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Soundtrack Board

Sebastian Schwittay

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Alle Inhalte von Sebastian Schwittay

  1. Mich hat es jedenfalls nie gestört, im Gegenteil. Die Musette-Klänge wirken ein bisschen entrückt und verstrahlt, andererseits öffnet Goldsmiths ungenauer Zugang auch den Blick für die Verbindungen und fließenden Übergänge im Volksmusikalischen - letzten Endes prägt das Akkordeon ja genauso den gesamteuropäischen Volksmusikraum wie die Zither. Und dass es ein Musette-Walzer ist, mein Gott... es wirkt in der Picknick-Szene einfach gut, als Ausdruck des Menschlichen und Familiären. Goldsmiths Zugang war hochgradig intuitiv und assoziativ, und in vielem war er eben auch ein Naivling. Genauso das Zither-Thema aus MORITURI: hier kann ich noch weniger nachvollziehen, dass es nicht passen soll - das Thema atmet das "alte Europa", ist wahnsinnig schwermütig, und fühlt sich wie ein Stück Alltagskultur der 30er an, das aus einem blechernen Radio in den tristen Nazi-Alltag weht (die von dir erwähnte Szene mit dem Radio finde ich musikalisch deshalb besonders stimmig). Was ein Künstler selbst zu seinen Werken sagt, sollte never never never zum Maßstab für eigene (oder gar historisch-wissenschaftliche) Einordnungen genommen werden. Das gilt in besonderem Maße für komplexbeladene, alkohol-, depressions- und charakterbedingt unzuverlässige Eigenperspektiven wie die von Goldsmith. Der Mann hat in seinen späteren Lebensjahren viele Musiken als seine persönlich liebsten und besten auserkoren, die ihm halt besonderen Spaß gemacht haben - RUDY beispielsweise, der sicher nett, aber keinesfalls ein essentieller künstlerischer Brennpunkt seines Schaffens ist. Folglich wäre ich mit solchen Künstlerzitaten immens vorsichtig. Und klar, der Vergleich mit anderen Highlights im Gesamtwerk (du beziehst dich wohl auf die 60er, 70er und frühen 80er) fördert natürlich vor allem eins zu Tage: eine zunächst mal wertfreie stilistische Differenz. Du kannst schwer THE BLUE MAX gegen U.S. MARSHALS setzen und einen qualitativen Vergleich anstellen, wenn beide Schaffensphasen von so vollkommen unterschiedlichen ästhetischen Dispositionen ausgehen. Ein Vergleich bietet sich dagegen mit anderen 90er-Jahre-Musiken an - und die Frage, inwiefern MARSHALS einem, sagen wir, THE GHOST AND THE DARKNESS kompositorisch unterlegen ist, steht nach wie vor im Raum.
  2. Naja, zum einen hat Goldsmith mit dem Hauptthema einen seiner schönsten und eigenwilligsten mediävalen Choräle komponiert, dessen Formstrenge und Ausharmonisierung tatsächlich kaum nach Goldsmith klingen und im eigenen Schaffen ohne direktes Vorbild bleiben. Es ist ja weder entrückt noch episch, wie sonst üblich bei Goldsmith, wenn es ins Sakrale geht, sondern vollkommen profan und unwirtlich. Irgendwas in seinen frühen THRILLER-Musiken hat mich mal leicht an das Thema erinnert, aber zumindest seit 1963 fallen mir keine direkten musikalischen Verwandten mehr ein. Zum anderen finde ich auch, dass das Finale einige wirklich starke Steigerungen aufzuweisen hat, die wiederum doch eher ins Epische tendieren, aber mit der ungewöhnlichen Harmonisierung des Themas auch ganz anders klingen als (grob) stilistisch Vergleichbares wie THE FINAL CONFLICT. Und, naja, den Synthesizer-Einsatz fand ich schon immer erfrischend andersartig irgendwie... In Gänze eine wirklich idiosynkratische, unterschätzte Musik, wie ich finde. Goldsmith hat die Strangeness des Films in einem ziemlich unverwechselbaren Konzept eingefangen - eine Fähigkeit, die ihm ja sonst nur bis maximal Mitte der 80er zugesprochen wird. Das Siegel "lieblos zusammengekloppt" bleibt für mich erstmal Behauptung ohne Argument. Eine Begründung, wieso das aus deiner Sicht so ist (wie ich es getan habe am Beispiel von U.S. MARSHALS und jetzt WARLOCK), fände ich hilfreich. Naja, beliebt ist er jedenfalls nicht. Sonst wäre er zumindest auch mal auf YouTube gelandet, was bis heute nicht der Fall ist. Und auch sonst reagieren gerade die Leute in internationalen Fangruppen immer etwas irritiert, wenn man MORITURI als einen Top-Favoriten nennt - ich spreche aus Erfahrung... Was die Zither betrifft: die ist musikethnologisch gar nicht mal so spezifisch mit Osteuropa verknüpft, sondern eher allgemein mit Europa (wobei es auch in Asien viele Vertreter dieser Instrumentenfamilie gibt). Und zumindest die gesamt- bzw. mitteleuropäische Konnotation macht schon Sinn, sind viele der Protagonisten doch Europäer oder versuchen, sich als solche auszugeben. Dass Goldsmith es nie so genau nahm mit exakten geographischen Zuschreibungen, ist ja nicht neu...
