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Finde auch, dass das der interessanteste Moment des ganzen Stücks ist. Hat was.
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Wenn es Absicht ist, haben wir hier eine verdammt originelle harmonische Wendung...
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(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Vermutlich, ja. Bei einem neuen Gordon- oder Williams-Score ist halt meist von vornherein klar, dass diese Scores kompositorisch auf einem recht hohen Niveau gearbeitet sind. Da das für "uns" (wie gesagt, ich mag solche Grüppchenbildungen nicht) ein Qualitätsmerkmal ist, freuen wir "uns" eher auf einen neuen Gordon als auf einen neuen Jablonsky oder Rabin. Der emotionale Aspekt ist natürlich auch sehr wichtig: aber ein Gordon vermag eben mindestens genauso oder sogar noch stärker zu berühren als ein Rabin. ON THE BEACH Love Theme anyone...? Wenn das nicht herzzerreißend ist... Aus diesem Grund gibt es die Buh-Rufe bei Ankündigungen solcher Scores nicht, sie überzeugen eben auf emotionaler und kompositorischer/konzeptioneller Ebene. Wie ich ja jetzt schon einige Male betont habe: ich finde, eine gewisse musikalische Komplexität sorgt auch für mehr Inhalt und auch für stärkere und vielschichtigere emotionale Wirkung. Ein weiteres Beispiel für komplexere Harmonik, die durch ihre ungewöhnlichen, teils dissonanzreichen Wendungen auch intensivere und vieldeutigere Wirkungen entfaltet als ein einfaches kadenzharmonisches Thema z.B. von Zimmer oder Rabin, wäre Thomas Newman THE GOOD GERMAN. Hab davon leider keinen einzigen Track auf YouTube gefunden, aber ich denke, die meisten kennen die Musik. Die Themen, vor allem das sehr emotionale, aufschwingende Liebesthema, glänzen und schillern hier in verschiedensten harmonischen Schattierungen, oft dissonant gebrochen, oft durch sehr kontrastreiche Instrumentierungen regelrecht "aufgeladen", was die Bedeutungs- und Symbolebene betrifft. Eine sehr psychologisierende Musik. Und da wären wir bei etwas ganz wichtigem: die menschliche Psyche ist komplex und psychische Vorgänge lassen sich eben oft nicht mit einer platten Beschreibungskategorie (fröhlich, traurig, wütend) veranschaulichen. Und da eine Filmmusik die Figuren und ihre Psychologie nachzeichnen muss (ist eigentlich ein Grundmerkmal guter Filmmusik), muss sie eben auch den zahlreichen Facetten gerecht werden, die die Seele einer Figur ausmachen. Und das macht eine Musik, die viele Facetten und Schattierungen abdeckt eben eher als eine, die nur relativ platt auf eine einzige Emotion pocht - und ich finde, das machen eben Scores wie ARMAGEDDON oder TRANSFORMERS. Sie spiegeln eine oder maximal zwei Emotionen gleichzeitig bzw. im ganzen Verlauf der Filmmusik: neben simpler Aufregung in den Actionsequenzen meist ein erhebend-heroisches Gefühl der Ehre, ähnlich einer Nationalhymne (auch musikalisch sind diese Scores ja immer sehr hymnisch gestaltet). Aber darüber hinaus gibt es meist nicht so viel: was wäre z.B. mit Paranoia, Hassliebe, rasender Eifersucht, Nihilismus, Ekstase? So etwas finde ich in simplen Musiken wie denen von Rabin, Jablonsky oder Gregson-Williams meist nicht ausgedrückt. Bei Goldsmith war das z.B. wirklich anders. Allein ein Score wie THE ILLUSTRATED MAN bietet eine solche unbeschreibliche Fülle an emotionalen Schattierungen und Brechungen, dass man die Musik einfach immer wieder hören möchte, weil man bei jedem Hören wieder etwas Neues entdeckt, auf das man vorher noch gar nicht geachtet hat. -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Zweimal