ballad of Cable Hogue" einen leichten kleinen Erfolg. In dem Wind von "The Wild Bunch" sollte dieser Film leich zu vermarkten und mit geringem Aufwand umzusetzen sein, doch die Produktion entpuppte sich als schwierig. Neben Peckinpahs Temperament und seiner zunehmenden Alkoholabhängigkeit verhinderten außerdem starke Regenfälle wochenlang die Dreharbeiten. Nachdem der Film schließlich abgedreht war, fand er bei dem Publikum kaum Beachtung, denn nach "The Wild Bunch" war man nicht auf einen derartigen Film desselben Regisseurs vorbereitet. Statt ausladender ästehtischer Zeitlupentode und spritzendem Blut wartet "The Ballad of Cable Hogue" nicht nur mit sehr viel erzählerischer Ruhe auf, sondern verfügt außerdem über eine ungewohnte Portion Humor, sucht Lösungen und keine Konfrontation. Aus Hass wird Liebe, aus Rache Vergebung. "The Ballad of Cable Hogue" ist außerdem mit vielen Religiösen Elementen versehen. Alleine schon der Name des Protagonisten - eine Summe aus "Cain" und "Able" - soll den starken menschlichen Aspekt betonen. Cable Hogue ist ein einfacher Mensch, nicht besonders gut, aber auch nicht bösartig. Er schafft sich selbst in der Wüste ein kleines Paradies, in dem zumindest zeitweise eine Eva weilt und auch Schlangen gibt es öfters zu sehen. Reverend Sloane steht nicht nur für den irdischen Aspekt, er ist auch zuggleich der größte Heuchler und nutzt seinen Stand für seine Vorteile aus, sei es, um sich Wasser zu erschleichen oder Frauen für sich zu gewinnen.
Für "The Ballad of Cable Hogue" wählte Sam Peckinpah äußerst treffende Darsteller. Es gibt kaum einen anderen Darsteller, der den Protagonisten hätte so verkörpern können wie Jason Robards, der den einfachen, aber im Kern rechtschaffenden und leicht naiven Cable Hogue meisterhaft spielt. Wie später Warren Oates erkannte auch Robards, dass mit der Hauptfigur Peckinpah selbst gemeint war und setzt das vortrefflich um. David Warner ist die ideale Besetzung von Reverend Sloane. Grundlegend nicht unsympathisch schafft er es, die Balance zwischen schleicherischem Heuchlertum und aufrichtiger Freundschaft zu wahren. Stella Stevens liefert in der Rolle der Hildy wahrscheinlich eine ihrer besten Darstellungen ihrer Karriere ab. Sie selbst sagte einmal, dass sie stets versuchte, zu erkennen, warum sie Hildy in Cable Hogue verliebt hätte. Sie spielt die liebenswerte Prostituierte, die eine Lady werden will und stets versucht, nach den Sternen zu greifen, obwohl das Glück vor ihr liegt, absolut treffend.
Insgesamt ist "The Ballad of Cable Hogue" ein mehr als sehenswerter Film, der Peckinpahs melancholische Seite vollkommen widerspiegelt und mit den grandiosen Darstellern wahrhaftig zu den besten Filmen dieses Ausnahmeregisseurs gehört. 

Durch die Verzögerungen der Dreharbeiten und Peckinpahs sich stets verschlechtertem Gesundheitszustand wurden Spekulationen angeheizt, ob „The Ballad of Cable Hogue“ überhaupt noch fertig zu stellen sei, worauf hin Peckinpah ein Foto mit seinem Stab machen lies, auf dem er auf einer Bare liegend zu sehen ist während ihm mehrere Leute der Drehmannschaft Flaschen mit intravenösen Schläuchen bereit halten. Doch so amüsant diese Anekdote auch ist, so sehr verbirgt sich hinter ihr eine bittere Wahrheit, denn Peckinpahs Verhältnis zum Alkohol war längst außer Kontrolle geraten. So besuchte der launige Regisseur häufig eine Bar in der Nähe des Drehorts für „Cable Springs“, deren Rechnung zum Drehschuss angeblich über 70 000 Dollar betrug. Peckinpahs häufige Barbesuche hatten allerdings eine positive Auswirkung, denn in einer Kneipe spielte der Sänger und Liedermacher Richard Gillis, der sich selbst auf der Gitarre begleitete. Der Stil, die Texte und die Musik Gillis’ gefielen dem Regisseur so gut, dass er den Sänger sofort für das Projekt engagierte, doch diese Entscheidung barg einige Komplikationen. Schließlich war Gillis ein vollständiger Amateur, was Filmmusik betrifft und er schien offensichtlich der Aufgabe, neben seinen eigenen Liedern auch weitere musikalische Untermalung zu komponieren, hoffnungslos überfordert, sodass das Studio gezwungen war, einen Filmmusikkomponisten zu engagieren, der Gillis unter die Arme greifen konnte. Produzent Phil Feldman schlug Jerry Goldsmith vor und Peckinpah stimmte zu, doch durch die Verzögerung der Dreharbeiten geriet Goldsmiths Verpflichtung in Konflikt mit anderen Projekten, sodass Feldman sich erst an John Williams und schließlich an Dave Grusin wandte. Letzten Endes wurde Jerry Goldsmith wieder frei, sodass nun die musikalische Arbeit mit Gillis beginnen konnte. Für den Film hatten Peckinpah und Gillis bereits zwei Lieder ausgesucht: „Butterfly Mornin’“ und „Wait for me, Sunrise“. Während ersteres für Hildy steht ist das zweite Joshua Sloane zugeordnet. Was also fehlte, war ein drittes Lied, das für Cable Hogue stehen und somit auch als Titelmelodie fungieren konnte. Goldsmith schrieb eine Gillis’ Stil entsprechende Melodie, für die der Sänger den Text „Twomorrow ist he Song I Sing“ beisteuerte und beide Musiker trafen mit ihrem jeweiligen Anteil genau den Kern der Sache. Goldsmith knüpft mit seiner Komponisition deutlich an die ein Jahr zuvor entstandene Western-Musik zu „Wild Rovers“ an, in der er sich größtenteils klar von der großorchestralen Americana abwendet und einen deutlich folkloristischen und kleiner gehaltenen Vertonungsansatz wählte. Dabei kopierte er zu keiner Zeit die traditionelle Volksmusik Amerikas, sondern wob verschiedene derartige Elemente in seinen modernistisch angehauchten kammermusikalischen Satz ein. In „The Ballad of Cable Hogue“ geht der Komponist allerdings einen Schritt weiter. Der zurückhaltende und intime Charakter des Films, gepaart mit einigen ironischen und humorvollen Einlagen gaben Goldsmith zusammen mit Gillis’ Beiträgen die Möglichkeit, eine deutlich am Bluegrass orientierte Filmmusik zu schreiben, die eine ungeahnte Symbiose mit des bodenständigen und folkloristischen Liedern des Sängers eingehen. Dazu stand dem Komponisten ein kleineres Orchester zur Verfügung, dass dieser allerdings sehr sparsam nutzte und stattdessen vermehrt auf folkloristische Instrumente wie Gitarre, Banjo, Mundharmonika, Akkordeon und elektronisch verzerrtes Klaviers zurückgriff. Zu den Höhepunkten der Musik zählt ohne Frage die Musik zu Cables Flucht aus der Stadt, die mit ihren Zeitraffern und der komödiantischen Überzogenheit eine ironische Vertonung verlangt. Goldsmith schrieb für diese Szene eine fulminante Musik, die mit dem treibenden Spiel des Banjos, den groben Quinten der Fidel und dem elektronisch verzerrtem Klavier an ähnliche Passagen aus „The Flim-Flam Man“ oder teilweise an „Wild Rovers“ anknüpft. Auch der klischeehafte und altbacken wirkende Harmonium-Chroal für die Seelsorge Sloanes spiegelt treffend dessen heuchlerische Seite wider. Doch neben diesen teilweise überzogenen und ironischen Passagen schrieb Goldsmith viele kleinere Stücke, die in ihrer zarten musikalischen Natur perfekt auf den ruhigen Film abgestimmt sind. Oft greift der Komponist dabei auf die Melodien Gillis’ zurück, die, sanft von der Harfe umschmeichelt, in den Violinen oder Holzbläsern erklingen oder vom Banjo gezupft werden.

Während „Wait for Me, Sunrise“ durchweg nur von Gillis selbst auf der Gitarre begleitet wird, ist die Begleitung von „Twomorrow Is The Song I Sing“ weitaus orchestraler, wobei auch hier der Schwerpunkt auf folkloristischen Elementen wie Gitarrenbegleitung, gezupftem Bass oder Banjo liegen und die Streicher mit den Bläsern größtenteils für rhythmische Akzente verantwortlich sind. Dass Goldsmith zu der Melodie einen hervorragenden melodischen Kontrapunkt schrieb, ist allerdings fast Vorraussetzung für ein Werk des Komponisten aus dieser Zeit. „Butterfly Mornin’“ wird nur einmal im Film gesungen und zwar von den Hauptdarstellern Jason Robards und Stella Stevens. Gillis nahm hierfür die Gitarrenbegleitung im Studio auf und die beiden Schauspieler sangen separat dazu. Diese Aufnahmen wurden dann auch am Set verwendet, wo Robards und Stevens den Text mit ihren Lippen synchronisierten. Zur Zeit des Filmstarts erfuhr „The Ballad of Cable Hogue“ keine Veröffentlichung in Form eines LP-Albums, was auch damit zusammen hängt, dass die Rechte für Gillis’ Liedern nicht beim Studio lagen. Erst 2002 veröffentlichte der Varèse-Club die Musik auf CD, die mittlerweile allerdings längst ausverkauft ist. Ausgestattet mit einem sehr informativen Begleittext von Nic Redman besticht das Album auch durch eine äußerst frische und klare Klangqualität. Leider konnte die Tonspur von „Butterfl Mornin’s“ mit dem Gesang von Robards und Stevens nicht mehr aufgefunden werden, sodass auf die Filmspur zurück gegriffen werden musste, die einige – allerdings nicht allzu sehr störende – Geräusche enthält. Allerdings wird es (wie so oft beim CD Club) stets ein Geheimnis von Redman und Townson bleiben, warum nicht die vollständige Musik auf der CD enthalten ist, die mit 37 Minuten Laufzeit zusätzlich sehr kurz geraten ist. So fehlt unter Anderem die Musik zu Hildys erstem Eintreffen auf „Cable Springs“, das Goldsmith mit einer sehr vergnügten Variation des Hauptthemas unterlegte und weitere kleine Passagen. Stattdessen wurden einige weniger interessante Stücke mit auf die CD gepresst wie eine kurze Fortführung des Harmonium-Chorals, die wenig musikalischen Nährwert enthält. Eine lobenswerte Veröffentlichung allgemein ist diese CD allerdings vom Albumschnitt verbesserungswürdig und daher bleibt zu hoffen, dass sich ein Label schnell einer Wiederveröffentlichung annimmt und dieses Mal vielleicht auch die vollständige Musik zugänglich macht. „The Ballad of Cable Hogue“ ist ein äußerst erfrischendes und originelles Werk in Goldsmiths Schaffen, das hier eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen zwei Musikern unterschiedlichster Natur hervorbrachte.

 

 

Tora! Tora! Tora!

Die japanische Regierung sieht sich durch das amerikanische Embargo in den 1940er Jahren stark eingeschränkt und verbündet sich mit Deutschland und Italien. Admiral Isoroku Yamamoto wird zum Oberbefehlshaber der japanischen Flotte befördert. Er sowie sein Vorgänger Zengo Yoshida sind der Meinung, dass ein Krieg mit Amerika zu einer Katastrophe führen würde, doch als sich ein Krieg nicht mehr abwenden lässt, fordert Yamamoto einen Plan für einen Angriff auf Pearl Harbor, in dem die amerikanische Flotte vor Anker liegt. Dem amerikanischen Nachrichtendienst in Washington ist es gelungen, die geheimen Funksprüche der japanischen Regierung an ihre Botschaften zu entschlüsseln, doch die Warnungen Alwin D. Kramers werden weder bei den Militärs noch der amerikanischen Regierung ernst genommen. Währenddessen entwickelt Minoru Genda einen Plan für den Angriff, der aus der Luft erfolgen und von Gendas Kameraden Mitsuo Fuchida geleitet werden soll. Schließlich steht das Datum für die Attacke fest: am 6. Dezember soll die Kriegserklärung Japans in 13 verschlüsselten Teilen an die japanische Botschaft in Washington gesendet werden. Der letzte und entscheidende 14. Abschnitt wird am 7. Dezember gesendet und die Kriegserklärung von dem Botschafter Kichisaburo Nomura um 13:00 übergeben werden. Um 13:30 soll die erste Bombe auf Pearl Harbour fallen. Doch als es soweit ist, entstehen ernste Schwierigkeiten: Da die Kriegserklärung als offizielles Dokument entschlüsselt, übersetzt und maschinell geschrieben erstellt werden muss, gerät die japanische Botschaft unter Zeitdruck, denn die Flieger sind schon in der Luft, als das Dokument noch nicht fertig gestellt ist…

„The incredible attack on Pearl Harbor as told from both the American and the Japanese side.” Mit diesem Satz auf dem Filmplakat bewarb 20th Century Fox “Tora! Tora! Tora“ und tatsächlich wurde der Film diesem Vorsatz gerecht. Nicht nur, dass dem eigentlichen Angriff eine akribisch rekonstruierte Dokumentation der politischen und diplomatischen Verwicklungen vorangeht, diese erste Hälfte des Films besteht abwechselnd aus in Amerika und Japan gedrehten Szenen. Für die in Washington und auf Pearl Harbor spielenden Szenen war Regisseur Richard Fleischer verantwortlich, während das in Japan gedrehte Material unter der Regie von Toshio Masuda und Kinji Fukasaku entstanden nachdem Akira Kurosawa ausgeschieden war, obwohl er an der zweijährigen Vorbereitung des Projekts beteiligt war. Produzent Darryl F. Zanuck wollte mit dem Film eine möglichst genau Rekonstruktion der Vorfälle um den Angriff auf Pearl Harbor erstellen und zeigen, was „wirklich passierte“. Tatsächlich sucht „Tora! Tora! Tora!“ im Genre des Kriegsfilms seinesgleichen. Der Film orientiert sich ausschließlich an den historischen Gegebenheiten, handelnde Personen sind hauptsächlich japanische und amerikanische Militärs und Politiker. Nach tragischen Einzelschicksalen und berührenden Liebesgeschichten sucht man hier vergebens. Stattdessen nimmt sich der Film besonders viel Zeit, die einzelnen Entwicklungen offen zu legen und spart besonders in Hinblick auf die amerikanischen Verhaltensweisen wohltuend wenig an Kritik. Die teils selbstgefällige oder einfach desinteressierte Haltung einiger Befehlshaber gepaart mit schlampigen Maßnahmen oder drastischen Fehlentscheidungen, die den Angriff für Japan erst ermöglichen, lassen sich hier überzeugend nachvollziehen. Radarstationen dürfen aus Naturschutzgründen nicht auf dem besten Standpunkt installiert werden, Warnungen werden nicht ernst genommen und alle Flugzeuge wie auf einem Präsentierteller zusammengestellt. Besonders die Szene, in der Alwin D. Kramer vom Nachrichtendienst versucht, einen Vorgesetzten zu erreichen und von einer Hausparty zur anderen eilt, um an die nächste Autorität verwiesen zu werden, während sich japanische Kampfflieger akribisch auf den Angriff vorbereiten gehört zu einem der Höhepunkte des Films. Auch produktionstechnisch wurde ein enorm hoher Aufwand betrieben. So wurde Yamamotos Zerstörer komplett auf dem Festland in der Nähe des Meeres aufgebaut und unzählige Flugzeugattrappen in Lebensgröße hergestellt, um während des Angriffs in Flammen aufzugehen. Der Angriff selbst zählt zu den explosivsten 30 Minuten, die für das Kino gedreht wurden. Noch vollständig handgemacht hat das Bombardement auch heute noch nichts an seiner Wirkung verloren. Fleischer nutzte für diese virtuose Regiearbeit jede Möglichkeit und lies eine tatsächlich während der Dreharbeiten stattfindende Notlandung eines Flugzeuges filmen und später in den Film einarbeiten.
Bei einer so großen Produktion überrascht es nicht, dass fast alle Hauptrollen von prominenten Darstellern gespielt werden sodass auf amerikanischer Seite Jason Robards, James Whitmore, E. G. Marshall und Martin Balsam sowie auf japanischer Seite Sō Yamamura, Tatsuya Mihashi und Eijiiro Tono zu sehen sind. Insgesamt ist „Tora! Tora! Tora!“ ein bemerkenswertes Kriegsepos, das mit den ersten beiden dokumentarischen und dem explosiven letztem Drittel die beste Verfilmung des Angriffs auf Pearl Harbor darstellt und dem melodramatischen „Harm’s Way“ oder gefährlich pathetischem „Pearl Harbor“ ohne Frage vorzuziehen ist!

Für die musikalische Untermalung von „Tora! Tora! Tora!“ wurde Jerry Goldsmith verpflichtet. Seine Partitur zu dem Film kann ohne Zweifel zu seinen besten Arbeiten gezählt werden, die im Laufe seiner langen Karriere entstanden sind und ist dem modernistischen Klangidiom und dem kammermusikalischen Denken des Komponisten in seiner mittleren Schaffensphase klar verpflichtet. Neben einem durchschnittlich besetzten Symphonieorchester stand Goldsmiths unter Anderem eine Koto – das japanische Äquivalent zur deutschen Zither - zur Verfügung. Da die Filmhandlung mit der Übernahme des Kommandos durch Yamamoto beginnt, steht auch das den Vorspann unterlegende Hauptthema für die Japaner. Trotzdem spiegelt sich in der Strukturierung dieses Themas der objektive Ansatz des Films wider, da Goldsmith zu keiner Zeit in asiatisch angehauchten Ethno-Kitsch verfällt. Die mit asiatischer Klangvorstellung verbundene Holzblöcke und Koto sind in westlicher Tradition mit dem Orchester verbunden und auch das Hauptthema entbehrt vollkommen der sonst so typischen Pentatonik. Nach einem eröffnenden Ausbruch des ganzen Orchesters inklusive col legno Schlägen der Streicher und Hornglissandi erklingt das leicht melancholisch gestimmte Hauptthema in der Koto über den Rhythmus der Holzblöcke und tiefe Gongschläge. Das schlichte Thema ist durch Taktkürzungen und –wechsel rhythmisch ungleichmäßig gestaltet. Es wird erst von einer Posaune und schließlich von den Streichern übernommen wobei eine massige Steigerung zum vollen Orchestereinsatz entsteht. Hier schichtet Goldsmith teilweise komplexe und dissonante Kontrapunkte gegen das harmonisch schlicht gehaltene Thema und verleiht neben dem massigen Einsatz des Orchesters eine zusätzlich brutale Wirkung. Im Zuge der folgenden Musik kommt das Orchester allerdings selten in solcher Klanggewalt zum Einsatz, stattdessen weicht der große Apparat kleiner gesetzten Klängen. Es fällt zusätzlich auf, dass der actionreiche Angriff und somit die letzte halbe Stunde des Films komplett unvertont bleibt. Stattdessen unterlegt Goldsmith Szenen, in denen die politische Entwicklung vorangetrieben wird mit äußerst aggressiven und ruppigen Klängen wie die Unterzeichnung des Bundes mit Deutschland in Berlin. Hämmerndes Klavier, Schlagzeug und schrille Linien für Streicher und Holzbläser unterlegen den kurzen Abschnitt, in dem die Botschafter ihre Unterschrift auf das Dokument setzen. Auch die Vorbereitungen der japanischen Flieger für den Start sind mit treibenden Klavierostinati, col legno Streichern und Flugzeugmotoren imitierenden Blechbläsern äußerst ruppig geraten. Verschiedene Gespräche zwischen Yamamoto und Politikern unterlegte Goldsmith mit zurückhaltenden Variationen des Hauptthemas und bediente sich zusätzlich elektronischer Klangeffekte was der Musik eine zusätzliche Fremdartigkeit und teils bedrohliche Stimmung verleiht. Ein weiterer exotischer Klang ist dem Einsatz von zwei einen Viertelton auseinander gestimmten Oboen erzielt worden. Zu den unzähligen Höhepunkten zählt außerdem die lange musikalische Sequenz, die Kramers verzweifelte nächtliche Fahrt durch Washington unterlegt, während die Japaner sich auf den Angriff vorbereiten. Hier bilden Holzschlitztrommeln verschiedener Größe und präpariertes Klavier eine pulsierend Grundlage für einzelne Bläsereinwürfe und Anklänge an das Hauptthema. Hier wurden auch einzelne Akkorde des Orchesters mit dem Echoplex eingesetzt und die äußerst raffiniert gestaltete additive Klangschichtung mündet schließlich in ein düsteres Cello-Solo.
Insgesamt ist Goldsmith mit „Tora! Tora! Tora!“ eine äußerst raffinierte Partitur gelungen, die besonders nach mehrmaligem Hören viele Details offenbart und ein beeindruckendes Erlebnis garantiert. Jerry Goldsmith spielte selber rund 11 Minuten für Varèse Sarabande neu ein, doch diese Aufnahme leidet stark an der halligen Akustik, in der die besonders die Koto oft untergeht. FSM machte erstmals die vollständigen Filmaufnahmen auf CD zugänglich und füllte die recht kurze Laufzeit mit 20 Minuten Bonusmaterial – hauptsächlich Source-Musik – auf. Trotz des Alters klingt die Musik äußerst frisch, das reich bebilderte Begleitheft bietet nicht nur optische Reize sondern viele Informationen über Musik und Film. Leider wurden kürzere Passagen mit den chronologisch anschließenden Stücken zusammengefasst, was wahrscheinlich dem Hörfluss zu Gute kommen soll. Allerdings unterscheiden sich die jeweiligen Titel oftmals zu stark vom musikalischen Charakter, um eine organische Einheit zu bilden und besonders das letzte Stück – eine Kombination aus drei Passagen, die im Film innerhalb einer halben Stunde erklingen – im Umkehrschluss zu lang geraten. Doch abgesehen von diesem kleinen editorischen Mangel handelte es sich bei dem FSM-Album um eine äußerst lobenswerte Veröffentlichung, die konsequenterweise ausverkauft ist. Glücklicherweise hat Lalaland-Records 2011 das Album neu aufgelegt – leider ohne die einzelnen Stücke zu trennen – sodass es jetzt wieder einer größeren Filmmusikgemeinde zugänglich ist.
„Tora! Tora! Tora!“ ist ein Meisterwerk des Komponisten und eine bedeutende Filmkomposition und sollte somit in zumindest einer Ausgabe in jeder Filmmusik-Sammlung vertreten sein.

 

 

Rio Lobo

Bereits viermal wurden Goldtransporte der Nordstaaten von den Rebellen überfallen und ausgeraubt. Für Colonel Cord McNally steht fest, dass es in den eigenen Reihen einen Verräter geben muss, der die Südstaaten mit den nötigen Informationen über die Züge versorgt. Kurz vor Ende des Krieges soll ein Goldtransport unter dem Kommando von Leutnant Forsythe den Sold für die Truppen der Nordstaaten zu dessen befreundeten Colonel McNally bringen, doch der Zug wird von den Südstaaten unter Captain Pierre Cordona und Seargent Tuscarora Phillips überfallen und ausgeraubt. Als die Telegraphenverbindung abreißt, macht sich McNally mit seinen Männern zum Ort des Überfalls auf, doch sie finden nur den ausgeraubten Zug, die Soldaten und Forsythe, der bei dem Überfall tödlich verletzt wurde und im Sterben liegt. Die Nordstaatler teilen sich auf, um in der Umgebung nach den flüchtenden Rebellen zu suchen und tatsächlich trifft McNally bald darauf auf einen flüchtenden unbewaffneten Südstaatler. Das anfängliche Misstrauen des Colonels ist berechtigt, denn es handelt sich um eine Falle. McNally wird bewusstlos geschlagen und wacht anschließend in einer Höhle auf, die den Südstaatlern als Unterschlupf dient. Captain Cordona, den McNally jetzt als eine flüchtige Bekanntschaft aus Vorkriegszeiten erkennt, eröffnet dem Nordstaatler, dass dieser den Rebellen helfen soll, die feindlichen Truppen zu umgehen und sie sicher mit der Beute in den Süden leiten soll. McNally stimmt zu, doch leitet er die Südstaatler bei der nächsten Gelegehneit direkt in ein Lager der Nordstaaten, sodass Captain Pierre Cordona und Seargent Tuscarora Phillips gefangen genommen werden. Kurz bevor die die beiden Rebellenführer gefangen genommen werden, bittet McNally um die Information über den Verräter und bietet ihnen an, sie laufen zu lassen, sollten sie ihm den Namen nennen, doch die beiden Männer wollen lieber verhaftet werden, als ihren Soldaten die Geldquelle zu rauben.  Als bald darauf der Krieg endet, empfängt McNally die entlassenen Kriegsgefangenen und fragt sie abermals nach dem Verräter. Nun eröffnen ihm Cordona und Phillips, dass sie die Namen der beiden Männer, die sie für Informationen bezahlen, nicht kennen und geben eine lose Personenbeschreibung, doch sie geben McNally anschließend das Versprechen, sich sofort bei ihm zu melden, sollten sie die Verräter gesehen haben und tatsächlich erreicht McNally einige Jahre nach dem Krieg eine Nachricht von Cordona, dass dieser einen der Männer gesehen hat, den dieser sucht. In Rio Lobo, wohin Tuscarora Phillips zurück gekehrt ist, unterdrückt ein Großrancher namens Ketcham die aufkeimende Stadt mit der Hilfe eines korrupten Sheriffs, zu dessen Hilfssheriffs einer der beiden Verräter gehört. Gemeinsam nehmen Cordona und McNally den Kampf gegen Ketcham auf...

"Rio Lobo" bildet den letzten Teil einer lose aufeinander bezogenen Trilogie um aufrechte Helden, die im Sheriff's Office einen Gefangenen gegen den Einfluss eines reichen Viehbarons schützen oder dort ausharren, um auf Verstärkung zu hoffen. Während "Rio Bravo" zu den großen Beiträgen Hawks' zum amerikanischen Western zählt, parodierte er viele Elemente bereits in "El Dorado". Auch "Rio Lobo" nimmt in vielen Teilen bezug auf "Rio Bravo" und steht mit seiner konventionellen, schemenhaften Darstellung seiner Figuren, der traditionellen Handlung und dem Wayne-typischen Heldentum etwas alleine in einer Zeit, in der Western oft viel kritischer mit sich und ihren Inhalten umgingen. Der Spätwestern ab 1969 drehte sich oftmals um tragische Helden, die an ihren eigenen Vorstellungen von Moral und Ehre im Kampf gegen die vorrückende Zivilisation zu Grunde gingen. Umso befremdlicher wirkt es somit, wenn John Wayne in seiner immergleichen Kombination aus Lederweste, hohem Hut und Winchestergewehr ohne jede Reflektion das Heldenpathos aus vergangenen Zeiten charakterisiert und Leuten das Recht zuspricht, einen Mitmenschen getötet zu haben, denn sonst wäre dieser halt von jemand anderem erschossen worden. Die Kritiker reagierten dementsprechend und so fielen die meisten Urteile über "Rio Lobo" negativ aus. Nichts desto trotz weiß Howard Hawks' Schwanengesang zumindest heute, 40 Jahre später, immer noch zu überzeugen. Natürlich ist die Handlung nicht originell, sind Regisseur und Hauptdarsteller bessere Filme gelungen, aber genau dieses Abarbeiten sämtlicher Western-Klischees vom bunt bemalten Quacksalber-Wagen über mexikanische Grenzstädtchenidylle bis hin zur klassischen, schusslastigen Konfrontation zwischen Gut und Böse macht letzten Endes den Charme von "Rio Lobo" aus, der nichts weiter sein will als ein Western, aber dies hundertprozentig. Somit entstand ein äußerst unterhaltsamer Film, der neben vielen Bezügen zu seinen Vorgängern auch mit spektakulären neuen Einfällen aufwartet. Dazu dürfte neben einem äußerst kreativ gedrehten Vorspann auch einer der findigsten Zugüberfälle der Western- wenn nicht gar der Filmgeschichte gehören!
Sämtlichen Schauspielern wird nicht allzu viel abverlangt, umso erfreulicher ist, dass alle mit Engagement dabei waren und es eine Freude ist, ihnen zuzusehen. Viele der Figuren lassen sich so oder so ähnlich in "Rio Bravo" und "El Dorado" ausfindig machen. Da wäre natürlich zuallererst John Waynes Charakter Cord McNally und der (zumindest in Zivil) dem klassischen John-Wayne-Helden entspricht, wobei das offensichtliche fortgeschrittene Alter mit leichtem Augenzwinkern gut überspielt wird. Jorge Rivero tritt in Ricky Nelsons und James Caans Fußstapfen und bestreitet die Rolle als jugendlicher Held überzeugend. Mit besonders viel Spielfreude ist Western-Urviech Jack Elam als kleiner Farmer Phillips - Tuscaroras Vater - zu sehen, der sich gegen Ketchams Imperium auflehnt. Jennifer O'Neill gibt die Rolle der etwas zickigen Dame, die aber zu ungeahnter Tatkraft erwacht, wenn es drauf ankommt. In "Rio Lobo" war außerdem eine der wenigen schauspielerische Tätigkeiten der späteren Filmproduzentin Sherry Lansing in der Rolle der selbstbewussten Amelita zu sehen.
Letzten Endes ist "Rio Lobo" kein herausragender Western, aber dennoch ein würdiger Abschluss für Hawks' Karriere, der auch heute noch Spaß macht und zu unterhalten weiß.

Vertont wurde "Rio Lobo" von Komponist Jerry Goldsmith, der die musikalische Nachfolge von Dimitri Tiomkin und Nelson Riddle antrat. Dem Komponisten stand ein durchschnittliche bestztes Orchester zur Verfügung, dass - wie so oft bei Westernvertonungen - um folkloristische Instrumente wie Akkordeon, Gitarre und Mandoline erweitert war und auch über eine große Schlagwerksektion inklusive Marimbaphon, Peitsche, Ratsche, Glocken und Holzblöcke verfügt. Goldsmith, der in den 60er Jahren mehrere Western vertont hatte und dessen Arbeiten besonders in der ersten Hälfte seiner Karriere von einem deutlich modernistischen Stil geprägt waren, komponierte für Hawks' letztes Werk eine dem Film entsprechende deutlich gradlinigere und konventionellere Musik, die zu großen Teilen auf zwei Themen fußt. Das Hauptthema ist eine leicht melancholische Melodie in moll mit deutlichem Ohrwurmcharakter und wird während des Vorspanns von dem Gitarristen Tommy Tedesco gespielt, der der Sohn von Mario Castelnuoco-Tedesco war. Dieses Hauptthema zieht sich wie ein roter Faden durch die Musik und erklingt in unterschiedlichen Klanggewändern. So verwendete Goldsmith es in den Blechbläsern als kräftige "Ritt-Musik" mit synchopischen Rhythmen der Streicher und des Schlagwerks inklusive Peitschenknallen, als sanfte Akkordeonmelodie, die von zarten Kontrapunkten des Fagotts umspielt wird oder als verhuschtes Motiv der Bassflöte  sowie als Mandolinenstimme in Suspensepassagen. Des Weiteren komponierte Goldsmith eine kräftige Americana-Fanfare, die, gleichberechtigt mit dem Hauptthema, die Helden während des Wüstenritts in Form einer ausladenden Streichermelodie mit starker Stütze der Posaunen und des Tamburins begleitet, oder in kleinerer Besetzung von dem Akkordeon über leichte Gitarrenbegleitung erklingt. Doch auch jenseits seiner beiden Themen schrieb Goldsmith äußerst effektive Passagen wie die kunstvoll ineinander verflochtenen Streicherstimmen, als Ameliat McNally ihre Wunde zeigt, oder die mit äußerst kreativen Schlagzeugeffekten garnierten Suspensepassagen. "Rio Lobo" gehört zu den ersten Filmmusiken, in denen der Komponist mit elektronischen Effekten experimentiert, die später nicht mehr aus seinem Schaffen heraus zu denken sind. Dabei beschränken sich die synthetisch erzeugten Klänge allerdings als pochende und hallende Effekte, die zur Schattierung der Streicher und Bläser in den Spannungspassagen dienen und so keinesfalls störend hervorstechen, wie es später in "Breakheart Pass" der Fall sein wird.
Die Musik zu "Rio Lobo" erschien erstmals 2001 als limitierte Edition bei Prometheus. Dabei hatte das Label nicht nur Zugang zu den vollständigen Bändern der Aufnahmen in Mono, sondern zusätzlich zu einigen Stereobändern aus Goldsmiths Privatarchiv. Man entschied sich, die nahezu komplette Musik aus den beiden Elementen zusammen zu setzen und die Stücke in Stereo und Mono als zwei seperate Blöcke auf die CD zu pressen. Diese Entscheidung wirkte sich deutlich negativ auf das Hörerlebnis aus. Nicht nur, dass die Vorspannmusik nun direkt in der Mitte des Programms platziert war, das Finale war als Abschluss beider Blöcke insgesamt zweimal - einmal in Stereo und einmal in Mono - enthalten. Zusätzlich wurden mehrere einzelne Stücke zu Suiten zwischen 7 und 9 Minuten Laufzeit zusammengefasst, sodass ein Programmieren der Musik in Filmreihenfolge unmöglich gemacht wurde.
Positiv zu vermerken ist allerdings der sehr ausführliche Begleittext von Ford A. Thaxton, der mit vielen Informationen zu Musik und Film aufwartet. Die CD war mehrere Jahre lang ausverkauft, bis Lalaland Records die Musik zu "Rio Lobo" erneut veröffentlichte und die Gelegenheit nutzte, die editorischen Mängel der Erstausgabe zu überarbeiten, sodass sich nun die fast vollständige Musik in Mono in Filmreihenfolge zu Beginn des Films findet, an die sich sämtliche Source-Musik-Stücke und anschließend alle auf der Prometheus befindlichen Stereo-Stücke finden. Es ist unverständlich, warum die Musik nach Ketchams Gefangennahme während des Ritts bei nacht in die Stadt, zwar zumindest in dem Begleitheft der Prometheus-Ausgabe angesprochen wird, auf keiner der beiden Ausgaben zu finden ist.
Trotzdem ist die Wiederveröffentlichung dieser Musik sehr lobenswert, denn auch, wenn "Rio Lobo" weder ein Meisterwerk ist, noch zu den überragenden Beiträgen des Komponisten zum Westerngenre zählen, so schrieb Jerry Goldsmith dennoch eine durchweg gelungene Western-Musik, die viele Topoi gekonnt bedient und zusätzlich die eine oder andere Raffinesse bereit hält.

 

1971

 

Mephisto Waltz – Der lebende Tote

 

Myles Clarkson versuchte in jungen Jahren, eine Karriere als Konzertpianist zu starten, doch trotz seines Talents war ihm kein Erfolg beschert. Daher arbeitet er nun als musikjournalist und führt mit seiner hübschen Frau Paula, die einen kleinen Antiquitätenladen betreibt und der jungen Tochter Abby ein ruhiges Leben. Eines Tages erhält Clarkson die Möglichkeit, den Pianisten Duncan Ely zu interviewen, der als lebende Musikerlegende gehandelt wird. Der Virtuose verhält sich dem Journalisten gegenüber sehr barsch, bis ihm dessen Hände auffallen. Clarkson erzählt alles über seine früheren Karriereträume und wird von Ely ermutigt, das Klavierspiel wieder aufzunehmen. Am Tag nach dem Interview kommt Ely mit seiner hübschen Tochter Roxanne in Paulas Laden und rettet diesen mit einem Großeinkauf aus der Misere. In den folgenden Wochen freundet sich Clarkson immer mehr mit dem Klaviervirtuosen und seiner Tochter an, doch Paule wird langsam immer misstrauischer. Sie ist eifersüchtig auf Roxanne, doch ihr Mann kann diese Gefühle nicht nachvollziehen. Er verrät ihr, dass Ely an Leukämie erkrankt ist und bald sterben wird. Tatsächlich erlöscht in einer darauf folgenden Nacht das Lebenslicht des großen Pianisten. Clarkson scheint von dem Tod sichtlich mitgenommen zu sein und wirkt wie ausgewechselt. Er hört plötzlich auf zu rauchen und beginnt, stundenlang Klavier zu spielen. Paula wird misstrauisch, insbesondere weil ihre Hoffnung sich nicht erfüllte, dass Roxanne mit dem Tod ihres Vaters aus dem Leben der kleinen Familie verschwinden würde. Eines Nachts begegnet Ely Paula in einem Traum und gesteht ihr, dass er ihre Tochter Abby töten müsse, das sei „Teil des Geschäfts“. Tatsächlich stirbt Abby an dem darauf folgenden Tag an den Folgen einer plötzlichen Erkrankung. Paula ist verzweifelt und da Myles sich nach dem Tod der Tochter weiter in seine Arbeit vertieft, beginnt sie, Nachforschungen über Roxanne zu betreiben. Sie lernt durch Zufall deren ehemaligen Mann Bill kennen und nach den gemeinsamen Gesprächen bestätigt sich Paulas Verdacht: Duncan Ely und seine vermeintliche Tochter haben nämlich einen Bund mit dem Teufel geschlossen und können mit Hilfe eins alten Ritus’ in fremde Körper übergehen und sich so vor dem Tod schützen. So ist nämlich Elys Frau vor mehreren Jahren in den jüngeren Körper Roxannes gereist und nun hat auch die Seele des alten Pianisten besitz von einem neuen, jungen und talentierten Körper ergriffen…

 

Während in den frühen Horrorfilmen meistens verunstaltete und teils tragische Gestalten wie „Nosferatu“, „Das Phantom der Oper“ oder das Monster aus „Frankeinstein“ ihr Unwesen trieben, machte das experimenteller veranlagte Kino der 70er Jahren Raum für den Okkultkorror, der Meilensteine wie „Das Omen“ oder „Der Exorzist“ hervorbrachte. Hier mussten es die Protagonisten nicht selten mit dem Teufel persönlich aufnehmen, wenn sie ihn nicht auf ihrer Seite und damit ihr ganzes Umfeld gegen sich hatten. „Mephisto Waltz“ gehört zu den frühen Einträgen dieses Genres und ist heute leider völlig vergessen, dennoch gelang Regisseur Paul Wendkos ein äußerst unterhaltsamer Film, der jedoch nach der ersten Filmhälfte ein wenig schwächelt. Von Anfang an wird hier nicht gekleckert, sondern geklotzt. Der hohe Unterhaltungswert von „Mephisto Waltz“ entsteht neben der knalligen Farbregie und der versierten Kameraarbeit von William W. Spencer auch durch Wendkos’ in keinster Weise subtile Herangehensweise an den exzentrischen Stoff. Der Zuschauer wird von obszönen und dekadenten Sylversterfeiern durch psychedelische Traumsequenzen und in Zeitlupe zelebrierten Ritualen gejagt. Dass alle Geschehnisse vor den Augen des Zuschauers stattfinden und sich die vorhersehbarsten Dinge bewahrheiten, tut dem Filmgenuss keinen Abbruch – im Gegenteil! Durch seine teils leicht übertriebene Inszenierung gelingt es Wendkos, eine befremdliche, teils verstörende Atmosphäre aufzubauen. Auch wenn man es in einem Film über Körperwanderung nicht allzu ernst mit logischen Zusammenhängen nehmen sollte, fallen einem jedoch in der zweiten Hälfte des Films einige Reibungen auf. Dafür, dass die Clarksons als eine sympathische und glückliche Familie eingeführt wurden, nimmt Polly den Tod ihrer jungen Tochter ein bisschen zu schnell auf die leichte Schulter. Es ist außerdem unglaubwürdig, dass eine Frau, die ihr einziges Kind verloren und festgestellt hat, dass ihr Mann nicht mehr er selbst ist, eine entspannte Affäre in einer hübschen Villa inklusive Meerblick mit dem Ex der Frau beginnt, die ihr die Familie gestohlen hat. Auch das Ende des Films lässt einige wichtige Fragen und offen und erscheint nicht ganz nachvollziehbar.