  3. Ich mag ja vor allem den ersten Drogentrip auf dem Wiesenhügel, noch bevor die jungen Leute in der Kommune ankommen. Nicht nur extrem unheimlich inszeniert, sondern auch spannend hinsichtlich des Hauptthemas des Films: toxische Beziehungen, und die ständigen Manipulationen, denen sich die Protagonistin ausgesetzt sieht. Sie will ja nichts rauchen, wird dann aber doch hineingedrängt. Erst die Kommune erlaubt ihr - in gewisser Weise - Souveränität. Die Kommune als Befreiungsschlag: eine durchaus subversive Message.
  4. Vor allem natürlich dort, wo Filmkomponisten mit modalen Harmonien gearbeitet haben (sofern es nicht gerade auf Themenkomplexe wie "Mittelalter" und somit eher klischierte Verwendungsformen von Modalität bezogen ist, oder auf die Kirchentonarten, die eigentlich nichts mit Messiaen zu tun haben). Zu nennen ist natürlich vor allem Goldsmith: das Alien- bzw. Alienplaneten-Motiv aus ALIEN ist schon klar im Geiste Messiaens, es entspricht sogar einem seiner sieben Modi - mir ist leider entfallen, welchem genau, ich glaube es ist der sechste... Ansonsten ist Jonny Greenwood einer der bekanntesten Filmkomponisten, bei dem der Messiaen-Einfluss besonders deutlich wird. Greenwood schreibt ja fast ständig modal (vor allem im Modus 2, siehe oben), seine Musik zu THERE WILL BE BLOOD ist außerdem stark von Messiaens "Quatour pour la fin du temps" beeinflusst (nicht nur harmonisch, sondern auch allgemein in der Ästhetik, siehe z.B. der Track "Eat Him By His Own Light"), und nach eigener Aussage ist die Turangalîla-Sinfonie eins seiner klassischen Lieblingswerke. Das Ondes Martenot benutzt er auch oft, wobei das natürlich - wie auch bei Elmer Bernstein - nur eine oberflächliche Gemeinsamkeit ist. Sehr gut, danke für das Zitat! Darf ich fragen, wo du das gefunden hast? Zumindest bei MARIENBAD sicher nicht, nein. Letztendlich hat die Seyrig-Musik aber auch starken Messiaen-Einfluss - ich hatte oben ja schon gewisse Ähnlichkeiten zwischen Seyrig und der Orgelfassung des ersten Satzes aus "L'Ascension" unterstellt.
  5. Ja, der Film ist auf jeden Fall ein zweischneidiges Schwert. Wurde auch recht kontrovers diskutiert - viele fanden ihn prätentiös, rein auf Schauwerte und Stil fokussiert. Mir fiel er teilweise auch auf die Nerven, aber in einigen Aspekten geht er auch durchaus in die Tiefe. Auf Letterboxd hatte ich das etwas zu differenzieren versucht: https://letterboxd.com/sschwittay/film/midsommar/ In der kommenden Ausgabe der Cinema Musica habe ich auch etwas umfangreicher zum Score geschrieben.
