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Na, von Goldsmith gäb´s schon mal viel, was weniger populär bzw. bekannt, doch trotzdem sehr gut bis großartig ist, z.B.: - STUDS LONIGAN (1960) (!) ("Main Title", "A Game of Pool") - SHOCK TREATMENT (1964) - THE SATAN BUG (1965) - THE TRAVELING EXECUTIONER (1970) (!) ("Main Title", "A New Client", "The Getaway") - THE BROTHERHOOD OF THE BELL (1970) - THE LAST RUN (1971) - HIGH VELOCITY (1976) - DAMNATION ALLEY (1977) (!) ("The Land Master", "Cockroach Attack", "Finding Billy") - TWILIGHT´S LAST GLEAMING (1977) - MAGIC (1978) (!) ("Main Title", "Corky´s Retreat", "Let´s Take Off", "The Lake") - FIERCE CREATURES (1997) Die mit Ausrufezeichen versehenen Scores sind besonders klasse. Des Weiteren... Von John Williams: IMAGES (1972), HEARTBEEPS (1981) Von Howard Shore: THE BROOD (1979), M. BUTTERFLY (1993), eXistenZ (1999), THE YARDS (1999), THE SCORE (2001), DOUBT (2008) Von Elliot Goldenthal: DRUGSTORE COWBOY (1989), GOLDEN GATE (1994) Von Alex North: THE CHILDREN´S HOUR (1961), AFRICA (1967), BITE THE BULLET (1975) Von Danny Elfman: DICK TRACY (1990), PROOF OF LIFE (2000), MILK (2008) So als Überblick... wenn ich zu einzelnen Scores Tracks empfehlen soll, sagt Bescheid - hab mir jetzt nicht die Mühe gemacht, zu allen Scores die besten Tracks rauszusuchen (außer bei den besten Goldsmiths oben).
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Schwere Kost würde ich gar nicht mal sagen - trotz der extremen Brutalität stehen die Märchen-Elemente ziemlich im Vordergrund, wodurch der Film doch noch ziemlich gut "genießbar" ist. Aber Oliver hat schon Recht: ein toller Film, würde auch (fast) von einem Meisterwerk sprechen. Ich habe heute Abend gesehen: PAISÀ (Roberto Rossellini, 1946) Rossellinis direkt nach Ende des Krieges entstandener Film gilt als eines der Schlüsselwerke des italienischen Neorealismus, einem Epochalstil, der sich allgemein um eine authentische, ungeschönte Darstellung des Lebens im Kriegs- und Nachkriegs-Italien bemüht. Gedreht wird dabei fast ausschließlich an Originalschauplätzen, direkt auf der Straße und mit unbekannten Laiendarstellern. PAISÀ ist dabei ein in sechs Segmente aufgeteilter Episodenfilm, der die Befreiung des deutsch-besetzten Italien durch die Alliierten beschreibt. In allen Episoden stehen einzelne menschliche Schicksale im Vordergrund, sowie die Verständigungsprobleme zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Diese kulturellen Kollisionen, Wirrungen und Uneindeutigkeiten in der Verständigung haben in den meisten der Episoden einen tragischen bzw. äußerst pessimistischen Ausgang der Geschichte zur Folge. So stellt Rossellini immer wieder das unendliche Leid des Krieges in den Mittelpunkt, exemplarisch dargestellt an den individuellen Schicksalen der einzelnen Episoden und verknüpft mit einer pazifistischen, anti-faschistischen Botschaft: in den Grauen und sprachlich-kulturellen Verwirrungen des Krieges sind das menschliche Individuum und seine Bemühungen ausnahmslos zum Scheitern verdammt. Vielfach hat man übrigens den Eindruck, Alejandro González Inárritu diente dieser Film als Inspiration für BABEL, beschäftigt sich dieser Film doch auf ganz ähnliche Weise mit interkulturellem Missverständnis und den daraus erwachsenen, teils tragischen Folgen. Toller Film, durchaus sehr komplex und daher keine leichte Kost. Hat mir insgesamt fast noch etwas besser gefallen als De Sicas LADRI DI BICICLETTE ("Fahrradiebe") - ebenfalls ein sehr wichtiger Film des