klassischer Film noir: THE MALTESE FALCON (John Huston, 1941) Detektiv aus San Francisco (Humphrey Bogart) gerät zwischen die Fronten: eine undurchsichtige Frau, ein Gangsterboss und andere zwielichtige Gestalten sind hinter einer geheimnisvollen Falken-Statue aus dem 16. Jahrhundert her und ziehen den Protagonisten in die Tiefen verschwörerischen Komplotts. John Hustons Regiedebüt, das allgemein als Startpunkt von Warners "Schwarzer Reihe" bzw. des klassischen Film noir gesehen wird, besticht trotz etwas verworrener Story mit tollen Darstellern (brillant v.a. Peter Lorre) und einer fiesen, klaustrophobischen Atmosphäre: dazu trägt nicht nur die ausgezeichnete, wenn auch sehr dezente Kameraarbeit bei, sondern auch die Tatsache, dass fast der gesamte Film nur in geschlossenen, stickigen und stark verschatteten Räumen spielt. Man fühlt sich durchgehend bedrängt und eingeschlossen; die alle Settings und Handlungsorte umgebende Dunkelheit (der Film spielt fast nur nachts) hüllt einen regelrecht ein. Sehr wirkungsvoll auch die um ein dissonantes, aber durchaus prägnantes Motiv für die titelgebende Falken-Statuette strukturierte Musik von Adolph Deutsch - werde mir da mal das Naxos-Album mit den neueingespielten Auszügen aus dem Score (unter Morgan/Stromberg) zulegen. DOUBLE INDEMNITY (Billy Wilder, 1944) Nochmal Noir, diesmal jedoch von Paramount: Versicherungsagent hilft seiner Klientin bei der Ermordung ihres Mannes, kommt am Ende jedoch dahinter, mit was für einer kalten Schlange er sich eingelassen hat. Allerdings zu spät - alles fliegt auf und auch er ist dem Untergang (und dem elektrischen Stuhl) geweiht. Höhepunkt des Film noir der Vierziger, der die noir-typischen Stilmittel und Motive (Verschattung des Bilds und extreme Hell-Dunkel-Kontraste, femme-fatale-Motiv, etc.) auf die Spitze treibt. Die Figuren handeln allesamt zutiefst amoralisch, dennoch entwickelt der Zuschauer gerade für den Protagonisten starke Sympathien und fiebert bis zum Ende gespannt mit. Dennoch herrscht ein für den Film noir ebenfalls typisches, pessimistisches Motiv der Determination vor: dem Zuschauer ist von Anfang an klar, dass der Protagonist scheitern wird, erzählt er doch den ganzen Film als "Beichte" in der Rückblende, auf das laufende Tonband seines Kollegen. Ein wirklich mitreißendes Filmerlebnis, mit grandiosem Spannungsbogen, tollen Darsteller-Leistungen (v.a. Barbara Stanwycks Darstellung der kaltblütig-berechnenden femme fatale war von prägendem Einfluss auf die weitere Entwicklung des Film noir) und einer durchaus wirkungsvollen Rózsa-Musik. Der bis dato wohl pessimistischste, aber auch spannendste Film noir, den ich kenne. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Ich finde es öde und langweilig, wenn alle aneinander vorbeileben und -schreiben und keiner je irgendetwas Neues wagt, und sich auch mal mit Musik der "gegnerischen" Seite (klingt zwar schlimm, ist aber wohl zutreffend formuliert) auseinandersetzt. So wird immer alles beim Alten bleiben, die Fronten bleiben hart und starr und niemand kommt je in die doofe Situation, sich auch mal auszutauschen... Bei Bernd habe ich mittlerweile das Gefühl, er mag diese tiefen Gräben zwischen den Diskussionsgruppen und will es gar nicht anders - bei den anderen habe ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Ergo: "leben und leben lassen" ist ein schönes Motto - so lange man sich nicht gleichzeitig starrsinnig voneinander abkapselt bzw. nie versucht, sich auch mal in die Argumente der Gegenseite einzudenken. Ich höre mir ja schließlich auch hin und wieder mal einen Zimmer an und schreibe auch was dazu - ja sogar einen Rabin/Gregson-Williams (wie ich ja geschrieben habe, mag ich ENEMY OF THE STATE durchaus gerne)! Von der Gegenseite kommt aber halt meistens nichts - das beweisen ja mal wieder die zahlreichen Reaktionen und Kommentare zu meinen geposteten YouTube-Beispielen. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Wow, sehr detailierte Beschreibung - danke dafür! Was ich immer auf der CD vermisst habe, ist diese mitreißende, aber nur ganz kurze Passage, die zu hören ist, als McClane und Zeus nach der Konfrontation mit der Gang im gekaperten Taxi zum Police Plaza rasen. In der Einstellung rast das Taxi bergab, und die Kamera schwenkt ein bisschen hinauf und zeigt den weiten Straßenzug mit den Wolkenkratzern. Diesen Schwenk untermalt Kamen mit einer extrem brachialen, kurz auf- und dann wieder absteigenden Bläserfigur. Sehr over-the-top, aber eine tolle musikalische Darstellung der riesigen, weitläufigen Stadt und ihrer gigantischen Skyline. -
Wirklich schöner Track und wohl auch der beste des Scores. Hat insgesamt viel von einem Kinderlied bzw. einem Lullaby - und das Ende mit dem Chor a cappella hat dann harmonisch einiges von THE ABYSS, wie ich finde.
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(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Also in einem Drehbuch wird meistens gar nichts zur Musik geschrieben - da hat höchstens Stanley Kubrick gemacht, der seine Filme teils zu schon bestehender Musik inszeniert hat, aber sonst enthält ein Drehbuch traditionell überhaupt keine Angaben über den Musikeinsatz. Ich verstehe nicht, wieso du unbedingt zu diesen 90 % gehören willst. Wieso diese Haltung: "nein, ich will auf Teufel komm raus nicht denken, sondern nur unterhalten werden!" Mit viel Liebe bist du dann jedenfalls nicht an deinem Hobby dran... Ich bin da übrigens fast noch etwas optimistischer: ich denke, dass noch etwas mehr Leute die Musik teils auch bewusst wahrnehmen, sonst würden sich ja so gut wie gar keine Filmmusik-CDs verkaufen. Danke dafür. Auch wichtig, dass du angemerkt hast, dass man von gewohnten Pfaden abweichen muss, um Neues kennenzulernen. Ich konnte noch vor fünf Jahren mit klassischer Musik so gut wie gar nichts anfangen, höchstens vielleicht mit einigen Werken der Moderne - mittlerweile bin ich sogar leidenschaftlicher Schubert-Hörer! Hätte ich damals noch nicht für möglich gehalten. Boneking, vielen Dank für diese wichtige Anmerkung! Ich bin auch dieser Meinung: eine größere Bandbreite an musikalischen Ausdrucksmitteln und eine komplexere Harmonik erzeugen gleichzeitig auch komplexere, vielschichtigere Emotionen. Natürlich stößt die These "je komplexer, desto vielfältiger und emotionaler im Ausdruck" natürlich auch an ihre Grenzen - ist eine Musik zu komplex, ist sie kalt und für Normalsterbliche gar nicht mehr verständlich. Genau das ist z.B. das Problem der seriellen Musik der 50er Jahre. Ein Beispiel wäre hier die Musik von Pierre Boulez: die ist zwar abartig komplex und absolut mathematisch-logisch durchstrukturiert, Emotionen kann diese Musik aber (selbst für mich) nicht mehr transportieren. Hier ein Beispiel aus Pierre Boulez´ serieller Klavierkomposition "Structures", zur Verdeutlichung: [ame] [/ame]Aber: ein "gesundes Maß" an harmonischer, melodischer oder auch rhythmischer Komplexität sorgt für den gewissen "Kick", macht die Musik facettenreich und vieldeutig in ihrer emotionalen Wirkung: man hat mehr Emotionen, vielschichtigere Emotionen, tiefere Emotionen. Ein Beispiel hierfür