  6. Nein, Filmmusik hat er nie geschrieben. Er war Zeit seines Lebens eigentlich durchgehend in E-Musik-Kreisen unterwegs, und dort auch extrem einflussreich. Er war ja einer der wichtigsten Kompositionslehrer Europas, hat Generationen von Komponisten ausgebildet, und hatte riesigen Einfluss auf die Herausbildung der Avantgarde nach dem zweiten Weltkrieg. Für Arbeit in anderen Medien hatte er wohl schlicht keine Kapazitäten mehr frei - ob er grundsätzlich Interesse dran hatte, weiß ich nicht. Mir sind jedenfalls keine Äußerungen dazu bekannt.
  7. Berichte dann gerne mal, wie du die Sachen fandest. Die wurden hier im Board ja nicht so stark rezipiert, gerade die CD mit dem Streichquartett und auch A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM liefen sehr unter dem Radar. Gibt es aber alles auf Spotify. Welche Scores waren das denn, die du zuletzt von ihm gehört hast?
  8. Naja, und eben darauf, dass Goldsmith bis zuletzt einfach ein brillanter musikalischer Figurenzeichner war und sich den Charakteren seiner Filme maximal angenähert hat. U.S. MARSHALS ist ein Film über erkaltete Menschlichkeit, das gnadenlose Diktat der Arbeitswelt - und über die Figur eines machiavellistischen Unsympathen, der von dieser Welt geschluckt wird, andererseits aber auch voll in ihr aufgeht. Der Film gibt einfach verdammt viel her, und Goldsmiths kaltes, zweckorientiertes Vertonungskonzept funktioniert sowohl als Spiegel von Gerards Persönlichkeit als auch einer fast schon dystopischen Arbeitswelt perfekt. Ich verstand schon damals nicht, wieso der Film allgemein so kleingeredet und ihm die Qualitäten abgesprochen werden - vielleicht kommen die Leute einfach nicht mit seiner Kälte zurecht. Ich persönlich finde ihn menschlich und psychologisch richtig unheimlich, und tatsächlich noch besser als THE FUGITIVE. Ja, mit diesen feinen Irritationen und Eigenwilligkeiten kommt die Fangemeinde selten klar. FIERCE CREATURES ist ja - aus anderen Gründen - auch so ein Fall, und zählt tatsächlich zu den künstlerisch interessantesten Musiken des Spätwerks. Bei Goldsmith kann man da fast schon eine Regel ableiten: wird die Musik von Fans geschmäht, ist sie oft besonders interessant (WARLOCK, MORITURI, FIERCE CREATURES, U.S. MARSHALS...).
  9. Ist ja schon länger bekannt, und wurde auch hier im Thread schon öfter erwähnt: Goldenthal hat sich schon lange von Hollywood abgewandt. Er ist eben in erster Linie Konzert- und Theaterkomponist, und darauf hat er sich in den letzten 15 Jahren auch schwerpunktmäßig konzentriert. Sein Unfall Mitte der 2000er, bei dem er sich ein schweres Schädelhirntrauma zugezogen hat und von dem er sich nur langsam erholt hat, dürfte dazu beigetragen haben, dass er sich dem Stress von Filmvertonungen nicht mehr aussetzen will. Seither schreibt er Filmmusik nur noch für die Filme seiner Frau Julie Taymor. Eine Ausnahme war der eher unauffällige Country-Score für das Robert-Redford-Drama OUR SOULS AT NIGHT von 2017 (wurde aber nicht veröffentlicht). Ganz freiwillig dürfte sein Verschwinden aus Hollywood allerdings auch nicht gewesen sein, denn er hat sich 2006 mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Warner überworfen, und hat das Studio verklagt, weil Tyler Bates in 300 Teile von Goldenthals TITUS plagiiert hat, und das Ganze ohne entsprechenden Hinweis im Film gelandet ist. Goldenthal wurde zwar Recht gegeben, und Warner hat ein Statement der Entschuldigung veröffentlicht, allerdings ist Goldenthal seither 'persona non grata' in Hollywood, weil die Studios ungern Leute engagieren, die ihre Arbeitgeber verklagen. (So hat es mir auch Christopher Young während eines Gesprächs beim Hollywood Music Workshop erzählt - er ist ja ganz gut mit Goldenthal bekannt.) Wie auch immer, es kommt ja immer noch regelmäßig neue Musik von ihm: seine Musik für Julie Taymors THE TEMPEST (2010) sein Streichquartett "The Stone Cutters" (2013, auf CD veröffentlicht 2014) seine "Symphony in G sharp minor" (2014, auf CD veröffentlicht 2015) seine Musik für Julie Taymors Theateradaption von A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM (2013, digital veröffentlicht 2017) Sowie Bearbeitungen älterer Werke wie die "Othello Symphony" (2013, auf CD veröffentlicht 2014), sowie eine "Michael Collins Symphony", die übrigens nächste Woche auf seinem Label erscheinen wird...