Neorealismus. DESIGN FOR LIVING (Ernst Lubitsch, 1933) Eines der wichtigsten Aushängeschilder der Paramount Studios in den 30er Jahren: die luftige, locker-leichte, doppelbödige Salonkomödie, mit witzigen Dreiecks-Beziehungen, geschliffenen Dialogen und einer deftigen Portion "schönem Schein". Genau das ist die typische Lubitsch-Komödie DESIGN FOR LIVING, welche von zwei amerikanischen Künstlern erzählt, die auf einer Reise nach Paris die hübsche Gilda (Miriam Hopkins) kennenlernen und fortan eifersüchtelnd um ihre Gunst buhlen. Realismus ist diesem Film (wie auch allen anderen klassischen Paramount-Lustspielen dieser Zeit) fremd: der Alltag ist ein maskenhaftes, doppelbödiges Theater, reich an schönen Dekors, Kostümen und Accessoires. Selbst das kleine, "normale" Pariser Dach-Apartment, in dem die beiden Protagonisten anfangs wohnen, wirkt fast etwas zu sauber, um wahr zu sein; artifiziell und in seiner französischen Baguette-Romantik auch ziemlich klischeebeladen. Überhaupt hat man es durchgehend mit harmloser, aber doch eleganter und witziger Unterhaltung zu tun, die besonders auf Drehbuch- bzw. Dialog-Ebene sehr feinsinnig und geistreich ausgestaltet ist. Hat mir eigentlich recht gut gefallen - wenngleich es natürlich nur Pflichtprogramm für Filmgeschichte war... -
Also eine Unterscheidung zwischen Golden und Silver Age, die auch in der Strukturierung der Sendung deutlich wird, wäre sinnvoll. Das Golden Age (von den 30ern bis in die 50er) ist geprägt von spätromantisch und vor allem auch stark leitmotivisch ausgerichteter Filmmusik, mit Vorbildern in der deutschen Spätromantik (Richard Strauss, Richard Wagner, teils Gustav Mahler) - Einflüsse der Moderne sind sehr selten, etwa in den Filmmusiken von Hugo Friedhofer oder Adolph Deutsch. Vorbilder sind hier teils die transparenten, harmonisch etwas freieren Kompositionen von Paul Hindemith. Aber das ist, wie gesagt, selten und nicht charakteristisch für die Filmmusik des Golden Age. Wichtige Filmmusiken des Golden Age, an denen man den schwelgerisch-spätromantischen Stil und die wagnerianische Leitmotivtechnik, die Themen und Motive einzelnen Figuren, Stimmungen oder Gegenständen zuordnet, gut erkennen kann, sind z.B. THE SEA HAWK (Erich Wolfgang Korngold, 1940) oder GONE WITH THE WIND (Max Steiner, 1939). Die Filmmusik des Golden Age ist übrigens auch eng mit dem in den 30ern und 40ern in Hollywood vorherrschenden Studio-System verknüpft: die großen Komponisten waren unter Vertrag bei den großen Studios und es entwickelte sich ein sehr einheitlicher, spätromantisch geprägter Stil, von dem selten abgewichen wurde. All das sollte sich dann ab den 50er Jahren - in der Filmmusik der Beginn des Silver Age - ändern: das Studio-System bricht zusammen, da die großen Studios aufgrund des Anti-Trust von 1948 ihre Kinoketten abstoßen müssen; unter den Filmemachern herrscht nun Aufbruchsstimmung, man will unabhängig werden. Nicht nur die Regisseure wollen nun eigenständige, von Studios unabhängige Projekte realisieren, auch die Komponisten der Filmmusik schauen sich nach erfrischenden Neuerungen um. Im Silver Age (etwa ab Anfang/Mitte der 50er Jahre) beginnen stilistische Veränderungen: für die nachfolgende, junge Filmkomponisten-Generation gerät nun verstärkt die musikalische Moderne und Avantgarde in den Blickpunkt des Interesses, ebenso Formen der Unterhaltungsmusik, vor allem der Jazz. Mit THE COBWEB (1955) komponiert Leonard Rosenman, Schüler von Arnold Schönberg, als erster Hollywood-Komponist einen