ein Teil des zweiten Satzes aus Schostakowitschs erstem Cellokonzert: [ame] [/ame]Die Harmonik ist recht herb und stark mit Dissonanzen angereichert (in den schnelleren Parts aus dem ersten Satz dann auch extrem kompliziert zu spielen, v.a. für den Cellisten) - aber eben gleichzeitig unglaublich emotional und tiefschürfend. Hört´s euch wenigstens mal an! Findet ihr nicht auch, dass das emotional vielschichtiger und facettenreicher ist als die dauernd gleichen Standard-Moll-Kadenzen in einem Zimmer-Score? Ich finde, das ist einfach unglaubliche Musik - komplex, aber emotional eine Wucht! Tragik, Melancholie, pure Schönheit... Da erstrecken sich die winterlichen russischen Landschaften vor meinem geistigen Auge, aber gleichzeitig auch das tragische Schicksal des Komponisten, der von Krankheit und einem unmenschlichen Regime bedroht war. Enorm vielschichtige, tiefempfundene Musik! Ähnliches gilt für die großen Komponisten der Filmmusik: Jerry Goldsmith, Alex North, John Williams, Franz Waxman, Bernard Herrmann, etc. - Musik, die komplex ist, aber niemals den emotionalen Draht zum Hörer verliert und eine schier unermessliche Bandbreite von Emotionen auszudrücken vermag... eben durch die facettenreiche, komplexe musikalische Gestaltung! -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Wie gesagt, bist halt ein alter Waldörfler... Für mich gibt es übrigens auch Musik abseits von Filmmusik und Klassik. Ich liebe z.B. die Musik von Moondog (kennen hier bestimmt die wenigsten), oder auch den Avantgarde-Jazz von John Zorn. Auch Popmusik, Electro oder anspruchsvollerem Rap/Hip-Hop kann ich durchaus etwas abgewinnen. Seit kurzem - nicht lachen! - höre ich zwischendurch auch ganz gerne mal 'nen Schlager, die Woche war´s z.B. "Glocken von Rom" von Heike Schäfer. Also, wie ihr seht, ich bin durchaus auch breit gefächert, diese Eigenschaft hat unser Bernd nicht allein für sich gepachtet. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Ja, Beltramis Score ist auch wirklich gelungen, er verbindet da ganz schön seinen eigenen Stil mit den Motiven und charakteristischen Instrumentierungen der Kamen-Scores. Ein paar Minütchen ist das Album zu lang, aber das kann man ja für sich selbst noch ein bisschen straffen durch Programmieren. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Na dann sollte man aber wirklich auch nur Eindrücke formulieren und keine ganzen Analysen... für Analysen braucht man Zeit. Aber Hut ab, davor dass du trotzdem nach dem ersten Hören schon so in die Tiefe gehst bzw. gegangen bist - ich bräuchte da mehrere Hördurchgänge. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Hast du das jemals anders gemacht? Du kannst doch nicht beim ersten Hören schon alles genau analysieren und beschreiben, unmöglich! Leute, so ist das natürlich nicht gemeint... natürlich erst sich Zeit nehmen und einhören und dann was dazu schreiben. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Olli, warte noch ein bisschen ab, bis DIE HARD neu aufgelegt wird - dürfte nicht mehr lange dauern. Die alte Club-CD kannst du dir (trotz schöner optischer Aufmachung) eigentlich sparen, die Klangqualität ist schlechter als die der Bootlegs. Verbinde mit der CD trotzdem einiges: ist nicht nur einer meiner Lieblingsscores, die Club-VÖ war darüber hinaus meine erste limitierte CD. Was hab ich mich damals anno 2002 gefreut, als das Ding in der Post war und ich die Musik erstmals abseits des Films hören konnte... -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Ach ja, noch etwas, was ich zu Beginn dieser Diskussion angesprochen