  10. Für Filmmusik-Fans interessant ist auch der dritte Satz von "L'Ascension": beim letzten Abschnitt des Satzes hat man fast Arnold Schwarzenegger vorm inneren Auge, wie er vom Predator durch den Dschungel gehetzt wird (ab 4:55): Der Grund: Messiaen benutzt hier die gleiche Form von Tonleiter wie Silvestri (durchgehend) in seinem PREDATOR-Score. Die oktatonische bzw. verminderte Tonleiter, in der der Abstand zwischen zwei Tönen immer abwechselnd ein Halbton und ein Ganzton ist. Diese Tonleiter ist auch als zweiter Messiaen-Modus bekannt (Messiaen hat die Tonleitern, die er in seinen Werken benutzt hat, 1944 in seinem Buch "Technique de mon langage musical" systematisiert). Insgesamt hat Messiaen 7 dieser "Modi" definiert. Sie kennzeichnen sich durch die besondere Abfolge von Tonabständen (Intervallen), die eben nicht denen von Dur oder moll entsprechen, und es gibt weniger Möglichkeiten der Transposition (die Töne sind z.B. dieselben, wenn man die Leiter auf C, Es oder B startet - andere Töne wären es, wenn man sie z.B. auf F startet). Diese Tonleitern tauchen schon bei Liszt, Debussy und Bartók auf; Messiaen war allerdings der erste, der sie systematisiert und konsequent zur harmonischen Gestaltung seiner Werke benutzt hat. Die oktatonische Halbton-Ganzton-Leiter dürfte der populärste Messiaen-Modus sein, und wird im Jazz, wie auch in der Filmmusik verwendet. Neben Silvestri benutzen ihn auch Christopher Gordon (DAYBREAKERS) und Jonny Greenwood (INHERENT VICE) regelmäßig. Die Leiter im Beispiel oben startet übrigens auf B - in PREDATOR fängt Silvestri häufiger auf E oder G an, also in einer transponierten Form.
  11. ALONG CAME A SPIDER hat ja auch die Besonderheit eines prominenten Klaviersolos, was man so im Spätwerk kaum noch findet, und in seiner zarten Subtilität am ehesten auf A PATCH OF BLUE verweist... Wie man sieht, haben fast alle dieser geschmähten Spätwerkscores spannende Eigenwilligkeiten an sich. Und sie sind alle gut unterscheidbar - wenn man hinhört. Von Analyse habe ich ja gar nichts geschrieben, sondern davon, genauer und gründlicher in eine Musik und ihr Wesen hineinzuhören. Analyse ist dagegen ein systematisches Zerlegen in Einzelbestandteile, was man beim reinen Hören gar nicht leisten kann (und muss).
  12. Danke, freut mich, wenn die Stücke schon mal Anklang fanden. Ich mache gleich mal weiter mit "L'Ascension", dem Orchesterwerk von 1932 (siehe zweites Video oben): Messiaen hat das Werk ein Jahr später auch als Orgelfassung arrangiert, wie er es bei einigen seiner Werke getan hat. Gerade den ersten Satz finde ich auch in der Version für Orgel unfassbar schön - ich finde, dass die Harmonien hier sogar fast noch schöner herauskommen als im Bläserchoral der Orchesterfassung. Außerdem erinnert mich der Satz in dieser Form stark an Francis Seyrigs Filmmusik zu LETZTES JAHR IN MARIENBAD (1961), den vielleicht einige hier kennen werden (Seyrig war übrigens auch Schüler von Messiaen). Harmonisch hat mich schon lange kein Stück mehr so in seinen Bann gezogen wie dieser Satz... und er zeigt, was für ein riesiges Ausdrucks- und Klangfarbenpotenzial in der Satzform des Chorals liegt.