Die schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller sind alle positiv zu erwähnen. Alan Alda gelingt der Sprung vom fürsorglichen Vater und liebenden Ehemann zum verbissenen Klaviervirtuosen und arroganten Kotzbrocken vortrefflich. Nicht nur dass, die Chemie zwischen ihm und Curd Jürgens in der Rolle Duncan Elys stimmt, Alda schafft es, Jürgens’ Art zu spielen, vortrefflich zu imitieren. Jaqueline Bisset gibt eine entzückende Paula und Barbara Parkins überzeugt voll und ganz als mysteriös anmutende Roxanne.

Insgesamt ist „Mephisto Waltz“ ein durchaus sehenswerter und unterhaltender Okkulthorrorfilm, dessen Schwächen im Drehbuch durch die überzeugenden Darsteller, die charakteristische Optik und Farbregie und die hervorragende Musik ausgeglichen werden.

 

Titel und Handlung bestimmten bei „Mephisto Waltz“ klar das Programm und natürlich liegt es nahe, bei einem Okkulthorrorfilm, bei dem ein Pianist im Mittelpunkt steht, auf den romantischen Klaviervirtuosen und Komponist Franz Liszt zurück zu greifen. Liszt hatte sich den italienischen Violinisten Nicolo Paganini zum Vorbild genommen und pflegte insbesondere auf dem Höhepunkt seiner Musikerkarriere die Rolle des von übermenschlicher Fähigkeit ausgestatteten Musikers, dessen Konzerte teils von einer fast dämonischen Aura umgeben waren. Das in diesem Film von Duncan Ely in mehreren Szenen gespielte Stück ist der erste der vier Mephisto-Walzer und wurde von Liszt zwischen 1856 und 1861 geschrieben. Dieses Stück gilt als eines der schwierigsten Werke der Klavierliteratur und verschmilzt die revolutionäre Technik des Virtuosen mit der teils avantgardistischen kompositorischen Seite Liszts, der zum Ende seines Lebens teilweise auf das Gebiet der Atonalität vordrang. Als Inspiration des ersten Mephisto-Walzers diente eine Episode aus Nikolaus Lenaus „Faust. Ein Gedicht.“ Hier betreten Faust und Mephisto eine Dorfschenke, in der der Teufel zum Tanz aufspielt und Faust schließlich mit einer Frau zu tanzen beginnt. Dieser Tanz steigert sich ins Ekstatische und schon bald treibt die Leidenschaft die beiden jungen Menschen hinaus in die dunkle Nacht, während drinnen Mephisto geigt.

Neben der diegetischen Klaviermusik des Films enthalt „Mephisto Waltz“ zusätzlich eine Originalmusik, die von Jerry Goldsmith komponiert wurde. Goldsmith entwarf keinerlei eigene Themen, sondern eignete sich die beiden Hauptmotive des Liszt’schen Mephisto-Walzers an und kleidete sie in ein avantgardistisches Klanggewand. Der charakteristische Anfang, in dem Mephisto das Instrument stimmt und Liszt diesen Vorgang in den typischen leeren Quinten musikalisch einfängt, wird nun von einer Solovioline über den pochenden Rhythmus des Orchesters gespielt. Das leidenschaftliche Liebesthema dekonstruiert Goldsmith teilweise zu fragmentarischen Melodiefetzen, die fast schattenhaft in Form von Klaviertupfern in höchster Lage auftauchen oder lässt es vollständig von den Violinen über harmonisch verfremdete Begleitfiguren erklingen. Das dritte thematische Element der Musik stammt ebenfalls nicht aus Goldsmiths Feder. Im Vorspann und während Elys Beerdigung erklingt das „Dies Irae“, jener bekannte altertümliche Hymnus, der bereits von Romantikern wie Berlioz und natürlich auch Liszt in deren Kompositionen eingearbeitet wurde. „Mephisto Waltz“ kann als eins der modernistischsten und avantgardistischsten Werke des Komponisten bezeichnet werden. Instrumentiert für Streichorchester, solistische Holzbläser, Klavier, Schlagzeug und Synthesizer weiß diese Musik auch heute noch nach wiederholtem Hören zu überraschen und einem kalte Schauer den Rücken herunter laufen zu lassen. Die blubbernden und teils stöhnenden elektronischen Klänge gehören mit ihrem dumpfen und wabernden Klang zu den gelungeneren Experimenten Goldsmiths mit Synthesizern, doch natürlich beweist der Komponist insbesondere durch den vielfältigen Umgang des akustischen Instrumentariums sein handwerkliches Können. Dabei greift er auf viele durch zeitgenössische Komponisten wie Penderecki und Lachenmann etablierte alternative Spieltechniken zurück. Da prasseln die Bögen auf die Saiten oder wird auf dem Korpus des Streichinstrumentes geklopft. Auch das von Iannis Xenakis in die Neue Musik eingeführte Glissando wird sehr häufig auf effektvolle von Goldsmith verarbeitet. Dass „Mephisto Waltz“ mehr ist als eine sich an die zeitgenössische Musik anbiedernde Effekthascherei ist, beweisen die mystischen, fast traumwandlerischen Passagen, in denen das Liebesthema als sinnliche Melodielinie auftaucht, die zwar leidenschaftlich, aber von ihren romantischen Wurzeln erklingt.  

Allerdings musste die Musik zu „Mephisto Waltz“ mehr als drei Jahrzehnte im Dunkel der Fox-Archive zubringen, bis die Bänder endlich von Varèse Sarabande ans Licht gefördert wurden. 1997 erschien somit die erste Veröffentlichung der Musik, die eine wichtige Lücke in Goldsmiths Diskographie schloss. Chronologisch angeordnet handelt es sich allerdings nicht um die vollständige Partitur, es fehlen jedoch keine essentiellen Passagen. Allerdings wäre schon gewesen, auch eine Aufnahme des originalen „Mephisto Walzers“ auf der CD zu hören, denn schließlich wurden die Klavierstücke von Goldsmiths früherem Lehrer Jakob Gimpel eingespielt. Die gut zwanzig Minuten lange beigefügte Suite zu der ganz anders gelagerten Partitur zu „The Other“ ist zwar eine nette Dreingabe, reicht aber nicht an „Mephisto Waltz“ heran. Klanglich ist insbesondere „Mephisto Waltz“ etwas schrill, doch bei einer über vierzig Jahre alten Aufnahme sind derartige klangliche Anomalien zu vernachlässigen. Das immerhin mit einem längeren Text über beide Filme versehene Booklet enthält einige wichtige Hintergrundinfos, die leider nicht näher auf die Musik eingehen.

Insgesamt handelt es sich bei der Musik zu „Mephisto Waltz“ um eine faszinierende Verquickung Liszt’scher Spätromantik und avantgardistischem Klanggewitters, die in keiner Goldsmith-Sammlung fehlen darf!

 

1972

 

The Other

 

Die eineiigen Zwillingsbrüder Niles und Holland wachsen auf der familiären Farm auf dem Land auf. 1935 sind die beiden elf Jahre alt und auch wenn sich die beiden Jungs bis auf’s Haar zu gleichen scheinen, so unterscheiden sie sich drastisch von der Wesensart. Niles ist ausgeglichen und zuvorkommend, während Holland eine fast bösartige Natur an den Tag legt. Er quält Tiere und spielt Erwachsenen oft fiese Streiche. Sehr zum Leidwesen des acht Minuten jüngeren Bruders, der oft mit Holland verwechselt und für dessen Taten verantwortlicht gemacht wird. Nachdem der Vater der beiden sich das Genick brach, als die Falltür zum Keller auf seinen Kopf schlug und er die Treppe hinab fiel, ist Alexandra, die Mutter von Niles und Holland depressiv, sodass sich die russisch stämmige Großmutter Ada um die Jungs kümmert. Sie fördert Niles’ telepatische Gabe, sich in seine Mitmenschen hereinzuversetzen und ihre Gedanken und Absichten zu erraten. Holland übergibt seinem jüngeren Bruder eine Zigarrendose mit einem geheimen Gegenstand, der in blaues Wachspapier gewickelt ist und den Ring ihres Vaters, der an Holland als ältesten Sohn weitergegeben wurde. Im Laufe des Sommers tritt Hollands bösartige Natur besonders stark hervor und der Junge wird zu einer tödlichen Gefahr für seine Mitmenschen. So wird Russell, der besserwisserische Cousin der Zwillinge im Stall von einer Mistgabel getötet, die in einem Heuhaufen versteckt war, in den Russel stets zu springen pflegte. An einem anderen Tag verkleidet sich Holland als Zauberer und führt der älteren Nachbarin Mrs. Rowe einen Trick vor, in dem er allerdings kein Kaninchen, sondern eine Ratte aus seinem Zylinder hervor holt. Die leicht zu erschreckende Dame erleidet einen tödlichen Herzanfall. Alexandra entdeckt bald darauf den Ring in Niles’ Versteck und fragt ihn, wie er zu dem Erbstück gekommen sei. Nachdem Niles ihr erklärt, dass Holland ihr den Ring gegeben hätte, ist sie schockiert, doch wenig später taucht Holland auf und fordert den Ring zurück. Es kommt zu einem Handgemenge, woraufhin Alexandra eine Treppe hinabstürzt und von fortan gelähmt ist. Niles ist von dem Verhalten seines Bruders verstört und gesteht seiner Großmutter, dass er Angst vor seinem eigenen Bruder hat. Diese offenbart ihrem Lieblingsenkel ein furchtbares Geheimnis: Holland starb bereits Monate zuvor und alle Taten wurden alleine von Niles vollbracht, der in der Illusion lebte, sein Bruder wäre noch am Leben…

 

„The Other“ war der erste Roman des Schauspielers und Schriftstellers Tom Tyron, der selbst das Drehbuch zu der Verfilmung verfasste. Tyron selbst äußerte sich 1977 in einem Interview sehr betrübt über das Ergebnis. Der Film selbst bekam wenig Aufmerksamkeit und erscheint heute besonders unspektakulär, verfügt aber über einige wirklich gelungene Momente. Die wundervoll pastorale Landschaft um die californische Stadt Angels Camp beschwört das idyllische und friedliche Landleben herauf, das hier als täuschende Kulisse für eine tragische und bedrohliche, aber auch äußerst brutale Geschichte dient. Regisseur Robert Mulligan lässt in der ersten Filmhälfte den Horroraspekt fast völlig außer Acht. Man hat eher das Gefühl, ein ruhiges Drama zu verfolgen als eine Horrorgeschichte. Dadurch werden die kurzen, aber prägnant gesetzten Schockmomente wie Russels Sprung in die Mistgabel umso wirkungsvoller. Auch einige weitere, sehr subtile Szenen lassen dem Zuschauer einen kalten Schauer hinunterlaufen. Wenn z.B. Niles in seiner aufgeweckten und zuvorkommenden Art seiner gelähmten Mutter ein Märchen vorliest und sich erneut seiner friedlichen Illusion hingibt, während die Frau an einen Rollstuhl gefesselt ist und dem eigenen Sohn, der sie die Treppe hinunterwarf, hilflos ausgesetzt ist, dann erschafft Mulligan eine besonders makabre und gleichzeitig tragische Stimmung. Man könnte meinen, dass der Film seinen Höhepunkt bei der Wendung erreicht, in der Hollands Tod verraten wird, doch hier nimmt der Film erst Fahrt auf, um sich im Finale immer weiter zu verdichten. So stark und wirkungsvoll die zweite Hälfte wirkt, umso beschaulicher und unspektakulärer sind die ersten 45 Minuten geraten, die besonders heutzutage bei einigen Zuschauern bewirken könnte, dass er das Interesse frühzeitig verliert. Ein weiteres Problem ist, dass man zu Beginn sehr schwer verfolgen kann, welcher der Jungs nun wer ist. Die Idee Mulligans, die Zwillinge in keiner Einstellung gemeinsam zu zeigen, ist sehr interessant und leuchtet nach dem Wendepunkt ein. Zu Beginn ist es aber sehr verwirrend, zumal Niles und Holland folgerichtig auch stets gleich gekleidet sind. Abgesehen von zwei Kamerafahrten, die die Zwillinge nacheinander zeigt, hätte man den Film auch nur mit einem Kind drehen können.

„The Other“ war der einzige Filmauftritt der Zwillinge Chris und Martin Udvanoky, die hervorragend ihre nicht einfachen Rollen bestreiten. Uta Hagen überzeugt als russische Immigrantin und Großmutter Ada, die insbesondere die dramatischen Szenen trägt. Diana Muldaur besticht durch ihre Darstellung Alexandras, der Mutter der beiden Zwillinge.

Somit ist „The Other“ ein gut gespielter und stimmungsvoller Film, der Freunde des subtilen und makabren Horrors belohnt, wenn man die erste zähe und weniger interessante Filmhälfte hinter sich hat.

 

Komponist Jerry Goldsmith gewann seinen einzigen Oskar für die Musik zu dem bekannten Horrorfilm „The Omen“. Mit den Musiken zu den beiden Fortsetzungen und Filmen wie „Mephisto Walzer“ schuf Goldsmith mehrere bedeutende Beiträge des Genres. Oftmals von harschem Modernismus, alternativen und experimentellen Spieltechniken geprägt, waren seine Musiken von der zeitgenössischen Avantgarde beeinflusst. Für „The Other“ schrieb er allerdings eine äußerst zurückhaltende und lyrische Musik, die den Zuschauer genau wie prächtigen Aufnahmen der sommerlichen Landschaft trügen sollte. Mit einem kleinem Ensemble aus Streichern, einigen Holzbläsern, Glockenspiel, Harfe, Spinett und Klavier schuf der Komponist eine zurückhaltende Musik, die stark an in derselben Zeit entstandene TV-Musiken erinnert. Dabei war es dem Komponisten wichtig, die kindliche Naivität und die idyllische Umgebung musikalisch einzufangen. Somit ist das Hauptthema eine schlichte und lyrische Melodie, die im Verlauf der monothematisch konzipierten Musik, stets leicht variiert, erklingt. Die prominenteste Besetzung bildet die Flöte als Melodieinstrument über sanfte Begleitungen der Harfe, des Klaviers oder der Streicher. Andere Holzbläser flankieren die Melodie hin und wieder mit sanften Schattierungen. Mal verträumt und mal verspielt über eine rhythmische Figur der Oboe und lebhafte Streicherpizzicati, ist dieses Thema der Kern der Musik und spielt auch im Film selbst eine wichtige Rolle. So wird es mehrmals von Niles/Holland auf der Mundharmonika gespielt oder gepfiffen. In den melancholischen Passagen greift Goldsmith auf zarte Streicherklänge und schlichte Figuren im Klavier zurück, die an ähnliche Momente in „Magic“ erinnern. Harsche, dissonante Passagen wie in seinen anderen Horrorfilmmusiken bleiben in „The Other“ vollkommen aus. Es gibt insgesamt nur wenige kräftige Momente, die dann allerdings ihre volle Wirkung erzielen wie die ruppigen Streicher während Alexandras Sturz. Allerdings bietet der Film Raum für mehrere atmosphärische Passagen, die Goldsmith teilweise mit leisen Röhrenglocken, atonalen Streicherakkorden, Motivfetzen der Altflöte und geheimnisvollen Glockenspieltupfern instrumentierte.

Die Postproduktion des Films verlief alles andere als reibungslos, sodass „The Other“ mehrfach umgeschnitten wurde. Auch von Goldsmiths Musik wurden mehrere Passagen nicht in der endgültigen Fassung eingesetzt. Wahrscheinlich gab es während des mäßigen Erfolg des Films keine kommerzielle Veröffentlichung der Musik, sodass eine 22 Minuten lange Suite, die auf dem 1997 erschienenen Album zu der Musik von „Mephisto Waltz“ die einzige Veröffentlichung bildet. Drei Stücke aus dieser Suite finden sich außerdem in der Zusammenstellung „Jerry Goldsmith at 20th Century Fox“. Wie auch bei „Escape From the Planet of the Apes“ ist es unklar, warum Varèse Sarabande einzelne Stücke in einen langen Titel zusammenfassten, ohne dass die Stücke ineinander übergehen oder musikalisch einen besonderen und geschlossenen Hörfluss ergeben. Die Tonqualität ist allerdings sehr gut in Anbetracht des Alters der Aufnahmen. Das Booklet enthält einige knappe Informationen zu Musik und Film, die Behauptung, dass rund 50% der in der Suite enthaltenen Musik nicht im Film zu hören sind, ist allerdings eine glatte Unwahrheit. Zusätzlich sind einige interessante Passagen nicht auf der CD zu finden wie besagte Musik zu Alexandras Sturz. Auch alle anderen kraftvollen Momente finden sich nicht in der Suite, sodass das Material auf die verschiedenen Darbietungen des Hauptthemas und einige mystische Passagen sowie eine unterhaltsame Source-Musik zu einer Zirkusnummer begrenzt ist. Die Veröffentlichung zu „The Other“ ist somit so unspektakulär wie der Film selbst, ein Albumkauf lohnt sich trotzdem vor Allem wegen der brillanten Musik zu „Mephisto Waltz“. „The Other“ selbst bleibt eine Randnotiz in Goldsmith immensem Schaffen und auch seiner Horrorfilmographie.

 

1973

 

Papillon

 

In den 30er Jahren werden hunderte französische Strafgefangene in die Kolonie Französisch-Guayana deportiert. Hier sollen sie erst als Strafabreiter ihre Haft verbringen, um anschließend für den Rest ihres Lebens in der Kolonie zu leben. Unter ihnen befindet sich auch Henri Charrière, den alle wegen eines auf seine Brust tätowierten Schmetterlings "Papillon" nennen und wegen Mordes an einem Zuhälter verurteilt wurde, den er allerdings abstreitet. Ein weiterer Häftling ist der bekannte Fälscher Louis Dega, dem es gelungen ist, hohe Mengen Geld auf das Gefangenenschiff zu schmuggeln, mit dem er die Wärter in Französisch-Guayana bestechen will. Schon in der ersten Nacht kommt es zu einem Überfall auf Dega, dem von Papillon das Leben gerettet wird. Die beiden Freunden sich tags darauf an und Papillon unterbreitet Dega ein Geschäft: Da Charrière sobald wie möglich der Gefangenschaft entkommen will, benötigt er finanzielle Mittel, um Wärter bestechen und ein Boot organisieren zu können. Im Gegenzug will er, solange er seine Strafe absitzt, Dega beschützen, der wegen seiner schwächlichen Erscheinung leicht Opfer weiterer Überfälle werden könnte. Während ihrer schweren Arbeit in der Umgebung von Saint Laurent erfahren Papillon und Dega, dass mehrmals im Monat ein Deutscher namens Richter in das Gefängnis kommt, um von den Häftlingen gefangene Schmetterlinge zu kaufen. Es gelingt Papillon, von Richter ein Boot zu organisieren, doch am verabredeten Treffpunkt wird er verhaftet und zu Einzelhaft in Saint Joseph verurteilt. In einer kleinen Zelle fristend, droht er nach und nach den Verstand zu verlieren, doch da gelingt es Dega, seinem Freund Kokosnüsse innerhalb des Wassereimers in die Zelle zu schmuggeln. Als diese entdeckt werden und Papillon sich weigert, den Namen seines Wohltäters zu verraten, ordnet der Kommandant ein halbes Jahr Dunkelhaft und halbe Ration an. Als Papillon nach seiner Haft völlig erschöpft in die Krankenstatin von Saint Laurent gebracht wird, erfährt er von einem befreundeten Häftling Clusiot, dass dieser sich über den Radiologen des Lagers ein Boot beschaffen konnte. Die beiden treten mit dem Röntgenarzt und Dega die Flucht an, der sich in letzter Sekunde ebenfalls zur Flucht entschloss, sich aber beim Sprung über die Mauer seinen Fuß bricht, während Clusiot erschossen wird. Zu dritt treffen sie bei dem Boot ein, dass jedoch völlig morsch ist. Ein Vogelfänger bietet ihnen jedoch an, sie zur Taubeninsel zu bringen. Hier kaufen sie sich von Leprakranken ein Boot, mit dem sie sich zu einer Reise ins Ungewisse aufmachen...

 

Henri Charrière war in den wurde 1933 zur lebenslangen Verbannung in die Strafkolonie Französisch-Guayana verurteilt, von wo aus er mehrere Fluchtversuche unternahm, die ihn über Kolumbien und Venezuela in eine britische Kolonie führten. Seine abenteuerlichen Erlebnisse hielt Charrière in dem Roman "Papillon" fest, der 1973 von Franklin Schaffner verfilmt. Schaffner hatte sich bereits zuvor mit "Planet der Affen" sowie "Patton" einen Namen gemacht und wagte sich jetzt an einen französischen Bestseller. Dass Schaffner einzelne Charaktere detailliert beleuchten kann, bewies er bereits eindrucksvoll in "Patton" und auch in "Papillon" nimmt sich der Regisseur möglichst viel Zeit, den Protagonisten und seine jeweiligen Beweggründe und Motive zu analysieren. Es bleibt bis zum Schluss unklar, ob der Protagonist den Mord, für den er angeklagt und verurteilt wurde, tatsächlich begangen hat. Seine anfangs egozentrisch scheinende Einstellung, sein Bestreben nach Flucht um jeden Preis durchzusetzen, schlägt nach und nach in empathische Regungen um. Rettet er Dega anfangs aus rein finanziellen Gründen das Leben, so entwickelt sich zwischen den beiden schnell eine richtige Freundschaft, für die Papillon sogar während seiner Einzelhaft bereit ist, die schlimmsten Martern hinzuehmen, um Dega nicht verraten zu müssen. "Papillon" ist äußerst meisterhaft gefilmt und ein weiterer Beweis für Schaffners überdurchschnittliches Können. Zu den Höhepunkten des Films gehören die Traumsequenzen während der Dunkelhaft, die in gezogenen Zeitlupe und völlig stumm daher kommen. Insgesamt profitiert der Film neben der hervorragenden Kamerarbeite, den Originalschauplätzen und der detailgetreuen Ausstattung besonders zu Beginn von der dichten Geräuschkulisse wie den hunderten auf dem Pflaster klackernden Absätzen der Gefangenen auf den Straßen von Paris oder den monoton und dumpf stampfenden Maschinen auf dem Gefangenenschiff. Es ist erstaunlich, dass Schaffner es schafft, über 144 Minuten keine Längen aufkommen zu lassen. Ausgerechnet die sehr ereignisarme Episode in Saint Joseph gehört zu den eindrucksvollsten Abschnitten des Films. "Papillon" ist zudem mit großartigen Schauspielern besetzt, die diesen Film endgültig zu einem Meilenstein machen. Steve McQueen ist für "Papillon" perfekt und seine Darstellung des fast dem Wahn verfallen Protagonisten während der Dunkelhaft ist meisterlich. Dustin Hoffmann ist eine hervorragende Besetzung Louis Degas und auch die Nebenrollen sind durchweg überzeugend. Insgesamt ist "Papillon" nicht nur ein herausragender Eintrag in Schaffners Werk sondern ein zeitloser Klassiker, den jeder gesehen haben sollte.

Franklin Schaffner und Jerry Goldsmith arbeiteten gemeinsam an insgesamt sieben Filmen. Dabei wurde der Komponist jeweils zu besonderen Höchstleistungen inspiriert. Während "The Stripper" musikalisch fast noch im Golden Age verhaftet ist, "Planet der Affen" der erste atonale Score der Filmgeschichte ist, "Patton" zu den besten Werken Goldsmiths überhaupt gehört, bilden "The Boys From Brazil" und "Lionheart" hervorragende Einträge in den Werkkatalog der orchestralen Filmmusiken des Meisters. Für "Papillon" schrieb Goldsmith eine sehr charakteristische Musik für schmal besetztes Symphonieorchester, die den Film perfekt untermalt und auch als eigenständige Musik durchgängig großartige Momente bereit hält. Zu den Höhepunkten der Musik gehört das leicht melancholisch angehauchte Hauptthema in Form eines delikaten Mussette-Walzers, das anfangs im Akkordeon über sanfte Begleitung des Orchesters erklingt und später in vollem Tutti ausgespielt wird. Dieses Thema zieht sich in immer neuen Klanggewändern wie ein roter Faden durch die Musik, die mit weiteren Nebenthemen und weiteren Motiven angereichert ist. Hierzu gehört eine klagende Linie der Holzbläser, die die bedrückende Stimmung und die mühsame Arbeit der Gefangenen musikalisch einfängt. Auch das Gefängnis an sich und seine Wärter werden von einer Holzbläserfigur repräsentiert. Des Weiteren komponierte Goldsmith mehrere herrliche eigenständige Stücke, die größtenteils von eigenem Material bestritten werden. Neben der wundervoll verspielten Musik für die Schmetterlingsjagd mit all den quirligen Holzbläserfiguren, den Harfenglissandi und tänzelnden Streichern bildet auch die lange Passage für die Bootsfahrt einen Höhepunkt der Musik. Eine sehr zarte Melodie in impressionistischem Klanggewand mit Flöte und Harfe instrumentiert, fängt die Stimmung auf der See wunderbar ein. Die triumphale und leicht pathetische Musik für die gerade errungene Freiheit mit ihren schillernden Streichern und Blechbläsern ist ebenso herausragend gelungen wie die beklemmende, von heftigen Blechakkorden durchzuckte Musik für die Ankunft der Gefangenen auf der Insel. Ein expressives Solo der Violine unterlegt hier den vergeblichen Fluchtversuch eines jungen Mannes. Auch die Action kommt in dieser Musik nicht zu kurz. Während Papillons kurzer Flucht an Land hetzen die Streicher und treiben die Blechbläser, wobei Goldsmith auf seine typischen Ostinato-Strukturen größtenteils verzichtet.
Zum Filmstart erschien ein LP-Album, das alle wichtigen Passagen in außerchronologischer Reihenfolge enthielt und später identisch auf CD veröffentlicht wurde. Die vollständige Filmmusik wurde erstmals als isolierte Musikspur auf der DVD und wenig später auf CD durch Universal France zugänglich. Für die CD diente wahrscheinlich die DVD-Spur als Quelle, weshalb die Klangqualität nicht immer optimal ist. Besonders in "Freedom" erscheinen die Streicher übermäßig schrill.
Insgesamt schuf Jerry Goldsmith eine herausragende und absolut stimmungsvolle sowie abwechslungsreiche Filmmusik, die in keiner Sammlung fehlen darf.

 

1974

 

Chinatown

Los Angeles 1937: Jake J. Gittes arbeitete als Polizist in Chinatown und hat sich nun als Privatdetektiv selbstständig gemacht. Eines Tages kommt eine Klientin in sein Büro und bittet ihn, ihren Mann zu observieren und nachzuforschen, ob er eine Affäre hat. Bei dem angeblichen Ehebrecher handelt es sich um Hollis I. Mulwray, dem einst mit seinem Partner Noah Cross die kompletten Wasserwerke Los Angeles’ gehörten und sie gegen den Willen Cross’ an die Stadt verkauft hat. Tatsächlich kann der Privatdetektiv dem Ingenieur eine Affäre mit einer hübschen jungen Blondine nachweisen und am nächsten Tag steht es schon in allen Zeitungen. Dann taucht eine Frau in Gittes’ Büro auf, die sich als wahre Frau Mulwray ausgibt und den Privatermittler in Kenntnis setzt, ihn zu verklagen. Kurze Zeit später wird Hollis I. Mulwray tot aufgefunden, angeblich ist er in einem seiner Wasserkanäle ertrunken. Gittes, vom Eifer angespornt und gleichzeitig in die schöne Witwe verliebt, setzt sich in den Kopf, den Fall aufzuklären, doch je mehr er nachforscht, um so mehr gerät er in Gefahr, denn Gittes ist anscheinend in eine mächtige Verschwörung geraten, die bis zu einem einflussreichsten Männern der Stadt führt: Noah Cross, der außerdem Evelyn Mulwrays Vater ist…

Roman Polanskis Hommage an den Film Noir gehört zu den unbestrittenen Klassikern des Kinos. Während die verlockend erscheinende Möglichkeit, auf ein vergangenes Genre zurück blicken zu können, oft pures Epigonentum zur Folge haben kann, ist „Chinatown“ viel mehr als das bloße Abhaken einer Checkliste. Als Vorlage für die Handlung dienen die zwischen 1889 und 1994 ausgetragenen „California Water Wars“. Der Bürgermeister Fred Eaton beauftragte den Chefingenieur und späteren Vorsitzenden des Los Angeles Department of Water and Power – William Mulholland – mit dem Bau eines großen Aquädukts, dass Wasser aus dem benachbarten Owens Valley abführte, sodass das Tal 1926 komplett ausgetrocknet und eine Beackerung nahezu unmöglich war. Die Figur des Hollis I. Mulwray basiert ohne Zweifel auf Mulholland und wird zum Dreh- und Angelpunkt in der Verschwörung rund ums Los Angeles Department of Water and Power sowie die privaten Konflikte der beteiligten Personen. Drehbuchautor Robert Towne spann eine komplexe und von mehreren Wendungen durchzogene Handlung, die als Fundament für einen außerordentlichen Film diente. Neben der detailreichen Ausstattung und den liebevoll gefertigten Kostümen glänzt der Film neben den Schauspielern vor Allem durch Polankis charakteristische Regie. So sind während des Films viele inszenatorische Details ausfindig zu machen, reden Personen realistisch durcheinander oder muten in besonders makabren Situationen unfreiwillig komisch an. Die Figuren sind allesamt klassische Klischees des Film Noirs, die jedoch markant gezeichnet sind und denen sämtliche Schauspieler brillant Leben einhauchen. Jack Nicholson ist die perfekte Wahl für Privatermittler Jake Gittes, der sich zwar elegant gibt, in dem aber nach wie vor der schnoddrige Polizist aus Chinatown steckt und notfalls auch nicht halt vor Gewalt gegen Frauen macht. Faye Dunaway glänzt als mysteriöse Evelyn Cross Mulwray, die – anfangs als Femme Fatale eingeführt – im Verlauf der Handlung immer undurchsichtiger wird. Regiegröße und Schauspielurgestein John Huston interpretiert seinen Noah Cross als grobschlächtig und leicht plump, hält die wahre brutale Natur des ehemaligen Wassermoguls gekonnt bis zum Finale zurück. In einem Cameo-Auftritt ist auch Roman Polanski als skrupelloser Kleingangster zu sehen.
„Chinatown“ ist somit ein absoluter Klassiker ohne jeden Makel und filmisch durch absolute Höchstleistung geprägt.

Ursprünglich war der Komponist Philip Lambro mit der Vertonung von „Chinatown“ beauftragt, doch die Musik wurde abgelehnt und Jerry Goldsmith musste innerhalb von zehn Tagen eine neue Musik fertig stellen, die zum absoluten Klassiker avancierte. Goldsmith wählte für seine Musik pro Film oft sehr unterschiedliche und ausgefallene Besetzungen und auch Chinatown überrascht durch instrumentatorische Sonderbarkeit: Streicher, vier Klaviere, vier Harfen, Perkussion und Solo-Trompete bestreiten den knappen aber äußerst wirkungsvollen Score, der sich konzeptionell in zwei Elemente teilen lässt. Um die Atmosphäre der Zeit sowie der Handlung einzufangen schrieb der Komponist ein elegisch-bluesiges Hauptthema für Solo-Trompete, das sich über nahezu sphärische Flageolett-Akkorde der Streicher legt, die sich mit den Harfen mischen. Dieses Thema ist J. J. Gittes zuzuschreiben und ist von einer starken leicht resignierten aber lässig coolen Stimmung durchzogen. Goldsmith soll dem Solo-Trompeter Uan Rasey gesagt haben: „Spiel’ es, als wäre es Sex – aber schlechter Sex.“ Direkt an das Hauptthema knüpft das sinnliche Liebesthema an, das von den Streichern gespielt und oft auch als Weiterführung des Hauptthemas fungiert. Obwohl das Trompetensolo und das Liebesthema zu den Markenzeichen dieser Musik gehören ist der Score zu „Chinatown“ hauptsächlich avantgardistischer Natur, was sich auch in den zahlreichen Suspense-Szenen niederschlägt. Hier schafft Goldsmith mittels des Mischklangs von mehreren tiefen Gongs und Tamtams einen dunkel hallenden Hintergrund für leichte Klaviereinwürfe, gestrichene Becken, und alternative Spieltechniken der Streicher. Ein kleiner Star der Musik allerdings ist die Guiro, die eine Verknüpfung zum spanischen Element der Stadt Los Angeles schafft und sich oft rhythmusgebend als maßgebendes Soloinstrument durch die Musik zieht. Außerdem gibt es noch zwei sehr ruppige und harsche Passagen für Col Legno-Streicher, tiefes stakkatierendes Klavier und kleine Trommel.
Zum Filmstart erschien ein rund 30-minütiges LP-Programm der Musik, das von den rund 50 Minuten Score weniger als die Hälfte enthielt und mit zeitgenössischen Source-Stücken des Films aufgefüllt wurde. Man muss zu Gute halten, dass nahezu alle wichtigen Passagen auf der LP enthalten sind und die vollständige Filmmusik sich durch die vielen ähnlichen Suspense-Passagen beim Hören in die Länge streckt. Nichts desto trotz wurden einige äußerst effektvolle und interessante Passagen nicht in das Album aufgenommen. Der LP-Schnitt wurde von Varèse 1:1 auf CD wieder veröffentlicht, die allerdings seit Langem vergriffen ist, sodass man auf eine baldige Neuauflage hoffen muss. Hier würde sich anbieten, die vollständige Filmmusik mit chronologisch eingestreuten Source-Stücken zu veröffentlichen, die den Hörfluss etwas auflockern und die Atmosphäre zusätzlich erweitern würden.

 

1975

 

Ransom - Die Uhr läuft ab

Der gefährliche Terrorist Sheperd, der in England durch Sprengstoffexplosionen den Tod von über hundert Menschen zu verursachen hat, bringt den Botschafter von Schweden in seine Gewalt und fordert die Freilassung von fünf inhaftierten Kameraden. Sicherheitschef Colonel Nils Thalvik, der für seine riskanten Aktionen bekannt ist, wird von der britischen sowie der schwedischen Regierung unter Druck gesetzt. Um weitere Anschläge zu vermeiden sollen die Terroristen im Austausch gegen den Botschafter tatsächlich frei gelassen werden. Zur gleichen Zeit entführt der Brite Ray Petrie ein Passagierflugzeug, mit dem die Entführer fliehen sollen, doch das Flugzeug muss wegen eines beabsichtigen Pilotenfehlers notlanden und repariert werden. Das verschafft Thalvik zwar Zeit, allerdings muss er nun an zwei Fronten kämpfen…

„Ransom“ gehört wahrlich nicht zu den Meilensteinen der Filmgeschichte und ist heutzutage auch größtenteils in Vergessenheit geraten. Vor allem fällt auf, dass Regisseur Casper Wrede die Möglichkeiten des Drehbuchs oft nicht ausnutzt, woran häufig der etwas unübersichtlich Schnitt und die uninspirierte Kameraarbeit schuld sind. So gibt es eine ausladende Verfolgungsjagd zwischen zwei kleinen Flugzeugen in der verschneiten Berglandschafts Schwedens, doch durch den unübersichtlichen Schnitt verliert man schnell den Überblick, welches Flugzeug eigentlich welches verfolgt und wo hingeflogen wird. Sheperd, der angeblich gefährliche Terrorist wird schnell zur Randfigur degradiert, als der Handlungsstrang mit Ray Petrie einsetzt. Hat man eine Stunde hölzerne Dialoge in uninspiriert in Szene gesetzter verschneiten Landschaft über sich ergehen lassen, wartet der Film allerdings mit einigen schicken Kniffen und Wendungen auf, die immerhin zum Ende ein gehöriges Maß an Spannung aufkommen lassen, das man in den ersten zwei Dritteln vergebens sucht. „Ransom“ ist ein schöner Beweis, dass ein bekannter Star noch lange keinen guten Film garantiert, jedoch vermag Sean Connery als entschlossener wortkarger Thalvik zu überzeugen. John Quentins Potential kann man nur vermuten, da sein Sheperd viel zu schnell als Mittel zum Zweck genutzt wird. Ian McShanes Ray Petrie ist keine allzu große Glanzleistung und bleibt wie die meisten Figuren recht blass, sodass „Ransom“ insgesamt mit seiner unbeholfenen Regie, den hölzernen Dialogen und den auf mittlerem Niveau agierenden Schauspielern kaum ein Garant für spannende Unterhaltung darstellt und auch zu recht in Vergessenheit geriet.