habe, mittlerweile aber etwas untergegangen ist: Mephisto und ich geben uns große Mühe, ausführlich zu argumentieren und zu begründen, warum genau wir etwas mögen bzw. musikalisch interessant finden, während einige andere eben gerade mal ein "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" (manchmal sogar auch nur ein "Mist" ) über die virtuellen Lippen bringen. Und jetzt bitte nicht das Argument, man habe nicht genügend musiktheoretische Kenntnisse für längere Ausführungen: um zu beschreiben, wieso man etwas gut oder schlecht findet, ist kein Studium nötig! -
127 hours - AR Rahman
Sebastian Schwittay antwortete auf ronin1975s Thema in Scores & Veröffentlichungen
Einigen wir uns doch wenigstens darauf, den Score nicht als "Mist" zu bezeichnen - ich sehe in dem Score einen durchaus intelligenten konzeptionellen Ansatz, den ich in meiner Kurzkritik von vor zwei Jahren auch beschrieben habe: FilmmusikWelt.de - Kurzkritiken Erläutere doch mal in einer Kritik, warum genau der Score für dich "Mist" ist. Ich argumentiere hier immer seitenlang, warum ich etwas gut oder schlecht finde, und von anderen Seiten kommt dafür dann meist ein Wort (!) - da fühlt man sich manchmal schon ein bisschen veräppelt. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Schön dargestellt, Lars - THE ROCK war vielleicht ein wenig dienliches Beispiel zur Untermauerung meiner These, die meisten RC-Scores hätten kein prägnantes musikalisches Konzept. Zu dieser Zeit (1996) war der MV/RC-Sound noch recht neu, auch die verwendeten Themen- und Motivbausteine waren noch nicht so abgenutzt wie heute. In diesem Sinne ist THE ROCK durchaus noch irgendwie eigenständig und bezieht sich auch noch recht spezifisch auf die Filmhandlung, da gebe ich dir Recht. Hast du ja oben alles sehr gut und nachvollziehbar beschrieben. Im Falle von ARMAGEDDON, TRANSFORMERS, aber auch Scores wie PEARL HARBOR oder KING ARTHUR bleibe ich jedoch dabei: diese Scores haben kein individuelles, filmspezifisches Konzept mehr, sondern sind einer Film-übergreifenden Ästhetik zuzurechnen, bei der fast alle Filme (egal welchen Genres) nahezu identisch vertont werden. Selbst die Themen sind alle nahezu identisch gebaut (Rhythmus, hymnischer Charakter, meist d-moll), sei es in einem Neo-Piratenfilm wie POTC, in einem Kriegsfilm wie PEARL HARBOR oder in einer Sci-Fi-Komödie wie TRANSFORMERS. Wieder die alte Leier... wie auch Mephisto, finde auch ich nicht alles schlecht, was von Zimmer und Co. kommt. Das habe ich schon oft betont und habe es auch in den letzten Wochen und Monaten immer wieder deutlich gemacht. Ich mag Zimmers Komödienscores gerne (SPANGLISH, THE HOLIDAY), auch mit seinem aktuellen INCEPTION kann ich durchaus etwas anfangen (der Score hat ein recht originelles Konzept, das sich auf die Filmhandlung und die Figuren bezieht), ja sogar Rabins/Gregson-Williams ENEMY OF THE STATE höre ich durchaus gerne. Dieses labyrinthische, elektronische Überwachungs-Chaos ist im collagehaften "Main Title" ganz wunderbar und auch durchaus originell eingefangen. Gefällt! Dennoch: lassen wir die Zimmer/RC-Diskussion bleiben - in diesem Thread geht es in erster Linie um emotionale vs. kognitive Wahrnehmung von Musik. Ich entschuldige mich, dass ich (ich glaube, ich war es...) Zimmer und RC als Beispiele in die Diskussion miteingebracht habe, hätte ich nicht machen sollen. ------------------------------------------- Damit sind die Möglichkeiten der Filmmusik aber nicht ausreichend beschrieben, Lars. Es gibt die sog. paraphrasierende Filmmusik, die das im Bild gezeigte doppelt