  13. Stimmt halt leider nicht. EXECUTIVE DECISION ist z.B. mit seinen terrassenförmigen und pyramidalen Motiven und Satzstrukturen eine Art später Vertreter des Paranoia-Goldsmith à la TWILIGHT'S LAST GLEAMING, während U.S. MARSHALS eben solche Strukturen kaum aufweist, und mehr als schmucklose rhythmische Studie funktioniert (als Charakterstudie Gerards, siehe oben). Ein bisschen mehr sollte man schon in die Strukturen der Musiken reinschauen, bevor man alle über einen Kamm schert.
  14. Klar, es gibt ja nichts Wichtigeres... Die Arbeit mit dem (prägnanten!) Fanfarenmotiv im Rhythmischen und im Bereich Klangfarbe ist eigentlich interessant und abwechslungsreich genug, da braucht es kein riesiges, ausladendes Thema (das der Charakterisierung der Hauptfigur eh nicht angemessen gewesen wäre... Jones' Figur ist ein resoluter Unsympath, der durch seinen Job zum Arschloch mutiert ist, und kein klassischer Hollywood-Leinwandheld).
  15. Feiner Score, einer meiner Lieblinge im Spätwerk. In Sachen Konzentration und Transparenz vielleicht sogar ein Musterbeispiel für Goldsmiths ökonomischen Spätstil. Kommt ins Haus, zumal ich den Score auch einfach auswendig kenne.
  16. Da wir noch gar keinen eigenen Thread zu diesem faszinierenden und extrem einflussreichen Komponisten des 20. Jahrhunderts haben, hole ich das jetzt mal nach. Olivier Messiaen (1908-1992) zählt zwar schon seit Jahren zu meinen Lieblingskomponisten des 20. Jahrhunderts, aber die derzeitige Krisensituation hat mich mal wieder in die Arme des Franzosen und seiner wundersam-spirituellen Musik getrieben, die in ihrer eigenwilligen Schönheit viel Trost und Zuversicht spenden kann. Wo fängt man an? Messiaens Musik ist schwer mit Worten zu beschreiben, aber so extrem unverwechselbar und sofort wiedererkennbar wie kaum ein anderer Stil eines großen klassischen Komponisten der letzten 150 Jahre. Zur Einführung lasse ich vielleicht den Dirigenten Paavo Järvi zu Wort kommen - in einem kurzen Promo-Video für eine tolle CD, die er Ende letzten Jahres mit dem Züricher Tonhalle-Orchester aufgenommen hat, mit vier frühen Orchesterwerken Messiaens aus den 30er Jahren: Allen seinen Werken gemeinsam - von den 20er Jahren bis Anfang der 90er Jahre - ist eine tiefe Spiritualität, die sich aus Messiaens Naturverbundenheit und seinem Pantheismus speist. Fast alle Werke haben religiöse Bezüge bzw. vertonen Motive der katholischen Glaubenswelt: von der Auferstehung und Verklärung Jesu, über biblische Motive wie die Offenbarung des Johannes, bishin zur Porträtierung von Heiligenfiguren wie Franz von Assisi. Die Zugänge zu diesen Themen sind aber nicht trocken-theologisch und auch alles andere als traditionell, sondern von einer unglaublichen musikalischen (und philosophischen) Poesie und Opulenz geprägt. Messiaens Musik schillert prachtvoll in allen erdenklichen Farben (er selbst war Synästhetiker, d.h. er verband Klänge und Harmonien mit Farben), und seine Werke wirken auch deutlich impressionistischer und "jenseitiger" als die Musik vieler seiner Zeitgenossen. Ein vollkommen eigener und unverwechselbarer Klang, der etwas Magisch-Verzaubertes an sich hat - und durchaus auch etwas Bildhaftes, fast Filmisches. Das Hauptthema seiner Musik ist die Transzendenz, die im christlichen Glauben, aber auch in der Natur liegt. Vögel waren für ihn göttliche Wesen, die eine Brücke zwischen irdischer Welt und himmlischem Jenseits bilden, und deswegen eine besondere thematische Stellung in seinen Werken einnehmen. Messiaen war passionierter Vogelkundler, und hat die Gesänge zahlreicher Spezies annäherungsweise in Musik notiert und in seine Werke miteinfließen lassen. In vielen Werken ab den 1940er Jahren sind solche "Vogelstimmen" im musikalischen Satz verarbeitet, vor allem im Klavier, aber auch in den Holzbläsern. Messiaen