1974 komponierte Jerry Goldsmith fast nur ausschließlich für’s Fernsehen, da Filmangebote ausblieben. Erst mit „Chinatown“ meldete sich der Komponist wieder zurück, auf den eine weitere Ersatzmusik für einen abgelehnten Score folgte: „S*P*Y*S“, bis das kommende Jahr schließlich von „Ransom“ eröffnet wurde. Hier fällt auf, dass Goldsmith, der bisher oft auf kleinere Besetzungen zurück griff, für die er die Instrumente immer wieder neu zusammen stellte, dieses Mal auf ein konventionell besetztes Symphonieorchester setzte und so eine relativ „große“ Musik schrieb. Vielleicht erkannte er die Schwächen des Films und versuchte, durch eine vereinnahmende Musik den Bildern einen seriösen Anstrich zu verpassen. Obwohl der Film durch keine emotionale zwischenmenschliche Beziehung punktet, komponierte Goldsmith als Hauptthema eine sehr lyrische Melodie, die vorerst von der Oboe über gezupfte Streicher vorgetragen und später in voller Orchesterbesetzung inklusive krönenden Beckenschlags voll ausgespielt wird. Diese ausschweifende Melodie ermöglicht größere musikalische Bögen, was insbesondere bei der Flugzeugjagd auffällt, in der es der Musik tatsächlich gelingt, die aneinander gereihten Bilder bis zu einem gewissen Grad zu binden. Die Suspensepassagen werden meistens von einem pulsierenden Rhythmus der Pauke oder gedämpften Röhrenglocke fundiert, über die sich einzelne Klavierfiguren oder kurze Passagen für Cembalo legen. Für die Actionpassagen komponierte Goldsmith ein kräftiges Hornmotiv, das oft von donnernden Rührtrommeln und lang gezogenen Holzbläserakkorden abgelöst wird. Insgesamt ist Goldsmiths Musik vielleicht das Einzige, was diesen Film sehenswert macht, denn auch, wenn es sich nicht um einen Meilenstein in seinem Actionscoring oder seinen großsymphonischen Musiken handelt, ist ihm dennoch eine gelungene und wirkungsvolle Partitur sowie ein schönes Thema gelungen.
Die Albumpräsentation ist allerdings skandalös: Da anscheinend die Masterbänder nicht auffindbar sind, muss stets auf den alten Albumschnitt für die LP zurück gegriffen werden, der äußerst hallig abgemischt ist und zu dem drei Stücke doppelt enthält, obwohl der Platz mit weiterer Musik hätte ausgefüllt werden können, sodass von 34 Minuten letzten Endes nur 26 Minuten Originalmusik verbleiben. Erstmals von Silva Screen zusammen mit „The Chairman“ in miserabler Tonqualität auf CD gepresst, brachte Prometheus Records die Musiken einzeln heraus, was in Anbetracht der kurzen Laufzeit beider Alben pure Geldschneiderei darstellt. Allerdings ist die Klangqualität deutlich verbessert worden – als Quelle diente anscheinend eine sauber restaurierte LP. Das Begleittext ist gewohnt klobig gestaltet, aber der Text ist unter dem Label-Standart anzusiedeln, da nur sporadisch auf die Musik eingegangen wird, allerdings oftmals auf die Schwächen des Films hingewiesen wird, was nur mäßig interessiert. Letzten Endes dürfte „Ransom“ wegen des halligen Klangs und der unzufriedenstellenden Albumpräsentation nur etwas für Goldsmith-Sammler sein. Es ist zu wünschen, dass bald die Masterbänder gefunden und vollständig veröffentlicht werden, denn eigentlich ist die Musik besonders wegen des symphonischen Charakters eine reizvolle Erweiterung der Actionsammlung dieses Komponisten.

 

 

Breakout - Der Mann ohne Nerven

Jay Wagner verbringt mit seiner Frau Anne die Ferien in Mexiko. Das große Familienunternehmen ist von Aktionären und dem korrupten Seniorpräsidenten Harris Wagner - Jays Großvater - in dunkle Machenschaften verwickelt. Da Jay die geheimen Verträge und Geschäfte des Konzerns offenlegen könnte, organisieren die Anwälte des Unternehmens eine Mordanklage, sodass er in Mexiko verhaftet und auf 28 Jahre Freiheitsentzug im Bundesgefängnis verurteilt wird. Während Anne versucht, ihrem Mann mit legalen Mitteln zu helfen setzt dieser auf die Bestechlichkeit der Wärter, doch sein Fluchtversuch wird aufgedeckt. Anne sieht ein, dass sie gegen die Behörden machtlos ist und schaltet den Piloten Nick Colton ein, der Jay während der Zwangsarbeit auf dem Feld direkt mit einem Flugzeug abholen soll. Dieser sowie ein weiterer Plan scheitern, denn stets sind die Wärter informiert und vereiteln die Flucht. Der Druck auf Anne wird immer größer, denn ihr Mann wird nicht nur von Tag zu Tag verbitterter, auch seine Gesundheit verschlechtert sich unter den schlechten Umständen. Colton fasst einen waghalsigen Entschluss: Mit einem Helikopter will er als Wärter verkleidet direkt in den Innenhof des Gefängnisses fliegen und Jay Wagner so direkt befreien...

1791 wurde Joel David Kaplan, dem Kontakte zur CIA nachgesagt wurden, von dem Piloten Vasilios Basil Choulos aus einem mexikanischen Gefängnis befreit. Wenig später erschien der Roman "The Ten Second Jailbreak - The Helicopter Escape of Joel David Kaplan" auf dem "Der Mann ohne Nerven" basiert. Charles Bronson war bereits in den 60er Jahren in Ensemblefilmen wie "Gesprengte Ketten" oder "Das dreckige Dutzend" in Erscheinung getreten, doch erst in den 70ern wurde er durch die Verkörperung des einsamen Helden, der die Gerechtigkeit vertritt und dazu auch zur Waffe oder illegalen Mitteln greift, zum Star. Das Publikum begrüßte Figuren wie Bronsons Paul Kersey oder Clint Eastwoods "Dirty Harry", die das Gesetz selbst in die Hand nahmen und in den Straßen aufräumten, dass unbescholtene Bürger wieder aufatmen konnten. Somit ist "Der Mann ohne Nerven" klar ein Action- und Starvehikel, wartet allerdings mit einer gehörigen Portion guter Laune und Humor auf. Trotz der rar gesäten aber dafür heftiger Gewaltszenen verbreitet dieser Film eher die Atmosphäre einer Actionkomödie. Der Vorspann ist mit seinen plötzlich einfrierenden Bildern und den Überblendungen in Zeitlupe deutlich an Sam Peckinpah angelehnt, wirkt allerdings bedeutend unbeholfener. Abgesehen von den ersten vier Minuten jedoch ist "Der Mann ohne Nerven" angenehm ansprechend fotografiert und geschnitten. Der Film ist äußerst kurzweilig, baut jedoch keinen großen Spannungsbogen auf sondern setzt bei jedem Fluchtversuch neu an. Erst bei Bronsons finalem Versuch und der anschließenden finalen Episode gelingt es Tom Gries, die heitere Atmosphäre zu Beginn ohne Bruch in einen angespannten Thriller zu verwandeln. Die Konfrontation beider Parteien am Ende ist angenehm schnell und konsequent gelöst. Einen gehörigen Teil zu dem gelingen des Films steuern ohne Frage die Hauptdarsteller bei, allen voran Charles Bronson, der seinen kernigen Abenteurer um eine sympatische unbeholfene Seite bereichert und dessen Einzeiler es ohne Frage mit denen Bud Spencers aufnehmen könnten sowie Jill Ireland als Anne Wagner, die weder die Hoffnung noch den Glauben an Coltons Fähigkeiten aufgibt. Die Stimmung zwischen den beiden ist prächtig ausbalanciert. Robert Duvall als unschuldig gefangener und an seiner Situation verzweifelnder Jay Wagner macht seine Sache ebenso gut. Besonders in Anbetracht der engagierten Hauptdarsteller, dem überzeugenden Drehbuch und der handwerklich einwandfreien Regie ist es besonders schade, dass die Drahtzieher des Komplotts äußerst blass bleiben. Besonders John Huston gelingt es kaum, die Hin- und Hergerrisenheit zwischen familiärer Sentimentalität und Skrupellosigkeit deutlich zu zeigen und auch der fiese Killer und Anwalt hätte um einiges drastischer sein können. Insgesamt ist der damals recht erfolgreiche Film heute als einer von unzähligen Actionfilmen der 70er Jahre in Vergessenheit geraten und ob der das Geld für die vergriffene DVD wert ist, bleibt fraglich, doch im Fernsehen gezeigt bietet "Der Mann ohne Nerven" eine erfrischende und heitere Abwechslung.

1975 hatte Jerry Goldsmith sich bereits mit Werken wie "Patton", "Papillon", "The Blue Max" und "Planet of the Apes" einen Platz in der Riege der hervorragenden Filmkomponisten gesichert und steuerte nach einem Jahr, in dem er hauptsächlich für's Fernsehen arbeitete, auf den Höhepunkt seiner Karriere zu. Er und Tom Gries hatten bereits 1969 für "100 Gewehre" zusammen gearbeitet und 1975 sollten mit dem Dreiergespann Bronson, Gries und Goldsmith sogar zwei Filme entstehen: "Breakheart Pass" und "Der Mann ohne Nerven". Goldsmith, der seit Beginn seiner Laufbahn mit der üppigen spätromantischen Vertonung des Golden Age brach, vertrat ein an Bartok und Stravinsky angelehnte Klangidiom, was ihn zu einem besonders versierten Komponisten im Horror, Action- und Thrillerbereich machte. Dabei setzte der Komponist seine Besetzungen oftmals ökonomisch orchestriert und kammermusikalisch ein, ohne jedoch auf markante Klangkombinationen zu verzichten. Für "Breakout" stand ein schmal besetztes Orchester mit immerhin zweifachen Holzbläsern und Blech zur Verfügung, dass um Gitarre, einen E-Bass und ein Klavier sowie Harfe erweitert wurden. Das Schlagzeug wurde ebenfalls mit einigen charakteristisch südamerikanischen Elementen wie dem Marimbaphon, Claves und Castagnetten bereichert. Auch für "Der Mann ohne Nerven" griff der Komponist auf avantgardistische Suspensepassagen sowie knackiger Action, lockerte die Musik jedoch zusätzlich durch eine Prise Lokalkolorit auf. Gleich zu Beginn wird die Musik von einem boleroartigen Rhythmus eröffnet, der - unter Anderem mit Marimbaphon und Gitarre instrumentiert - die in Mexiko geschmiedete Verschwörung reflektiert. Für die Grenzüberfahrt der Helden komponierte Goldsmith ein fröhliches Stück, das mit den südamerikanisch klingenden Trompetenmelodien, der schrillen Es-Klarinette und den treibenden Akkorden der Gitarre fast schon Fiesta-Stimmung aufkommen lässt. Für die sentimentalen Szenen zwischen Anne und ihrem Ehemann oder Colton schrieb der Komponist eine sehr lyrische Melodie, die von ihrem Charakter sehr an die zwei Jahre vorher entstandene Sarabande aus "Hawkins on Murder" erinnert. Die Actionpassagen werden nicht durch markante und ungerade Taktwechsel sondern durch sich überlagernde Schichten gestaltet. Die tragendsten Elemente sind neben einem kurzen Actionmotiv hauptsächlich eine Tonfolge, die von zwei kleinen Terzen bestritten wird und mal mysteriös in der Harfe erklingt oder in voller Wucht von der Pauke gehämmert wird. Trotz der sehr modernistischen Grundstimmung der Musik fügen sich die lyrischen sowie die südamerikanischen Teile homogen in den Gesamtklang ein - eine stärke, die Goldsmith auch später in "High Velocity" oder "Cabo Blanco" beweisen sollte. Die vollständige Musik mit genau 40 Minuten Laufzeit wurde 1999 erstmals als limiterte Auflage von Prometheus Records veröffentlicht. Der Begleittext enthält einige nette Informationen über den Film und auch die Musik, erreicht allerdings keinesfalls den Standart der limiterten Auflagen aus dem Hause Intrada, Varèse und schon gar nicht FSM. Doch so durchwachsen das Booklet so hervorragend ist die Klangqualität der Musik auf CD. Die Aufnahmen sind äußerst rauscharm und klingen sehr detailreich und frisch. Ist der Film auch kein Meilenstein, so entpuppt sich "Breakout" als weitere filmmusikalische Perle im vielfältigen Schaffen Jerry Goldsmiths und sollte in keinem Regal fehlen.

 

 

Der Wind und der Löwe

 

Die verwitwete Eden Perdicaris lebt in Marokko, das um 1904 Objekt der Begierde für die Führung des deutschen Reichs, des britischen Imperiums, Frankreichs und Amerikas ist. Der marokkanische Sultan Abd El-Aziz, der zugleich der Neffe des Paschas von Tanger ist, führt eine europafreundliche Politik, doch ist er eigentlich nur eine Marionette seines Onkels. Der Bruder des Paschas, Raisuli, ist der Anführer eines Berberstammes, nachdem ihn sein Bruder, der Pascha, verhaften ließ, doch die vielen Jahre in der Zelle konnten Raisuli nicht töten. Nun versucht der Stammesführer, einen internationalen Zwischenfall zu provozieren und die Großmächte heraus zu fordern, indem er die amerikanische Staatsbürgerin Eden Perdicaris mit ihren beiden Kindern Williams und Jennifer aus deren luxuriösen Villa entführt. Die junge Witwe glaubt an die Macht des amerikanischen Präsidenten, Theodore Roosevelt, der sich gerade im Wahlkampf befindet und den Zwischenfall in Marokko für seine Zwecke nutzt. Er hofft, die Macht und Überlegenheit der amerikanischen Armee in dieser Angelegenheit unter Beweis stellen zu können und so die europäischen Konkurrenten einzuschüchtern. Eine geglückte Rettungsaktion der Mutter und ihrer Kinder würde Roosevelt außerdem viele amerikanische Wählerstimmen einbringen. Während Eden Perdicaris’ Kinder die Ritte durch die Wüste und das naturverbundene Lebenden der nomadischen Krieger als unterhaltsames Abenteuer wahrnehmen, ist die Witwe von dem Verhalten Raisulis abgestoßen. Nachdem die Familie von den Berbern in dere Festung im Rif, einem Gebirgszug gebracht wurde, besticht sie einen der Männer, sie aus der Festung und durch die Wüste führen soll, doch dieser entpuppt sich als Betrüger, der die Mutter mit ihren Kindern an eine Gruppe Menschenhändler verkauft, die in der Wüste leben…

 

Regisseur John Milius ist den meisten Cineasten durch „Conan der Barbar“ oder „Die rote Flut“ im Gedächtnis geblieben. Solche Filme bilden mit äußerst bedenklichen moralischen Werten und teils sogar gefährlicher Propaganda die Kehrseite des anerkannten Autorenfilms. „Der Wind und der Löwe“ allerdings ist frei von gewaltverherrlichenden, propagandistischen Inhalten, ohne dass Milius auf seine Lieblingsthemen verzichten muss. Auch hier geht es um starke Männer, Persönlichkeiten, denen Ruhm und Ehre alles bedeuten. Milius nutzt einen wahren Vorwand, um Macht und Einfluss geschickt von mehreren Seiten zu beleuchten. Theodore Roosevelt und Raisuli sind militärische Führer, verfügen über Gefolgsleute und versuchen, mit ihren Taten die Politik in ihrem Interesse zu beeinflussen. Trotzdem sind die beiden Männer, die sich nie begegnen, völlig unterschiedlich. Roosevelt, der sein Cowboy-Image pflegt, Briefkontakt mit dem Waffenhersteller Winchester pflegt und den starken, schlauen aber einsamen Bären als wahres Symbol für Amerika und seine Bürger sieht, trifft seine Entscheidungen von seiner Ideologie und der Hoffnung auf einen erneuten Wahlsieg geleitet. Raisuli ist ein Mann der Natur und ein Krieger, der sich in vorderster Reihe ins Gefecht stürzt. Letzten Endes gibt es zwischen den beiden Männern weder einen Gewinner noch einen Verlierer, stattdessen gibt es ein versöhnliches Finale. Filmisch wandelt „Der Wind und der Löwe“ auf den Pfaden berühmter Abenteuerklassiker wie „Lawrence von Arabien“ und vermittelt durchweg eine sehr nostalgische Stimmung. Trotzdem schafft es Milius, auch zeitgenössische Strömungen aufzugreifen wie z.B. bei der letzten Konfrontation, die stark an eine ähnliche Szene aus Peckinpahs „The Wild Bunch“ erinnert. Opulent ausgestattet und in der kargen spanischen Landschaft gedreht erinnert der Film an die großen Leinwandepen des Golden Age. Doch Milius beweist nicht nur, dass er sich in der wieder zum Leben erweckten Materie bestens auskennt, auch sein Talent für furiose Actionszenen beschert dem Zuschauer äußerst rasante und explosive Gefechte. Ob Mann gegen Mann, der Dynamit-geladene Schlusskampf oder die spektakuläre Entführung der Perdicaris’ – den famos gefilmten und geschnittenen Actionszenen geht niemals die Puste aus. Nicht nur filmisch, auch darstellerisch kann „Der Wind und der Löwe“ voll und ganz überzeugen. Sean Connery ist eine ideale Besetzung für Raisuli, den noblen Anführer eines Berberstammes und auch Candice Bergen füllt die Rolle der entführten Witwe voll und ganz aus. Ihre aggressiven Ausbrüche gegenüber den Entführern sowie ihr intensives Spiel in melancholischen Szenen lassen die Empfindungen der Frau und Mutter voll und ganz nachvollziehen. Brian Keith ist nicht nur optisch eine treffende Besetzung für Theodore Roosevelt, er schafft es zusätzlich, die schmale Gratwanderung zwischen aufgeblähter Aufschneiderei und ideologischem Optimismus ohne peinliche Übertreibung zu vollziehen. Insgesamt ist „Der Wind und der Löwe“ ohne Zweifel auch heute noch einer der sehenswertesten Abenteuerfilme, die nach dem Ende des Golden Age entstanden sind.

 

„Der Wind und der Löwe“ war der erste Breitwandabenteuerfilm, den Jerry Goldsmith vertonen sollte. Mitte der 70er Jahre steuerte der Komponist zielstrebig auf den Höhepunkt seiner Karriere zu, der sich von den späten Siebzigern bis zu den frühen Achtzigern erstrecken sollte. Auch die Musik zu John Milius’ Wüstenabenteuer gehört zu den herausragenden Arbeiten Jerry Goldsmiths, der sich hier deutlich an den schwelgerischen Musiken eines Maurice Jarre orientiert, aber dennoch seinen eigenen modernistischen und zurückgenommenen Stilismen treu bleibt. „Der Wind und der Löwe“ als orchestrale Abenteuermusik zu bezeichnen, wäre etwas zu kurz gegriffen, denn neben mehreren exotischen Soloinstrumenten wie der Oud und der griechischen Bouzoucki verfügte der Komponist über eine äußerst vielseitig bestückte Schlagwerkgruppe, die nicht selten die Führung übernimmt. „Der Wind und der Löwe“ ist durch mehrere Leitmotive strukturiert. Wie in mehreren späteren Partituren spielt auch in dieser Musik die Quinte eine wichtige Rolle. Dieses archaisch und nackt wirkende Intervall findet bei Goldsmith stets in Zusammenhang mit kriegerischen Elementen wie den Klingonen in „Star Trek“ oder den tapferen Helden in „Der erste Ritter“ auf. In „Der Wind und der Löwe“ taucht die Quinte stets als Rufmotiv in den Hörnern über kräftige Schlagwerkattacken auf und verbindet die beiden Themen der Antagonisten Raisuli und Roosevelt. Während der Berberführer mit einem heroischen Thema bedacht wird, das entweder als kräftige Melodie der Trompeten erklingt oder sanft von den Streichern oder Holzbläsern gespielt wird, so ist das Thema für Roosevelt von sanfterer und gediegenerer Natur. Beide musikalische Signaturen beginnen mit der Quinte und stellen so die Gemeinsamkeiten der beiden Männer heraus. Der Witwe Perdicaris ist kein eigenständiges Leitmotiv zugedacht, doch wenn ab der zweiten Hälfte des Films die Gefühle der Frau zu Raisuli erwachen, führt Goldsmith ein Liebesthema ein, das wie so oft bei diesem Komponisten mehr ein inniges und sanftes Gefühl als überromantisierte Schwelgereien musikalisch widerspiegelt. Von melodischer Schlichtheit erklingt das Liebesthema als Solo der Holzbläser oder sanft in den Streichern, aber niemals ausufernd oder in vollem Orchestertutti. Den Kriegern des Berberstammes sind gleich zwei Themen zugeordnet: Ein orientalisches Actionthema, das während der Kampfszenen in den Violinen erklingt und von der für orientalische Skalen typischen übermäßigen Sekunde geprägt sowie eine weitere Melodie für das alltägliche Leben der Araber. Die verschiedenen Armeen bedachte Goldsmith mit bedrohlichen Marschmotiven des Schlagwerks, das vor dem Finale beim Aufeinandertreffen der einzelnen Nationen stark an Fieldings Musik zu „The Wild Bunch“ erinnert – eine Hommage, die sich in der gesamten Gestaltung der Szene von selbst erklärt. Auch die erste Actionmusik wird allein von der Perkussion bestritten: Hämmernde Metallschläge und sich überlappende binäre und ternäre Rhythmen verleihen den virtuosen Actionszenen eine zusätzliche Rohheit. Doch nicht nur beim Einsatz des Schlagzeugs stellt Jerry Goldsmith seine Kenntnisse über alternative Spieltechniken unter Beweis. Insbesondere die Wüstenszenarien waren für den Komponisten eine gute Möglichkeit, diverse alternative Spieltechniken einzusetzen. So erklingen zerrissene Motivfetzen der Piccoloflöte über vierteltönig gestimmte Fagotte und nach dem Anschlag in Wasser getauchte Glocken während der Morgenstimmung um Berberlager, sorgen über den Klavierkasten gezogene Gummibälle für morbide Klänge oder bildet die Windmaschine zusammen mit dem Becken schon fast einen sprechenden Chor. Für eine kommerzielle Veröffentlichung spielte Jerry Goldsmith gut die Hälfte der Musik neu ein und nahm wie gewöhnlich einige Veränderungen in der Partitur vor. Diese LP-Version wurde von Intrada auf CD veröffentlicht, war aber bald vergriffen, sodass „Der Wind und der Löwe“ zu einer sehr kostspieligen Investition wurde. 2008 jedoch veröffentlichte Intrada mit der Unterstützung Lukas Kendalls die vollständige Originaleinspielung, die LP-Aufnahme und sämtliche Source-Stücke auf einem 2-CD-Set, das keine Wünsche mehr offen lässt. Die sehr ausführlichen Informationen des prall gefüllten Booklets enthalten neben genauen Angaben zu Film, der Instrumentation und der Musik allgemein einen detaillierten Hörführer durch die Musik. Dieses Set ist also ein Muss für Goldsmith-Fans und Freunde der Abenteuermusik!

 

Take a hard ride - Einen vor den Latz geknallt (Tote brauchen keine Dollars)

Der Rancher Bob Morgan verkauft in Amerika eine große Rinderherde für 86 000 Dollar, doch kurz nachdem er seiner Familie von dem erfolgreichen Geschäft und seiner baldigen Heimkehr telegraphisch berichten kann, stirbt er auf offener Straße an einem Herzleiden. Mit letzter Kraft nimmt er seinem Vormann Pike das Versprechen ab, den Erlös zurück nach Senora zu bringen, wo man mit dem Geld eine bessere Heimat für die Bewohner schaffen solle, in der alle Menschen gleich sind. Pike, der farbig ist, scheint die Idee seines Bosses aus der Seele zu sprechen, allerdings scheint er in Bezug auf die Umsetzung skeptisch. Dennoch macht er sich bald nach Mexiko auf, doch schon auf seiner ersten Rast wird er von Banditen unter Beschuss genommen. Der ebenfalls schwarze Spieler Tyree kommt dem in die Enge getriebenen Cowboy gerade noch rechtzeitig zu Hilfe und obwohl Pike dem gut gekleideten Dandy misstraut, reiten die beiden gemeinsam weiter. Dabei macht Tyree von Anfang an deutlich, dass diese Allianz nur bis zur mexikanischen Grenze bestehen wird. Währenddessen scheint das gesamte Umfeld von dem mysteriösen schwarzen Cowboy mit einem Vermögen in der Satteltasche erfahren zu haben. Der gefährliche und gewissenlose Kopfgeldjäger Kiefer schart mehrere Tagelöhner um sich und verlangt, dass man entweder unter ihm reitet oder von Pike ablässt. Inzwischen werden dieser und sein Sattelgefährte Zeuge eines Überfalls auf den Planwagen eines Missionars und eilen zur Rettung. Zwar kann dem Mann nicht mehr geholfen werden, allerdings schließen sich ihnen dessen Witwe Catherine und der stumme Halbindianer Kashtok an, der neben enormer körperlicher Ausdauer auch über Karatekünste verfügt. Catherine arbeitete einst in einem Bordell, bevor ihr Mann sie aus der Prostitution befreite. Auch Kiefers Mannschaft bekommt Verstärkung, denn der Kopfgeldjäger erbittet erfolgreich Unterstützung von dessen ehemaligem Kriegskameraden Halsey, einem fanatischen und streng religiösen Bandenführer, der sogar über ein Maschinengewehr verfügt, um die Sünder von der Erde zu tilgen. Es beginnt eine atemberaubende Hetzjagd auf die vier Gefährten...

In den mittleren 70er Jahren hatte der Western bereits seinen Tiefpunkt erreicht. In den Anfängen des Films wegen formelhafter Inhalte und niedrigen Produktionswerten verpönt, erreichte das Genre sein Zenit während des goldenen Zeitalter Hollywoods bis in die 60er Jahre, bevor das dem Western zu Grunde liegende Heldentum gepaart mit stark moralisch angerührtem Pathos mit dem von dem Vietnamkrieg geprägten Zeitgeist stark kollidierte und in den frühen 70er Jahren der Spätwestern mit melancholischen Inhalten, die oftmals vom Scheitern der klassischen Westernhelden im Kampf gegen die vorrückende Zivilisation handelten, Einzug hielt. "Take a Hard Ride" ist ein offensichtlicher Versuch, den Western mit damals in Mode gewesenen Genres zu mischen, sodass eine teilweise groteske und comichafte Verbindung unterschiedlicher Elemente den Ritt nach Mexiko charakterisieren. Dabei reitet der Film mit den beiden farbigen Hauptdarstellern Jim Brown und Fred Williamson deutlich auf der Welle des in den 70er Jahren sein Zenit erreichende Blaxpoitation-Genres. Das Verhältnis zwischen den beiden Protagonisten entspricht zusätzlich dem Buddy-Movie, während Kashtoks Kampfkünste für eine Prise Kung Fu sorgen. Da der Film nahezu vollständig in Europa gedreht wurde, ist "Take a Hard Ride" ein Italowestern, was besonders durch die Mitwirkung Lee van Cleefs bestätigt wird. Die ausladende Musik Jerry Goldsmiths bedient allerdings den amerikanischen Aspekt und verleiht dem Film deutlich mehr Hollywood-Charakter. Langweilig wird es dabei nie, denn trotz der äußerst simplen Handlung sorgen neben der abwechslungsreichen Besetzung unzählige Schusswechsel, rasante Verfolgungsjagden zu Pferd, einstürzende Hängebrücken und explodierende Minenschächte für allerlei Unterhaltung. Lediglich das Ende, das einen nötigen Showdown halbherzig umgeht und somit zu den bleihaltigen vorigen Actionszenen etwas abfällt, vermag nicht so recht zu dem überbordenden Konzept des Films zu passen.
"Take a Hard Ride" versammelt auf der Reise nach Mexiko mehrere Charakterdarsteller verschiedener Genres. Dabei bewältigt Jim Brown die Rolle des aufrechten Helden stets souverän, während Fred Williamson in blauem Anzug und starkem afroamerikanischen Slang teilweise etwas bemüht wirkt. Lee van Cleef wirkt etwas in die Jahre gekommen, doch darüber tröstet der stechende Blick aus seinem falkenhaften Gesicht mehr als hinweg. Catherine Sparkes Leistung als Catherine ist unspektakulär. Auch Jim Kelly, Karatemeister und Schauspieler, dürfte mit seinen im Wilden Western völlig fehlplatzierten Kampfeinlagen zu den exotischsten Aspekten des Films gehören, allerdings schöpft auch er das Potential seiner Rolle nicht voll aus. Ronald Howard hingegen scheint die Rolle des fanatischen Halseys, der jeden Satz in pathetischem Predigton äußerst, sichtlich Spaß zu machen.
Letzten Endes übertrifft sich in diesem Film niemand selbst, sodass sämtliche Darsteller ihre zugegebenermaßen eindimensionalen Rollen sehr oberflächlich spielen und dabei einige mehr, einige weniger im Gedächtnis bleiben. Dem Film tut das in seiner charmant überzogenen Weise jedoch keinen Abbruch. "Take a Hard Ride" ist wahrscheinlich eine der konfusesten Mischungen verschiedener Elemente der Filmgeschichte und innerhalb des Westerns nahezu einzigartig. Groteskerweise scheint sich der Streifen auch noch ernst zu nehmen, doch vielleicht ist es die dadurch entstehende Ironie zwischen dem Inhalt und wie er dargeboten wird, der "Take a Hard Ride" auch abseits der schicken Landschaft und feurigen Action unterhaltsam macht.

Obwohl Jerry Goldsmith bis heute besonders hauptsächlich wegen seiner avantgardistischen Thrillermusiken und seinen kompromisslosen Partituren für Actionfilme hohes Ansehen genießt, so waren es zu Beginn seiner Karriere besonders die Western, die dem aufstrebenden Komponisten den Aufstieg auf der Karriereleiter ermöglichten. Seine ersten Arbeiten für das Kino waren die Westernmusiken zu "Black Patch" und "Face of a Fugitive", "Lonely Are the Brave" war der erste große A-Film und mit "Rio Conchos" formulierte Goldsmith seine zielstrebige Actionmusik erstmals vollorchestral aus. Die Westernmusiken Jerry Goldsmiths sind hauptsächlich durch sein feines Gespür für folkloristische Melodien, den starken Einfluss lateinamerikanischer Elemente, raffinierte Orchestrierung und geschickt gestaltete Actionmusik geprägt, wobei der Komponist jeden Western nach den individuellen musikalischen Bedürfnissen des Stoffes oder des Stils bediente. Während "Hour of the Gun" ein klassischer, gradliniger Americana-Westernscore ist, so weist die Partitur zu "Bandolero!" deutliche Einflüsse der Italowesternmusik auf und für "Wild Rovers" hob Goldsmith sein melodisches Empfinden in Verbindung mit der Handlung auf ein neues Niveau.
"Take a Hard Ride" gehört zu den letzten Westernvertonungen des Komponisten, der 1975 bereits auf elf Werke für das Genre zurückblicken, wovon die Musik deutlich profitiert. Dem Film selbst entsprechend, der sich wegen all der unterschiedlichen Versatzstücke aus europäischen und amerikanischen Western und anderer Genres, ist die Musik stilistisch äußerst vielfältig, ohne jedoch in ihre Einzelteile zu verfallen. Der amerikanischen Tradition entsprechend komponierte Goldsmith die Musik für ein durchschnittlich besetztes Symphonieorchester, das um einige folkloristische Soloinstrumente erweitert ist. Neben der akustischen Gitarre und der Mundharmonika besetzte der Komponist allerdings auch besonders im Italowestern prominent vertretene Instrumente wie die E-Gitarre, Blockflöte oder die Mandoline.
Im Zentrum der Musik steht das äußerst lyrische Hauptthema, das ohne Zweifel zu den schönsten und cantabilsten melodischen Einfällen des Komponisten gezählt werden kann. Schon im Vorspann lässt Goldsmith es anfangs folkloristisch instrumentiert in der Mandoline erklingen und von der Blockflöte weiterführen, bevor es als strahlende Streichermelodie in bester Americana-Manier erklingt. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Musik und ist auch häufig in den Actionpassagen vertreten. Dem Thema ist außerdem ein kurzes, prägnantes Motiv in Form eines fallenden Qaurtenakkords zugeordnet, das erstmals als kecker Ruf der Piccoloflöte erklingt und unzählige Mal im Verlauf der Musik in fast allen Besetzungen und Formen hervorschimmert. Das Gegenstück zu diesem kurzem Rufmotiv ist die prägnante viertönige Motivzelle, aus der Goldsmith seine treibende Begleitung für die Actionpassagen gewinnt. Dieses Actionmaterial ist ebenfalls aus einem Quartenakkord gewonnen, nur aufsteigend, sodass beide Motive raffiniert miteinander verknüpft sind. Ein weiteres wichtiges Element der Musik bildet das Material für den Kopfgeldjäger Kiefer, der mehrmals im Film beim Spielen einer Mundharmonika zu sehen ist. Es ist naheliegend, dass Goldsmith Kiefer auch in seiner Musik die Mundharmonika zuordnet und für den einsamen Kopfgeldjäger einer leicht melancholisch eingefärbte Melodielinie schrieb, die teilweise von rau tröpfelnden Syntheffekten unterlegt wird. Diese elektronischen Elemente gehören zu den frühen Experimenten des Komponisten mit nicht akustisch erzeugten Klängen und verleihen der Musik auch während des Films einen bizarren Anstrich, der allerdings um einiges besser funktioniert als die Synthpassagen für die Bösewichte in "Breakheart Pass". Kashtoks asiatische Kampfkünste unterlegte der Komponist mit brachialen Ausbrüchen des Schlagwerks in Form von Tomtoms und Pauken, deren Struktur durch parallele binäre und ternäre Schichten geprägt ist. Auch jenseits dieser die Musik dominierenden Elemente schuf Goldsmith einen äußerst unterhaltsamen Westernscore voller lyrischer Einfälle, ausschweifenden Melodienbögen, motivisch-thematischer Raffinesse in einem vielfarbig instrumentierten Klanggewand. Besonders die langen durchkomponierten Actionpassagen, die noch nicht auf der strengen ostinativen Idee der späteren Actionscores basieren oder die flirrende Musik für die Überquerung des Abgrundes auf einer alten Hängebrücke gehören zu den herausragenden Momenten der Musik.
Da es zum Filmstart keine Album-Veröffentlichung gab, bildet die Suite auf der berühmten Dinner-CD der Filmmusic Society die erste Veröffentlichung zu "Take a Hard Ride", bevor FSM 2000 die vollständige Filmmusik in Form einer hochwertigen Edition veröffentlichte, die mittlerweile allerdings ausverkauft ist. Die von Goldsmith spezifisch für die einzelnen Szenen komponierte Partitur wurde von Regisseur Antonio Margheriti allerdings mehrfach umgeschnitten, teilweise wieder verwendet oder nicht im Film eingesetzt. Für die CD-Veröffentlichung standen die vollständigen mehrkanaligen Masterbänder zur Verfügung, sodass die Musik in bestechend gutem Klang zu hören ist. Das wie immer hervorragende Begleitheft bietet in einem reich bebilderten Begleittext detaillierte Informationen über Film und Musik.
"Take a Hard Ride" mag vielleicht nicht den intellektuellen Gehalt von "100 Gewehre" haben, dennoch schuf Jerry Goldsmith einen herrlich lyrischen großorchestralen Westernscore, der unterhält und mitreißt! Es bleibt also zu hoffen, dass die hervorragende Musik einmal neu aufgelegt wird!

 

Breakheart Pass - Nevada Pass


In Fort Humboldt ist die Epidemie ausgebrochen und somit bahnt sich ein Transport der US-Armee seinen Weg durch die verschneiten Rocky Mountains, beladen mit Medikamenten und Soldaten. An Bord des Zuges befinden sich neben den Ersatztruppen und ihren Offizieren auch der Gouverneur Richard Fairchild, der Prediger Reverend Peabody, der Arzt Molyneux, Marica Scoville, die Tochter des Kommandante von Fort Humboldt sowie ein Koch, der Heizer und der Lokführer. Als der Zug kurz in Myrtle City, Nevada, hält, gehen zwei weitere Zivilisten an Bord: Nathan Pearce, der Marshal der Orts, verhaftet den gesuchten Verbrecher John Deakin im Saloon und verschafft sich die Zustimmung des Gouverneurs trotz Missbilligung des höchsten Offiziers die Erlaubnis, den Gefangenen nach Fort Humboldt zu begleiten, um ihn dort vor das Militärgericht zu stellen. Die Abfahrt aus Myrtle City verzögert sich, denn zwei Offiziere werden vermisst. Schließlich fährt der Zug ohne die beiden Militärs ab, da die Zeit drängt, doch von nun an ist die Fahrt mit immer mehr Schwierigkeiten versehen. Zuerst bricht die Telegraphenverbindung zum Fort ab und dann wird der Arzt Molyneux tot aufgefunden. Wenig später stürzt der Heizer vom Zug und als auch noch die letzten Wagons mit den Soldaten abgekoppelt werden und in einen Abhang herunter stürzen, kann keiner mehr an Zufall glauben. John Deakin, der einst als Mediziner gearbeitet hat, untersucht den Tod des Doktors und findet bald heraus, dass dieser keines natürlichen Todes gestorben ist. Als er eines nachts die Ladung des Zuges kommt er einer Verschwörung auf die Spur: Statt Medizin hat der Zug ausschließlich Sprengstoff, Munition und Waffen geladen, die vor einiger Zeit gestohlen wurden. Als auch der Revenrend in einer der Waffenkisten gefunden wird ist klar, dass sich unter den verbliebenen _Personen ein Mörder befindet...