Score, der ausschließlich Arnold Schönbergs Zwölfton-Technik als formbildendes Prinzip verwendet. Hier wird auch ein wichtiges Motiv dieser "neuen" Form der Filmmusik deutlich: durch die modernen, teils atonalen Kompositionen wollen Komponisten nun verstärkt die Abgründe der menschlichen Seele ausleuchten, tiefer in die Psychologie der Figuren eindringen, ganz im Sinne der Psychoanalyse von Sigmund Freud. Bezeichnenderweise schreibt auch Jerry Goldsmith zu FREUD (1962) einen wichtigen, modernistischen Score des Silver Age, der sich an der Musik der Zweiten Wiener Schule orientiert (Schönberg, Webern, Berg), ein weiterer wichtiger Einfluss ist hier die Musik Béla Bartóks. (Der oben genannte THE COBWEB ist übrigens ein Psychiatrie-Drama - auch damit wird deutlich, dass die Moderne in der Filmmusik des Silver Age verstärkt auf die präzisere, tiefere Ausleuchtung der menschlichen Psyche abzielt.) Zum Jazz: Mit A STREETCAR NAMED DESIRE (1951) schreibt Alex North den ersten und wohl wichtigsten Score, der sich fast ausschließlich den musikalischen Idiomen und Eigenheiten des Jazz verschreibt. Ihm folgen zahlreiche weitere Komponisten (Bernstein: THE MAN WITH THE GOLDEN ARM, 1955; Waxman: CRIME IN THE STREETS, 1956) und bald wird der Jazz neben dem Modernismus und der Atonalität das wichtigste Element der Filmmusik des Silver Age. Die 60er und 70er Jahre waren dann die Hochphase des Silver Age, mit modernistischen Meisterwerken wie PLANET OF THE APES (Jerry Goldsmith, 1968), THE HELLSTROM CHRONICLE (Lalo Schifrin, 1971) oder THE TAKING OF PELHAM 123 (David Shire, 1974) - letzterer verbindet Jazz und Zwölftonmusik! Mit dem Aufkommen der großen, wieder sehr spätromantisch angelegten Blockbuster-Sinfonik (also mit Williams' STAR WARS, 1977) gelangt das Silver Age langsam an sein Ende. POLTERGEIST (Jerry Goldsmith, 1982) dürfte eine der letzten Filmmusiken sein, die man noch dem Silver Age zuordnen könnte. Alles danach entspricht mehr oder weniger der modernen, im Laufe der Zeit stark konventionalisierten Blockbuster-Filmmusik, die sich dann in den Neunzigern mit Hans Zimmer und Media Ventures in eine ganz eigene, popsinfonische Richtung entwickelt hat. Die wichtigsten Komponisten des Silver Age sind hierbei: Alex North, Leonard Roseman, Jerry Goldsmith, Bernard Herrmann (obwohl der auch die Filmmusik des Golden Age noch maßgeblich mit geprägt hat), David Shire, Lalo Schifrin und der frühe John Williams (IMAGES, BLACK SUNDAY, zu Teilen noch CLOSE ENCOUNTERS). Das nun als kleine Einführung - könnte man natürlich noch viel ausführlicher beschreiben. Die wichtigsten Werke aufzuzählen, dürfte hier den Rahmen sprengen, aber ich werde heute Abend oder morgen noch einige Beispiele bringen.
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Ich dagegen finde, dass Goldenthal die besten und vor allem originellsten Scores der BATMAN-Reihe gelungen sind, wenngleich natürlich nur knapp (!) vor den Elfman-Scores, die sicher auch prima sind, vor allem natürlich BATMAN RETURNS. Dennoch: bei Goldenthal sticht die sinfonische Versiertheit einfach noch stärker heraus und das "polystilistische" Konzept ist noch cleverer und ungewöhnlicher als die etwas traditionelleren Konzepte bei Elfman. Goldenthal ist einfach mehr "E-Musik" als Elfman - und damit ist die Musik für sich genommen (Filmwirkung unberücksichtigt) einfach noch gehaltvoller und damit höher einzustufen. Aber wie gesagt: die Elfman-Scores sind auch gut und bleiben nur ein kleines Stück hinter Goldenthal zurück. Meine Wertungen für die Scores wären übrigens: BATMAN: 4 von 6 BATMAN RETURNS: 4,5 von 6 BATMAN FOREVER: 5 von 6 BATMAN & ROBIN: 4,5 von 6 Den Film (BATMAN FOREVER) mag ich noch ganz gerne - ganz im Gegensatz zum einfach nur miesen BATMAN & ROBIN. Das herrliche Overacting der Darsteller (v.a. von Tommy Lee Jones, klasse!) und die coole Kameraführung von Stephen Goldblatt machen das Ganze schon noch zu einer recht sehenswerten Angelegenheit. -