und unterstreicht (das, was du beschrieben hast), aber es gibt eben auch oft sog. kontrapunktierend eingesetzte Filmmusik, die dem Bild neue Bedeutungs-Dimensionen verleiht oder sogar ganz gezielt "gegen" das Bild arbeitet. Nur mit diesem Effekt lassen sich z.B. viele Filmmusiken von Elliot Goldenthal erst erfassen (etwa viele Passagen seiner Musik zu TITUS - wenn du diesen Film noch nicht kennst, schaue ihn mal und achte darauf, wie wenig unterstützend-paraphrasierend, und wie enorm kontrapunktierend-"gegen-das-Bild" die Musik hier eingesetzt ist!) Mephisto hat zur tieferen Interpretation von Filmmusik ja nun genug geschrieben und ich denke, in seinen Beiträgen wird wunderbar deutlich, dass in Filmmusik sehr wohl sehr viel stecken kann, was im Bild noch gar nicht konkret angelegt ist - das muss dann eben interpretiert und gedeutet werden. Die Beispiele hat er doch nur gebracht, um zu verdeutlichen, dass Analyse die Musik eben nicht kaputt, sondern sie noch spannender macht. Es ist doch faszinierend und erhellend, in eine Komposition voll einzusteigen und sie zu verstehen - zumindest mir (und vielen anderen, die ich kenne) bereitet dieser Erkenntnisgewinn ein enormes Erfolgs- und Zufriedenheitsgefühl, genau wie es jetzt auch Mephisto beschrieben hat. Eben, genau das ist es, was ich mit all dem, was ich hier schreibe, sagen möchte. Gegen das emotionale Hören hab ich auch nie etwas gesagt - aber immer nur Konsumieren, ohne kognitiv dahinterzusteigen, mit was man sich da eigentlich beschäftigt, das fände ich auf Dauer einfach nur unbefriedigend. Und ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wieso vielen das genügt: der vernunftbegabte, intelligente Mensch (und das sind hier wohl die meisten) hat einen natürlichen Drang, das, was ihn umgibt, zu verstehen. Wäre es anders, würden wir immer noch in der Steinzeit leben. Und genau deswegen macht mir das Diskutieren im Soundtrack-Board kaum noch Spaß: es scheint einfach niemanden zu interessieren, was von mir oder auch von Mephisto geschrieben wird. Da gibt man sich Mühe, investiert wertvolle Freizeit, um eine genauere analytische Beschreibung und Interpretation einer Musik ins Board zu hacken und die meisten nehmen gar keine Notiz davon. Das lässt einen manchmal schon ziemlich entmutigt und desillusioniert zurück. Das nur am Rande: wie in Mephistos Beitrag ja schon deutlich wurde, spielt die Musik in Chaplins Stummfilmen eine enorm wichtige Rolle - Chaplin hat die Musik zu seinen Filmen meist auch selbst komponiert. Überhaupt war der Stummfilm nie wirklich stumm! Musik war immer dabei, anfangs Live-Begleitungen von Stummfilm-Pianisten (Schostakowitsch war z.B. einer!) oder kleinen Stummfilm-Orchestern; bei den Chaplin-Filmen der 30er, also nach der Einführung des Lichttons, war die Musik dann auf der Tonspur dabei. (Eigentlich gab es ab Ende der 20er/Anfang der 30er ja dann Tonfilme, aber Chaplin hat eben noch weiter Stummfilme gemacht - die Musik wurde dann eben nicht mehr live im Kinosaal zum Film gespielt, sondern war fest auf der Tonspur des Films.) -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Du willst doch jetzt nicht ernsthaft sagen, dass z.B. hinter Scores wie THE ROCK oder TRANSFORMERS irgendein besonderes musikalisches Konzept steht, das Handlung oder Figurenzeichnung spiegelt? Vielleicht haben wir unterschiedliche Auffassungen eines Konzepts, für mich ist ein Konzept in der Filmmusik jedenfalls etwas, was Grundmuster und -konflikte eines Films möglichst originell in Musik übersetzt, sowohl auf formaler wie auch auf kompositorischer Detail-Ebene. Und sowas bieten die meisten RC-Scores nicht wirklich (Ausnahme dieses Jahr: INCEPTION), da ein- und dasselbe Vertonungsschema für alle Bay- und Bruckheimer-Filme verwendet wird, von THE ROCK über ARMAGEDDON bishin zu TRANSFORMERS. Wenn hier von etwas die Rede sein kann, dann vielleicht von einer Film-übergreifenden Ästhetik, aber nicht von einem ganz spezifischen, singulären Konzept. Aber wir schweifen ab... -