Nachdem der Western in den 60er Jahren sein Zenit überschritten hatte, gab es immer wieder Fälle, in denen mehr oder minder geglückte Versuche unternommen wurden, das Genre neu zu beleben. Außer den John-Wayne-Filmen, in denen der "Duke" nach wie vor als kerniger Held mit der Winchester für Recht und Ordnung sorgte, wagten viele Western einen melancholischen, teils resignativen Blick auf die das einst durchweg glorifizierende Genre. Sam Peckinpah zeigte in "The Wild Bunch" und "Pat Garret jagd Billy the Kid", wie einstige Westernhelden unter die Räder der Zivilisation kommen, Richard Fleischer ließ 1973 in "Vier Vögel am Galgen" den Traum dreier Farmersöhne vom romantischen Banditenleben tragisch zerplatzen und auch die beiden Protagonisten in Blake Edwards' "Wild Rovers" scheitern ebenfalls bei dem Versuch, einmal auf einen grünen Zweig zu kommen.  
Michael Crichton hingegen verpackte den Western in "Westworld" in futuristisches Gewand während Filme wie "Boss Nigger" oder "Take a Hard Ride" die Pionierzeit im Lichte des aufkeimenden Blaxpoitation betrachten. "Nevada Pass" gehört zu den seltenen Versuchen, den Western mit dem Krimi zu mischen. Die Romanvorlage stammt von Alistair McLean aus dem Jahre 1974, das bereits ein Jahr später nach einem Drehbuch desselben Autors verfilmt wurde. Die Handlung orientiert sich lose an Agatha Christies "Mord im Orient Express" und versetzt die Ausgangssituation einer Gruppe Verdächtiger Personen im Zug in die 1870er Jahre. Regie führte Tom Gries, der bereits mit dem Hauptdarsteller Charles Bronson in "Der Mann ohne Nerven" zusammen gearbeitet hatte und Lucien Ballard, der bereits als Kamermann für Peckinpahs "Wild Bunch" gearbeitet hatte, war für die Fotografie verantwortlich. Die originelle Idee für die Handlung, der Hauptdarsteller, Regisseur und Kameramann versprechen eigentlich einen sehr unterhaltsamen Film, doch letzten Endes bleibt "Nevada Pass" recht blass und nutzt das Potential nie vollständig aus. Mäßig spannend geraten reihen sich Anfangs nur diverse Morde aneinander, bis die wenig überraschende Auflösung plötzlich hereinplatzt und letzten Endes wegen des Showdowns rapide an Bedeutung verliert. Die beeindruckende Schneelandschaft der Rocky Mountains wird ebenfalls nicht zufriedenstellend genutzt, sodass der Film hauptsächlich während der beiden spektakulären Actionhöhepunkte glänzt: Neben der Zeitlupenentgleisung dreier echter Waggons bietet der Kampf zwischen Deakin und dem Koch des Zuges auf einem Wagon während der Fahrt über eine riesige Holzbrücke einiges an Schauwert - besonders, da der Kampf tatsächlich mit zwei Stuntmen auf einem fanhrenden Zug gedreht ohne jede Modellaufnahmen oder Leinwand gedreht wurde.
"Nevada Pass" wurde offensichtlich als Bronson-Vehikel produziert und der schweigsame Charakterkopf liefert eine überzeugende Leistung als undurchsichtiger John Deakin ab. Seine Gegenspieler Nathan Pearce und Richgard Fairchild werden routiniert von Ben Johnson und Richard Crenna dargestellt. Charles Durning gibt einen glaubwürdigen Lokführer und die in einem Bronson-Streifen dieser Zeit unverzichtbare  Jill Ireland ist treffend für die zarte Marica Scoville.
"Nevada Pass" ist also an sich kein schlechter Film, hätte aber in Hinblick auf Stab und Besetzung deutlich mehr sein können als ein immerhin mäßig spannender Western-Krimi.

 

 „Breakheart Pass“ markiert nach „100 Gewehre“ und „Der Mann ohne Nerven“ die dritte Zusammenarbeit zwischen Regisseur Tom Gries und Komponist Jerry Goldsmith, der neben diesem Film mit „The Cassandra Crossing“ und „The First Great Train Robbery“ zwei weitere Filme vertonte, deren Handlung zum großen Teil auf Zügen stattfand. Für „Breakheart Pass“ stand Goldsmith ein durchschnittlich besetztes Orchester zur Verfügung, das außerdem um eine Gitarre erweitert wurde. Außerdem experimentierte der Komponist hier zusätzlich mit elektronischen Effekten, die in den kommenden Jahren immer mehr Raum in seinen Kompositionen einnehmen sollten.Einen wichtigen Bestandteil der Filmmusik zu „Breakheart Pass“ bildet das schmissige Hauptthema, das von einer Hornfanfare eröffnet und von den Trompeten gespielt wird. Dieses Thema verfügt über einen hohes Maß an Ohrwurmqualität und lässt mit der treibenden Begleitung der Gitarre und den stoßhaften Blechbläserakkorden sofort Westernatmosphäre aufkommen, die durch die schwelgerischen Streicher und den Einsatz des elektronisch verzerrten Klaviers zunehmend verstärkt wird. Dennoch täuscht der erste Eindruck, denn jenseits des Hauptthemas ist die Musik sehr spröde und suspenselastig, was auch der Handlung geschuldet ist. Dabei führt Goldsmith sein Thema auf zwei unterschiedliche Wege fort. Zum Einen dienen Bruchstücke der Melodie immer wieder als kurze motivische Einwürfe in den Suspense-Passagen, andererseits erklingen  kurze groß orchestrierte Passagen für unzählige Außenaufnahmen des durch die Schneelandschaft dampfenden Zuges. Allerdings ist keine dieser Darbietungen so schwelgerisch und ausladend wie die Vorspannmusik, denn wie auch einige Jahre später in „The Cassandra Crossing“ charakterisiert Goldsmith die schwere metallische Maschinerie der Eisenbahn durch harte und raue Reibungen in den Melodieinstrumenten und gleichmäßig stampfendes Schlagzeug. Schwerfällige metallische Rhythmen, von Ambosschlägen durchsetzt, bilden die Basis für schrille Interpretationen des Themas im Blech.Einen Großteil des Films beobachten die Zuschauer John Deakin während seiner kriminalistischen Unternehmungen im inneren des Zuges, sodass die Musik oftmals minutenlanges abwechselndes Kriechen und Verstecken des Protagonisten illustrieren oder nahende Bedrohung untertönig ankündigen muss. Hier setzt Goldsmith sein Orchester sehr kammermusikalisch ein, sodass oftmals nur wenige Instrumente zugleich spielen. Dabei greift Goldsmith häufig in die modernistische Trickkiste und bedient sich alternativer Spieltechniken der Streicher oder harscher anschwellender Akkorde der Bläser. Originellerweise setzt der Komponist beim Schlagzeug auffallend oft Schellenbäume ein, die meistens mit Schlittenglocken assoziiert werden und somit einerseits auf die verschneite Umgebung Bezug nehmen und zum anderen wie ein Nachhall der mächtigen hämmernden Stahlgeräusche des Zugs oder des Orchesterschlagwerks wirken.Doch auch wenn das Hauptthema in nahezu jedem Stück vertreten ist und ohne Frage als Grundlage für die meisten Passagen dient, komponierte Goldsmith auch ein musikalisches Motiv für Deakins Gegenspieler: Gouverneur Fairchild und dessen Verbündete. Dieses kurze aus vier aufsteigenden Noten bestehende Motiv für die Fagotte wird hauptsächlich von einer Arpeggiofigur aus elektronisch erzeugten Klängen gebildet und von Einwürfen der Föten und Blechbläser flankiert. Der anachronistische Einsatz der elektronischen Elemente wirkt dabei befremdlich und möchte weder in den rein akustisch konzipierten Rest der Musik passen noch sich wie die restliche Musik in die Bilder einfügen.In den beiden zentralen Actionsequenzen des Films (und der Musik) – der Zugentgleisung und dem Boxkampf auf dem Waggondach – geht Goldsmith mit gewohnter musikalischer Brutalität zu Werke. Harsch gestrichene einzelne Noten der tiefen Streicher markieren dabei den Takt während sich nach und nach einzelne wiederkehrende kurze Fragmente der Bläser erklingen und sich anschließend das Schlagzeug mit mehreren rhythmischen Schichten einsetzt, bevor die abgehängten Zugwaggons in Zeitlupe am Abhang zerschellen. Der Faustkampf ist ähnlich mit einer gleichförmigen rhythmischen Basis durch tiefe Streicher und Bläser unterlegt, über die sich anschließend einzelne Einwürfe des Hauptthemas in den Blechbläsern legen, die von hektischen Einwürfen der Holzbläser und dominanten Schlägen der kleinen Trommel durchsetzt werden.Die Musik zu „Breakheart Pass“ wurde zum Filmstart nicht veröffentlicht und erschien erst Jahrzehnte später als Bootleg, bevor Lalaland Records 2006 die vollständige Musik in Form einer limitierten Edition auf den Markt brachte, die zwei Jahre später ausverkauft war. Neben einem hervorragenden Begleittext von Jeff Bond besticht diese Veröffentlichung zusätzlich durch eine sehr klare Klangqualität. Dass besonders die Bläser etwas schrill klingen ist allerdings im Sinne des Erfinders. Die beiden äußerst kurzen Bonus-Stücke – eine Militärfanfare sowie eine kurze Gitarrenspur (wahrscheinlich aus Track 4) – sind allerdings völlig verzichtbar.Letzten Endes dürfte für alle, die mit „Breakheart Pass“ einen klassischen Goldsmith-Western-Score erwartet haben, enttäuscht worden sein, denn abseits des Hauptthemas besteht die Musik aus vielen langen, zwar raffiniert gestalteten, aber auf Dauer ermüdenden und anstrengenden Suspense-Passagen und auch die veralteten und unpassenden Synth-Effekte sind dem Hörgenuss streckenweise abträglich. Lalaland gelang mit dieser CD ohne Frage eine wichtige Veröffentlichung und Goldsmith schuf eine im Film sehr förderliche und wirkungsvolle Musik, auf CD allerdings ist „Breakheart Pass“ nur teilweise überzeugend.

 

 

1976

 

Logan's Run - Flucht ins 23. Jahrhundert

 

Nachdem Krieg und Umweltkatastrophen einen Großteil der menschlichen Bevölkerung dahin rafften, leben die letzten Überlebenden in einer durch riesige Kuppeln von der Natur abgeschlossenen Stadt. Die Bewohner dieses futuristischen Orts genießen das Leben und die technischen Vorzüge ihrer Behausung in vollen Zügen und leben in einer Gesellschaft, deren oberstes Gebot es ist, jedem ein Höchstmaß an Komfort, sexueller Befriedigung und Spaß zu garantieren. Das System verpflichtet allerdings jeden Bewohner, in seinem dreißigsten Lebensjahr an einem Ritual in dem so genannten „Karussell“, einer großen Arena, teilzunehmen. Dieses Ritual, in dem die Teilnehmenden in einem schwerelosen Raum versuchen, die hohe Decke des „Karussells“ zu erreichen und mit Laserstrahlen abgeschossen werden, dient angeblich der Erneuerung. Wer sich dieser Handlung unterzieht, habe die Möglichkeit, wieder geboren zu werden und anschließend als Säugling in einem der Brutkästen wieder aufzuwachen. Logan 5 ist ein „Sandmann“ und gehört zu den wenigen Menschen in der Stadt, die arbeiten. Deshalb genießt er mit seinem Freund und Kollegen Francis 7 allerdings auch einige Vorzüge wie eine größere Wohnung. Die Aufgabe der Sandmänner ist es, Läufer zu fangen und zu eliminieren. Das sind Menschen, die das dreißigste Lebensjahr erreicht haben, sich aber aus Angst weigern, an dem Ritual teilzunehmen. Logan und Francis hinterfragen ihre Arbeit nicht und liefern sich mit einigen Flüchtigen sogar perfide Verfolgungsjagden. Eines Abends begegnet er der jungen Jessica 6 im „Liebeslift“, mit dem man sich zum Sex bereitwillige Stadtbewohner in seine Wohnung telepatieren kann. Doch Jessica ist nicht an körperlichen Freuden interessiert, da einer ihrer Freunde heute ins „Karussell“ gehen musste. Logan versucht ihr, Hoffnung zu machen, doch die junge Frau äußert Zweifel an dem System und bringt auch Logan zum Grübeln. Der wischt seine Bedenken allerdings bei Seite, bis er am nächsten Tag vor den Zentralcomputer bestellt wird. Hier wird ihm mitgeteilt, dass über 1000 Läufer immer noch flüchtig sind und nicht in der Stadt aufgefunden werden konnten. Der Zentralcomputer geht davon aus, dass diese Läufer außerhalb der Stadt eine Zuflucht gegründet haben und Logan soll diese ausfindig machen, ihre Bewohner eliminieren und die Zuflucht zerstören. Damit er sich als Läufer tarnen kann, werden ihm seine restlichen Lebensjahre abgezogen. In dem Sandmann mischen sich Angst mit Vertrauen in das System und so sucht er Jessica erneut auf, die offensichtlich Verbindung zu den Läufern hat. Doch mit der Zeit wachsen seine Gefühle für die attraktive Frau und bald befindet sich Logan zwischen den Fronten…

„Flucht ins 23. Jahrhundert“ ist ein Klassiker des Sci-Fi Genres und war in seinem Erscheinungsjahr sehr erfolgreich. Dennoch wurde der Film zu einem großen Teil durch die wenig später folgenden „Star Wars“ und „Star Trek: Der Kinofilm“ aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt. Lose auf der Romanvorlage von William F. Nolan und George Clayton Johnson basierend, hat „Logan’s Run“ auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt – im Gegenteil. Die Thematisierung der geistlosen Spaßgesellschaft in Verbindung mit dem ewigen Jugendwahn regt auch zu unserer Zeit stark zum Nachdenken an. Dabei ist insbesondere die Entwicklung des Protagonisten vom unreflektiert handelnden Mörder im Auftrag des Systems, der nach und nach leichte Zweifel hegt, bevor ihn die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft mit Jessica zum Verrat bewegt. Um seine letzten Lebensjahre kämpfend handelt er treu im Auftrag des Zentralcomputers und setzt sogar das Leben der Rebellen auf’s Spiel, bevor Jessicas Worte ihn von der Falschheit seines Tuns überzeugen können. Stilistisch ist der Film deutlich in den 70er Jahren verankert, was heute einen gewissen Teil seines Charmes ausmacht. Insbesondere Friseuren und von grellen Farben geprägte Kleidung aber auch die Innenausstattung atmen durchweg den Geist der 70er. Während einige Spezialeffekte wie die übergeblendeten Explosionen schlecht gealtert sind, so haben viele Kulissen nichts an ihrer Wirkung eingebüßt. Insbesondere die aufwendigen Modellaufnahmen der futuristischen Stadt, das von Pflanzen überwuchte Washington oder die Eishöhle des Robotermenschen Box vermögen auch heute noch zu beeindrucken. Die Innenaufnahmen für die Stadt entstanden in zwei texanischen Einkauszentren und für die Schlussszene nutzte man die Fort Worth Water Gardens mit der futuristischen Betonarchitektur. Neben all diesen sehr stimmungsvollen Kulissen überzeugt „Flucht ins 23. Jahrhundert“ vor Allem durch die durchweg bestechenden Leistungen der Darsteller. Michael York brilliert als sympathischer Sandmann, dessen leichte Zweifel schließlich in Rebellion umschlagen. Richard Jordan ist treffend als Francis 7 besetzt und meistert die Wandlung des kumpelhaften Kollegen zum fanatischen Jäger sehr überzeugend. Jenny Agutter gibt es eine charmante Jessica 6, wirkt allerdings neben den anderen Darstellern auch wegen der eindimensionaleren Rolle etwas blasser. Peter Ustinov hingegen macht die Rolle des kauzigen alten Mannes sichtlich Spaß Roscoe Lee Brown in seinem kultigen Roboterkostüm gehört zu den skurrilsten Elementen des ganzen Films. Ingesamt ist „Logan’s Run“ also ein gut gespielter, sehr charmanter Science-Fiction-Film, der besonders durch seinen Inhalt nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Jerry Goldsmith komponierte zu „Logan’s Run“ eine der besten Partituren innerhalb seiner langen Karriere. Die Musik kann als eine polystilistische Tondichtung im Geiste der Postmoderne bezeichnet werden und es ist faszinierend, wie spartanische elektronische Klangschichten neben spätromantischem Orchesterbombast, atonale Kammermusik neben impressionistischen Passagen und ruppige Actionmusik neben exotischer Pentatonik stehen und ein Ganzes ergeben. Für die Verknüpfung dieser musikalischen Elemente dienen dem Komponisten zwei motivisch thematische Keimzellen: Eine chromatisch aufsteigende Figur aus drei Tönen steht für die Stadt, während ein lyrisches, sehr einfach gehaltenes Thema die wachsende Liebesbeziehung zwischen Logan und Jessica beschreibt. Wie die Gefühle zwischen den Protagonisten steigert sich auch das Liebesthema im Verlauf der Musik. Erklingt es bei der ersten Begegnung zwischen dem Sandmann und der Rebellin noch unterkühlt in den Violinen und ist allein Jessica zugeordnet, so gewinnt es an Expressivität und Wärme, bis es in vollster orchestraler Pracht erstrahlt. Wie detailliert Goldsmith mit seinem einfachsten Material umzugehen versteht, lässt sich an Hand des Stadt-Motivs nachvollziehen. Dieses eröffnet Film und Musik im Gewand eines pulsierenden Synthesizers, bis es in sich in den Holzbläsern während des Vorspanns langsam steigert und ein furioser Höhepunkt erreicht wird, der mit den hämmernden Pauken nicht wenig an den Sonnenaufgang in Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ erinnert und somit einen Querverweis an Kubricks berühmte „Odyssee im Weltraum“ bildet. Dieses chromatische Dreitonmotiv ist in fast jedem Stück zu hören. Ein besonderer Kniff gelang Goldsmith, es in der diegetischen Musik einzuflechten wie der sanften Wiegenmelodie, die bei den Brutkästen der neuen Stadtbewohner zu hören ist. Diese sanfte Kindermelodie beginnt bereits mit den aufsteigenden drei Stadtnoten und weist damit auf das künftige Leben der Säuglinge hin. Die sorgfältige thematische Arbeit bewegt auch bei der ersten Begegnung zwischen Jessica und Logan auf höchstem Niveau, denn der Komponist verwob beide Hauptthemen miteinander. Während das Liebesthema noch unterkühlt in den Violinen erklingt, pulsiert das Stadtmotiv stets in den Streichern der mittleren Lage. Die beiden Protagonisten sind hier also noch klar als Individuen charakterisiert, bevor das Liebesthema sie verbinden wird. Auch die elektronischen Passagen, die ebenfalls größtenteils als diegetische Musik fungieren, enthalten an allen Ecken und Enden jene drei chromatisch aufstrebenden Töne. Sobald wir nach dem Strauss’schen Höhepunkt die Stadt betreten haben, reduziert Goldsmith seine große Orchesterbesetzung auf ein kleineres Stadt-Ensemble, dass aus Streichern, Klavier und Elektronik besteht. Sämtliche Bläser sowie das Schlagzeug werden also für die erste Filmhälfte ausgeblendet. Einen großen Teil in diesem Abschnitt der Musik nimmt die Elektronik ein, die zwar hin und wieder in Verbindung mit den Violinen erklingt, größtenteils aber puristisch entscheidende Szenen vertont, die mit dem in der futuristischen Stadt vorherrschenden System zu tun haben wie die Verhöre durch den Zentralcomputer oder das dubiose Erneuerungsritual. In Anbetracht der Entstehungszeit der Musik und den technischen Möglichkeiten, die die elektronischen Geräte damals schon bereithielten, bleibt Goldsmith im Umgang mit seinen Synthesizern sehr beschränkt. Da sämtliche instrumentale Passagen hervorragend gearbeitet sind, gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten für den fast primitiven Einsatz der Elektronik. Da der traditionell geschulte Komponist größtenteils selbst mit seinen Synthesizern arbeitete, fehlte ihm vielleicht die Ausbildung an den Geräten, um deren klangliche Möglichkeiten voll auszuschöpfen, weshalb die elektronischen Passagen stets aus wenigen, mittlerweile stark antiquiert klingenden Schichten bestehen und deshalb beim Hörer einige Geduld erfordern, oder aber die elektronischen Passagen sind absichtlich so spartanisch gehalten, um weniger als Musik und mehr als Geräuschklang für den Computer und das Ritual zu fungieren. Rein strukturell sind jedoch auch die elektronischen Passagen konsequent in die instrumentale Musik eingearbeitet, enthalten sie viele Variationen des dreitönigen Stadt-Motivs. Während man in der ersten Hälfte grob zwischen kühlen, modernistischen Stücken für Streicher und Klavier sowie rein elektronischen Kompositionen und ausladenden, spätromantischen Orchesterpassagen mit leichtem impressionistischen Einschlag unterscheiden kann, so fügte Goldsmith seiner Stilpalette zwei weitere Elemente hinzu, um individuelle Gruppen und Charaktere zu vertonen. Die in einem verfallenen Quadranten lebenden Rebellenkinder wollen sich nicht in das städtische System einfügen und erhielten eine kantige, an den frühen Strawinsky oder Bartok’sche Klänge erinnernde Musik. Durchweg atonal gehalten gehört dieses Stück mit seinen scharfen Streicherpizzicati, den dissonanten Klavierakkorden und hektischen Violinfiguren zu Goldsmiths kammermusikalischen Glanzstücken. Für die eisige Höhle des merkwürdigen Wesens Box entwarf der Komponist hingegen exotische Klänge. Box ist weder Mensch noch Maschine, seine Höhle gehört weder zur Stadt noch zur Natur und so entschied sich Goldsmith für eine Skala, die weder Dur noch Moll ist: Die Pentatonik! Mit schillernden Klängen der Celesta garniert und auf einem punktierten Rhythmus gebettet spielen die Streicher eine pentatonische, fast mystisch wirkende Melodie, die in der Schwebe zu hängen scheint zwischen den klar definierten musikalischen Schauplätzen Stadt/Streicher, Klavier, Elektronik und Natur/Orchester.
Auch die Action kommt nicht zu kurz und basiert wie häufig bei Goldsmith auf rhythmisch ungeraden Ostinati, harschen Attacken und dissonanten Akkorden. Es ist erstaunlich, wie brutal die Action auch innerhalb der Stadt vertont ist, gemessen daran, dass bei der „Stadt-Besetzung“ auf sämtliche Bläser verzichtet wurden. Umso interessanter ist es, hier den Vergleich hören zu können, wenn bei Francis’ und Logans Kampf die Musik brachial im vollen Orchester losbricht. Insbesondere durch den Einsatz der Blechbläser gewinnt die Passage an Schärfen und Kanten.
Zum Filmstart wurde eine LP veröffentlicht, die knapp die Hälfte der Musik beinhaltete. Diese Zusammenstellung, die viele elektronischen Passagen und leider auch die Musik für die Rebellen nicht enthielt, wurde identisch auf CD gepresst, bevor FSM die vollständigen Aufnahmen in chronologischer Reihenfolge heraus brachte. Mit einem wie gewohnt hervorragend ausgestattetem Booklet versehen ist diese CD ohne Frage eine der wichtigsten Veröffentlichungen dieses Labels und ermöglicht, sich einen angemessenen Überblick über eine der intellektuell anspruchsvollsten, handwerklich überzeugendsten und gleichzeitig emotional mitreißendsten Musiken Goldsmith zu verschaffen. Diese beispiellose Musik gehört in jede Sammlung. Jerry Goldsmith gelang hier eine reichhaltige polystilistische Partitur, die auf mehreren Ebenen arbeitet und dennoch ihre volle Wirkung in ihrer satten Klanglichkeit entfaltet.

 

 

The Omen – Das Omen

 

Robert Thorn, der amerikanische Botschafter in Rom und seine Frau wünschen sich sehnlichst ein Kind. Schließlich wird Kathy schwanger und gebiert am 6. Juni morgens um 6 einen Sohn, der allerdings am selben Tag verstirbt. Robert weiß nicht, wie er seiner Frau den Tod des lang erwarteten Kindes beibringen soll, als ein Priester im Korridor des Krankenhauses zu ihm tritt und ihm mitteilt, dass er ein Kind adoptieren könne. Zur selben Zeit bekam nämlich eine andere Mutter in demselben Krankenhaus ein Kind, die allerdings die Geburt nicht überlebte. Der Priester rät Thorn, das Kind als seines anzunehmen und niemandem zu erzählen, dass es sich hierbei nicht um den eigenen Sohn handelt – insbesondere nicht Kathy! Der Botschafter geht nach einigem Zögern auf das Angebot des Geistlichen ein, sodass Robert und Kathy die Eltern des kleinen Damien werden. Das Schicksal scheint der kleinen Familie hold, denn Robert wird zum Botschafter nach London versetzt und bald leben die Thorns in einem großen Anwesen in der Nähe der britischen Hauptstadt. Ab dem fünften Geburtstag Damiens allerdings beginnen tragische Ereignisse das ruhige Leben des Botschafters und seiner Frau zu trüben. Auf der Geburtstagsfeier erhängt sich Damiens Kinderfrau vor den Augen unzähliger Kinder und Eltern. Kurz darauf wird Robert Thorn von einem Geistlichen in seinem Büro aufgesucht, der durch einen Artikel über den Selbstmord der Frau aufmerksam wurde und versucht, dem Botschafter mitzuteilen dass Damien der Antichrist, Satans Sohn sei. Thorn ist entrüstet und lässt den Mann aus dem Gebäude entfernen. Als die Familie des Botschafters einer kirchlichen Hochzeit beiwohnen will, wird Damien von Panikattacken gepeinigt, sobald das Auto über den Kirchhof fährt und auch bei einem späteren Ausflug in einem Safarizoo werden der Sohn und seine Mutter von Pavianen attackiert. Kathys Psyche wird mit der Zeit zunehmend labil und so bittet sie ihren Mann, einen Therapeuten ausfindig zu machen. Kurz darauf wird Thorn wieder von dem Geistlichen kontaktiert, der dem Botschafter mitteilt, dass seine Frau in Gefahr sei. Thorn hält den Unbekannten für einen Psychopaten, trifft sich aber dennoch mit ihm. Vater Brennan zitiert einen alten Vers, der den Aufstieg des Antichristen prophezeit und eröffnet Robert, dass seine Frau wieder schwanger sei, Damien aber niemals zulassen würde, dass sie das Kind bekommt. Erneut schenkt Thorn den Warnungen keinen Glauben. Am nächsten Tag liest er in der Zeitung,  dass Vater Brennan auf dem Rückweg von dem Treffen zu Tode gekommen ist und Kathy teilt ihm am Abend mit, dass sie ein neues Kind erwartet…

 

Mit „Das Omen“ gelang Regisseur Richard Donner ein Klassiker des Horrorfilms und der Start einer erfolgreichen Karriere, die „Superman“, die „Lethal Weapon“-Reihe“ oder „Maverick“ hervorbrachte. David Seltzers Drehbuch liefert eine ganz eigene Interpretation der Offenbahrung des Johannes, die unter Anderem den Aufstieg des Satanssohnes auf der Erde beschreibt und deutet den Text so, dass nun die Zeit gekommen ist, in der die Reinkarnation des Satans auf die Welt gekommen sei. Zwar ist der kleine Damien der Dreh- und Angelpunkt des Films, dennoch ist Robert Thorn der Protagonist. Mit ihm fiebert, leidet und fürchtet der Zuschauer. Donners Regie schöpft das Potential des Films voll aus und besonders die Inszenierung Damiens verfehlt ihre Wirkung nicht. Das schweigsame Kleinkind, das mit seiner groben, kindlichen Fahrlässigkeit die eigene Mutter von der Galerie stürzt, von Panikattacken in der Nähe einer Kirche geschüttelt wird oder wissend in die Kamera grinst, gehört zu den bösartigsten Wesen der Kinogeschichte. Dabei bleibt es dem Zuschauer überlassen, ob er einen voll ausgewachsenen bösen Geist in dem Kind erkennt oder aber das Kind als Teufelsinstrument sieht. Die Kombination von Niedlichkeit und unendlicher Bösartigkeit ist immer sehr wirkungsvoll und in „The Omen“ besonders deshalb so reizvoll, weil nie ganz klar wird, inwiefern das Kind weiß, was es da tut und so noch unberechenbarer erscheint. Der Film ist innerhalb der letzten 47 Jahre sehr gut gealtert und vermag trotz seines verhältnismäßig langsamen Erzähltempos zu schockieren. Anstatt einen Schauwert nach dem nächsten zu verpulvern, setzt Donner auf besonders heftige Schockmomente, die zu Beginn in die familiäre Idylle hereinbrechen und gegen Ende die stets wachsende Spannung heftig entladen und schnell wieder anziehen lassen. Insbesondere der Selbstmord des Kindermädchens auf dem Geburtstagsfest ist wegen seiner Plötzlichkeit so grausam. Später bereitet Donner den Zuschauer auf die kommenden Ereignisse wie die Hundeattacke oder Kathys Sturz genau vor, lässt aber eine quälend lange Zeitspanne vergehen, bevor das Unvermeidliche mit größter Brutalität losbricht.

„Das Omen“ war wie viele Horrorfilme nur mit einem kleinen Budget ausgestattet, weshalb neben einem gealterten Stars nur mäßig prominente Schauspieler engagiert waren, die zwar alle überzeugende, aber keine herausragenden Leistungen erbrachten. Insbesondere Gregory Peck, der im Golden Age seine größten Erfolge feierte, weist für die Rolle des terrorisierten Robert Thorn viel zu wenig Mimik auf und bleibt so hinter den Möglichkeiten seiner Rolle zurück. Lee Remick überzeugt in ihrer Rolle als Kathy und auch David Warner leistet gute Arbeit. Billie Whitelaw als Damiens neues Kindermädchen scheint die Rolle der Höllengefährtin sichtlich Spaß zu machen und ihr bedrohliches Spiel bleibt auch nach dem Film im Gedächtnis. Ein großes Lob gebührt natürlich auch Harvey Spencer Stephens als Damien, der sich im wahrsten Sinne des Wortes vortrefflich im Casting schlug und das Teufelskind zu der Kultfigur gemacht hat, die es heute ist.

Dennoch sind es neben der Musik insbesondere das Drehbuch David Seltzers und die atmosphärische Regie, die „Das Omen“ auch heute noch so sehenswert machen und über die einen oder anderen schauspielerischen Defizite hinwegtäuschen.

 

Jerry Goldsmith war Donners erste Wahl für „Das Omen“ und es gelang dem Regisseur glücklicherweise, das Budget ein wenig aufzustocken, um den Komponisten angemessen bezahlen zu können. Dieser steuerte seit den späten 60er Jahren geradewegs auf den Zenit seiner Karriere zu, die wahrscheinlich von 1976 mit „Logan’s Run und „The Omen“ bis 1982 mit „Poltergeist“ ihre Höhepunkt erreichte. Zwar waren die finanziellen Möglichkeiten nicht die besten, dennoch verfügte Goldsmith neben einem kleinen Orchester auch über einen gemischten Chor, der eine wichtige Funktion einnehmen sollte. Der Musikeinastz in die „The Omen“ zeugt von dem beispiellosen Gespür des Komponisten für Dramaturgie und Musik. Mal bereitet er den Zuschauer auf das baldige Unglück vor, mal bricht die Musik völlig unerwartet herein und verdoppelt die Wirkung der Schockeffekte. Film und Musik beginnen mit dem musikalischen Material für Damien: Einer archaischen Hymne, die von den Sängern über einen primitiven Rhythmus der tiefen Instrumente gesprochen wird: "Sanguis bibimus, corpus edimus, tolle corpus Satani. Ave Satani, Ave Versus Christus“ („Wir trinken Blut, wir essen Fleisch, erheben den Körper des Satans. Heil, Satan, Heil Antichrist“) Wir so oft bei lateinischen Texten in der Filmmusik gibt es auch hier eine grammatikalische Unstimmigkeit, da es „Sanguinem bibimus sowie „Ave Satana“ und „Antichristos“ heißen müsste. Sämtliche Chorarrangements stammten für diese Musik von Orchestrator Arthur Morton, da Goldsmith der Ansicht war, sein Chorsatz sei ein wenig „eingerostet“. Das „Ave Satani“ gehört zwar nicht zu den musikalisch anspruchsvollsten Kompositionen des Meisters, trifft aber den Ton des Films und die Atmosphäre perfekt und vermag einem auch nach knapp 50 Jahren immer noch einen Schauer über den Rücken zu jagen. Wie auch in „Poltergeist“ arbeitet Goldsmith mit zwei konfligierenden musikalischen Elementen. Auf der einen Seite steht das bedrohliche „Ave Satai“, dem ein sehr lyrisches und cantabiles Thema für das Ehepaar Thorn gegen über gestellt ist. Dieses Thema ist von Goldsmiths Einfachheit geprägt und besticht durch seine melodische Klarheit. Das erste Mal erklingt dieses Thema während der Konservation auf dem Korridor des Krankenhauses und wird in Goldsmiths evaluierter Harmonik anfangs stark verschleiert, bevor es erstmals bei der Ankunft der Familie in England erklingt. Mal von der Flöte oder Oboe über die sanfte Begleitung einer Harfe gespielt, mal in vollem Orchestertutti begleitet dieses Thema das Ehepaar bis zu Kathys Tod, bevor es nur noch geisterhaft erklingt. Wie vielschichtig und sorgfältig mit seinem motivischen und thematischen Material arbeitet zeigt sich an einem dritten Motiv, das eine Klammer um das „Ave Satani“ sowie das Liebesthema bildet. In der Vorspannmusik erklingt eine prägnante Tonfolge in den Violinen, die mit einer fallenden Sexte beginnt. Dieses Motiv fungiert auch als Nebenmelodie zu den zahlreichen Arrangements des Liebesthemas und schlägt so eine Brücke zwischen dem diabolischen, durch Damien repräsentierten Element und der entscheidenden Liebe des Ehepaares Thorns. Ein weiteres, mysteriöses Motiv steht für die Zweifel und Bedenken Roberts, die durch sein Umfeld und seine eigenen Überlegungen geschürt werden. In der Konversation mit seiner Frau nach ihrem Sturz verwebt Goldsmith das Liebesthema, das Seitenmotiv und diese mysteriöse Phrase auf meisterhafte Art und Weise zu einem tief emotionalen Stück. Während also das Liebesthema und die weiche Klänge für die Throns stehen, kommt stets der Chor, tiefe Streicher und Blechbläser für Machenschaften des Teufels zum Einsatz. Insbesondere die Musik für die Szenen, in denen sich Damiens wahre Herkunft erkennen lässt – bei der Fahrt zur Kirche und im Wildpark – komponierte Goldsmith hervorragende Suspense-Musik. Auf Bitte von Donner arbeitete er mit einem kurzen rhythmischen Motiv, das sich immer weiter steigert. Stoßhafte Akkorde der (elektronischen) Orgel legen das Fundament für stetig anschwellende Orchesterklänge, bevor der Chor mit seinen beschwörerischen Sätzen einsteigt. Goldsmith erwähnte einmal, dass eine der Hauptfunktionen der Filmmusik sei, das Tempo der jeweiligen Szenen zu bestimmen. Diese Möglichkeit nutzt er in den Actionszenen auf beeindruckende Weise. In dem Gewitter nach dem Treffen mit Vater Brennan erinnern die treibenden, abgehackten Akkorde des Orchesters an den „Tanz der jungen Mädchen“ aus Strawinskys „Sacre du Printemps“ während der Chor die Worte „Versus Christus, Ave Satani“ ruft, bevor ein grässlicher Aufschrei des Chores die Musik zum Schweigen bringt. Schreie und andere ungewöhnliche Geräusche werden von Goldsmith auch öfter eingesetzt und insbesondere die Glissandi der Stimmen beim Kampf zwischen Robert Thorn und Damiens neuem Kindermädchen lassen die Bilder der verzerrten Gesichter erst wirkungsvoll werden.

Zum Filmstart erschien eine LP mit Auszügen der Originalaufnahmen sowie einem eigens für das Album produzierten Song, für den Goldsmiths Frau Carols einen Text für das Liebesthema schrieb und das Lied auch einsang. Der LP-Schnitt der Musik wurde auch auf CD veröffentlicht, bevor Varèse Sarabande 2001 eine erweiterte Deluxe Edition der Musik auf den Markt brachte. Neben dem informativen Booklet, das von Produzent Townson selbst verfasst wurde, besticht das Album auch durch eine bessere Klangqualität. Da das Orchester allerdings recht klein war und die Aufnahmen über 30 Jahre alt ist der Klang teilweise immer noch schrill und dünn. Wie bei fast jeder „Deluxe Edition“ des Labels ist auch die Musik zu „The Omen“ nicht komplett. Neben den kurzen rein elektronischen Momenten für den Hund fehlen auch interessante Stücke wie die Musik zur ersten Begegnung zwischen Damien und seinem neuen Kindermädchen oder der Suche Thorns und es Fotografen nach dem Priester in dem italienischen Kloster. Auch von der Musik für das Finale ist nur eine alternative Version zu hören, die mit einer treibenden Fassung des „Ave Satani“ aufwartet, während im Film eine Darbietung des Liebesthemas zu hören ist. Die Bänder für die Filmversion sind laut Booklet leider verschollen und so ist auch vielleicht der Verbleib der übrigen Stücke zu erklären. Einige Jahre später allerdings erschien eine Blu-Ray mit einer isolierten Musikspur, die bis heute die vollständigste Veröffentlichung der Musik darstellt.