THE KING'S SPEECH - Alexandre Desplat
Sebastian Schwittay antwortete auf Soundtrack Composers Thema in Scores & Veröffentlichungen
Kenne die Musik jetzt zwar noch nicht von CD, im Film hat sie aber kaum Akzente gesetzt. Unverfänglicher Wohlklang, hübsch und nett vor sich hin plätschernd - hat den weichgespülten Film eigentlich perfekt in Musik übersetzt. Gegen GHOST WRITER stinkt das echt in keinem Moment an: wenn ich da an "The Truth About Ruth" denke, ein Track, der im Film einfach eine unglaubliche Wirkung entfaltet... etwas Vergleichbares hat THE KING´S SPEECH in keinem Moment zu bieten. -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
THE KING´S SPEECH (Tom Hooper) Bin ziemlich enttäuscht. Samis Beschreibung als "Wohlfühl-Nachmittagsfilm" trifft es ganz gut: der Film ist leichte, unverfängliche Unterhaltung, sicher absolut nicht schlecht, aber auch absolut nicht herausragend. Der Film kommt über seinen steifen Oberflächenglanz kaum hinaus, da helfen auch das gute Spiel von Colin Firth und Geoffrey Rush sowie die teils recht interessanten Bildkompositionen nicht mehr viel. Der Film verpasst alle Möglichkeiten dramatischer Entwicklung, wagt nichts, bleibt biss- und zahnlos, ohne Ecken und Kanten und wirkt letztlich eher wie ein konventionelles BBC-Doku-Drama als ein 12-fach-nominierter Oscarfavorit. Selbst mir als vom Stottern Betroffener hat dieser Plüsch-Film so gut wie nichts mit auf den Weg gegeben - geschweige denn irgendeine fesselnde, nachhaltige Wirkung entfaltet. Desplats Musik passte da ganz gut: genauso unverfänglich wie der Film, geschmeidiger Wohlklang ohne Höhepunkte. Mit der schweißtreibenden Filmwirkung eines GHOST WRITER nicht im Ansatz zu vergleichen. Mein Fazit: der wohl überschätzteste Film des Jahres. -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Mal schauen, wie ich das sehen werde... aber ich fand THE SOCIAL NETWORK dermaßen überragend, dass ich bezweifle, dass da noch irgendeiner von den 2010er-Favoriten ran kommt. SOCIAL NETWORK ist halt trotz der recht temporeichen Inszenierung alles andere als ein Unterhaltungsfilm und auch einfach zu düster, um ihn ins "Herz zu schließen". THE KING´S SPEECH offenbarte schon im Trailer viele märchenhafte Züge, und ist dadurch wohl auch emotional einfacher zu fassen. Für die meisten Kritiker und Jury-Mitglieder ist die Auszeichnung für SOCIAL NETWORK als bester Film wohl eine reine Kopf-Entscheidung (in dieser Hinsicht ist der Film wirklich genial, das kann man nicht abstreiten) - ich dagegen bin froh, dass ich ihn auch emotional enorm mitreißend finde. -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Bin sehr gespannt, sehe ihn morgen... -
Ganz eindeutig leiser geworden und dann verspielt - aber auch so eine ziemlich mäßige Performance. Was spielt da für ein Orchester?
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Finde auch, dass das der interessanteste Moment des ganzen Stücks ist. Hat was.
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Wenn es Absicht ist, haben wir hier eine verdammt originelle harmonische Wendung...