Der große Gruß- und Geburtstagsthread
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Neuigkeiten / Feedback / Begrüßung
Oh, alles Gute zum Geburtstag, Oliver! Und auch dem Bülent Glückwünsche zum Runden! -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Ganz recht: aus kompositorischer Sicht ist THE SOCIAL NETWORK sehr simple Musik. Aber sie hat, im Gegensatz zu vielen anderen Scores dieser Tage, ein Konzept. Und dieses Konzept scheint hier kein Mensch verstehen zu wollen, weshalb ich mich jetzt auch aus der Diskussion ausklinke. Wer möchte, kann meine bald erscheinende Rezension zum Score auf FilmmusikWelt lesen, wird dann auch in meiner Signatur verlinkt. Das ist jetzt wohl die Waldorf-pädagogische Auffassung des Denkens. Bildungskanon brauchen wir nicht, tanzen wir lieber, ganz kreativ und individuell, unseren Namen! Denken sollte eine gesunde Mischform aus anerkanntem, "angelerntem" Wissen und eigener, kreativer Tätigkeit sein. Meine Interpretationen zu THE SOCIAL NETWORK hat mir z.B. auch niemand diktiert, die entstammen meinen eigenen Überlegungen und meiner eigenen Beschäftigung mit der Musik. Hab bisher (leider) auch noch keine Rezension gelesen, die zu ähnlichen Schlüssen kommt wie ich. -
Hab mir "Evil Rises" gerade nochmal angehört und muss dir insofern Recht geben, als dass "Asymmetric Rhythms" zwar auf der gleichen musikalischen Grundidee basiert - allerdings ist letzterer rhythmisch viel erfrischender, viel ungerader, viel Synkopen-haltiger und komplexer gearbeitet als "Evil Rises", der immer ganz brav im Vierer-Takt bleibt und damit viel gezügelter und konventioneller wirkt als sein ungestümes "Pendant" aus THE HUNTED.
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Themen der Filmmusik - Brian Tyler
Sebastian Schwittay antwortete auf horner1980s Thema in CINEMA WORLD - Die Filmmusik-Oase im Internet
- die ersten drei Tracks aus THE HUNTED in Folge - die "Main Titles" aus THE 4TH FLOOR (gehört für mich zum schönsten, was je Tyler je geschrieben hat) -
THE FRIGHTENERS (Danny Elfman) - "The Lads" (Track 2) oder "Poltergeists" (Track 3) FLUBBER (Danny Elfman) - "Main Title" (Track 1), "Breakfast" (Track 3) oder "It´s Alive" (Track 5) PEE WEE´S BIG ADVENTURE (Danny Elfman) - "Overture and The Big Race" (Track 1), "Breakfast Machine" (Track 2) oder "Dinosaur Dream" (Track 6)
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Hm, also ich finde die ersten drei Tracks, die ja eine Art Mini-Suite ergeben, schon mal wunderbar. Dann der tolle "Emergence" oder die zweite Hälfte von "Tracking Hallam", wo sich unter dem modernistischen Orchestersatz ganz langsam ein Beat herausschält. Oder "Pulse", oder "Machinations", oder oder oder...
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(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Das stimmt natürlich, im luftleeren Raum sollte man die Musik nicht betrachten. Die Kenntnis des Films ist hier schon von Vorteil. Aber das ist bei Filmmusik ja meistens so. Das große filmmusikalische Meisterwerk, das sich komplett von den Bildern löst, ist natürlich die absolute Ausnahme und wurde auch schon lange nicht mehr geschrieben.