schrieb in den 50er Jahren Werke wie "Oiseaux exotiques" für Klavier, Bläser und Schlagzeug, welches die Gesänge exotischer Vögel verarbeitet, sowie einen ganzen "Catalogue d'oiseaux" für Klavier (1958) - ein dreizehnsätziges Werk, wo jeder Satz einen Vogel, und die französische Region, in der er heimisch ist, porträtiert. Ganz im Sinne seiner pantheistischen Weltsicht, nach der sich Gott überall in der Natur manifestiert, werden hier auch die Geographie, das Klima, die Düfte und die Atmosphäre der Landstriche mitvertont. Absolute Naturmusik, wenn man so will. Wichtig für Messiaen war auch seine lange Tätigkeit als Kirchenorganist. Durch alle Phasen seines Schaffens hindurch hat Messiaen für Orgel solo komponiert, und viele seiner Werke (v.a. in den 30er und 40er Jahren) haben choral-ähnliche, an die Orgel-Registratur angelehnte Sätze bzw. lassen sich als transzendente "Gesänge" deuten. Eins der schönsten Beispiele ist der erste Satz des frühen Orchesterwerks "L'ascension" (1932-33) - ein wunderschöner Bläserchoral, der sofort Messiaens eigenwillige modale Harmonik (dazu in den nächsten Tagen mehr!) erkennen lässt. Mit diesem herrlichen Klangbeispiel möchte ich diese Einführung auch schon abschließen - mit Aussicht auf weitere Empfehlungen in den kommenden Tagen und Wochen.
  17. Hier nun endlich der neue Nominierungs-Thread für diesen Jahrgang. DIE REGELN Nominiert werden dürfen Scores zu Kinofilmen, TV-Produktionen (Serien-Staffeln und TV-Filme) und Computer- bzw. Konsolenspielen. Scores zu Einzelepisoden von Serien dürfen - ebenso wie Kurzfilmscores - nicht nominiert werden. Damit ein Score für den laufenden Jahrgang nominiert werden kann, muss der dazugehörige Film in eben diesem Jahr erstmals öffentlich, außerhalb von Filmfestivals, also regulär vor zahlendem Publikum gezeigt worden sein (meist gleichzusetzen mit dem internationalen Kinostart) - bei TV-Produktionen gilt das Datum der Erstausstrahlung bzw. Veröffentlichung auf Streaming-Plattformen, bei Games das offizielle Erscheinungsdatum. Für nachträglich veröffentlichte Rejected Scores (oder auch "normale" Scores, die erst wesentlich später veröffentlicht werden) gilt: Berücksichtigt wird es nur, wenn der Kinostart des Films nicht länger als zwei Jahre her ist. Wenn ein Score zu einem veröffentlichten Film, Game oder einer Serie erst später - genauer gesagt nach dem Ablauf unserer Nominierungsphase (31. Januar) - veröffentlicht wird, zählt der Score zum Folgejahr. Nominieren kann man bis 31. Januar 2021. Bitte immer folgendermaßen nominieren: FILMTITEL, Komponist (Filmtitel in Großbuchstaben, dann ein Komma und dann den Namen des Komponisten in normaler Schrift.) Vielen Dank!
  18. @horner1980, kannst du diesen Thread und alle Threads der 2019er-Umfrage wieder unten ins Umfrage-Forum verschieben? Danke.
  19. Ich nutze die freie Zeit gerade, um mich wieder intensiver mit Olivier Messiaen zu beschäftigen. Die Spiritualität seiner Musik ist ein schöner Kontrapunkt zur verunsichernden Lage momentan. Vielleicht schreibe ich im Klassik-Forum noch mal etwas ausführlicher über meine "Messiaen-Wochen".
  20. Vielen Dank für das Angebot, Peter! Aber für die Sammlungsvervollständigung möchte ich lieber die Intrada haben.
  21. Hach, "Boat Drill" und "Traffic Jam / Caught in the Act" gehören schon zu meinen absolut liebsten Goldsmith-Actiontracks ever. Der zackige 5/8-Takt in "Boat Drill", der ständig hysterisch von Synkopen zerrissen wird, und sich zwischendrin mal mit einem 6/8 abwechselt - man stolpert überall. Das absolute Gegenteil von militärischem Drill und strikter Ordnung. Krieg ist Chaos! Geiles musikalisches Statement. Die Klangqualität scheint mir noch einen Ticken klarer als bei der FSM (die aber auch schon sehr gut war).
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