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(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Vermutlich, ja. Bei einem neuen Gordon- oder Williams-Score ist halt meist von vornherein klar, dass diese Scores kompositorisch auf einem recht hohen Niveau gearbeitet sind. Da das für "uns" (wie gesagt, ich mag solche Grüppchenbildungen nicht) ein Qualitätsmerkmal ist, freuen wir "uns" eher auf einen neuen Gordon als auf einen neuen Jablonsky oder Rabin. Der emotionale Aspekt ist natürlich auch sehr wichtig: aber ein Gordon vermag eben mindestens genauso oder sogar noch stärker zu berühren als ein Rabin. ON THE BEACH Love Theme anyone...? Wenn das nicht herzzerreißend ist... Aus diesem Grund gibt es die Buh-Rufe bei Ankündigungen solcher Scores nicht, sie überzeugen eben auf emotionaler und kompositorischer/konzeptioneller Ebene. Wie ich ja jetzt schon einige Male betont habe: ich finde, eine gewisse musikalische Komplexität sorgt auch für mehr Inhalt und auch für stärkere und vielschichtigere emotionale Wirkung. Ein weiteres Beispiel für komplexere Harmonik, die durch ihre ungewöhnlichen, teils dissonanzreichen Wendungen auch intensivere und vieldeutigere Wirkungen entfaltet als ein einfaches kadenzharmonisches Thema z.B. von Zimmer oder Rabin, wäre Thomas Newman THE GOOD GERMAN. Hab davon leider keinen einzigen Track auf YouTube gefunden, aber ich denke, die meisten kennen die Musik. Die Themen, vor allem das sehr emotionale, aufschwingende Liebesthema, glänzen und schillern hier in verschiedensten harmonischen Schattierungen, oft dissonant gebrochen, oft durch sehr kontrastreiche Instrumentierungen regelrecht "aufgeladen", was die Bedeutungs- und Symbolebene betrifft. Eine sehr psychologisierende Musik. Und da wären wir bei etwas ganz wichtigem: die menschliche Psyche ist komplex und psychische Vorgänge lassen sich eben oft nicht mit einer platten Beschreibungskategorie (fröhlich, traurig, wütend) veranschaulichen. Und da eine Filmmusik die Figuren und ihre Psychologie nachzeichnen muss (ist eigentlich ein Grundmerkmal guter Filmmusik), muss sie eben auch den zahlreichen Facetten gerecht werden, die die Seele einer Figur ausmachen. Und das macht eine Musik, die viele Facetten und Schattierungen abdeckt eben eher als eine, die nur relativ platt auf eine einzige Emotion pocht - und ich finde, das machen eben Scores wie ARMAGEDDON oder TRANSFORMERS. Sie spiegeln eine oder maximal zwei Emotionen gleichzeitig bzw. im ganzen Verlauf der Filmmusik: neben simpler Aufregung in den Actionsequenzen meist ein erhebend-heroisches Gefühl der Ehre, ähnlich einer Nationalhymne (auch musikalisch sind diese Scores ja immer sehr hymnisch gestaltet). Aber darüber hinaus gibt es meist nicht so viel: was wäre z.B. mit Paranoia, Hassliebe, rasender Eifersucht, Nihilismus, Ekstase? So etwas finde ich in simplen Musiken wie denen von Rabin, Jablonsky oder Gregson-Williams meist nicht ausgedrückt. Bei Goldsmith war das z.B. wirklich anders. Allein ein Score wie THE ILLUSTRATED MAN bietet eine solche unbeschreibliche Fülle an emotionalen Schattierungen und Brechungen, dass man die Musik einfach immer wieder hören möchte, weil man bei jedem Hören wieder etwas Neues entdeckt, auf das man vorher noch gar nicht geachtet hat. -
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Sebastian Schwittay antwortete auf Scorechasers Thema in Film & Fernsehen
Zweimal klassischer Film noir: THE MALTESE FALCON (John Huston, 1941) Detektiv aus San Francisco (Humphrey Bogart) gerät zwischen die Fronten: eine undurchsichtige Frau, ein Gangsterboss und andere zwielichtige Gestalten sind hinter einer geheimnisvollen Falken-Statue aus dem 16. Jahrhundert her und ziehen den Protagonisten in die Tiefen verschwörerischen Komplotts. John Hustons Regiedebüt, das allgemein als Startpunkt von Warners "Schwarzer Reihe" bzw. des klassischen Film noir gesehen wird, besticht trotz etwas verworrener Story mit tollen Darstellern (brillant v.a. Peter Lorre) und einer fiesen, klaustrophobischen Atmosphäre: dazu trägt nicht nur die ausgezeichnete, wenn auch sehr dezente Kameraarbeit bei, sondern auch die Tatsache, dass fast der gesamte Film nur in geschlossenen, stickigen und stark verschatteten Räumen