 

 

Treffpunkt Todesbrücke (Cassandra Crossing)

In dem Gebäude der Internationalen Gesundheitsorganisation in Genf experimentieren die Amerikaner mit einem Lungenpestvirus. Drei schwedische Terroristen brechen ein, um das Gebäude zu sprengen, werden allerdings vom Sicherheitsdienst an dem Vorhaben gehindert. Während zwei der Einbrecher getötet werden, kann der Dritte entkommen, allerdings hat er sich bei dem Schusswechsel mit dem Virus infiziert. U.S. Colonel Stephen Mackenzie wird beauftragt, den Flüchtenden ausfindig zu machen und schon bald kommt heraus, dass sich der mittlerweile gesundheitlich stark angeschlagene Terrorist als blinder Passagier in einem Kontinentalzug von Genf nach Stockholm in die Heimat absetzen will. In dem Zug befinden sich unter den 1000 Passagieren eine Gruppe Hippies, die Frau eines deutschen Waffenhändlers und ihr jugendlicher Liebhaber, der als Koksschmuggler unterwegs ist, ein zwielichtiger Pfarrer, der Lebenskünstler Kaplan, Dr. Jonathan Chamberlain und seine Ex-Frau Jennifer, die ihm hinterher reist. Nach und nach weisen immer mehr Patienten die Symptome einer Erkältung auf – die ersten Anzeichen einer Lungenpestinfektion. Colonel Mackenzie nimmt Kontakt zu Dr. Chamberlain auf, der ihn um ärztliche Verstärkung bittet, die dieser ihm gewährt. In Nürnberg steigen allerdings neben Mitarbeitern des Roten Kreuzes auch bewaffnete Soldaten ein und der Zug wird verplombt. Colonel Mackenzie lässt den Zug nach Polen umleiten und richtet in dem ehemaligen Konzentrationslager Janów eine Quarantänestation ein, doch der Weg nach Janów führt über die Cassandra-Schlucht. Diese Strecke wurde 1948 stillgelegt und die Brücke, die den Zug mit mehreren hundert Menschen tragen soll, ist mehr als baufällig…

Der Desasterfilm gehört zu den frühesten Genres des Films, erreichte sein Zenit allerdings in den 70er Jahren. Die Filmtechnik war entsprechend fortgeschritten, sodass sich Desaster wie Erdbeben, Flugzeugabstürze oder einbrechende Gebäude täuschend echt umsetzen ließen. Als weiteres Lockmittel versuchten die Produzenten, so viele bekannte Gesichter wie möglich für ihren Film zu verpflichten, sodass sich auch in „Cassandra Crossing“ unzählige Stars die Klinke in die Hand geben. Neben einer etwas gealterten und pummeligeren Ava Gardner als Nicole Dressler und einem jungen Martin Sheen füllen O.J. Simpson als falscher Prediger und die damalige Gattin des Regisseurs – Ann Turkel – die Riege der Nebendarsteller. Burt Lancaster mimt den sturen Stephen Mackenzie und Richard Harris kann als heroischer Arzt immerhin einen Großteil der Passagiere vor dem Tod bewahren. Ihm zur Seite gestellt wurde Sophia Loren als zweifache Ex-Frau, die er unzweifelhaft nach dem Abenteuer wieder heiraten wird. Insgesamt dienen all diese Handlungsstränge und kruden Romantiken als Füllstoff, bis der Zuschauer endlich in den Genuss der lang ersehnten Katastrophe kommt, denn auch wenn Desasterszenen mittlerweile recht glaubwürdig zu realisieren waren – viel Geld kosteten sie trotzdem. Die Darsteller liefern alle routinierte Arbeit ab, einzig Sophia Loren mag in einigen Momenten über dem Durchschnitt zu spielen und wirklich unter der beklemmenden Situation zu leiden.
Was den Film heute allerdings noch sehr sehenswert macht ist die äußerst ästhetische Optik des Films, dessen oft durch die Fluchtpunktperspektive dominierten Kameraeinstellungen auf die Hochglanzästhetik eines Michael Bays der 90er Jahre zu verweisen scheint. Regisseur George Pan Cosmatos und sein Kameramann Ennio Guarnieri nutzen die Macht der Bilder, des Lichts und der Kameraeinstellungen, um eine starke Wirkung zu erzielen. Besonders die endlos erscheinende Szene, in der der Zug verplombt wird ist einer der Höhepunkte des Films. Auch wie die Soldaten in ihren weißen Anzügen und den Atemschutzmasken als Todesengel in Szene gesetzt werden, gehört zu den klaren Stärken des Films. Insgesamt bietet „The Cassandra Crossing“ durchschnittliche Katastrophenunterhaltung, die allerdings durch die beeindruckende Kameraführung und das schockierende Finale einige Zeit in Erinnerung bleibt.

Für die musikalische Untermalung wurde Jerry Goldsmith verpflichtet. Dieser hatte einige Wochen zuvor seine Aufnahmen zu „The Omen“ abgeschlossen, als er in Rom eintraf, um seine Arbeit für „Cassandra Crossing“ zu beginnen. Keineswegs ausgelaugt von seiner vorherigen Komposition, die ihm seinen einzigen Oscar einbringen sollte, schrieb Goldsmith für seinen ersten Desasterfilm eine äußerst spröde und originelle Musik, die er sogar selbst orchestrierte. Den äußerst harschen und modernistischen Konzepten für die Actionmusik wurde ein sehr lyrisches Hauptthema gegenüber gestellt, das sich als roter Faden durch die Musik zieht. Von leicht melancholischem Einschlag von einem Spinett gespielt erklingt dieses Thema bereits während eines Helikopterflugs über Genf und wird von den Streichern üppig weitergeführt. Für den jüdischen Fahrgast Kaplan komponierte Goldsmith ein Thema mit leichtem Klezmer-Einschlag, das meistens von der Flöte oder einer Klarinette vorgetragen wird und manchmal in der mittleren Lage der Streicher erklingt. Das Hauptthema, das auch als Liebesthema für Chamberlain und Jennifer fungiert sowie die Melodie für Kaplan untermalen oft in ruhiger und getragener Stimmung die ausweglose Situation in dem Todes-Zug. Den Zug selbst charakterisiert Goldsmith auf musikalische Weise mit ratternden Rhythmusfiguren der kleinen Trommel, Ambosschlägen und abgehackten Streicherfiguren, die die Musik brutal und maschinell vorantreiben. Die Actionsequenzen wie die finale Schießerei im Zug, den Einbruch zu Beginn des Films oder den fehlgeschlagenen Versuch Robbys, den Zug zu stoppen unterlegt Goldsmith mit fragmentarischen Motiven und stoßhaften Ostinati, über die sich frei- oder atonale Melodielinien in den Streichern legen. Zwar sind diese Elemente in der Actionmusik Jerry Goldsmiths wohlbekannt, jedoch rückte der Meister sie in der eigenhändigen Orchestrierung in ungeahnt sprödes Licht. Der schrille Umgang mit den Holzbläsern, die treibenden Rhythmen der Guiro, der spröde Klang des Spinetts und das expressive Spiel der Streicher verleiht „Cassandra Crossing“ insbesondere während der Actionsequenzen einen äußerst erfrischend charakteristischen Personalklang, der durch den zischend sprudelnden Synthie-Effekt für das Virus zusätzlich bereichert wird.
Aus der rund eine dreiviertel Stunde laufenden Musik stellte Goldsmith ein knapp halbstündiges LP-Programm zusammen, das neu eingespielt wurde und auch zu Beginn der 90er Jahre auf CD erhältlich war. 2008 veröffentlichte Prometheus Records zusammen mit dem LP-Schnitt erstmals die vollständigen Filmaufnahmen – allerdings nur in mono, da sich angeblich keine Steroelemente finden ließen, auf einem 2-CD-Set. Die Laufzeit wurde auf CD 1 mit zusätzlichen alternativen Abmischungen einiger Stücke aufgefüllt, sodass je nach dem die Bläser oder die Streicher eher im Vordergrund zu hören sind. Neben dem im Film von Regiegattin Anne Turkel gesungenen Song „I’m Still On My Way“ bereicherte Goldsmith die LP-Fassung auch mit einer leicht kitschigen Pop-Variante seines Hauptthemas, von dem sich ebenfalls neben einem „Vocal Only“-Track und einer Instrumentalversion des Songs eine alternative Fassung in der Bonus-Sektion ausfindig machen lässt. Das Booklet ist äußerst unbefriedigend geraten und ist auch im Vergleich mit anderen Prometheus-Booklets dürftig geraten.
Insgesamt bietet das Prometheus-Set allerdings eine nicht nur willkommene sondern auch wichtige Bereicherung zur Goldsmith-Diskographie dar, denn mit „Cassandra Crossing“ schuf Goldsmith eine zwar konzeptionell nicht allzu neue Actionmusik, die jedoch ungeahnt brutal und spröde daher kommt und zusätzlich mit zwei überzeugenden melodischen Einfällen zu beeindrucken weiß.

 

1977

 

Twilight’s Last Gleaming

 

Nach fünf Jahren Kriegsgefangenschaft kehrt Offizier Lawrence Dell verbittert in die Heimat zurück. Vom Krieg desillusioniert fordert er, dass die wahren Hintergründe über dieses sinnlose Blutvergießen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen, doch das Militär erhebt ihn in den Rang des Generals bei der Air Force, um ihn mundtot zu machen. Als Dell in einen Unfall verwickelt wird, sieht das Militär die einmalige Gelegenheit, den Störenfried aus dem Verkehr zu ziehen und verurteilt ihn zu langer Haft in einem Militärgefängnis. Hier schmiedet Dell einen Plan, um dem Volk endlich die Augen zu öffnen und mit drei Häftlingen gelingt ihm die Flucht. Zusammen mit seinen Kameraden besetzt Dell das Silo 3 in Montana, von dem aus er Kontrolle über neun Atomraketen hat. Während der Übernahme wird ein Mitstreiter von Dell selbst erschossen, danach entschärfen die drei verbliebenen das Sicherheitsnetz des Silos. Im Anschluss kontaktiert Dell zuerst die militärischen Verantwortlichen und verlangt, mit dem Präsidenten verbunden zu werden – mit Erfolg. Der General verlangt für sich und seine Kameraden jeweils zehn Millionen Dollar, sichere Flucht in der Air Force One und die Veröffentlichung eines geheimen Dokuments, das Mitschriften von Gesprächen des vorigen Präsidenten mit seiner Regierung enthält, aus denen deutlich wird, dass der Vietnam-Krieg nur geführt wurde, um Russland abzuschrecken. Präsident Stevens ist schockiert über das Gelesene, doch sein Krisenstab rät von einer Veröffentlichung ab. Stattdessen setzt das Militär auf eine gewaltsame Beendung von Dells Besetzung des Silos, doch beide Versuche scheitern. Schließlich sieht der Präsident nur einen Ausweg: Persönlich macht er sich zu Silo 3 auf, um mit General Dell zu verhandeln…

 

„Twilight’s Last Gleaming“ ist der viertletzte Film Robert Aldrichs, der sechs Jahre später im Alter von 65 Jahren verstarb. Seine Karriere verzeichnet Erfolge wie „Das dreckige Dutzend“ und verstörende und aufwühlende Filme wie „“The Killing of Sister George“ oder „What happened to Baby Jane?“. Auch „Twilight’s Last Gleaming“ ist ein außerordentlich hochkarätiger Film eines begabten Regisseurs, doch trug er zudem auch stark zum Sinken von Aldrichs Stern bei. Die Thematik des Films war tatsächlich so brisant, dass der Streifen komplett in Deutschland aufgenommen wurde. Die Ende der 70er Jahre immer noch stark von Vietnam traumatisierte Nation war einfach nicht bereit für einen derartigen Inhalt. Die Tatsache, dass ein Air Force General anscheinend mit etwas Glück ein komplettes Silo unter sein Kommando bringen und über neun Atomraketen verfügen kann, dürfte ebenfalls nicht zu den Dingen gehören, die man damals gerne sah.

Aldrich nimmt sich viel Zeit, sodass man über längere Sequenzen die Besprechungen des Krisenstabs oder die Überwindung des Sicherheitssystems verfolgen kann. Dabei lässt der Film allerdings nie an Spannung nach, der Zuschauer wird durch die teils quälend langen Ereignisse noch mehr auf die Folter gespannt. Im Gegensatz zu dem recht ruhigen Erzähltempo setzt Aldrich oftmals die von zwei- bis vierfach geteilte Leinwand ein, sodass man parallel den einzelnen Schritten der Personen folgen kann. Hier nutzt der Regisseur den Splitscreen also nicht für althergebrachte Telefongesprächsdarstellung ein sondern lässt ganze eigenständig geschnittene Szenen gleichzeitig neben einander laufen, sodass sich auch die Tonspuren überlappen.

Die Spannung zwischen den einzelnen Charakteren ist meisterhaft eingefangen und sogar über die entfernten Handlungsorte aufrecht erhalten. Hierzu tragen auch die durch die Bank fabelhaften Schauspieler bei, allen voran natürlich Burt Lancaster als verbitterter General. Als sein früherer grimmiger Vorgesetzter überzeugt Richard Widmark und Charles Durning beeindruckt als verhandlungswilliger und humanistischer Präsident, der zum Opfer seiner eigenen bornierten Regierung wird. Auch der Krisentab sowie Dells Gefährten sind bis in die kleinste Nebenrolle treffend besetzt.

Insgesamt ist „Twilight’s Last Gleaming“ ein durchweg spannender und beeindruckend düsterer Thriller mit einer gehaltvollen Thematik, der durch die meisterhafte Regie und die brillanten Schauspieler bis zur letzten Minute nicht die Puste ausgeht.

 

Robert Aldrichs Stammkomponist Frank DeVol war wegen Krankheit verhindert, sodass Jerry Goldsmith mit der Musik zu „Twilight’s Last Gleaming“ beauftragt wurde, der schon immer die Musik zu einem Aldrich-Film schreiben wollte. Ende der 70er Jahre steuerte der Komponist auf den kreativen Höhepunkt seiner Karriere zu und hatte im Jahr zuvor seinen einzigen Oscar für „The Omen“ gewonnen, auf den der Dschungel-Actioner „High Velocity“ und der Katastrophenthriller „Cassandra Crossing“ folgten. Der musikalische Ansatz ist ähnlich von „Cassandra Crossing“, jedoch fiel „Twilight’s Last Gleaming“ noch deutlich spröder aus. Im Gegensatz zu seinen Action- und Thrillerscores, in denen Goldsmith seiner harschen und modernistischen Klangsprache oft ein lyrisches Thema gegenüber stellte, verzichtete er in „Twilight’s Last Gleaming“ völlig auf ein Hauptthema und arbeitet mit kleinsten Motiven und Tonfolgen, sodass ein roter Faden nicht auszumachen ist. Einzig und alleine das aus einer Quarte und Quinte bestehende Militrä-Thema für General McKenzie und seine Truppen besitzt ein wenig Themencharakter. Die restlichen Actionpassagen werden mit stets neu kombinierten Motivzellen bestritten, manchmal werden einige Stücke auch aus komplett neuem Material heraus entwickelt. Charakteristisch dürften hier höchstens die fallenden Blechcascaden der Trompeten sein. Für die Suspense-Passagen setzt Goldsmith häufig das Unisono-Spiel von tiefen Tomtoms und E-Bass sowie das klassische in den tiefen Oktaven rumpelnde Klavier ein. Besonders interessant sind die Entschärfung des Sicherheitssystems und der Abstieg der Spezialeinheit im Fahrstuhlschacht, die der Komponist mit äußerst raffinierten Klangcollagen aus modernen alternativen Spieltechniken und interessanten Schlagwerkeffekten unterlegte. Das Schlagwerk spielt ohnehin eine wichtige Rolle, sodass des Öfteren Passagen für gestimmte Tomtoms und Pauken oder auch sich raffiniert überlagernde Wirbel der unterschiedlich gestimmten kleinen Trommeln den militärischen Charakter unterstreichen. Die kurze melodische Einlage für Streicher, Harfe und Flöte für einen nachdenklichen Monolog des Präsidenten fällt gewaltig aus dem Rahmen und wurde auch im Film nicht verwendet. Überhaupt konnte Goldsmith den Musikschnitt nicht überwachen, sodass seine Musik hin und wieder herum geschoben oder plötzlich ausgeblendet wird. Ein wahres Fiasko wie in „Take a Hard Ride“ liegt allerdings bei Weitem nicht vor.

Insgesamt wirkt die Musik zu „Twilight’s Last Gleaming“ ein bisschen wie das Gerüst einer klassischen Goldsmith’schen Actionpartitur, der die finale Schicht noch zu fehlen scheint. Die Elemente, aus denen Goldsmith seine Suspense- und Actionpassagen bestreitet, sind allesamt bekannt und in anderen Werken überzeugender und runder verarbeitet. „Twilight’s Last Gleaming“ ist somit nicht nur spröde und sperrig, die Musik stellt nicht vollends zufrieden. Eine noch konsequentere Motivarbeit hätte dem etwas unfertig wirkenden Konzept vielleicht geholfen, denn so machen nur die modernistischen Klangcollagen einen geschlossenen Eindruck.

Da der Film nicht erfolgreich war, blieb auch eine Veröffentlichung der Musik nach dem Start des Films aus. Erst knapp 20 Jahre später brachte die Goldsmith-Society einen von Sohn Joel angefertigten Albumschnitt heraus, der wenig später noch einmal von Silva Screen weltweit verlegt wurde. Die Bänder in Joel Goldsmiths Privatbesitz weisen einen deutlichen archivarischen Klang auf, sodass die Musik stets etwas dünn und schrill klingt. Die nicht allzu überzeugende Leistung des Graunke Symphonie Orchesters tut ihr übriges. Der Albumschnitt enthält bis auf vier fehlende Passagen die komplette Musik, ist aber völlig außer Reihenfolge gebracht und macht somit eine logische Verfolgung der einzelnen Elemente fast unmöglich. Die fehlenden drei Minuten hätten die nicht ganz geschlossene Musik nicht außerordentlich bereichert, wären aber auch nicht überflüssig gewesen, sodass man nur hoffen kann, dass bald ein Label die Musik komplett und chronologisch in besserem Klang veröffentlicht, sodass man sich dieser Musik nochmals nähern kann.

 

 

 

Islands in the Stream - Inseln im Strom

Der Bildhauer Thomas Hudson lebt auf einer karibischen Insel, wo er abgeschieden von der zivilisierten Welt arbeitet. Der zweite Weltkrieg, der vor zwei Jahren ausgebrochen ist, kommt nun immer spürbarer an die Insel heran, die oft als Zwischenstation für jüdische Flüchtlinge nach Kuba oder Amerika genutzt wird, weshalb immer mehr Schiffe von deutschen U-Booten beschossen werden. Hier hegt Hudson eine enge Freundschaft mit Eddie, der oft im Alkoholrausch Schlägereien beginnt, einer weiblichen Bekannten namens Lil und Joseph, einem Farbigen. Eines Tages erhält Hudson die Nachricht, dass ihn seine drei Söhne besuchen kommen wollen. Tom, der älteste, stammt aus seiner ersten Ehe mit Audrey, mit der er in Paris lebte. Nachdem der Künstler seine Frau mit deren besten Freundin im Urlaub betrogen hatte, verließ ihn diese mit dem gemeinsamen Sohn. Aus einer zweiten Beziehung stammen die Söhne David und Andrew. Während Tom und Andrew glücklich sind, ihren Vater wieder zu sehen, ist David immer noch wütend auf Hudson, der seine und Andrews Mutter oft geschlagen hat. Erst nach und nach können Vater und Sohn Vertrauen zueinander fassen. Die drei Jungs verbringen mit ihrem Vater, Eddie und Joseph eine ausgelassene Zeit auf der Insel. Kurz vor ihrer Abreise offenbahrt Tom seinem Vater, dass er nach seiner Rückkehr nach England in die Lufuwaffe eintreten will, um nun für sein Land zu kämpfen. Schweren Herzens gibt Hudson seine Einwilligung. Einige Zeit nach der Abreise seiner Söhne glaubt der Bildhauer seinen Augen nicht zu trauen, als er seine erste Frau Audrey auf der Straße in einem Ort nahe seines Hauses trifft. Die beiden begeben sich in Hudsons Haus, wo ihm Audrey offenbahrt, dass sie einen britischen Offizier heiraten wird. Nachdem sich die beiden einige frühere Eheprobleme an den Kopf geworfen haben, wird es Hudson schlagartig klar: Der eigentliche Grund für Audreys Auftreten ist der Tod Toms. Diese gibt schließlich zu, dass ihr gemeinsamer Sohn bei einem Routineflug abgeschossen wurde. Nach Audreys Abreise beschließt Hudson, wieder der westlichen Welt zu leben und gibt sein Haus auf. Auf der See entdecken Hudson, Eddie und Joseph das Wrack eines befreundeten Kapitäns, der mit mehreren jüdischen Flüchtlingen auf den Trümmern auf dem Wasser treibt. Hudson beschließt, sich der Flüchtlinge und des Kapitäns anzunehmen. Eine gefährliche Reise beginnt...

"Die Inseln im Strom" wurde erst nach dem Tod des Schriftstellers Ernest Hemingway veröffentlicht und es leuchtet schnell ein, warum der Autor diesen Roman zu lebzeiten nicht herausbringen wollte. Hemingway, der in seinen Romanen oft biographische Elemente einfließen lässt, verarbeitete in diesem Werk insbesondere seine Beziehung zu seinen Frauen und seinen Söhnen. So lebte auch Hemingway in den 20er Jahren mit seiner ersten Frau und dem gemeinsamen Sohn in Paris, wie es von Thomas Hudson erzählt wird. Die drei Söhne des Protagonisten lassen vermuten, wie genau der Autor seine eigenen Kinder kannte und im Roman akribisch beschrieb. Da der Schriftsteller stets ein bestimmtes Ansehen aufrecht erhalten wollte, war es ihm anscheinend unmöglich, seine in diesem Werk verarbeitete sensible Gefühlswelt an die Öffentlichkeit zu lassen. Bereits sieben Jahre nach Veröffentlichung wurde das Buch vom Regisseur Franklin J. Schaffner verfilmt. "Inseln im Strom" bleibt in Schaffners Werk neben großartigen Klassikern wie "Planet der Affen" eine Randnotiz und verschwand auch 1977 relativ schnell aus den Kinosälen und auch wenn er die Klasse oder Größe der vorigen genannten Filme nicht erreicht, so handelt es sich dennoch um einen einfühlsamen und sehenswerten Film. Schaffners Filme behandeln oft das emotionale Innenleben komplexer Charaktere wie dem General Patton im gleichnamigen Film oder Henry Charrière in "Papillon", der seiner lebenslänglichen Haftstrafe in Französisch-Guyana entkommen ist. "Inseln im Strom" zeichnet sich durch seine ruhige Erzählweise und die bezaubernden Landschaftsaufnahmen der exotischen Inselumgebung aus. Schaffners nimmt sich - wie üblich - viel Zeit, um die Gefühle seiner Charaktere zu beleuchten und ihnen möglichst viel Tiefe zu geben. Auch die einzelnen zwischenmenschlichen Beziehungen werden mit größter Sorgfalt in Szene gesetzt. Insbesondere der Dialog mit seiner ersten Frau Audrey und die Erkenntnis über den Td des Sohnes zählen zu den großartigen Höhepunkten des Films. Dennoch versah der Regisseur seinen Film besonders zum Ende hin mit einer unnötigen Portion Kitsch, der in "Patton" oder "Papillon" erfreulicherweise vermieden wurde. Wenn Hudson vor seinem geistigen Auge ganz in weiß gekleidet seine Familie verlässt, während ein breit grinsender Josep hinterher winkt, wirkt das fast wie eine Parodie.
Für "Inseln im Strom" arbeitete Schaffner erneut mit George C. Scott zusammen, der eine prächtige Darstellung des raubeinigen aber gutherzigen Thomas Hudson gibt. Sympatieträger des Film ist ohne Frage David Hemmings in seiner Rolle als Eddie und auch Julius Harris weiß als Joseph zu überzeugen. Hard Bochner, Brad Savage und Michael-James Wixted brillieren als Hudsons Söhne und Claire Blooms Darstellung der Audrey scheint nehazu perfekt.
Insgesamt reicht "Inseln am Strom" nicht an die Klassiker Franklin J. Schaffners heran, der hier allerdings einen bezaubernden und nachdenklichen Film mit prächtigen Naturaufnahmen drehte.

Jerry Goldsmith bezeichnete seine Musik zu "Inseln im Strom" lange Zeit als sein persönliches Lieblingswerk, bevor "Rudy" diesen Platz einnahm. Bei "Inseln im Strom" handelt es sich in der Tat um eine wundervolle und vielschichtige Musik, die besonders von ihrem schwelgerisch-üppgien Charakter lebt. Auch wenn Goldsmith ein durchschnittlich besetztes Symphonieorchester zur Verfügung hatte, liegt der Fokus auf den warmen Klängen der Streicher und der Holzbläser, während das Blech sich mit dunklen Füllakkorden in den Orchesterapparat mischt. Goldsmith besetzte neben dem Klavier auch eine Harfe sowie eine Gitarre, um das exotische Flair in der Musik zu schaffen. Insgesamt ist "Inseln im Strom" von impressionistisch süffigen Charakter und wird von mehreren Leitmotiven getragen. Hier ist vor Allem das Hauptthema zu nennen, das oft vom ersten Horn über sanfte Begleitung des Orchesters gespielt wird und von nachdenklich friedlichem Charakter ist. Dabei sorgt Goldsmith mit seinen äußerst eloquenten Harmonien stets für eine feine Schattierung des Themas, das in immer wieder neuen Facetten zu erklingen scheint. Eine leicht wuchtige, aus drei Akkorden bestehende Figur der Blechbläser repräsentiert die exotische Umgebung selbst. Hier arbeitet Goldsmith sogar besonders klangmalerisch, wenn er den Klang der Blechbläser mit einer girlandenartigen Akkordbrechung der Klarinette und einem rauschenden Wirbel des Hängebeckens garniert und so unvermeidlich die Assoziation einer mit schäumender Gischt gekrönten Welle schafft. Neben einigen weiteren Motiven und Melodien wie einer zarten, impressionistisch angehauchten Flötenmelodie über die zurückhaltende Begleitung der Harfe komponierte Goldsmith mehrere dramaturgisch eigenständige Stücke wie die heitere Passage für die Kissenschlacht oder die brillante Vertonung für eine Szene, in der Tom beim Fischen fast einem Hai zum Opfer fällt. Goldsmith legt hier das Hauptthema über eine rumba-artige Begleitung der Streicher, des Schlagwerks und der Gitarre, doch nach und nach kippt die Stimmung in weiter. Das Thema schlägt in eine panische Bewegung der Streicher um und auch die Begleitung wird immer treibender und aggressiver, bevor das Stück zu einem abrupten Ende kommt. Im letzten Drittel, als die Männer den Flüchtlingen helfen, wird die Musik zunehmend düsterer und enthält auch die einzige Actionpassage der Partitur. Insgesamt jedoch ist "Inseln im Strom" von einem gleichförmigen und sehr fließendem Charakter gezeichnet wie das die Insel umgebende Meer , doch die oft sehr detaillierte und raffinierte Orchestrierung und die sehr eloquente Harmonik machen diese Musik zu einem sehr exquisiten Hörerlebnis.
Zum Filmstart erschien keine Veröffentlichung, sodass Goldsmith mit Freuden die Möglichkeit nutzte, "Inseln im Strom" für die Excalibur-Reihe von Intrada neu einzuspielen. Dabei nahm er fast die vollständige Musik neu auf, ließ aber die Actionsequenz zu Beginn von "Eddie's Death" aus, um vielleicht den sonst so ruhigen Charakter nicht zu stören. Die vollständige Originalaufnahme der Musik erschien 2010 in Form einer großzügig auf 5000 Stück limitierten FSM-CD, die mit den üblichen Qualitätsstandarts aufwartet. Im besten Fall schafft man sich beide Editionen an, eine Ausgabe ist allerdings Pflicht, denn Jerry Goldsmith komponierte hier eine herrliche Dramenmusik für einen nicht perfekten, aber unterschätzten Film.

 

 

MacArthur – Held des Pazifik

Nach dem Angriff auf Pearl Harbor erfolgen weitere Attacken Japans auf militärische Stützpunkte der Amerikaner im Pazifikraum und nach dem Eintritt in den 2. Weltkrieg unterstützen amerikanische Streitkräfte daher Südostasien im Kampf gegen Japan. Die Soldaten auf den Philippinen werden von General Douglas MacArthur befehligt doch seine Streitkraft ist dem Gegner hoffnungslos unterlegen sodass Präsident Roosevelt den Befehl gibt, Corregidor aufzugeben. MacArthur muss mit seiner Familie auf einem Schnellboot nach Australien ausgeschifft werden und seine Männer somit im Stich lassen, aber er verspricht, zurück zu kehren. Tatsächlich gelingen ihm später die Landung in der Bucht von Leyte und die Rückeroberung Corregidors bis der Atomangriff auf Hiroshima und Nagasaki Japan schließlich zur Kapitulation zwingt. MacArthur beteiligt sich am Wiederaufbau des Landes und unternimmt einen Versuch, in die Politik einzusteigen, der allerdings scheitert. Als 5 Jahre nach Kriegsende nordkoreanische die Grenze nach Südkorea überschreiten und es zum Krieg kommt, befehligt MacArthur die UNO-Truppen, die Südkorea gegen China und Nordkorea unterstützen. Der neue Präsident Truman sucht nach einer diplomatischen Lösung während MacArthur eine militärische Vorgehensweise für angemessen hält. Die Spannung zwischen dem General und dem Präsidenten spitzt sich durch das eigenmächtige Verhalten MacArthurs immer weiter zu…

Douglas MacArthur war der meist dekorierte General in der Geschichte der USA und ein entscheidender Stratege im zweiten Weltkrieg und der Koreakrise. Mit General Patton teilt er sich außerdem den Ruf des exzentrischsten Generalstabsoffiziers in der militärischen Geschichte seines Landes – eine Person also, die sich für eine Verfilmung geradezu anbietet. Insgesamt ist „MacArthur“ ein recht solider Streifen mit einem starken Hauptdarsteller. Die Autoren Hal Barwood und Matthew Robbins waren offensichtlich bemüht, den Protagonisten von verschiedenen Seiten zu beleuchten, sodass man den General neben seinen militärischen Aktionen auch als Familienvater oder während seiner kurzen politischen Laufbahn begleitet. Wenig überraschend konzentriert sich „MacArthur“ jedoch auf die beiden Meilensteine in der militärischen Karriere des Generals: Dem 2. Weltkrieg und der Koreakrise wobei jede Möglichkeit genutzt wird, den Protagonisten in ein positives Licht zu rücken. Als entschlossener Draufgänger von der diplomatisch verbockten Politik ausgebremst oder als Vorbild, das tapfer und loyal kämpft wird MacArthur zusätzlich beschwichtigend als aufrechter Pazifist dargestellt, der keine Gelegenheit auslässt, die Gräuel des Krieges und seiner Folgen zu betonen. Zwar ist es bei einem derartigen Film zu erwarten, dass dem eigenen Land und seiner Hauptfigur historisch verklärend in die Tasche gespielt wird, dass die Atomangriffe auf Nagasaki und Hiroshima allerdings nur eine kleine Randnotiz bleiben, die von MacArthur nicht wegen ihrer schrecklichen Auswirkungen (die werden nämlich vollkommen verschwiegen) sondern seiner Vorliebe für „ehrlichen“ Kampf in einem Nebensatz halbherzig kritisiert werden, gehört den größeren Makeln des Films und ist schlicht und ergreifend ärgerlich. Handwerklich schnörkellos durch Regisseur Joseph Sargent in Szene gesetzt und von Mario Tosi teils ansehnlich fotografiert ist der Film von einer ruhigen Erzählweise geprägt. Zwar gibt es explosive und für die Entstehungszeit recht blutige Kriegsszenen, doch hauptsächlich erklären einem uniformierte Herren vor großen Landkarten die aktuelle Situation und MacArthurs Rolle darin. Zu den handwerklich positiven Aspekten zählt auch die strenge Anlehnung an historische Fotos, was all zu deutlich bei der Landung in der Bucht von Leyte deutlich wird, die fast identisch mit einer Aufnahme übereinstimmt.
Die Darsteller agieren zufrieden stellend und wurden durch mehr oder weniger Eingriffe der Maske treffend an die historischen Persönlichkeiten angeglichen. Der Star des Films ist ohne Frage Gregory Peck in der Rolle des MacArthur, die er entsprechend charismatisch interpretiert und dessen Darstellung den etwas biederen Film größtenteils trägt. Insgesamt ist „MacArthur“ ein verzichtbarer um einigen Pathos angereicherter Kriegsfilm, der mit seinem ruhigen Tempo und seiner stark einseitigen Auslegung der Hauptfigur deutlich gealtert ist.

Jerry Goldsmith vertonte nur in der ersten Hälfte seiner Karriere – von 1965 – 1982 – Kriesfilme, von denen sich die letzten beiden um MacArthur ranken: „MacArthur“ und „Inchon“. 1970 hatte der Komponist bereits „Patton“ vertont und verlieh somit beiden exzentrischen amerikanischen Generälen des 2. Weltkriegs eine musikalische Identität. Während „Patton“ allerdings mit einer äußerst raffinierten und vielschichtigen Komposition bedacht wurde, die alle Facetten seines Charakters in einer komplexen und sehr komprimierten Filmmusik einfing ist der Beitrag für „MacArthur“ deutlich konventioneller geraten. Dabei orientiert sich die Musik deutlich an der oberflächlichen Darstellung des Protagonisten und bildet einen musikalischen Spiegel zu seiner jeweiligen Situation und Empfindung während die Musik zu „Patton“ oder auch „Tora! Tora! Tora!“ als objektiver klingender Kommentar zum Bildgeschehen fungierten. Hierbei ließ Goldsmith die actionreichen Kriegsszenen häufig unvertont sondern setzte Musik hauptsächlich in Dialogszenen oder ruhigen Momenten und Montagen ein, sodass es in „MacArthur“ trotz des Stoffes keine reine Actionmusik zu hören gibt.
Für die Vertonung stand ein durchschnittlich besetztes Symphonieorchester zur Verfügung, dessen sich der Komponist in romantischer Klangtradition bedient. Satten Streicherklängen und noblen Blechchorälen wird hier der Vorzug gegenüber den ausgefeilten und durchsichtiger instrumentierten Passagen gegeben, für die Goldsmith so bekannt wurde. Trotzdem handelt es sich um eine ansprechende Partitur, die viele Details enthält und somit deutlich über bloßer Routine anzusiedeln ist. Da die Musik vollständig mit General MacArthur in Verbindung steht ist auch sämtliches thematisch-motivisches Material dem Protagonisten zuzuschreiben. Für den militärischen Aspekt steht ein schmissiger Marsch, der besonders prominent während des Vor- und Abspanns sowie der Landung in der Bucht von Leyte erklingt und mit dem satten Blech, kräftigen Schlagwerk und einem vorwärts strebendem Streicherkontrapunkt voller Optimismus erstrahlt. Elemente dieses Marsches ziehen sich durch die gesamte Partitur. Mal erklingt die Melodie als sanfter Choral im Blech, der Kontrapunkt als aufsteigende Figur in den Hörnern oder schimmert der Marschrhythmus durch. Außerdem schrieb der Komponist eine sanfte und lyrische Melodie, die entweder voll in den Streichern ausgespielt oder als sanftes Holzbläsersolo erklingt. Für pessimistische Momente und Situationen kombiniert Goldsmith die tragenden Aspekte beider thematischen Elemente: ein stark punktierter Marschrhythmus, der auf einer Klaviersaite geschlagen wird, wechselt sich mit einer seufzend aufbäumenden Figur der Streicher ab. Ein Großteil der Musik zu „MacArhur“ arbeitet besonders mit der resignativen Passage und dem lyrischen Thema in verschiedener Kombination und Besetzung. Der Marsch erklingt besonders ausladend während einer Trainingsmontage und der Landung. Für die bedrohliche Flucht von den Philippinen durch vermintes Wasser schrieb Goldsmith außerdem eine zurückhaltend modernistische Suspensemusik, die ebenfalls von dem pulsierenden auf der Klaviersaite gehämmerten Marschrhythmus durchsetzt ist. Zu den absoluten Höhepunkten der Komposition zählt außerdem die musikalische Untermalung von MacArthurs Rede nach der Unterzeichnung der Kapitulation, in der einige melodisch-rhythmische Charakteristika aus dem Hauptthema von „Tora! Tora! Tora!“ anklingen und zu einem bedrückend melancholischen Stück für mittlere und tiefe Streicher mit leichter Bläserunterstützung auskomponiert wurden.
Zum Filmstart erschien eine LP, die einen gelungenen Querschnitt präsentiert und gleichzeitig einen großen Teil der sparsam eingesetzten Musik enthält. Dabei wurde zu Gunsten eines besseren Hörflusses auf der chronologischen Reihenfolge verzichtet und die durchschnittlich kürzeren Stücke oft zu längeren Passagen kombiniert. 1990 wurde der Albumschnitt von Varèse-Sarabande auf CD, die mittlerweile restlos vergriffen ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich ein Label sich der Musik in nächster Zeit annimmt – entweder mit einer simplen Neuauflage des Album-Schnitts oder der vollständigen Musik –, denn „MacArthur“ ist eine zwar glatte aber dennoch ausgefeilte Kriegsfilmmusik, die nicht die Klasse von „Patton“ oder „Tora! Tora! Tora!“ erreicht, aber gut zu unterhalten weiß.

 

1978

 

Coma

Die junge Nancy Greenly wird in das Boston Memorial Krankenhaus eingeliefert, um einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Während des Vorgangs treten bei der Patientin Herzrhythmusstörungen auf und Nancy fällt trotz vollständiger Gesundheit in ein Koma. Ihre beste Freundin Dr. Susan Wheeler, die ebenfalls mit ihrem Freund Dr. Mark Bellows im Boston Memorial arbeitet, will der Ursache auf den, doch sie stößt bei der gesamten Belegschaft auf Ablehnung und Unverständnis, da bei einer derart großen Anzahl von durchgeführten Operationen durchaus tödliche Nebenwirkungen in geringer Zahl auftreten können. Bald findet Susan heraus, dass in den letzten zwölf Monaten zehn gesunde junge Menschen während Routineeingriffen ins Koma fielen. Als ein Tag nach der Entdeckung der 34-jährige Sean Murphy nach einer Operation wegen eines Sportunfalls ebenfalls nicht mehr aufwacht und Nancy Greenly verstirbt, ist die Ärztin überzeugt, dass es sich nicht mehr um Zufälle handelt. Sie findet heraus, dass alle mittlerweile zwölf Patienten in demselben Operationssaal ins Koma fielen und in das „Jefferson Institut“ verlegt wurden – eine dubiose Einrichtung, in der Komapatienten so sparsam wie möglich nahezu „gelagert“ und am Leben erhalten werden. Susan begibt sich bei ihren Nachforschungen in immer größere Gefahr, weil sie dabei ist, eine große Verschwörung aufzudecken. Schon bald ist ihr ein gefährlicher Killer auf den Fersen…

Michael Crichton war nicht nur als Schriftsteller, Drehbuchautor, Produzent und Regisseur tätig, sondern machte 1969 seinen Doktor der Medizin an der Harvard Medical School. Somit war Crichton die perfekte Besetzung als Drehbuchautor und Regisseur dieses spannenden und kritischen Films, der auch heute noch nichts von seiner Wirkung eingebüßt hat. Die Vorlage für „Coma“ bildet der gleichnamige Roman Robin Cooks aus dem Jahre 1977. Der Film lässt sich in zwei Elemente unterteilen. So bildet die erste knappe Stunde einen fast dokumentarisch gezeichneten Ablauf des Krankenhausalltags während die zwei Stunde sich vermehrt auf den Thriller-Aspekt der Handlung konzentriert. Hier sind vor allem die Szenen im Jefferson Institut zu erwähnen, die in dem futuristischen Bürogebäude der Firma Xerox Lexington gedreht wurden – insbesondere natürlich dem „Pflegeraum“ für die Komapatienten. Über 20 Stuntmen und –frauen wurden hier an Drähten, die an der Decke befestigt sind, aufgehängt und bilden so ein surrealistisches Bild von fast in der Luft schwebenden besinnungslosen Gestalten. Das Bild des Halbgottes in Weis wird schnell außer Kraft gesetzt und insgesamt wählte Crichton einen sehr herben und zynischen Grundton. So begräbt Susan Wheeler den Berufskiller unter einem Berg von Leichen oder diskutieren Pathologen amüsiert und angeregt über die besten Mordmethoden, während die Organe auseinander nehmen.
Auch die Schauspieler sind treffend gewählt und spielen tadellos. Die Franko-Kanadierin Geneviève Bujold verkörpert die von Zweifel und Ehrgeiz angetriebene Susan Wheeler absolut glaubwürdig und hält gekonnt die Balance zwischen aktivem Engagement und leichter Skepsis. Ihr Freund wird von einem 35-jährigem Michael Douglas gespielt, der erst zum Ende die Brisanz der Lage erkennt. Elizabeth Ashley als kühle medizinische Leiterin des Jefferson Instituts und Rip Torn als alter Medizinhase, dem es lieb ist, wenn seine Ärzte gute Arbeit verrichten und nicht weiter nachforschen, bilden gekonnt den Gegenpol zum jungen und dynamischen Ärztepaar. Lance LeGeault bildet mit seinem scharfkantigen Gesicht und dem forschen Ausdruck die ideale Besetzung für den Berufskiller Vince. Für die beiden Komapatienten Nancy und Sean wurden absichtlich junge und attraktive Darsteller genommen, um das Publikum die Sinnlosigkeit des Komas besonders wirkungsvoll vor Augen zu führen. So kommt es, dass neben Lois Chiles Tom Selleck zu sehen ist, der zwei Jahre später als „Magnum“ berühmt werden sollte. „Coma“ bildete außerdem das Spielfilmdebüt für Ed Harris, der einen der mordlustigen Pathologen spielt.

Michael Crichton und Jerry Goldsmith verband eine enge Freundschaft, weshalb der Komponist viele Filme des Regisseurs vertonte und dieser auch durchsetzte, dass Goldsmith für spätere Projekte engagiert wurde, an denen Crichton mitwirkte. „Coma“ ist nach dem TV-Film „Pursuit“ erst die zweite Arbeit des Duos und stammt aus einem sehr produktiven Jahr im Schaffen des Komponisten, dessen Zenit er zu dieser Zeit erreicht hatte. Für „Coma“ wählte Jerry Goldsmith eine kühle modernistische Klangsprache und griff auf ein Orchester ohne Blechbläser zurück, das allerdings um frühe Synthesizer und vier teilweise präparierte Klaviere ergänzt wurde. Bis auf das Liebesthema für die beiden Ärzte, das neben einem recht poppigen Engagement für eine Ferien-Collage dient und sonst nur kurz zum Finale angerissen wird, ist die Musik atonal. Trotzdem ist die Musik leitmotivisch strukturiert, wobei zwei thematische Ideen vorherrschen. Als Hauptthema dient eine kühle Streichermelodie, die oftmals um einen oder mehrere Kontrapunkte ergänzt wird und für die sterile Umgebung des Jefferson Instituts sowie die perfiden Machenschaften um die mysteriösen Komafälle steht. Für den Killer Vince entwickelte Goldsmith musikalisches Material aus einem angeschlagenen Akkord eines präparierten Klaviers, der mittels einea Delay-Effekts ähnlich eines mehrfachen Echos nachhallt. In diesen Nachhall mischt sich eine absteigende Skala, die ebenfalls im präparierten Klavier erklingt.
Die musikalischen Hauptdarsteller sind in „Coma“ allerdings unbestritten die Streicher. Für die unzähligen Suspense-Passagen schuf Goldsmith hier ausgefeilte Passagen für klappernde Col-Legno-Schläge, dissonante Cluster oder langsam heran schleichende Pizzicati. Besonders in den grandios gefilmten langen Szenen ohne Worte wie Susans Entdeckung im Heizungskeller oder ihr Versteck zwischen in Plastiksäcken aufgehängten Leichen werden von Goldsmiths avantgardistischen Klangkompositionen maßgeblich verstärkt.
Ein weiterer Geniestreich ist der vollkommene Verzicht auf Musik in der ersten „dokumentarischen“ nüchternen Filmhälfte bis auf einige Source-Musiken. Erst als der Killer das erste Mal abends an der Straße steht und Susan beobachtet, erklingt sein Motiv im präparierten Klavier. Ab hier vertonte Goldsmith den Film sehr dicht, verstärkt maßgeblich Spannung und Atmosphäre.
Rund 36 Minuten der Originalaufnahmen wurden zum Filmstart für ein LP-Album ausgewählt und für einen besseren Hörfluss leicht geschnitten oder kombiniert. Dieser LP-Schnitt erschien zweimal auf CD bevor FSM die vollständige Musik zu „Coma“ im Rahmen eines 2-CD-Sets veröffentlichte, das insgesamt drei Michael-Crichton-Filmmusiken enthält. Hier ist es erstmals möglich, die Musik wie im Film wahrzunehmen, wobei – wie oft üblich – einzelne im Film aufeinander folgende Stücke zu längeren Tracks kombiniert und leicht zusammen gezogen wurde, was dem Hörfluss allerdings nicht schadet, doch in Anbetracht der Länge einiger kombinierter Stücke irritiert, da sie auch gut für sich alleine hätten stehen können. Die drei Source-Musiken sind eine nette Dreingabe ebenso wie eine nicht verwendete Song-Version des Liebesthemas. Die Klangqualität ist sehr gut, wenn auch nicht ganz so klar wie z.B. der im selben Jahr aufgenommene „Magic“-Score und das informative reichhaltig bebilderte Booklet entspricht dem üblichen tadellosen FSM-Standart. Insgesamt ist Jerry Goldsmith eine äußerst atmosphärisch dichte avantgardistische Klangkomposition gelungen, die auch für sich genommen abseits der Bilder völlig besticht und bei 42 Minuten keine Länge aufkommen lässt.

 

 

Capricorn One - Unternehmen Capricorn

1978: Die NASA startet den ersten bemannten Flug zum Mars, doch kurz dem Abschuss werden die drei Besatzungsmitglieder von einem Agenten durch ein Hintertürchen aus dem Shuttle geführt und vom anwesenden Publikum unbemerkt fortgebracht. Die drei verdutzten Astronauten Colonel Charles Brubaker, Lieutenant Colonel Peter Willis und Commander John Walker staunen nicht schlecht, als ein Flugzeug sie zu einem alten Testgelände der Armee in der Wüste bringt, wo sie Dr. James Kelloway von NASA empfängt und ihnen eröffnet, dass gerade ihr Leben gerettet wurde. Zu spät hatten die Techniker einen Fehler an dem Shuttle bemerkt, der mit Sicherheit zu einem tödlichen Ende der Mission geführt hätte. Einen Abbruch des Unternehmens konnte sich die NASA allerdings nach all den vorherigen Fehlschlägen nicht mehr leisten, sodass die Welt im Glauben belassen wird, Brubaker, Willis und Walker wären gerade gestartet und auf dem Weg zum Mars. Die im Fernsehen live übertragene Marslandung würde man in einem Studio nachspielen und die Rückkehr der drei Astronauten mit einer getürkten Landung inszenieren. Die Astronauten protestieren und sind nicht bereit, auf Kelloways Spiel einzugehen, doch der offenbart ihnen, dass – stimmen sie nicht zu – ihre Familien getötet werden. In einer langen Zeit der Isolierung halten sich die Astronauten in der Militärbasis auf, bis der große Zeitpunkt gekommen ist: Die im Studio inszenierte Marslandung verläuft reibungslos. Nach weiteren sechs Monaten, die der Rückflug benötigen würde, kommt der Moment der Landung, doch etwas verläuft schief, denn der unbemannte Shuttle fängt beim Eintritt in die Erdatmosphäre Feuer und verglüht. Die Astronauten begreifen, dass sie offiziell tot sind und Kelloway nicht riskieren kann, sie am Leben zu lassen. Sie kapern ein Flugzeug und fliehen, doch schon bald sind sie zu einer Bruchlandung in der Wüste gezwungen. Alleine und ohne Verpflegung befinden sie sich nun tatsächlich in der öden und wüsten Umgebung, auf der sie vor sechs Monaten sich zu befinden vorzugeben sie gezwungen waren. Doch nicht nur Durst und Hitze machen ihnen zu schaffen, die tödlichste Bedrohung wartet in Form von mit Killern bemannten Helikoptern, die auf der Jagd nach den drei Astronauten die Wüste durchkämmen…

1978 hatte der so genannte „Verschwörungsthriller“ sein Zenit längst überschritten, doch trotzdem ist Regisseur Peter Hyams ein äußerst spannender Film gelungen, der auch heute noch zu überzeugen vermag. Neben der Regie sorgen vor Allem die Darsteller sowie das durchdachte Drehbuch für einen zu keiner Zeit nachlassenden Thriller. „Capricorn One“ lässt sich in zwei genau gleich lange Hälften unterteilen: Die klar an die Verschwörung um die gestellte Mondlandung angelehnte Handlung und den Überlebenskampf der Astronauten in der Wüste. Besonders die zweite Filmhälfte ist von bitterer Ironie geprägt, da sich die Astronauten nun in einer felsigen heißen Gegend wieder finden, auf der sie einige Zeit zuvor im Studio vorgeben mussten zu landen. Die Darsteller sind allesamt treffend gewählt und überzeugen durch die Bank. James Brolin als abgeklärter Brubaker, O.J. Simpson als lässiger Walker und Sam Waterston als schlitzohriger Willis bilden ein symphatisches Protagonistentrio. Elliott Gould brilliert als rasender Reporter, der der Verschwörung auf die Schliche kommt und Brenda Vaccaro balanciert als Brubakers Frau Kay den von Männern dominierten Film etwas aus. Ein besonderes Lob gilt außerdem Hal Holbrook in der Rolle Dr. Kalloways, der vom um Verständnis bittenden Symphatieträger schnell zum eiskalten berechnenden Strickzieher umschlägt und ebenso warmherzig um die Hilfe der Astronauten bittet wie er später Killer auf seine Helden ansetzt. Diese Auftragsmörder der NASA wurden von Hyams besonders erschreckend in Szene gesetzt, da die Bedrohung durch Berufsmörder in der zweiten Filmhälfte zu Beginn ausschließlich in Form von zwei schwarzen Helikoptern dargestellt wird, die über die Wüste fliegen. Wie riesige Insekten erscheinen die Helikopter, die Hyams sogar teilweise miteinander „kommunizieren“ lässt. Auch später, als die Piloten aussteigen, wirken die Killer mit ihren übergroßen Helmen und dunklen Brillen wie fremdartige Wesen. Zum Finale wartet „Capricorn One“ zusätzlich mit einem actionreichen Finale mit atemberaubenden Flugsequenzen auf, die äußerst kraftvoll in Szene gesetzt wurden.
Ingesamt drehte Peter Hyams einen äußerst spannenden und in allen Bereichen überzeugenden Verschwörungsthriller, der auch heute noch sehr spannend und düster wirkt.

1978 vertonte Jerry Goldsmith neben „Capricorn One“ auch „Coma“, „Magic“, „The Swarm“, „Damien: Omen II“ und „The Boys From Brazil“. Alle sechs Filme haben hauptsächlich Spannungs- oder Actionpassagen zum Inhalt, doch in fast keinem Film brachte Goldsmith seine Elemente für Action so schonungslos auf den Punkt wie in seiner brutalen Musik für “Capricorn One”. Die bereits in TV-Arbeiten der 60er Jahre angedeuteten Ostinati, die vielen Actionpassagen im Schaffen des Komponisten zu Grunde liegen, werden zum zentralen Motiv der gesamten Musik, der Goldsmith – wie so oft – ein sanftes und lyrisches Thema gegenüberstellt: in diesem Falle das Thema für Brubakers Ehefrau Kay.
Schon ein Blick auf die Orchesterbesetzung verdeutlicht Goldsmiths harschen und bruateln Ansatz: Bei einer recht großen Streicherbesetzung, vier Klavieren, zwei Harfen und einer Menge Schlagzeug verzichtet der Komponist vollständig auf den Einsatz von Holzbläsern sowie Trompeten und weitet stattdessen die Besetzung der tiefen Blechbläser stark aus. Mit neun Hörnern und vier Posaunen und zwei Tuben verfügt Goldsmith über eine ungewöhnliche große Anzahl Blechbläser, deren Masse er allerdings weniger für brachialen Zusammenklang denn raffinierte Frage-Antwort-Motivik und komplexe Überlagerungen oder Schichtungen einsetzt. Auch rhythmisch wird die Musik hauptsächlich von ungeraden Metren und ruppigen Taktwechseln strukturiert, die der Komponist so liebte.
Die Titelmusik stellt das zentrale Motiv – ein Ostinato in 11/8 bzw. ¾+5/8 – vor. Von der Pauke gehämmert und den Klavieren verstärkt legt sich nun eine erste abgehackte melodische Linie über die rhythmische Basis, bevor die Violinen eine freitonale melodische Figur spielen, die von den Blechbläsern gestützt wird. Im folgenden Filmverlauf tritt die Musik allerdings kaum so massig und gewaltig wie in der Vorspannmusik auf, denn Goldsmith zerlegt seine Motive in ihre kleinsten Einzelteile. Besonders die Suspense-Szenen wie die Flucht der Astronauten wird von An/aus-Action untermalt. Kaum ist das Ostinato einmal verhalten ausgespielt worden, bricht es wieder ab. Einen ruhigen Gegenpol bildet zum Einen das Thema für Kay bevor die Musik in der zweiten Filmhälfte wieder etwas griffiger wird, denn nun erklingt das Ostinato stets im Zusammenhang mit den Helikoptern. Außerdem schrieb Goldsmith einige höchst interessante und teils sehr avantgardistische flirrende Passagen für die Wüste. Auch die Szenen, in denen Walker nach Wasser sucht oder Willis’ minutenlanger Aufstieg an einem steilen Abhang sind brillant vertont. Insgesamt schuf Goldsmith eine äußerst konsequente und schonungslose Partitur, die seinen Actionstil für die kommende Dekade – bis „Total Recall“ festlegen sollte.
Da die Musik sehr eng mit dem Bild verknüpft ist arrangierte Goldsmith seine Musik für eine LP, die zum Filmstart erschien, um und spielte sie neu ein. Viele abgehackte Suspensepassagen wurden geglättet oder gekürzt, teilweise völlig neu aus einzelnen Stücken zusammen gesetzt und außer Filmreihenfolge gebracht sodass ein völlig neues Hörerlebnis entsteht. Erst 2005 brachte Intrada in der Reihe der „Special Collection“ erstmals die vollständigen Filmaufnahmen heraus. Diese sind um einiges knackiger als die sehr hallig aufgenommene Album-Aufnahme (die zusammen mit „Outland auf“ CD erschien), verfügen aber nicht über einen derart guten Hörfluss, da viele Suspesne-Momente erst an Hand des Films wirklich nachvollziehbar werden. Auf der anderen Seite ist es überaus interessant, Goldsmiths Sezierung seines Materials genau verfolgen zu können, bevor alle Ideen im Abspann voll ausformuliert werden. Leider ist das Intrada-Album schon lange vergriffen, sodass momentan nur die LP-Aufnahme verfügbar ist. Aus Gründen der Vollständigkeit wäre es natürlich äußerst lohnenswert, wenn die komplette Musik wieder aufgelegt wird, aber besonders in diesem Fall sollte man nicht vergessen, dass Goldsmith sich viele Gedanken bei der Konzipierung seiner Albenschnitte gemacht hat und „Capricorn One“ dürfte eines seiner besten LP-Arrangements sein. In welcher Fassung auch immer bildet die Musik jedenfalls einen Meilenstein in Goldsmiths Schaffen und sollte insgesamt in keiner Filmmusiksammlung fehlen.

 

 

The Swarm - Der tödliche Schwarm

Sämtliche Soldaten in einer Militärbasis sind auf mysteriöse Art und Weise ums Leben gekommen. General Slater und seine Soldaten sollen den Vorfall untersuchen und treffen in der ausgestorbenen Basis auf einen Überlebende: Die Ärztin Helena Anderson, die im Stande war, sich mit sechs Männern in der Krankenstation rechtzeitig einzuschließen und einen Wissenschaftler namens Dr. Brad Crane. Dieser erklärt, dass afrikanische Killerbienen im Laufe der Jahre nach Südamerika gewandert sind und nun vom Süden in die USA einfallen. Ihr erster Angriff galt einer Militärbasis, da sich deren Sirenen wie Lockrufe ihrer Königin anhören, doch nun bewegt sich der Schwarm auf die anliegende Kleinstadt Marysville zu. General Slater verdächtigt Crane, an der Sache beteiligt zu sein und hat Mühe, zu glauben, dass Bienen hinter dem Angriff auf die Basis stecken, doch das Weiße Haus befiehlt dem raubeinigen General, dem Zivilisten die Leitung der Schädlingsbekämpfung zu übertragen. Crane stellt ein Team von altbekannten Wissenschaftlern zusammen, um der Sache Herr zu werden, doch während die Forscher unentwegt versuchen, die Schwachstelle der Bienen zu finden, fordert der Schwarm tausende Opfer…

Irwin Allen trug als Produzent von „Flammendes Inferno“ maßgeblich zum Erfolg des Katastrophenfilms in den 70er Jahren bei, allerdings revolutionierte der „Master of Desaster“ dieses Genre durch eine Umstellung der konservativen Konzeption: Anstatt den Zuschauer mit ewig ausgewalzten zwischenmenschlichen Konflikten oder platt inszenierten Romantikszenen, die den Zuschauer bei Laune halten sollen, bis die aufwendige Katastrophe eintritt konnte Allen es nicht erwarten, die den Film prägende Katastrophe zu etablieren, mit deren Folgen seine Figuren zurecht kommen müssen. So findet auch bei „The Swarm“ die erste Katastrophe – der Angriff auf die Militärbasis – schon vor Einsatz der Filmhandlung statt. Die Katastrophe ist schon in vollem Gange, bevor irgendjemand seinen ersten Satz sprechen konnte. Wie bei den meisten Desasterfilmen sind stereotypen Rollen mit einem großen Aufgebot an prominenten Schauspielern besetzt. Der britische Charakterdarsteller Michael Craine mimt Brad Crane, wirkt allerdings mit seinem immergleichen Gesichtsausdruck sehr blass und fast schon unbeteiligt. Katharina Ross – Craines Leinwandliebe Dr. Helena Anderson – und Richard Widmark als General Slater machen ihre Sache sehr ordentlich, wobei insbesondere Widmark in seiner stereotypen Rolle des raubeinigen Generals aufgeht. Richard Chamberlains Dr. Hubbard bleibt sehr blass im Gegensatz zu Henry Fonda in Rolle des alten und erfahrenen Dr. Krim. Olivia de Havilland, Fred MacMurray und Ben Johnson vertreten die alte Garde der Hollywood-Schauspieler in einem unbeholfenen, fast schon so dämlichen Handlungsstrang um zwei Rentner, die um dieselbe Dame werben, dass es schon wieder sympathisch ist.
Um seine vorherigen Erfolge zu überbieten scheute Allen weder Kosten noch Mühen, sodass „The Swarm“ während seiner Gesamtlaufzeit von zweieinhalb Stunden über einige Schauwerte verfügt. Neben explodierenden Helikoptern, entgleisenden Zügen und einer Großstadt in Flammen sind es vor allem die Attacken der Bienen an sich, die eindrucksvoll in Szene gesetzt wurden. Tatsächlich wurden während der Dreharbeiten tausende von echten Bienen eingesetzt, die mittels einer Windmaschine in die Szenerie gepustet wurden. Während der Stab in Schutzkleidung sicher war, waren die wild umher fuchtelnden Schauspieler und schreienden Statisten den flirrenden und summenden Massen ausgesetzt. Rein filmisch gesehen ist „The Swarm“ handwerklich sauber gelungen, leidet zeitweise allerdings sehr an den ausschließlich stereotypischen Charakteren und den aufgesetzten Dialogen, die von Allen ausnahmsweise selbst in Szene gesetzt wurden. Der Film wurde zum ersten Flop des Master of Desaster, was vielleicht an der Übersättigung des Publikums Ende der 70er Jahre gelegen haben mag. Dank der aufwendigen Katastrophenszenen und der fast schon charmant erscheinenden Handlung bietet „The Swarm“ allerdings heutzutage gelungene Unterhaltung für einen DVD-Abend.

1978 vertonte Jerry Goldsmith sechs Filme, die alle mehr oder weniger dem Thriller- oder Actiongenre angehören. In den 70er und frühen 80er Jahren schuf der Komponist viele äußerst innovative Musiken für dieses Genre, in denen er sich oft seiner modernistischen Tonsprache bedient. Für „The Swarm“ griff er allerdings auf eine sehr konventionelle, fast schon an die Tondichtungen eines Richard Strauss angelehnte Vertonung zurück, deren spätromantischer Einfluss sich alleine an der üppigen Besetzung des Orchesters und der leitmotivischen Strukturierung der Musik aufzeigen lässt. Für die Bedrohung durch den Bienenaschwarm komponierte Goldsmith ein markantes 7-Noten-Motiv, das sich oftmals im gedämpften Blech ankündigt und schließlich mit voller Gewalt im ganzen Orchester erklingt. Begleitet wird dieses Motiv von unzähligen einen Bienenschwarm illustrierenden Instrumenten wie gestopften Trompeten oder Holzbläsern mit Flatterzunge oder schnell tremolierenden Streicherkaskaden, die die sieben Noten unaufhörlich umschwirren. Als Gegenstück fungiert ein als „Militär“-Thema bezeichnetes Motiv, welches die Versuche Cranes und Slaters unterlegt, gegen die natürliche Bedrohung anzukämpfen. Dieses Motiv ist äußerst wandlungsfähig, da es hauptsächlich durch den 7/8 definiert ist und mal in melodischer Form in den Holzbläsern erklingt oder als ruppiges Actionostinato in tiefen Streichern und dem Schlagzeug fungiert. Erst für den Abspann lässt Goldsmith diesem Motiv in Form einer triumphalen Fanfare für das Blech freien Lauf. Die verschiedenen Romanzen wie die des Senioren-Trios um Olivia de Havilland oder die befremdlichen Avancen des Arztes gegenüber der schwangeren Rita, die ihren Mann bei dem Angriff auf die Militärbasis verlor, komponierte Goldsmith einige lyrische Stücke, doch kratzt die Musik wie der Film auch hier stark an der Oberfläche. Goldsmiths gesanglichen Themen, die oftmals von Holzbläsern über sanfte Streicherteppiche mit zarter Harfenbegleitung erklingen, sind zwar nett, erreichen aber niemals die Intensität oder den Tiefgang anderer Liebesthemenen des Komponisten. Einen kleinen interessanten Kniff erlaubt er sich dann allerdings doch: Für die beiden Liebeserklärungen der Verehrer de Havillands komponierte Goldsmith zwei sanfte melodische Passagen, eine für Solo-Oboe und eine für Solo-Cello mit zurückhaltender Begleitung. Die beiden Melodien ähneln sich deutlich und charakterisieren so die Gefühle zur selben Frau von zwei unterschiedlichen Männern.
Bei der Länge des Films und den üblichen zeitfüllenden Nebenhandlungen verfügt die Musik über eine sehr breite Palette an Themen und Stilistiken wie die leicht beschwingten Passagen mit abwechslungsreicher Orchestrierung für die drei Jungs, die selbst auf Bienenjagd gehen oder die kurzen humoristisch angehauchten Momente. Der Fokus liegt jedoch auch hier ganz deutlich auf Action und Suspense. Letztere Passagen sind oft eindrucksvoll durch kleine Motivzellen geprägt, die im Verlauf eines Stückes bedrohlich heranwachsen während in den Actionsequenzen ein Motiv das andere jagt. Besonders in den opulenten Katastrophenszenen zieht Goldsmith alle Register, füllt die Begleitstimmen mit rasanten Sechszehntelläufen über die er schmetternde Actionfanfaren und hämmerndes Schlagwerk setzt, von hastigen Streichern durchwoben.
Für eine kommerzielle Veröffentlichung der Musik nahm Goldsmith 1978 Auszüge aus der Musik für eine LP auf und erst 2002 machte der Prometheus Club offiziell die Musik das erste Mal in den originalen Filmaufnahmen zugänglich. Der Klang ist überraschend voll und rauscharm und auch das Booklet mit eingehenden Informationen zum Film und der Musik dürfte zu den besten Begleittexten des Labels gehören. Die CD enthält mit 72 Minuten Laufzeit nahezu die komplette Musik, es fehlt nur ein einziges Stück, das fast identisch mit „The Lollipop“ (Track 12) ist. Es ist ein wenig fraglich, warum diese Passage es nicht auf die CD geschafft hat, schwenkt sie vom humoristischen Holzbläserspiel in eine verhaltene Version des Schwarm-Motivs um und bildet so eine interessante Brücke. Letzten Endes sollte man sich aber nicht allzu sehr an dieser fehlenden Minute aufhängen in anbetracht der Tatsache, dass der Prometheus-Club hier eine seiner sorgfältigsten Veröffentlichungen geleistet hat. Die CD ist leider seit einiger Zeit vergriffen aber noch zu moderaten Preisen erhältlich und es lohnt sich allemal, nach diesem Album Ausschau zu halten.
Insgesamt bietet die Musik zu „The Swarm“ mit seinem melodischen Themenreichtum und der üppigen Orchesterbesetzung eine interessante Abwechslung zu Goldsmiths üblichen harschen und modernistischen Schöpfungen dieser Zeit im Gebiet der Actionfilme und Thriller, die durch all die verschiedenen Ideen und Themen nie langweilig wird, auf der anderen Seite allerdings nicht die Originalität oder den Tiefgang anderer Kompositionen dieser Schaffensphase erreicht. Dafür ist die ausschließlich das Bild doppelnde groß auffahrende und größtenteils plakative Musik genau der Anstrich, den ein ebenfalls groß auffahrender und plakativer Film wie „The Swarm“ benötigt.

 

Damien: Omen II

 

Archäologe Carl Bugenhagen erfährt aus der Zeitung von dem Tod des amerikanischen Botschafters Großbritanniens und dessen Frau. Robert Thorn war wenige Wochen zuvor bei Bugenhagen und offenbarte ihm, dass sein Adoptivsohn Damien der Antichrist sei, woraufhin der Archäologe ihm sieben Dolche übergab, die einzige Waffe, mit der man den Sohn Satans töten könne. Nach dem Tod seiner Eltern wird der junge Damien Thorn von seinem Onkel Richard Thorn, dem reichen Besitzer des Großunternehmens Thorn Industries, aufgenommen, in dessen Familie er nun aufwächst. Alarmiert wendet sich der vom Alter geschwächte Bugenhagen an seinen Freund Michael Morgan, um Richard Thorn persönlich ein mit einer Warnung versehenes Paket zu überbringen, doch Morgan ist skeptisch. Daraufhin nimmt ihn sein Freund zu einer Ausgrabungsstätte an Yigaels Mauer, deren alte Malereien alle Gesichter des Antichristen aufzeigen. Michael Morgan erkennt nun, dass es sich bei einem der Gesichter um den sechsjährigen Jungen handelt, der in der Zeitung abgebildet ist, doch die Erkenntnis kommt zu spät. Wie durch eine überirdische Kraft stürzt die Tempelruine ein und begräbt Morgan und Bugenhagen unter einer Masse von Sand und Schutt.

Sieben Jahre später beginnt für Damien und seinen Cousin Mark die Ausbildung auf einer Militärakademie. Während des letzten Abends der beiden Jungs im Hause der Thorn Familie erhebt Richards ältere Schwester Marion schwere Vorwürfe gegen ihn und seine Frau. Sie findet, dass Damien einen schlechten Einfluss auf Mark, den leiblichen Sohn der beiden hat und droht sogar, Richards Anteil an ihrem Erbe zu streichen, sollte dieser Damien nicht verstoßen, doch dieser weigert sich. In der kommenden Nacht verursacht die Erscheinung einer Krähe bei der alten Dame einen Herzanfall, dem sie sofort erliegt. Wenig später wird Richard Thorn von der Journalistin Joan Hart kontaktiert, die mit Keith Jennings befreundet war und selbst die Wand Yigaels gesehen hat. Thorn reagiert erbost auf ihre Fragen und schickt sie fort. Hart macht sich selbst auf die Suche nach Damien in der Militärakademie, doch als sie sein Gesicht erblickt, fährt sie panische davon. Nachdem ihr Wagen auf einer Landstraße liegen blieb, werden ihr von einer Krähe die Augen ausgepickt und – blind umhertaumelnd – wird sie von einem vorbei rasenden LKW erfasst und überfahren. In der Militärakademie stellt sich der neue Ausbilder Unteroffizier Neff den Jungs vor. In einem Gespräch unter vier Augen offenbart er Damien dessen wahre Identität. Damien ist schockiert, doch als er selbst das Teufelsmal unter seinem Haar entdeckt, scheint kein Zweifel möglich… 

 

Nachdem immensen, aber auch überraschenden Erfolg von „The Omen“ war Produzent Harvey Bernhard bemüht, möglichst schnell eine Fortsetzung in die Kinos zu bringen. Autor David Seltzer steuerte ein Drehbuch bei, aber Regisseur Richard Donner war verhindert, sodass Don Taylor die Regie übernahm. Auch der restliche Stab bestand fast vollständig aus anderen Leuten und da sämtliche Hauptfiguren im ersten Film gestorben sind, sind fast ausschließlich neue Darsteller in „Damien: Omen II“ zu sehen. Die Fortsetzung folgt insgesamt deutlich dem Konzept des ersten Teils. Wieder einmal versucht ein zuerst zweifelnder Patriarch der Thron-Familie, der eine wichtige Stelle innehat, nach seiner Läuterung seinen Adoptivsohn Damien mit sieben heiligen Dolchen zu töten. Sämtliche Menschen, die sich dem Sohn des Teufels in den Weg stellen, werden dabei durch makabre Unfälle aus dem Weg geräumt. Der zweite Teil bietet somit kaum Überraschungen und scheint die geringe Abwechslung durch ein größeres Maß an Gewalt übertünchen zu wollen. Insbesondere der Tod Joan Harts und Dr. Charles Warren werden möglichst brutal inszeniert. Diese Szenen verfehlen ihre Wirkung nicht, insbesondere die Fahrstuhlszene, in der man irrtümlich meint, der Verunglückte sei gerade noch einmal dem Tod von der Schippe gesprungen. Ein wichtiges Element hat sich dennoch geändert: Damien ist im pubertären Alter. Die makabre Kombination von Niedlichkeit und Bösartigkeit funktioniert nur noch bedingt. Stattdessen ist „Damien: Omen II“ in gewissem Maß eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Identität. Es mutet etwas merkwürdig an, dass nach den unzähligen Todesfällen aus dem ersten Film nun anscheinend für sieben Jahre Ruhe einkehrte, bevor die nächste Welle an Unglücksfällen die Familie Thorn erschüttert. Auch Damiens hadern mit seiner Identität schwächt sein diabolisches Potential um einen erheblichen Anteil. Dass die Reinkarnation des Teufels in der Lage ist, den Cousin zu lieben wirkt unpassend, da sich der kleine Damien von solchen Gefühlen nie irritieren ließ.

Die darstellerischen Leistungen bewegen sich alle auf mittlerem bis guten Niveau und nehmen sich somit nichts mit dem ersten Teil. Anstelle von Gregory Peck muss nun Adoptivvater William Holden

 

Sämtliche Hauptfiguren aus dem ersten Film bis auf Bugenhagen, der allerdings schnell abtritt, sind tot und Damien wird von einem anderen Darsteller gespielt. Auch hinter der Kamera arbeitet ein völlig anderes Team, sodass es an Jerry Goldsmith war, die beiden „Omen“-Teile auch jenseits der Handlung miteinander zu verbinden. In der komfortablen Lage, auf die Filmreihe nachwirkend zurück blicken zu können, stellt „Damien: Omen II“ nicht nur eine musikalische Bindung zum ersten Teil dar, sondern weist deutlich auf den folgenden dritten Teil der Trilogie hin. Die Partitur zum zweiten Teil ist mit einer guten halben Stunde Laufzeit die kürzeste „Omen“-Musik und wurde für durchschnittlich besetztes Orchester, gemischten Chor und Synthesizer instrumentiert. War die Musik zu „The Omen“ noch klar in zwei musikalische Welten gegliedert, die von dem finsteren „Ave Satani“ und dem Liebesthema repräsentiert wurden, so ist die Musik zur Fortsetzung deutlich düsterer geworden. Damiens Macht ist deutlich gewachsen, denn Satans Sohn weiß nun um seine Identität. Daher ist der Chor mit einer Ausnahme in allen Stücken eingesetzt und lässt so schon die gewaltige chorsymphonische Konzeption des dritten Teils voraus ahnen. Dabei lässt sich die Partitur grob in zwei andere Gebiete unterteilen: Action und Suspense. Während der Komponist bei der Vertonung der Gräuelszenen teilweise auf Passagen aus „The Omen“ zurückgriff, komponierte er für die Suspense-Passagen äußerst stimmige Stücke für Streicher mit mysteriösen Chorvokalisen. Wie auch im Film kein aus „The Omen“ bekanntes Gesicht zu sehen ist, so verwendet Goldsmith auch keins der beiden Hauptthemen innerhalb der Musik. Das Liebesthema ist mit dem Tod des Ehepaar Thorn verstummt und das „Ave Satani“ erklingt erst zum Finale, um den Kreis zum ersten Teil zu schließen. Stattdessen arbeitet der Komponist mit mehreren Nebenmotiven aus den choralen Passagen des Originals, die er hier als wichtige Motive einsetzt. Er verzichtete zudem auf die Komposition eines neuen Hauptthemas, sodass „Damien: Omen II“ mehr auf Atmosphäre und Stimmung zu setzen scheint denn auf Wiedererkennungswert. Im Vergleich zu dem ersten Teil mit den zwei Hauptthemen und dem dritten Film, der ebenfalls ein prägnantes Thema bekommen sollte, bleibt „Damien: Omen II“ auf eine gewisse Art und Weise anonym und wirkt eher wie der Nachklang der Musik zu „The Omen“. Der zweite Teil verlangte in der Musik durch die längeren Todesszenen deutlich mehr Tempo, sodass die archaischen und stampfenden Gesten des „Ave Satani“ der Spannung entgegen gewirkt hätten. Schon der Vorspann, der während Bugenhagens rasanter Fahrt läuft, verlangt eine entsprechende Vertonung, die gleichzeitig den Charakter der Filmmusik festlegt: Die pendelnde Bassfigur des originalen „Ave Satani“ erklingt in doppelt schnellem Tempo und ist mit einigen spritzenden Synthieeffekten versehen. Der originale lateinische Text ist zwar beibehalten worden, doch nicht der sprechgesangliche Gestus der Vorlage. Stattdessen komponierte Goldsmith für den Text eine neue, fast seufzende Melodielinie für den Chor und rückt ein Nebenmotiv aus der ersten Musik ins Zentrum. Dieses Thema erklang im ersten Teil oft im Zusammenhang von bedrohlichen Situationen und wurde auch vom Chor intoniert. Statt der Hunde, die in „The Omen“ mit rein elektronischen Mitteln vertont wurden, sind Damiens tierische Knechte nun Krähen, für die Goldsmith avantgardistisches Material entwarf: Eigentümliche Kehllaute der männlichen Choristen mischen sich mit Blitzartigen Synthieeffekten und erschaffen so merkwürdige, fast hässlich zu nennende Klänge. Instrumente sowie die menschliche Stimme werden mehrfach mit alternativen Spieltechniken verfremdet. So gibt es auch wieder mehrere Glissandi des Chors oder durcheinander geflüsterte Worte. Nur einmal, bei der Schneeballschlacht zwischen Damien und Mark gegen Richard lichtet sich die düstere Partiur zu Gunsten von beschwingten Streichern, Harfenklängen und Holzbläsergirlanden. Dies ist auch das einzige Stück ohne Chor in der gesamten Partitur. Auch die Musik für die Nacht, in der Richard den Brief liest, gehört zu den wenigen lyrischen Passagen aus „Damien: Omen II“.

Aus Zeitgründen war es nicht möglich, dass Goldsmith die Musik mit den Londoner Philharmonikern einspielte, sodass die Musik in Los Angeles eingespielt wurde. Für ein LP-Album zum Filmstart entstanden neue Aufnahmen der für einen besseren Hörfluss leicht abgeänderten Partitur – dieses Mal in London. Auf Grund der Kürze der Musik enthält das Album fast die komplette Musik mit Ausnahme eines kurzen Segments mit dem Krähen-Material und der vergnügten Musik für die Schneeballschlacht, die anscheinend zu sehr aus dem düsteren Konzept heraus fiel. Diese LP-Aufnahmen wurden zweimal auf CD veröffentlicht, bevor Varèse Sarabande die vollständigen Originalaufnahmen mit der Album-Version in Form einer „Deluxe Edition“ auf den Markt brachte. Was niedlich mutet es an, wenn Townson in dem sehr informativen Booklet betont, dass auf dieser CD JEDE aufgenommene Minute enthalten ist (was auf die anderen beiden Deluxe Editionen der „Omen“-Reihe leider nicht zutrifft.) „Damien: Omen II“ leidet ein wenig an der Abwesenheit eines prägnanten Hauptthemas und Ähnlichkeit zum ersten Teil, besticht aber durch eine dichte Atmosphäre und handwerkliche Qualität, weshalb es letzten Endes dem Einzelnen überlassen ist, sich dieses Album aus Gründen der Vollständigkeit oder der Musik zulegt. Von allen drei Alben ist dieses aber das Schwächste.

 

 

The Boys From Brazil

 

Der jüdische Nazijäger Ezra Liebermann lebt mit seiner Schwester in Wien und sucht beharrlich nach weiteren Kriegsverbrechern des Dritten Reiches, die nach dem Ende des Krieges geflohen sind. Allerdings verliefen die Recherchen Liebermanns in letzter Zeit nicht sehr erfolgreich, weshalb der alternde Nazijäger von finanziellen Verlusten und geringer Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft geplagt ist. Eines Tages ruft ihn der junge und engagierte jüdische Journalist Barry Kohler ein, der von Liebermann inspiriert wurde, selbst auf die Suche nach geflohenen Nazis zu gehen. In Paraguay beobachtete Kohler seit längerer Zeit wiederholte Treffen von alten Nazigrößen beobachtete, die alle einer geheimen Organisation angehören. Liebermann bleibt nach dem ersten Anruf skeptisch und weist Kohler ab, der allerdings nicht aufgeben will. Er macht den geheimen Treffpunkt der Organisation aus - eine luxuriöse Villa - und bringt mit Hilfe eines eingeborenen Jungen, der zum Dienstpersonal gehört, eine Wanze im Arbeitszimmer an. Barry Kohler hatte Recht: Am nächsten Tag treffen sich die Männer der Organisation mit dem Anführer: Dem längst totgeglaubten KZ-Arzt Josef Mengele. Mengele eröffnet den Anwesenden, sie wären für eine wichtige Mission auserwählt: Auf der ganzen Welt müssten innerhalb der nächsten zwei Jahre 94 Männer an jeweils bestimmten Tagen getötet werden. Die Zielpersonen sind alle im Alter von 65 Jahren und niedrige Beamte. Bevor Mengele weitere Ausführungen machen kann, wird die Wanze entdeckt und Kohler, der das Gespräch mittels eines Radios im Garten der Villa belauscht hat, muss die Flucht ergreifen. In seiner Wohnung kontaktiert er sofort Ezra Liebermann, der immernoch skeptisch bleibt. Gerade als Kohler seinem Idol das mitgeschnittene Band vorspielt, fallen mehrere Mitglieder Nazi-Organisation in der Wohnung des Journalisten ein. Liebermann hört am Telefon die Ermordung des jungen Kohler und als in den folgenden Wochen tatsächlich mehrere 65-jährige Beamte auf in der westlichen Welt bei dubiosen Unfällen ums Leben kommen, beginnt der Nazijäger, der Sache nachzugehen. Er sucht das Gespräch mit den Witwen der Opfer und es fällt auf, dass die Männer alle von rohem Charakter waren und ihren adoptierten Söhnen wenig Liebe entgegen brachten. Diese Söhne gleichen sich merkwürdigerweise wie ein Ei dem anderen und sind auch vom Charakter sehr ähnlich. Liebermann stellt weitere Nachforschungen an und entdeckt ein grausames Geheimnis: Josef Mengele gelang es, Adolf Hitler 94 mal zu klonen und durch eine illegale Adoptionsfirma an Familien zu bringen. Nun versucht der ehemalige KZ-Arzt, die Entwicklung der jungen zu beeinflussen, indem er den Tod ihrer Adoptionsväter herbeiführt, wie es auch bei Hitler der Fall war. Für Liebermann beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit...

Die Handlung von "The Boys From Brazil" ist abstrus genug, um eine anständige Trashgranate zu produzieren, doch genau das Franklin Schaffner eben nicht gemacht. Mit bekannten Schauspielern besetzt und einem äußerst fähigen Stab drehte Regisseur nach den gleichnamigen Roman Ira Levins einen spannenden Thriller. Dass die Handlung absolut gemschmacklos, steht außer Frage und bis heute bleibt es fraglich, warum Schaffner, der mit "Patton" und "Planet der Affen" Meilensteine der Filmgeschichte schuf, ausgerechnet diesen Stoff auf die Leinwand brachte. Das Endergebnis kann sich allerdings sehen lassen, denn neben der tadellosen Leistung der Darsteller besticht "The Boys From Brazil" besonders durch mehrere handwerkliche Kniffe. Dass man den ersten Hitler-Klon gleich bei der ersten Begegnung mit Ezra Liebermann in einer hundertfachen Spiegelung eines Garderobenspiegels sieht, nimmt die Lösung eine halbe Stunde vor dem Wendepunkt vorweg. "The Boys From Brazil" vermeidet den Fehler, diese abstruse Geschichte möglichst subtil und bodenständig zu inszenieren, stattdessen ist sich der Film jede Minute der Schamlosigkeit seines Stoffes bewusst und Schaffner lässt kaum eine Möglichkeit aus, dem Film an den geeigneten Stellen einen übertriebenen und satirischen Anstrich zu verleihen. Schon die erste Kamerafhart über ein "deutsches" Gasthaus namens "Heidelberg" in Paraguay, an dessen Tischen natürlich Bier getunken und die FAZ gelesen wird, während Indios versuchen, ihre billigen Uhren loszuwerden und im Hintergrund Truppen des lateinamerikanischen Diktators marschieren, zeigt dem Zuschauer deutlich, dass dieser Film einem die Klischees frontal ins Gesicht schlagen wird. Wenn bei der Suche nach der Wanze im Arbeitszimmer innerhalb von Sekunden sämtlichen Mobiliar aufgeschlitzt, durcheinandergeworfen und zerschlagen, ein Opfer beim Pinkeln überfahren wird und die Nazis groteske Bälle feiern, so feiert auch Schaffner hier ein Fest der Überzogenheit.
Besonders die Darstellung Gregory Pecks trägt zu der übertriebenen Inszenierung des Films bei. Peck stellt Mengele als einen rasenden, tobsüchtigen und wild gestikulierenden Fanatiker vor. Jede Mimik und jeder Satz wird einer besonderen Portion Theatralik versehen. Dem Gegenüber steht Laurence Olivier, der eine Glanzleistung als skeptischer Ezra Liebermann ablegt. Die Figur des Nazijägers ist im Übrigen von Simon Wiesenthal inspiriert, den Olivier sogar zur Vorbereitung seiner Rolle traf. "The Boys From Brazil" ist bis in die Nebenrollen treffend besetzt, ironischerweise mit vielen deutschen Schauspielern wie Bruno Ganz als Wissenschaftler Bruckner im medizinischen Institut, der Liebermann über die Möglichkeit des Klonens informiert oder dem jungen Sky Dumont, der einen Vasallen der Naziorganisation spielt. Insgesamt lässt sich über "The Boys From Brazil" natürlich streiten, wer allerdings einen Hang zu grotesken Stoffen und eine Vorliebe für makabren Humor besitzt, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen, denn Franklin Schaffner drehte hier einen herrlich überzogenen, aber dennoch raffiniert gefilmten und grandios gespielten Thriller, dem bis zum Showdown nicht die Puste ausgeht. 

Auch wenn Jerry Goldsmith öfter mit denselben Regisseuren wie Fred Schepisi oder Michael Crichton zusammen arbeitete, so gibt es keinen Filmemacher, den man einzig und allein mit diesem Komponisten verbindet herum wie bei Steven Spielberg und John Williams oder Bernard Herrmann und Alfred Hitchcock. Am ehesten könnte man in Goldsmiths Fall die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen ihm und Joe Dante oder natürlich die sieben gemeinsamen Projekte mit Franklin Schaffner in diesem Kontext erwähnen. Für Schaffner schrieb Goldsmith Meilensteine der Filmmusikgeschichte wie die erste vollständig atonale Filmmusik zu „Planet der Affen“ oder sein Meisterwerk „Patton“. Abgesehen von „Richard Löwenherz und die Kinder Gottes“ boten Schaffners handwerklich hervorragende Arbeiten ein Übermaß an Inspiration für Goldsmith, der in den Siebziger und frühen Achtziger Jahren unzählige hochwertige Beiträge im Bereich der Filmmusik schuf. In diese Zeit fällt auch „The Boys From Brazil“, für den der Komponist eine äußerst massive und orchestrale Musik komponierte. Goldsmith sicherte sich mit Werken wie „Freud“ oder „The illustrated Man“ den Ruf als einer der kreativsten Meister seines Handwerks, seine Musik war oft von harscher modernistischer Tonsprache und experimentellem Charakter. In „The Boys from Brazil“ allerdings greift er jedoch auf typische spätromantische Idiome zurück – eine Tonsprache, wie sie im goldenen Zeitalter Hollywoods vorherrschte. Daher verzichtet Goldsmith auch vollständig auf den Einsatz seiner geliebten elektronischen Elemente, sondern verlässt sich auf die volle Wucht des stark besetzten Symphonieorchesters. Im Zentrum der Musik steht ein äußerst beschwingter, großorchestraler Wiener Walzer, der mit seinem dicken Streicherklang, den schweren Pauken, den Trompetengirlanden und tiefem Blech auf den ersten Blick so gar nicht zu der düsteren Handlung passen will. Dennoch trifft Goldsmith hier den Nagel auf den Kopf, denn nicht nur der momentane Wohnsitz Liebermanns in Wien wird hier musikalisch wiedergegeben, sondern auch die Heimat Adolf Hitlers, dessen Klone nun in alle Welt verstreut wurden. Der Komponist betonte einmal, dass zwischen einem deutschen und einem Wiener Walzer ein großer Unterschied bestünde, den er hier deutlich machen wollte. Tatsächlich fängt Goldsmith mit der Titelmusik den beschwingten Charme eines Strauss-Walzer perfekt ein, während er später beim deutschen Walzer in „Night Crossing“ scheitern sollte. Die raffinierte motivische Vorgehensweise des Meisters lässt sich direkt in den ersten Minuten der Musik nachvollziehen, denn aus dem Walzer wird ein kurzes, sehr ruppiges und aggressives Motiv für die Nazis gespalten, dass besonders während der ersten fünf Filmminuten die einzelnen Schritte der Organisation in Südamerika begleitet. Mit voller Kraft stößt das Blech kurze, abrupt abgerissene Akkorde hervor, die mit knallenden Paukenschlägen flankiert werden. Dieses Motiv und der Walzer bilden im Verlauf der Musik die musikalischen Antagonisten, die von mehreren weiteren leitmotivisch eingesetzten Melodien umgeben sind. Äußerst amüsant sind die naiven und einfältigen Holzbläserfiguren für die wenig trauernde Witwe Doring, die im Gespräch mit Liebermann äußerst vergnügt wird. Für die tragischen Momente und die dunklen Machenschaften des ehemaligen KZ-Arztes Mengele schrieb Goldsmith ein schweres und getragenes Thema für die Trompeten, das mit seiner schrittweise abwärts fallenden Tonfolge stark an Wagners „Siegfried-Idyll“ erinnert, welches im Film auch von Mengele in seinem Haus gehört wird. In den Actionsequenzen wird die musikalische Nähe zur Golden-Age-Musik besonders deutlich, denn Goldsmith sagt sich hier von seiner erst kurz zuvor vollständig etablierten Ostinato-Begleitung los und komponiert äußerst hektische und wilde Ausbrüche des Orchesters, die mit den hektischen Streicherläufen, den Schlagwerksattacken und dem aggressiven Blech sehr an ähnliche Musiken der 40er und 50er Jahre erinnern. In bedrohlichen Momenten ist außerdem die musikalische Nähe zu Goldsmiths Musik zu dem Thriller „Magic“ deutlich, die sich in der kühlen, schaurigen Harmonik der Streicher äußert. Insgesamt sei noch anzumerken, dass die Musik nicht nur thematisch und motivisch, sondern auch instrumentatorisch stets auf äußerst hohem Niveau agiert. Goldsmith, der früher aus finanziellen aber auch klanglichen Gründen oft auf individuell zusammengestellte Kammerbesetzungen zurück griff und dessen Musik später von einem sehr ökonomischen Satz geprägt ist, komponierte hier eine üppige und detailreiche Orchestermusik.
Zum Filmstart erschien auch ein LP-Album, für das Goldsmith immerhin 35 seiner 55 Minuten langen Originalmusik zusammenstellte. Die erste Seite füllt dabei eine 18 Minuten lange Suite mit den wichtigsten musikalischen Passagen, die besonders den Bereich der Action- und Suspensemusik abdeckt. Seite zwei wurde von dem Song „We’re home again“, der auch im Film zu hören ist, eröffnet. Anschließend folgte eine acht Minuten lange Suite mit einigen Variationen des Walzers und dem Material für Frau Doring und ein weiteres sechs Minuten langes Stück, das die Musik aus dem Finale und den Abspann abdeckt. Diese Albumversion wurde in den 90ern Jahren mehrmals auf CD gepresst, war aber schnell vergriffen.  Auch wenn es sehr löblich ist, dass Goldsmith sein Material so ausgiebig veröffentlichte, entpuppt sich die Zusammenstellung der Suiten besonders auf CD als schwierig. Konnte man auf der LP noch jede einzelne Stelle mit einem Schwenk des Arms ansteuern, so muss man sich hier manchmal gegebenenfalls durch mehrere Minuten spulen, besonders die erste Suite dramaturgisch nicht optimal funktioniert, da viele Stücke in ihrer Originalform schlicht aneinander gereiht wurden. Deshalb machten bald Bootlegs die Runde, die angeblich die Filmmusik enthielten, allerdings nichts weiter waren, als die in ihre Einzelstücke zerlegten Suiten, die dementsprechend abrupt abgehackt waren. Die optimale Veröffentlichung kam schließlich von Seiten Intradas, die der Musik ein auf 5000 Stück limitiertes Doppel-CD-Set widmeten. CD I enthält die vollständige Filmmusik und CD II da LP-Programm sowie einige Minuten Bonusmaterial.

 

 

Magic: Puppe des Grauens

Corky ist ein begabter Zauberer, aber die große Bühne bleibt ihm verwehrt, da seine Schüchternheit ihm bei seinen Kartentricks im Wege steht. Nach einem erneuten deprimierenden Auftritt im einen kleinem Club kommt dem jungen Mann schließlich die rettende Idee: Von nun an tritt er gemeinsam mit der Bauchrednerpuppe Fats auf. Fats scheint das genaue Gegenteil von dem zurückhaltenden Corky zu sein, macht obszöne Witze, ist schlagfertig und schon bald beginnt das Publikum das gegensätzliche Duo zu lieben. Corky erhält einen Vertrag bei dem erfolgreichen Agenten Ben Greene, der sogar einen BBC-Vertrag für den bauchredenden Magier an Land zieht. Für die Show braucht Corky allerdings aus rechtlichen Gründen ein medizinisches Gutachten. Diese allgemeine Klausel empört den jungen Mann, der dem Sender vorwirft, sie würden ihm unterstellen, dass er nicht normal sei und lehnt aus Prinzip ab. Er flieht in seinen Heimatort nahe der Catskill Mountains und mietet eine Hütte nahe einem See. Die Ferienwohnungen stehen zu dieser Jahreszeit leer, doch die Anlage gehört Peggy Ann Snow, einer Schulkameradin Corkys, in der er einst verliebt war. In der einsamen Gegend werden die alten Gefühle zwischen dem Paar wieder wach, denn Peggy ist unglücklich verheiratet. Neben dem frühzeitig zurück kehrenden Ehemann und Greene, der Corky aufspürt tritt allerdings ein viel deutlicheres Problem zu Tage: Corky hat schon lange nicht mehr die Kontrolle über sich selbst und hört Fats auch nach der Show stets mit sich reden. Die Puppe ist eifersüchtig und wird zur tödlichen Gefahr für alle, die sich zwischen Corky und sie stellen, wobei der junge Mann selbst zum Mörder wird…

Heute größtenteils in Vergessenheit geraten dürfte dieser Film für viele hauptsächlich wegen des jungen Anthony Hopkins interessant sein, doch auch abseits des Hauptdarstellers ist „Magic“ ein sehenswerter Film, der seine Wirkung nicht verfehlt. Basierend auf seinem gleichnamigen Roman verfasste William Goldman ein gelungenes Drehbuch, das von Richard Attenborough ansprechend verfilmt wurde. Insbesondere die Puppe Fats wurde gekonnt in Szene gesetzt. So ist die mechanisch bewegliche zweite Persönlichkeit Corkys besonders dann Furcht einflößend, wenn dieser ihn nicht bedient. Stumm und lauernd im Halbschatten sitzend hat Fats die Fäden in der Hand – und nicht umgekehrt. Die herbstlich kühle Landschaft in der Gegend der Catskill Hills bietet in ihrer Abgeschiedenheit, den blätterlosen Bäumen und der schneidenden Luft bietet die perfekte Kulisse für die beklemmende Handlung. Doch letzten Endes ist Anthony Hopkins der Star des Films. Seine Darstellung des schüchternen unsicheren Corkys, der sich in seinem zweiten Ego verliert und ihm letzten Endes völlig ergeben ist, geht über die stupide Darstellung eines möglich geistig verwirrten weit hinaus. So erleben wir mimisch, gestisch und emotional unzählige Facetten, der Übergang zum Wahnsinn schleicht verhalten dahin, bis es aus Corky letzten Endes raus bricht. Ann-Margret bleibt gegen den starken Hopkins allerdings recht blass. Zwar gibt ihre Rolle auch nicht sonderlich viel her, aber oft wirkt ihr Spiel überflüssig bemüht oder aufgesetzt. Burgess Meredith als Greene und Ed Lauter als Anns Ehemann Duke liefern solide ab, ohne zu überraschen oder zu enttäuschen. Somit ist „Magic“ ein dicht inszenierter und spannender Thriller, der allerdings besonders von der überzeugenden Regie und dem Hauptdarsteller lebt, neben dem alle anderen Charaktere zu rein funktionalen Nebenfiguren verblassen.

1978 war für Jerry Goldsmith mit sechs Filmen ein äußerst produktives Jahr. Neben der ersten Fortsetzung von „The Omen“, dem Thriller „Coma“, der großorchestralen Musik zu „The Swarm“, dem walzerseeligen „Boys from Brail“ und dem Paranoia-Thriller „Capricorn One“ steht „Magic“ ein bisschen im Schatten. Nichts desto trotz handelt es sich um eine tadellos gefertigte Partitur mit vielen Stärken, für die sich der Komponist nicht zu schämen braucht, die aus verschiedenen Gründen gegen die anderen Partituren des Jahres leicht abfällt. Zu den inspirierendsten Einflüssen Goldsmith dürfte Bernard Herrmann zählen, was sich auch vom Klang aber insbesondere in der ausgefallenen Besetzung niederschlägt. So instrumentierte der Komponist die Musik zu „Magic“ für Streicherensemble, Klavier und Mundharmonika – dieselber Besetzung, mit der Herrmann auch „Night Digger“ vertonte. Der Ursprung für diese ungewöhnliche Kombination allerdings ist auf den Briten Ralph Vaughan Williams zurück zu führen, der 1951 seine „Romanze in Des-Dur für Harmonika und Orchester“ schrieb.
Das Hauptthema für die Streicher mit den leicht eingeworfenen Klaviertupfern ist von mystisch lyrischem Charakter, ein wenig kühl und schleichend, aber zugleich spannungsgeladen und leidenschaftlich. Das Thema gehört mit seiner Tiefe und dem Facettenreichtum einzelner Stimmungen zu den filigransten und gleichzeitig melodischsten Themen aus Goldsmiths Feder. Das Liebesthema ist – wie so oft bei Goldsmith – frei von schwülstiger Leidenschaft und spätromantischem Kitsch. Subtil vom Klavier eröffnet und in der „Appassionata“ von den Streichern fortgeführt teilt es sich die ersten vier Noten mit dem Hauptthema. Eine wichtige Funktion erfüllt die Mundharmonika, deren befremdlicher Klang mit Fats in Verbindung steht. Die Puppe selbst hat kein eigenes Thema, eher ein kurzes Motiv aus einer hin und her schwankenden großen Sekunde bestreitet das hauptsächliche Material des Soloinstruments. Thematisch eine unglaublich starke Musik fällt „Magic“ in den Suspense-Passagen ein wenig ab. Goldsmith wagt hier keine großen avantgardistischen Effektgewitter wie einige Monate zuvor in „Coma“, sondern baut auf Liegetöne und verhaltene Dissonanzen. Den Film selbst unterstützt die Musik zu jeder Zeit, als reines Hörerlebnis hängt die Musik allerdings in der Mitte größten Teils durch und tritt – abgesehen von einigen temporeichen Ausbrüchen wie dem Kampf im Wasser – auf der Stelle.
Im Gegensatz zu den anderen Filmmusiken dieses Jahres wurde „Magic“ mit keinem kommerziellen Album bedacht. Erst die legendäre „Tribute to Jerry Goldsmith“-CD des Gala-Dinners von der Society for the Preservation of Film Music zu Ehren des Komponisten enthielt gute Viertelstunde aus dem Score, bevor der Varèse-Club die fast vollständige Musik im Rahmen des CD-Clubs veröffentlichte. In glasklarer Klangqualität bekam man erstmals die Möglichkeit, die Musik abseits des Films zu hören. Allerdings lässt die CD eine kurze Sequenz zwischen „Corkys Retreat“ vermissen – auf das Fehlen dieses Stücks wird leider nicht im Booklet eingegangen. Der Text Tonwsons ist ansonsten recht informativ bezüglich des Films und der Musik. Die Club-CD ist seit längerer Zeit ausverkauft und da man die „Tribute“-CD mit den wichtigsten Passagen günstiger bekommt, wäre es ratsam, erst einmal dort Probe zu hören. So wenig durchwachsen das Hörerlebnis der vollständigen Musik ist, so stark funktioniert sie wiederum im Film selbst und ist ein weiterer Beweis für Goldsmiths ausgezeichnetes Gespür für Filmvertonungen und seine außerordentliche Begabung als Komponist.

 

 

1979

 

The Great Train Robbery – Der große Eisenbahnraub

 

Großbritannien befindet sich im Krieg mit Russland. Daher werden im Jahre 1855 jeden Monat 25 000 Pfund in Goldbarren mit der Eisenbahn von London zum Hafen von Folkestone gebracht, von wo aus das Gold zu den Soldaten transportiert wird. Die Barren werden in einem Tresor im Gepäckwagen des Zugs aufbewahrt, der mit vier Schlüsseln gesichert ist. Diese dazugehörigen vier Schlüssel wurden unter den wichtigsten Männern dieses Unternehmens aufgeteilt: Zwei Schlüssel werden im Büro des Bahnhofsgebäudes aufbewahrt, während die anderen beiden zwei hohen Beamten der Bank anvertraut werden. Da noch nie ein Überfall auf einen fahrenden Zug ausgeübt wurde und ein Räuber auf alle vier Schlüssel zugreifen müsste, scheint dieser Goldtransport vollständig sicher. Genau das reizt Edward Pierce, einen Meisterdieb, der in den hohen Kreisen der Gesellschaft verkehrt und sogar in Kontakt zu den Verantwortlichen des Goldtransports steht. Er fasst einen riskanten Plan: Da der Diebstahl der Schlüssel zum Austausch des Tresors führen würde, muss man die die Schlüssel heimlich entwenden, Wachsabdrücke machen und sie an Ort und Stelle zurücklegen, bevor ihr Verschwinden von den Besitzern bemerkt wurde. Dazu sucht Pierce Robert Agar auf, der von sich behauptet, der größte Schüsselexperte Englands zu sein und sich zutraut, die Schlüssel zu organisieren und innerhalb kürzester Zeit zu duplizieren. Für die entsprechende Ablenkung sorgt Miriam, Pierces äußerst attraktive Freundin, die vergebens als Schauspielerin Fuß zu fassen sucht. Das erste Opfer wird Herr Trent, mit dessen Tochter Pierce scheinbar eine Liaison eingeht, um das Versteck des ersten Schlüssel zu erfahren. Trent bewahrt seinen Schlüssel im Weinkeller auf, sodass Pierce und Agar in dessen Villa einbrechen, um einen Wachsabdruck anzufertigen. Schwieriger gestaltet es sich bei Henry Fowler, dem Bankdirektor, der sein Exemplar stets um den Hals trägt. Nachdem auch dieses Unternehmen mit tatkräftiger Untersützung Miriams gelungen ist, sehen sich die Meisterdiebe einer fast unlösbaren Aufgabe gegebenüber: Innerhalb 75 Sekunden muss einer nachts in das Bahnhofsbüro einbrechen und die Abdrücke erstellen. Da man nur durch ein Dachfenster ungesehen in das Büro gelangt, verhilft Edward Pierce dem Fassadenkletterer "Clean Willy" zum Ausbruch aus dem Gefängnis. Willy schafft es tatsächlich, mit Agar die Wachsabdrücke anzufertigen, allerdings wird der Ausbrecher wenig später von der Polizei in Gewahrsam genommen. Wird Pierces Plan gelingen, obwohl er von seinem jungen Komplizen verraten wurde?

1855 raubte Edward Agar mit Hilfe des Bahnbeamten William Pierce 12 00 Pfund, die von drei Firmen von der South _Eastern Railway von London nach Paris transportiert wurden. Der Schriftsteller und Regisseur Michael Crichton, dessen Romane oft auf historischen Begebenheiten fußten, veröffentlichte 1975 ein Buch, dessen fiktive Handlung größtenteils auf den Fakten des wahren Raubes beruht. Vier Jahre später brachte Crichton sein eigenes Werk leicht verändert auf die Leinwand und schuf mit "Der große Eisenbahnraub" einen herrlich zeitlosen und charmanten Abeneteuerfilm, der auch heute nichts an Spannung oder Witz eingebüßt hat. Dabei lässt sich die Handlung in zwei Akte unterteilen. Während die Beschaffung der Schlüssel äußerst detalliert und unterhaltsam geschildert wird, bildet natürlich der Raub an sich natürlich den spektakulären Höhepunkt. Der erste Abschnitt des Films besticht durch die opluente Ausstattung, die das vikotrianische Zeitalter bis ins kleinste Detail nachempfindet. Neben den herrlich anzuschaudenden Kostümen seien auch besonders die prächtigen, fast vollständig im Sutdio entstandenen Bauten erwähnt wie das Bahnhofsgebäude, das Holzvertäfelte Clubzimmer oder die düstere Hintergasse, in der Pierce Kontakt zu Clean Willys Freundin sucht. Der Raub wurde auf einer Eisenbahnstrecke in Irland gedreht gibt Hauptdarsteller Sean Connery die Möglichkeit, mit halsbrecherischen Stunts zu beeindrucken. Connery setzte mehr als einmal sein Leben auf's Spiel, als er nur knapp niedrigen Brücken ausweicht oder sich an der Seite des Gepäckwagens bei voller Fahrt abseilt. Auch filmhandwerklich lässt "Der große Eisenbahnraub" keine Wünsche offen. Crichton beweist sich als fähiger Regisseur und die hervorragende Fotografie Geoffrey Unsowrths sowie der gekonnte Schnitt David Brethertons tun ihr Übriges. Auch in der Auswahl seiner Schauspieler bewis Crichton ein fähiges Händchen. Sean Connery brilliert als nobler Gauner Edward Pierce, Donald Sutherland spielt einen fantasitschen Robert Agar mit riesigem Backenbart und die hinreißende Lesley Anne-Down überzuegt nicht nur auf optischer Ebene. Auch sämtliche andere Nebendarsteller - fast allesamt britischer Herunft - überzeugen durch die Bank, sodass "Der große Eisenbahnraub" bis zur letzten Sekunde hochkarätige Unterhaltung bietet.

 

Mit „Der große Eisenbahnraub“ bot sich für Jerry Goldsmith die rare Gelegenheit, in einer Zeit, in der er hauptsächlich, Thriller, Action- und Horrorfilme vertonte, eine heiter beschwingten Abenteuermusik zu komponieren. Da dieses Werk in die Phase fällt, in der der Meister eine hochkarätige Partitur nach der anderen zu schreiben schien, überrascht es nicht sonderlich, dass dem Komponisten mit der Musik zu „Der große Eisenbahnraub“ eine überdurchschnittliche Vertonung gelang. Goldsmith verzichtete vollständig auf elektronische Hilfsmittel, mit der er zu dieser Zeit verstärkt zu experimentieren begann und verließ sich auf die Möglichkeiten eines voll besetzten Orchesterapparats, um die stampfenden Lokomotiven, die düsteren und gefährlichen Hintergassen Londons, den Glanz des viktorianischen Zeitalters und die Pfiffigkeit der Protagonisten musikalisch einzufangen. Der Kern der Musik wird sofort während des Vorspanns vollständig vorgestellt, während wir einen durch die grüne irische Landschaft dampfenden Zug sehen, denn die Musik zu „der große Eisenbahnraub“ ist im Großen und Ganzen monothematisch angelegt. Über die treibenden Rhythmen der Bläser und des Schlagwerks legen sich die Streicher mit dem verschmitzten und enthusiastischen Hauptthema, das sich als roter Faden durch die folgende Musik zieht und meisterlich in immer wieder neue musikalische Gewänder gekleidet wird. Mal als gediegener Walzer, als sanftes Flötensolo über Saiteninstrument oder in voller orchestraler Pracht passt sich diese beschwingte Melodie allen Situationen an. Doch nicht nur das Thema allein, auch seine scheinbare Begleitung wird von Goldsmith in ihre Einzelteile zerlegt und weiter geführt. Simpel erscheinende Motive wie die drängenden Quintrufe der Hörner während der Vorspannmusik erhalten im Verlauf des Films eine starke Bedeutung. Diese hektisch und drängend klingende Figur begegnet dem Hörer nämlich nach wenigen Minuten in Form eines lieblichen und sanften Liebesthemas für Edward und Miriam. Für die Liebesszenen der beiden erlaubte sich Goldsmith zusätzlichen einen äußerst gelungenen Kniff, denn diese teils mit lasziven Anspielungen gespickten Dialoge werden stets von der Laute begleitet, die der Musik und dem Film einen nostalgischen Anstrich verleiht. Auch jenseits der meisterhaften Variationen der Titelmusik schrieb Goldsmith mehrere herausragende Stücke wie die famos orchestrierten Suspense-Passagen während Willys Ausbruch oder Pierces Ausflug in die dunklen Ecken Londons. Hier bilden verhaltene, vibratoarme Streicherfiguren, dunkle Färbungen der Holzbläser und einzelne Einwürfe der gedämpften Blechbläser bedrohliche Klangkulissen, die so auch in Goldsmiths Thrillerpartituren auftauchen, aber dennoch keineswegs aus dem Gesamtbild der Musikherausfallen. Auch wenn „Der große Eisenbahnraub“ hauptsächlich von seinen charmanten Protagonisten und der spannenden und waghalsigen Beschaffung der Schlüssel lebt, enthält der Film mehrere Actionszenen, die eine entsprechende Vertonung verlangen. Auch hier arbeitet Goldsmith äußerst gewissenhaft und detailreich, wobei er fast vollständig auf seine bewährten Ostinatostrukturen verzichtet und stattdessen auf treibende Läufe der Streicher, gehetzte Holzbläserfiguren und scharfe Rufe der Blechbläser setzt. Zu den musikalischen Höhepunkten gehört natürlich die Musik zu Pierces Gang über die Dächer der Zugwagons nach dem geglückten Umtausch der Goldbarren, in der Goldsmith auf die stampfenden Rhythmen und die Rufmotive der Titelmusik zurückgreift.

Goldsmith komponierte fast eine Stunde Musik für „Der große Eisenbahnraub“, sodass fast die halbe Laufzeit des Films von Musik unterlegt wird. Außerdem entstanden sämtliche Source-Musiken wie Salonstücke, ein Auszug aus Händels „Feuerwerk“ und die Mozart-Sonate KV448 unter Goldsmith Dirigat oder Aufsicht. Dennoch wählte er für das zum Filmstart erscheinende LP-Album nur eine knappe halbe Stunde Musik aus den über 70 Minuten langen Aufnahmen aus, die später auch mit der LP-Fassung zu „The Wild Rovers“ auf CD gepresst wurde. Varèse-Sarabande veröffentlichte 2004 eine „Deluxe Edition“ der Musik und griff auf eine längere Quelle zurück, die klanglich allerdings stark beeinträchtigt war. Die definitive Veröffentlichung der Musik liegt seit 2011 bei Intrada in Form einer hochwertig produzierten Doppel-CD vor, die erstmals seit dem LP-Album auf die originalen Masterbänder zurückgreifen konnte und die vollständige Musik sowie sämtliche Source-Stücke in hervorragender Klangqualität präsentiert. Auf einer zweiten CD findet sich der alte LP-Schnitt, sodass Komplettisten und Albenhörer gleichermaßen bedient sind. Das Booklet verzichtet leider auf eine klassische Analyse der Musik an Hand der filmischen Handlung, wartet dabei aber mit interessanten Informationen zu Film und Musik auf und rundet den durchweg positiven Eindruck ab. Dieses Doppel-CD-Set sollte seinen Weg in alle Filmmusiksammlungen finden, denn Jerry Goldsmith schrieb für „Der große Eisenbahnraub“ eine hervorragend orchestrierte, tempo- und abwechslungsreiche Filmmusik, die über ihre ganze Laufzeit durchweg zu überzeugen vermag.

 

 

Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt

 

2122 befindet sich der Erzfrachter „Nostromo“ der Firma Weyland-Yutani auf dem Rückflug zur Erde. Für die Monate lange Reise befindet sich die aus sieben Mitgliedern bestehende Besatzung im Kälteschlaf. Als sie aus diesem erwachen, erfahren sie, dass sie noch viele Monate von der Ankunft in der Heimat entfernt sind. Stattdessen hat der Zentralcomputer MU/TH/UR den Kurs geändert, weil das Schiff ein unbekanntes Signal empfangen hat, das ein Notsignal sein könnte. Laut Protokoll ist jedes Schiff dazu verpflichtet, solchen Signalen nachzugehen. Die Ingenieure Brett und Parker protestieren. Da sie am wenigsten Gehalt bekommen, sind sie nicht damit einverstanden, eine lange Verzögerung der Heimkehr in Kauf zu nehmen, doch der wissenschaftliche Offizier Ash insistiert auf dem Protokoll und Kapitän Dallas stimmt zu. Wenig später landet die Nostromo auf dem fremden Planeten. Das Raumschiff erleidet dabei allerdings heftigen Schaden. Während sich Dallas, die Navigationsoffizierin Lambert und der stellvertretende Offizier Kane auf die Suche nach der Quelle des Signals machen, beginnen die Ingenieure mit der Arbeit am Schiff. Die drei unfreiwilligen Forscher finden bald ein merkwürdiges Gebilde, bei dem es sich um ein liegen gebliebenes Raumschiff handeln könnte. Darin entdecken sie die fossilierte Leiche eines außerirdischen Wesens. Während die dritte Offizierin Ripley das Signal erneut überprüft und davon ausgeht, dass es sich dabei um ein Warmsignal handelt, begibt sich Kane in die tiefer gelegten Gänge des großen Objekts, um nach weiteren Spuren außerirdischen Lebens zu suchen und findet eine Vielzahl von Eiern, in denen sich etwas pulsierendes Organisches befindet. Als er sich über ein solches Ei beugt, springt ihm etwas entgegen, dass das Visier seines Helmes durchätzt und sich fest an sein Gesicht klammert. Umgehend bringen Dallas und Lambert den bewusstlosen Kameraden zum Schiff, doch Ripley, die nun als ranghöchste Offizierin das Kommando auf dem Schiff hat, verweigert den drei den Zutritt. Sie orndnet eine 24 stündige Quarantäne für die drei an, da sie befürchtet, dass Kane eine Krankheit auf die Nostromo bringen könnte. Dallas und Lambert protestieren, doch Ripley bleibt hart. Schließlich öffnet Ash doch die innere Luftschleuse und lässt, fasziniert von dem Gedanken, eine neue Lebensform entdecken zu können, die verzweifelten Offiziere hinein. Keins der Besatzungsmitglieder ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass sie damit den Tod in das Schiff gelassen haben…  

 

„It’s pure terror.“, sagte Ridley Scott einmal über „Alien“. Dieser Satz trifft ohne Frage den Kern der Sache, denn kaum ein anderer Film, der sich hauptsächlich auf Horror-Elemente stützt, hat so wenig von seiner Intensität und seiner Wirkung eingebüßt wie eben dieser Meilenstein des Sci-Fi-Horrors. Wie später auch „Das Ding“ oder „Leviathan“ wird in Alien mit dem Paradoxon einer unendlichen Weite gespielt, in der man trotzdem klaustrophobisch eingepfercht ist. Die Mannschaft der Nostromo befindet sich im unendlichen Weltall, wird allerdings in langen und engen Gängen in die Ecke gezwungen und hat keine Möglichkeit zur Flucht, sondern muss sich der Gefahr stellen. Besonders interessant wird es, wenn man „Alien“ mit einem weiteren Kultfilm des Science-Fiction-Genres vergleicht, der ebenfalls 1979 in die Kinos kam: „Star Trek: Der Film“. Fast scheint es, als liefere „Alien“ einen krassen Gegenentwurf zu der immer höflichen, gestriegelten und gutgelaunten Mannschaft der „Enterprise“. Statt eines hochtechnisierten Raumschiffes bekommt der Zuschauer mit der „Nostromo“ ein veraltetes Frachtschiff zu sehen. Die Befehle stehen nicht im Sinne einer friedfertigen, weltfriedlichen Föderation, sondern werden von einem strikt berechnenden Zentralcomputer eines inhumanen Konzerns gegeben. Statt einer hübsch uniformierten Besatzung, die untereinander befreundet ist, sind die sieben Besatzungsmitglieder der „Nostromo“ ungewaschen, unrasiert, unfreundlich, gereizt und streiten um Bonuszahlungen. Fast jede Kleinigkeit in „Alien“ dient der Erzeugung einer befremdlichen, unangenehmen Atmosphäre. Hierzu tragen neben den ziwschenmenschlichen Konflikten insbesondere die beklemmenden Kamerafahrten durch das Schiff bei. Die hervorragend gestaltete Kulisse mit ihrer Vielzahl an Schläuchen, blinkenden Lichtern und riesigen Computern ist durch und durch zweckmäßig. Die einzige Zierde bilden aus Pornoheften ausgeschnittene Nacktbilder an der Wand einer Schlafkammer.  

„Alien“ zeichnet sich durch ausnahmslos hohe Produktionswerte und brillantes filmisches Handwerk aus. Die meditativ gleitende Kameraführung sorgt für eine trugvolle Stille, die den Film noch beklemmender werden lässt. Auch wenn es sich um einen Horrorfilm mit Actionelementen handelt, so ist seine Erzählweise irritierend ruhig und schweigsam. Die eingestreuten Schockeffekte sind umso wirkungsvoller, weil sie in besonders trügerischen Augenblicken platziert werden. Nachdem Kane aus seiner Ohnmacht erwacht, erleben wir die Mannschaft der Nostromo erstmals völlig ausgelassen und glücklich, bis das Böse im wahrsten Sinne des Wortes hervorbricht. Dieses erscheint in Form eines von H. R. Gigers entworfenen und von Carlo Rambaldi gebauten Aliens, das auch heute noch viele computeranimierte Kreaturen in die Tasche steckt! Auch die anderen Spezialeffekte wie Ashs Ausbruch haben nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Dennoch ist es dem Film hauptsächlich anzurechnen, dass er sich eben nicht auf derartige Schauwerte verlässt, sondern viel mehr mit den Ängsten der Zuschauer spielt.

Auch die durchwegs beeindruckenden Leistungen der Darsteller machen viel von dem Erfolg des Films aus, allen voran natürlich Sigourney Waver als Ripley, die in der Rolle der ersten Actionheroin der Kinogeschichte brilliert. Ihr entschlossenes Spiel, das aber auch Raum für verzweifelte Augenblicke lässt, macht diese Figur zu einer glaubwürdigen Protagonistin. Tom Skerritt überzeugt durchweg als sympathischer Kapitän Dallas und Veronica Cartwright hat als von der blanken Panik verstörte Navigationsoffizierin Lambert mehrere starke Momente. Ian Holms Darstellung des ehrgeizigen und unmenschlichen (!) wissenschaftlichen Offiziers Ash, der nur zu seinen eigenen Forschungszwecken und den Verdiensten des Konzerns handelt, ist ebenso großartig wie Yaphet Kotto als Maschinist Parker, der den Draufgänger der Mannschaft gibt. Harry Dean Stanton als sein schweigsamer Kollege Brett sorgt in der längsten Suspense-Szene des Films für Gänsehaut pur. Einzig und allein John Hurt hat als Kane eine undankbare Rolle, muss er hauptsächlich bewusstlos im Labor liegen.

Insgesamt ist „Alien ein absoluter Meilenstein der Kinogeschichte. Hervorragend gespielt, grandios ausgestattet und von Ridley Scott meisterhaft inszeniert sorgt dieser Film auch heute noch für Spannung, Angst und – puren Terror! 

 

Kein anderer Komponist schien für die Vertonung von „Alien“ so geeignet zu sein wie Jerry Goldsmith, der in den 60er Jahren mit ungewöhnlich modernistischen Konzepten und unkonventioneller Instrumentation auf sich aufmerksam machte. In den 70er Jahren steuerte er zielsicher auf den Höhepunkt seiner Karriere zu, den er 1976 mit seiner hervorragend konzipierten und polystilistischen Musik zu „Logan’s Run“ und einem Oscar-Gewinn für „The Omen“ erreichte und der bis in die frühen 80er Jahre anhielt. „Alien“ bot dem vielseitigen Komponisten auf eine breite Palette musikalischer Elemente zuzugreifen, denn neben vielen Spannungspassagen, Schockmomenten und mehreren Actionpassagen verlangte die Musik auch nach einigen wenigen besinnlichen Takten für den Kälteschlaf und die unendlichen Weiten des Weltalls. Außerdem benötigt ein solcher Film einen Komponisten mit einem genauen Gespür für den richtigen Musikeinsatz – eine Vorraussetzung, die Goldsmith ohne Frage mitbrachte. So sind es insbesondere die unvertonten Szenen, mit ihrer reellen und beklemmenden Geräuschkulisse wie Kettenklirren und tröpfelndem Wasser die Spannung zusätzlich erhöhen, um der anschließend einsetzenden Musik eine noch stärkere Wirkung zu verleihen. Goldsmith, der den Filmmusikkanon zu dieser Zeit fast spielerisch um einen Höhepunkt nach dem anderen bereicherte, lieferte mit „Alien“ ohne Frage ein wahres Meisterwerk ab! Nachdem er bereits in „Star Trek: Der Film“ das Universum mit rauschhaften Klängen und die Raumfahrer mit einem heroischen Marsch ausstattete, ist die Musik zu „Alien“ genau wie der Film ein deutlicher Gegenentwurf. Hier steht das Unheimliche in Form des Unbekannten im Fordergrund. Die Faszination für die Unendlichkeit des Alls geht nicht mit heroischem Pathos, sondern mysteriöser Befangenheit einher. Für die Vertonung stand dem Komponist ein Symphonieorchester zur Verfügung, das er zusätzlich um einen Synthesizer und mehrere Echoplexe sowie mehrere exotische Instrumente wie das Didgeridoo und den Serpent, eine Art Mischform aus Fagott und Tuba. Auch wenn es mehrere Themen und Motive gibt, so ist die Musik zu „Alien“ hauptsächlich klangkulinarischer Kultur. Außer hier hat man vielleicht noch in einigen Passagen zu „Poltergeist“ derart delikat instrumentierte Stücke, wie sie in „Alien“ durchweg gestaltet sind. Neben den Klängen der exotischen Instrumente ist es vor Allem der gewiefte Einsatz der elektronischen Hilfsmittel, die der Musik ihren faszinierenden Reiz verleihen. Insbesondere der Einsatz mehrerer Echoplexe, die live bei den Aufnahmen zum Einsatz kamen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Anstatt die echoisierten Stimmen einzeln aufzunehmen und später auf die Orchesteraufnahmen zu legen entschied man sich für den komplizierteren Weg, die jeweiligen Elemente gleich in dem Orchester abzunehmen. Hierbei ergeben sich faszinierende Klänge wie die leicht wankenden Flötenfiguren für den Kälteschlaf, die krachenden Col-legno-Schläge der tiefen Streicher bei der Entdeckung des Skeletts und die ekelhaften Akkorde der gezupften Violinen und der Harfe in höchster Lage.

Für die Raumfahrt komponierte Jerry Goldsmith ein harmonisch komplexes Thema für die Solotrompete – ein Instrument, das bei dem Komponisten eigentlich immer mit maskulinem Heldentum verbunden werden kann, hier aber viel mystischer, verhaltener in Szene gesetzt wird. Dieses Thema ist das einzige wirklich melodische Element innerhalb der Musik und bildet so auch die ganz wenigen Lichtblicke innerhalb der düsteren und oft experimentellen Klangcollagen. Außerhalb dieses Themas fußen fast alle wichtigen wiederkehrenden Melodien auf dem Intervall der großen Sekunde wie auch jenes für das Alien selbst. Auf eine fallende Sekunde folgt ein ebenfalls fallender Tritonus und bildet so ein viertöniges Motiv für den „perfekten Organismus“. Auch die pendelnde Flötenfigur für den Kälteschlaf besteht aus einer stets wiederholten großen Sekundwippe.

Diese leitmotivischen Ideen bettet Goldsmith stets in hervorragend auskomponierte, klanglich äußerst fein modulierte Stücke. Insbesondere der Klang des Digeridoos kombiniert mit aleatorisch spielenden Violinen in höchster Lage ergibt eine besonders fremde Klanglichkeit, die auch Ridley Scott außerordentlich gefiel. Für die Actionpassagen arbeitet Goldsmith wie so oft mit kurzen und markanten Motiven, die mit fast penetranter Wiederkehr unbarmherzig auf den Rest des dissonant reagierenden Orchesters einzuprügeln scheinen oder gestaltet solchen Suspense-Passagen wie der Szene in dem Lüftungsschacht lange Stücke mit nur einem kurzen Motiv aus.

Auch Goldsmith dürfte mit seiner Komposition zufrieden gewesen zu sein, doch machte er die Rechnung ohne den Regisseur und seinen Filmschneider Terry Rawlings. Ridley Scott missfiel anscheinend der thematische Ansatz in den ersten Filmminuten und bat den Komponisten um klangorientiertere Passagen, sodass Goldsmith nach Abschluss der eigentlichen Aufnahmen weitere 20 Minuten für „Alien“ komponierte und aufnahm. Dennoch war damit kein abschließendes Ergebnis erreicht, denn den Komponisten erwartete bei einer späteren Filmsichtung eine böse Überraschung. Abgesehen von einem einzigen Stück wurde die Musik zu keiner Szene so platziert wie von Goldsmith vorgesehen. Vielmehr hatten Ridley Scott und Terry Rawlings die Musik eher wie Versatzstücke aus einer Kinothek verwendet. Während Scott nicht in der Lage war, seine Wünsche für die Musik deutlich genug zu kommunizieren und auch nicht abschätzen konnte, was Filmmusik zu leisten im Stande war und was nicht hatte Rawlings bereits seine eigenen Vorstellungen getroffen. Er selbst hatte, um Goldsmith Tribut zu zollen, den Rohschnitt mit dessen Musik zu „Freud“ unterlegt. Der Komponist war darüber wenig erfreut, aber Scott und sein Filmschneider hatten sich schließlich so sehr an die Musik gewöhnt, dass sie die völlig anders konzipierte Originalmusik gar nicht erst in den Film aufnahmen und somit in den entsprechenden Szenen immer noch „Freud“ zu hören ist. Rawlings unterlegte außerdem das Finale und den Abspann mit einem Auszug aus Howard Hansons „romantischer Symphonie“, deren Einsatz Scott ebenfalls für so gut befand, dass Goldsmiths Vertonung des Schlusses und seine Abspannsuite nicht im Film zu hören sind. Die Musikspur zu „Alien“ ist somit schlichtweg ein Desaster, das Goldsmiths hervorragender Originalmusik nicht ansatzweise gerecht wird. Als Trostpflaster hatte er die Möglichkeit, das zum Filmstart erscheinende LP-Album mit eigens ausgewählten Stücken zusammen zu stellen. Während die vollständige Filmmusik größtenteils aus Suspense-Material besteht, versuchte Goldsmith für einen unterhaltsameren Hörfluss, eine Balance zwischen den melodischen Passagen und den Actionmomenten zu erstellen, während er die Suspense-Musik zu nur zwei Stücken zusammen strich. Es überrascht, dass er für das Album auch auf einige auf Scotts Vorstellungen zurück gehende Nachkompositionen zurückgriff. In der Tat bietet der LP-Schnitt der Musik ein sehr rundes und abwechslungsreiches Hörerlebnis, während die vollständige Musik mit ihren vielen sehr subtil gestalteten Spannungsmomenten manchmal etwas anstrengend sein kann. 2007 erhielten Goldsmith-Fans erstmals die Gelegenheit, in den Genuss der Originalfassung mittels einer DVD-Veröffentlichung des Filmes zu kommen, der neben der isolierten Musikspur auch Goldsmiths original intendierte Fassung als eigenständig anwählbare Iso-Spur enthielt. Dieses vorbildliche Produkt ist ein faszinierendes Forschungsobjekt, das allen Interessierten ans Herz gelegt sei. Natürlich machten bald von dieser DVD gezogene Bootlegs die Runde, die einen guten Ersatz für die längst vergriffene und nur noch teuer gehandelte CD-Ausgabe des LP-Schnitts darstellte. Schließlich nahm sich Intrada der harrenden Fans an und veröffentlichte ein 2-CD-Set mit Goldsmith vollständiger Originalmusik und den kompletten Neuaufnahmen auf der ersten CD und weiteren alternativen Fassungen sowie dem LP-Schnitt auf CD 2. Das äußerst informative Booklet enthüllt dem Leser unzählige Fakten über die Musik und wartet zusätzlich mit genauen Angaben über die Verwendung der einzelnen Stücke im Film auf. Klanglich und editorisch bestechend bildet dieses Set die definitive Veröffentlichung dieser grandiosen Musik, die in wirklich keiner Filmmusiksammlung fehlen darf!

 

Star Trek: Der Kinofilm

 

Kapitän James T. Kirk wurde zum Admiral befördert und arbeitet in Francisco für die Sternenflotte. Der leidenschaftliche Weltraumfahrer vermisst sein altes Schiff, die Enterprise und seine Mannschaft schmerzlich, doch nach zwei Jahren auf der Erde bietet sich für Kirk endlich die Gelegenheit, das Kommando über sein Schiff zurück zu gewinnen. Eine riesige Wolke mit ungeheurer energetischer Kraft fliegt auf die Erde zu und auf dem Weg zu dem Planeten zerstört das fremdartige Gebilde alles, was ihm in die Quere kommt. Die Enterprise ist das einzige verfügbare Raumschiff in der Nähe um die Bedrohung abzuwenden. Nach einer Generalüberholung der Enterprise erhielt Kapitän Decker das Kommando über das Schiff, der von Kirk vorgeschlagen wurde. Umso enttäuschender ist es für den jungen aufstrebenden Kommandanten, nun wieder als kommandierender Offizier unter Kirks Befehlsgewalt zu stehen, der es offensichtlich genießt, wieder der Kapitän der Enterprise zu sein. Er holt seinen alten Freund, den Mediziner Leonard McCoy, an Bord und setzt die außerirdische Ilia als Navigationsoffizierin ein. Decker und Ilia kennen sich bereits von früher, als der junge Offizier auf Ilias Heimatplaneten stationiert war, doch die Beziehung der beiden fand ein jähes Ende, als Decker den Planeten verlassen musste. Auf dem Weg zu bedrohlichen Energiewolke trifft Spock auf der Enterprise ein. Der Halbvulkanier wollte sich auf seinem Heimatplaneten durch eine altes Ritual sämtlicher Emotionen entledigen, die ihm von seiner menschlichen Seite angeboren sind und den Vulkanier in ihm verwirren. Wegen seiner gefühlskalten Art ein etwas forscher Zeitgenosse, erweist sich Spock allerdings als grandioser wissenschaftlicher Offizier, der die mysteriöse Wolke genauer untersuchen soll. Doch der Halbvulkanier verfolgt ein weitaus persönlicheres Ziel: er fühlt sich dem unbekannten Gegner äußerst verbunden, denn dessen Handlungsweisen analysierte Spock als Resultate "Purer Logik" und hofft, von dem radikalen Gegner Antworten und Hilfe bei der Suche nach dem totalen, von Emotionen freien Verstand...

Den drei von 1966 - 1969 ausgestrahlten Staffeln von "Raumschiff Enterprise" mit insgesamt 79 war nur ein mäßiger Erfolg beschert und erst nach der Einstellung entwickelte sich die Serie langsam aber sicher zu einem Kultphänomen, sodass Paramount in Erwägung zog, eine zweite Serie mit dem Titel "Star Trek: Phase II" zu produzieren. Als Pilotfolge sollte eine Geschichte dienen, die der Enterprise-Folge "Ich heiße Nomad" nicht unähnlich war doch letzten Endes entschied man sich für einen Kinofilm, der in dem Fahrtwasser des 1977 in die Kinos gekommenen "Krieg der Sterne" die Zuschauer anlocken sollte. Somit kam es zehn Jahre nach der letzten Enterprise-Folge zu einem Wiedersehen mit Kirk, Spock, McCoy und Scotty, das sich nun nicht mehr auf dem heimischen TV-Bildschirm, sondern auf großer Leinwand ereignete. Mit bahnbrechenden und atemberaubenden Effekten dürfte die Reise der Enterprise zu der Bedrohung ein äußerst faszinierendes Erlebnis gewesen sein. Visuell mit zahlreichen, minutenlangen und spektakulären Aufnahmen von Raumschiffen im All und der riesigen geheimnisvollen Wolke, wird "Star Trek: Der Film" zwar dem Medium Kinofilm gerecht, schleppt sich inhaltlich jedoch träge dahin. Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Besatzungsmitglieder sind zwar konfliktreich ausgelegt, werden aber zu keinem Zeitpunkt angemessen thematisiert. Die Rivalität zwischen Kirk und Decker wird viel zu schnell beigelegt, die Beziehung zwischen Ilia und Decker bleibt eine fast unnötige Randnotiz und die möglichen Schwierigkeiten, die sich aus Spocks Gefühlsverweigerung ergeben könnten, werden nicht ausgenutzt. Über weite Strecken beobachtet man die Mannschaft der Enterprise auf der Brücke einige Fachsimpeleien sowie klischeehafte Befehle austauschen und einfache Sachverhalte werden in bemühten Dialogen in die Länge gezogen. Die Schauspieler quälen sich merlich mit dem hölzernen Drehbuch und keiner der Darsteller schafft es, eine überdurchschnitliche Leistung hinzulegen.
Fatalerweise entsprechen auch die Charaktere teilweise nicht denen der originalen Serie. William Shatners Kapitän Kirk, der in der Serie ein abenteuerlustiger und humoristischer Raumfahrer war, ist im Film ein steifer Offizier, der anfangs durch seine kurz angebundene Art sogar unsympatisch wirkt. Leonard Nimoys Darstellung von Spock gehört zu den besten Leistungen der Darstellerriege und auch DeForest Kelley schafft es wenigstens hin und wieder, seinem raubeinigen Dr. McCoy eine markante Persönlichkeit zu verleihen. Stephen Collins erfüllt seine stereopyte Rolle des jungen William Decker zufriedenstellend und die kahl rasierte Persis Khambatta gibt eine gefällige Ilia.
Mit "Star Trek: Der Film" als erster von mittlerweile insgesamt elf Teilen war insbesondere inhaltlich noch viel Luft nach oben, visuell aber lohnt dich der Film definitiv, um in prachtvollen Weltraumaufnahmen zu schwelgen.

Mit seinen langen Kamerafahrten über die fertig gestellte Enterprise, dem Flug in die Wolke und Spocks Erkundung des Wolkenkerns auf eigene Faust verlangt „Star Trek: Der Film“ eine ausladende Filmmusik, die den stillen, von visuellen Effekten getragenen Bildern eine dramaturgische Richtung oder eine atmosphärische sowie emotionale Komponente verleiht. Jerry Goldsmith schien wie geschaffen für diese Aufgabe und komponierte eine ausladende orchestrale Filmmusik, die zu den absoluten Höhepunkten seines gesamten Schaffens gezählt wird. Der Komponist hatte schon früh zu Beginn seiner Karriere durch sein außerordentliches dramaturgisches Gespür und sein musikalisches Können auf sich aufmerksam gemacht. Seine Werke zeichneten sich oft durch eine mit dem Golden Age klar brechende modernistische Tonsprache aus und auch „Star Trek: Der Film“ ist im Kern eine avantgardistische, mit vielen Effekten angereicherte Klangkomposition, die mit ihrer oft ins Freitonale abgleitende Musiksprache ebenso tastend wirkt wie der Flug der Enterprise in die unendlichen Weiten des Weltalls. Um den großen Bildern gerecht zu werden, arbeitet Jerry Goldsmith mit einem groß besetzten Symphonieorchester, das mit mehreren exotischen Klangerzeugern bereichert wird. Hierzu gehört neben dem Synthesizer auch das „Blaster Beam“, ein elektronisches Instrument, das zwei
In besonders spektakulären Augenblicken kommen außerdem auch die Orgel und eine Windmaschine zum Einsatz. Goldsmith konzipierte die Musik von Anfang an als eine klangorientierte Vertonung des Films und weckte durch äußerst raffinierte Orchestrierungen mit dichten Trillern der Streicher in mittlerer Lage, wogenden Klarinettenfiguren und von der Tonalität gelösten, frei schwebenden Linien in den Flöten und Violinen die Assoziation von auf dem Meer fahrenden Schiffen, deren Segel sich im kräftigen Wind blähen und deren Bug über das bewegte Wasser gleitet. Nachdem die Musik für einige der großen Szenen wie der Flug über die Enterprise, die Fahrt aus dem Dock oder Spocks Ankunft auf dem Schiff aufgenommen war, kritisierte Regisseur Robert Wise allerdings, dass der Musik kein Thema zu Grunde liege, sodass Goldsmith über Nacht eine in der Musik prominente prägnanten motivische Idee zu einem optimistischen und schillernden Marsch auskomponierte. Jenes heroische Hauptthema, das von den Trompeten gespielt und von den raschenden Streichergirlanden flankiert wird, sollte wenig später einen der ersten Plätze unter den berühmtesten Themen des Komponisten einnehmen. Dass die Musik keine Themen enthalte, stimmt so natürlich nicht, denn bei aller avantgardistischen Klangkonzeption ist die Musik zu „Star Trek“ in alter Filmmusiktradition durch mehrere Leitmotive gegliedert. Besonders das Thema für Ilya gehört zu den ganz großen Würfen des Komponisten. Das schillernde Vorspiel mit der Harfe und der Celesta leitet zu einer wiegenden und äußerst lyrischen Streichermelodie ein. Selten komponierte Goldsmith eine so wundervoll cantabile Melodie, die kompositorisch äußerst geschickt im Verlauf des Stücks in Hinblick auf Instrumentation und Tonart gesteigert wird und schließlich in voller Kraft vom ganzen Orchester vorgetragen wird. Das schwerfällige Thema für die Wolke, das sich freitonal in den tiefen Blechbläsern über düstere Streicherflächen schleppt und die atonale, mehrfach oktavierte, linienartige Figur der Streicher für Spocks Suche nach der totalen Logik schlagen im Gegensatz zum Hauptthema oder dem Ilyas in die modernistische Kerbe des Musikkonzepts. Für die Logbucheinträge Kirks, die im Off gesprochen werden, greift Goldsmith im Übrigen auf das Originalthema der TV-Serie zurück, das aus der Feder von Alexander Courage stammt, der viele Werke des Meisters orchestriert hat. Für den Beginn des Films, in dem ein klingonisches Schiff versucht, sich gegen die Wolke zu verteidigen, schrieb Goldsmith ein archaisches Thema, das hauptsächlich auf Quinten des Horns, einem stoischen Rhythmus der tiefen Schlitztrommel und klickende Schlagwerkeffekte setzt. Dieses „Klingon-Battle“-Thema wird im Verlauf der insgesamt fünf „Star-Trek“-Vertonungen des Komponisten mehr und mehr Bedeutung gewinnen. Auch jenseits der thematischen Elemente schrieb Goldsmith für „Star Trek“ eine Fülle an äußerst raffinierten Stücken, die oftmals über eine große eigene musikalische Dramaturgie verfügen, da sie minutenlange Flüge und Aufnahmen der Wolke untermalen. Flirrende Streicherteppiche, bedrohliche Blechakkorde, hektische Holzbläserfiguren, experimenteller Einsatz des Schlagwerks und natürlich der legendäre brutal schnarrende Klang des Blaster Beams machen die Musik zu einem atmosphärisch unglaublich dichten und musikalisch absolut hochwertigen Erlebnis.
Zum Filmstart erschien ein LP-Album, das gerade einmal eine gute halbe Stunde der insgesamt über anderthalb Stunden laufenden Filmmusik enthielt. Diese Präsentation wurde in den 90er Jahren auch auf CD veröffentlicht, bevor eine erweiterte Doppel-CD erschien. Auf CD 1 fand sich eine um mehrere Stücke ergänzte Präsentation der Musik in chronologischer Filmreihenfolge während die zweite CD mehrere Interviews enthielt. Allerdings zirkulierten immer mehr Bootlegs mit der vollständigen Musik sowie den verworfenen Originalversionen. Die ultimative Veröffentlichung erfuhr „Star Trek“ allerdings erst 2012 in Form eines 3-CD-Sets von Lalaland Records, das die kompletten Aufnahmen für den Film in bestmöglicher Klangqualität präsentiert und auch sämtliche Bootlegs in den Schatten stellt. Ausgestattet mit einem hervorragendem Begleitheft lässt dieses Set nun keine Wünsche mehr offen und sollte in jeder Science-Fiction-, „Star Trek“-, Goldsmith- oder Filmmusiksammlung überhaupt zu finden sein! Jerry Goldsmith gelang mit „Star Trek“ ein klangkulinarisches Meisterwerk, dessen instrumentatorische und thematische Fülle zu einer atmosphärisch und klanglich dichten Komposition verschmolzen wurde.

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1980

 

Cabo Blanco - Der Schatz von Cabo Blanco

1948 trifft die junge Französin Marie Alessandra auf der Suche nach Jaques - ihrem verschollenen Liebhaber - in dem kleinen peruanischen Küstenort Cabo Blanco ein und steigt in dem Hotel des Amerikaners Giff Hoyt ab. In dem kleinen malerischen Fischerdorf hat der Nazi-Verbrecher Günther Beckdorf den Polizeichef Terredo in der Hand und kontrolliert so mit seinem Einfluss die gesamte Ortschaft. Tatsächlich haben der Franzose und Beckdorf gemeinsame Sache gemacht: Auf dem Schiff Brittany sollte von Nazis erbeutetes Gold sicher ins Ausland geschafft werden. Jaques wurde von Beckdorf bezahlt, um das Schiff mittels einer Explosion zu versenken und anschließend die gesamte Besatzung zu erschießen, sodass nur die beiden in Besitz des Wissens um die Koordinaten des Wracks sind. Erschöpft an Land gespült wurde Jaques von Giff gerettet und im Hotel gepflegt, verschwand jedoch eines Nachts spurlos. Beckdorf, der seitdem mit allen Mitteln verhindert, dass Leute in die Nähe des Wracks kommen, erfährt von Terredo, dass sich die Geliebte seines ehemaligen Komplizen in Cabo Blanco befindet und versucht, sich ihrer zu bemächtigen. Giff Hoyt gerät zwischen die Fronten und nimmt den Kampf auf...

Die Filmographie des Regisseurs J. Lee Thompons verzeichnet Klassiker wie "Taras Bulba", Perlen wie "Cape Fear" oder Teile der "Planet der Affen"-Reihe. Ab den 80er Jahren allerdings ließ die Qualität der Filme stetig nach und so finden sich in den letzten Schaffensjahren meistens längst vergessene und durchschnittliche Actionfilme, in denen oftmals Charles Bronson die Hauptrolle spielte wie "Murphys Gesetz", "Ein Mann wie Dynamit" oder "Death Wish IV". Auch "Cabo Blanco" reiht sich in die Reihe der mäßig spannenden Bronson-Streifen der 80er Jahre ein, wobei der Film zusätzlich den Eindruck erweckt, eine verkappte Neuverfilmung von "Casablanca" zu sein. Auch der Bogart-Klassiker weist erhebliche qualitative Schwächen auf, gehörte zu den Routine-Projekten des Golden Age, um den Kalender zu füllen, doch "Cabo Blanco" scheint als Neuverfilmung diese Schwächen nicht auszubügeln, sondern gar zu verstärken. Charles Bronson, der ebenso wie Humphrey Bogart kaum über Minenspiel verfügt, leiert seine Texte sogar inklusive Stocken herunter, Dominique Sanda kann in keiner Sekunde die adrette Ingrid Bergman ersetzen, höchstens Farnando Reys Terredo zwingt einem in seiner plumpen Unbeholfenheit das eine oder andere Lächeln ab. Die Rolle Simon MacCorkindales als junger Forscher Louis Clarkson, der ebenfalls nach der Brittany sucht, ist vollkommen überflüssig und auch Jason Robarts, der anscheinend versucht, seinem Günther Beckdorf durch das zurückhaltende Spiel eine unterschwellige Bedrohung zu verleihen, bleibt völlig blass. Von Thompsons Regietalent lässt sich höchstens in den euphorischen und ausschweifenden Kamerafahrten sowie der Beleuchtung ausfindig machen, die jedoch öfters den Eindruck von gewollt und nicht gekonnt vermitteln. Die mit Blaufilter gedrehten Nachtaufnahmen sind zusätzlich eine Katastrophe und das Potential der hübschen Küste wird zu keiner Sekunde entsprechend genutzt. "Cabo Blanco" ist somit einer von vielen heruntergekurbelten Bronson-Filme, der zusätzlich einen weiteren Schritt nach unten auf Thompsons Karriereleiter bedeutete und noch nicht einmal als ansprechende Unterhaltung überzeugen kann.

Der einzige positive Aspekt des Films dürfte Jerry Goldsmiths Musik sein. Der Komponist hatte bereits mehrere Filme des Regisseurs veredelt wie "The Chairman" oder "The Reincarnation of Peter Proud" und sollte auch fünf Jahre nach "Cabo Blanco" für "Quatermain" mit Thompson zusammen arbeiten. Außerdem hatte sich Goldsmith unter Anderem in der Vertonung von Actionfilmen verdient gemacht und seine Fähigkeiten in "High Velocity" und "Breakout" unter Beweis gestellt, südamerikanische Einflüsse homogen in seine modernistische Klangsprache einzuarbeiten, sodass "Cabo Blanco" wie maßgeschneidert für die Fertigkeiten des Komponisten schien. Goldsmiths vorige Filme "Star Trek: Der Film" und "Alien" sowie nachfolgende Projekte wie "Omen III" waren für große Orchesterbesetzungen konzipiert und auch "Cabo Clanco" verfügt über einen vollorchestraleren Klang beispielsweise "Breakout" oder "Twilight's Last Gleaming", ohne jedoch allzu romantisch auszuufern. Auch ist der südamerikanische Ansatz viel prominenter vertreten und geht über leichte mit Lokalkolorit versehene Einsprengsel weit hinaus. Schon das Hauptthema mit dem beschwingten Walzerrhythmus und der fröhlichen Melodie für Trompeten versprüht von Anfang an lebensfrohes exotisches Flair. Das markante Material für Günther Beckdorf mit den stakkato spielenden Violen und den knackigen Rhythmen der kleinen Trommel verfügt anfangs über keine klare Melodielinie. Stattdessen fängt der Komponist den dekadenten Wohnsitz des Nazi-Verbrechers mit einer ebenfalls südamerikanisch klingenden ausschweifenden Melodie für die Violinen ein. Die Unterwasserszenen zu Beginn erinnern mit den wellenförmigen Trilerfiguren der Streicher und den dumpfen Tönen der Tuba schon fast ein bisschen ans Golden Age, wozu auch der kleine lautmalerische Aspekt beiträgt: mit einzelnen Schlägen des Xylophons imitiert Goldsmith hier Signalzeichen und weist so auf ähnliche Effekt in Leigh Harline U-Boot-Musik zu "The Enemy Below" hin. Um die Nachkriegsära musikalisch einzufangen bindet Goldsmith den Song "The Very Thought of You" als Liebesthema zwischen Hoyt und Alesandra ein, komponierte als Source-Musik für eine Hotelszene sogar eigens einen an die Swing-Ära angelehnten Song, der von seiner Frau Heather gesungen wurde. Die bedrohlichen Suspense-Passagen im Dschungel sind gewohnt avantgardistisch und kammermusikalisch gehalten, wobei auf einzelne Einwürfe exotischer Instrumente wie Marracas, Castagnetten und Marimba- sowie Xylophon nicht verzichtet wird.
Die Musik zu "Cabo Blanco" wurde erstmals 1993 - 13 Jahre nach Erscheinen des Films - von Prometheus Records veröffentlicht und 2004 in identischer Form neu aufgelegt. Beide Alben klingen hervorzüglich und verfügen über einen sehr knackigen und detailreichen Klang sowie recht solide Informationen über den Film und die Musik, die zu den besseren Booklet-Texten des Labels gerechnet werden können. Die Musik ist vollständig auf der CD vertreten, wobei im Film einige Passagen mehrmals verwendet werden. Einzig und allein störend in der chronologischen Reihenfolge ist die Zusammenstellung der mittleren Suspense-Passagen in zwei jeweils sechs Minuten lange Stücke, obwohl die einzelnen Teile hieraus im Film getrennt vorkommen und offensichtlich auch einzeln eingespielt wurden. Das Zusammenfassen von musikalisch unabhängiger Suspense-Passagen mit 12 Minuten Laufzeit am Stück entpuppt sich als leicht anstrengend. Nichts desto trotz bietet dieses Album einen wundervoll reichen exotischen Abenteuerscore des Komponisten aus seiner besten Phase, der wegen der ihn einrahmenden Meisterwerke wie "Alien", "Star Trek" oder "Masada" und "Outland" zu unrecht in Vergessenheit geraten ist.

 

 

The Final Conflict - Barbaras Baby: Omen III

 

Für Damien Thorn, Satans Sohn lief bisher alles nach Plan. Durch seine höllischen Komplizen gelang es ihm seit frühester Kindheit, jeden aus dem Weg zu räumen, der sich seiner Karriere in den Weg stellen wollte. Von seinem Onkel Richard erbte er die Thorn Enterprises, die er zu einem der mächtigsten Unternehmen der Welt ausbaute und ihn zu einem der einflussreichsten Männer der USA machte. Doch Damien sieht sich einer neuen Bedrohung gegenüber: Eine einmalige Sternenkonstellation steht unmittelbar bevor und deckt sich mit einer Prophezeiung, die die Rückkehr Jesu voraussagt. Zur gleichen Zeit gelangt ein italienischer Mönchsorden wieder in den Besitz der sieben Dolche von Meggido – die einzige Waffe, mit der der Sohn Satans getötet werden kann. Die Dolche wurden bei Bergungsarbeiten aus den Trümmern des Thorn Museums geborgen und gelangten über Umwege nach Italien.  Damien Thorn hat keine Ahnung von dieser Bedrohung, sein Ziel ist es, den wiedergeborenen Sohn Gottes sofort zu töten und da alles darauf hindeutet, dass der Erlöser in England zur Welt kommen wird, tritt er in die Fußstapfen seines Vaters und wird durch eine dämonische Fügung der amerikanische Botschafter Großbritanniens. In seinem Geburtsland eingetroffen wird Damien gleich in die höhere Gesellschaft eingeführt und lernt auch die Fernsehmoderatorin Kate Reynolds kennen, der er für ein Interview zusagt. Während der Sendung wird Satans Sohn von einem Mönch mit einem der Dolche angegriffen, doch der Attentäter verfängt sich in einem Kabel, stürzt und löst einen Brand aus, bei dem er selber grausam getötet wird. Damien bleibt unversehrt, aber sein Misstrauen ist geweckt. Somit kann er weiteren Angriffen seitens der Mönche vorbeugen, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen. Der Druck auf Damien wird dennoch immer größer, denn schließlich ist die Nacht gekommen, in der Jesus in seiner menschlichen Gestalt auf die Erde zurückkehren soll. Der Antichrist schart eine Gruppe höriger Höllendiener um sich, der er einen grausamen Auftrag gibt: Alle männlichen Säuglinge, die in der zwischen 0:00 und 06:00 Uhr am 24. Juni geboren wurden, sollen getötet werden. In den folgenden Tagen häufen sich merkwürdige Begebenheiten, denen unzählige Neugeborene zum Opfer fallen…

 

Der Erfolg der ersten beiden „Omen“-Teile veranlasste Produzent Harvey Bernhard, einen weiteren Teil zu produzieren. Anfangs sollte erneut Richard Donner, der auch bei „The Omen“ auf dem Regiestuhl saß, die Leitung übernehmen, doch seine Auseinandersetzungen bei „Superman II“ hatten zur Folge, dass Donner ebenfalls als Produzent tätig wurde und statt seiner Graham Baker Regie für „Final Conflict“ führte. David Seltzer war nicht mehr für das Drehbuch verantwortlich, doch der neue Autor Andrew Birkin konnte auf eine Menge viel versprechenden Stoff zurückgreifen. Damien war sich ab dem Finale des zweiten Teils über seine Bestimmung und seine Macht völlig im Klaren. Von dem instinktiv handelnden Kind zum an sich selbst zweifelnden pubertären Jugendlichen hatte der Antichrist nun eine Wandlung vollzogen: Er nahm seine Bestimmung an! Damien Thorn ist mit 32 Jahren ein selbstbewusster, erfolgreicher Mann, dem alles zu gelingen scheint. Erneut begleiten wir den bösartigen Protagonisten nun also während seines Feldzugs gegen die Vertreter des christlichen Glaubens und all jene, die sich ihm auf eine erdenkliche Weise in den Weg stellen könnten. Hierbei missachtet der Film sogar einen ganz wichtigen Aspekt der voran gegangenen Teile: Damien kann nur mit allen sieben Dolchen gleichzeitig getötet werden! Das Vorhaben der Mönche, den Antichristen einer nach dem anderen anzugreifen, konfligiert mit Bugenhagens Erläuterungen. Der familiäre Aspekt fällt dabei leider weg, denn von den nahen Angehörigen ist seit dem zweiten Teil keiner mehr am Leben. Auch die fiese Kombination von kindlicher bzw. jugendlicher Unschuld und dem personifizierten Bösen bleibt logischerweise aus. Der erwachsene Damien ist schlicht und ergreifend ein Bösewicht wie viele andere auch. Zwar mit einigen bemerkenswerten Fähigkeiten, aber ein im Großen und Ganzen ein berechnender, starker erwachsener Mann. Er könnte somit also auch vielleicht der Gegenspieler Supermans oder James Bonds sein. Was also bleibt ist die Grundkonstellation in der bemitleidenswerte Gutmenschen, ahnungslose Opfer oder religiöse Fanatiker auf brutale Art und Weise ihr Ende finden. Dieses Konzept war bereits beim zweiten Teil allbekannt und wurde mit einigen brutalen Schockeffekten gewürzt. Ähnlich verhält es sich beim dritten Teil: Hier wurden die Tötungsszenen besonders eindrucksvoll in Szene gesetzt wie der äußerst blutige Kopfschuss, dem der ehemalige US-Botschafter zum Opfer fällt, um Damien Platz zu machen oder der makabre Tod des ersten Mönchs bei der TV-Sendung. Als sei das nicht genug, versuchte man nun den Zuschauer offenbar an einer ganz empfindlichen Stelle zu erwischen: Dem Tod hilfloser Säuglinge. Zwar werden diese Handlungen immer außerhalb der jeweiligen Kameraeinstellung durchgeführt, dennoch muss man sich fragen, ob es nötig ist, über drei Minuten bösartigen Krankenschwestern dabei zuzusehen, wie sie die Sauerstoffversorgung von Brutkästen abdrehen, wie ein Priester einen Säugling bei dessen Taufe erstickt oder eine hypnotisierte Mutter ihren Erstgeborenen mit einem Bügeleisen tötet. Natürlich hinterlassen diese Szenen einen Eindruck, aber ihre Schockwirkung ist nicht durch die fiesen Unfälle, die durch ein Kind herbeigeführt werden, bedingt, sondern durch eine platte Grenzüberschreitung. Letzten Endes tut sich der Film hiermit keinen großen Gefallen und kann auch nicht darüber hinweg täuschen, dass das vorhersehbare Handlungskonzept mittlerweile ziemlich totgeritten wurde. Die darstellerischen Leistungen bewegen sich wie in den vorangegangenen Filmen auf solidem Niveau ohne große Ausbrüche nach oben oder unten. Nachdem man darüber nachdachte, die Hauptrolle mit Marlon Brando oder Gene Hackman zu besetzten, entschied man sich doch für den unbekannten Sam Neill, der seine Sache recht gut macht, manchmal aber ein bisschen zu bemüht rüberkommt. Lisa Harrow muss als Kate Reynolds für das emotionale Gegengewicht sorgen. Eine Aufgabe, die sie soweit es bei ihrer doch kleineren Rolle möglich ist, recht gut meistert Rossano Brazzi als Vater DeCarlo und seine Mönchskollegen gehören mit ihren ganz unterschiedlichen Herangehensweisen zu den interessantesten Gesichtern des Films. Insgesamt ist „The Final Conflict“ ein mittelmäßiger Horrorstreifen, der sogar weit hinter dem zweiten „Omen“-Teil zurück bleibt und kaum über nennenswerte Elemente verfügt, die ihn zu einem würdigen Nachfolger der „Omen“-Reihe machen.

 

Bei einer Filmreihe mit wechselnden Regisseuren und Autoren, in denen entweder alle Hauptpersonen pro Film ums Leben kommen oder in der Fortsetzung von anderen Darstelle