spielt. Man fühlt sich durchgehend bedrängt und eingeschlossen; die alle Settings und Handlungsorte umgebende Dunkelheit (der Film spielt fast nur nachts) hüllt einen regelrecht ein. Sehr wirkungsvoll auch die um ein dissonantes, aber durchaus prägnantes Motiv für die titelgebende Falken-Statuette strukturierte Musik von Adolph Deutsch - werde mir da mal das Naxos-Album mit den neueingespielten Auszügen aus dem Score (unter Morgan/Stromberg) zulegen. DOUBLE INDEMNITY (Billy Wilder, 1944) Nochmal Noir, diesmal jedoch von Paramount: Versicherungsagent hilft seiner Klientin bei der Ermordung ihres Mannes, kommt am Ende jedoch dahinter, mit was für einer kalten Schlange er sich eingelassen hat. Allerdings zu spät - alles fliegt auf und auch er ist dem Untergang (und dem elektrischen Stuhl) geweiht. Höhepunkt des Film noir der Vierziger, der die noir-typischen Stilmittel und Motive (Verschattung des Bilds und extreme Hell-Dunkel-Kontraste, femme-fatale-Motiv, etc.) auf die Spitze treibt. Die Figuren handeln allesamt zutiefst amoralisch, dennoch entwickelt der Zuschauer gerade für den Protagonisten starke Sympathien und fiebert bis zum Ende gespannt mit. Dennoch herrscht ein für den Film noir ebenfalls typisches, pessimistisches Motiv der Determination vor: dem Zuschauer ist von Anfang an klar, dass der Protagonist scheitern wird, erzählt er doch den ganzen Film als "Beichte" in der Rückblende, auf das laufende Tonband seines Kollegen. Ein wirklich mitreißendes Filmerlebnis, mit grandiosem Spannungsbogen, tollen Darsteller-Leistungen (v.a. Barbara Stanwycks Darstellung der kaltblütig-berechnenden femme fatale war von prägendem Einfluss auf die weitere Entwicklung des Film noir) und einer durchaus wirkungsvollen Rózsa-Musik. Der bis dato wohl pessimistischste, aber auch spannendste Film noir, den ich kenne. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Ich finde es öde und langweilig, wenn alle aneinander vorbeileben und -schreiben und keiner je irgendetwas Neues wagt, und sich auch mal mit Musik der "gegnerischen" Seite (klingt zwar schlimm, ist aber wohl zutreffend formuliert) auseinandersetzt. So wird immer alles beim Alten bleiben, die Fronten bleiben hart und starr und niemand kommt je in die doofe Situation, sich auch mal auszutauschen... Bei Bernd habe ich mittlerweile das Gefühl, er mag diese tiefen Gräben zwischen den Diskussionsgruppen und will es gar nicht anders - bei den anderen habe ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Ergo: "leben und leben lassen" ist ein schönes Motto - so lange man sich nicht gleichzeitig starrsinnig voneinander abkapselt bzw. nie versucht, sich auch mal in die Argumente der Gegenseite einzudenken. Ich höre mir ja schließlich auch hin und wieder mal einen Zimmer an und schreibe auch was dazu - ja sogar einen Rabin/Gregson-Williams (wie ich ja geschrieben habe, mag ich ENEMY OF THE STATE durchaus gerne)! Von der Gegenseite kommt aber halt meistens nichts - das beweisen ja mal wieder die zahlreichen Reaktionen und Kommentare zu meinen geposteten YouTube-Beispielen. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Wow, sehr detailierte Beschreibung - danke dafür! Was ich immer auf der CD vermisst habe, ist diese mitreißende, aber nur ganz kurze Passage, die zu hören ist, als McClane und Zeus nach der Konfrontation mit der Gang im gekaperten Taxi zum Police Plaza rasen. In der Einstellung rast das Taxi bergab, und die Kamera schwenkt ein bisschen hinauf und zeigt den weiten Straßenzug mit den Wolkenkratzern. Diesen Schwenk untermalt Kamen mit einer extrem brachialen, kurz auf- und dann wieder absteigenden Bläserfigur. Sehr over-the-top, aber eine tolle musikalische Darstellung der riesigen, weitläufigen Stadt und ihrer gigantischen Skyline. -
Wirklich schöner Track und wohl auch der beste des Scores. Hat insgesamt viel von einem Kinderlied bzw. einem Lullaby - und das Ende mit dem Chor a cappella hat dann harmonisch einiges von THE ABYSS, wie ich finde.
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(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Also in einem Drehbuch wird meistens gar nichts zur Musik geschrieben - da hat höchstens Stanley Kubrick gemacht, der seine Filme teils zu schon bestehender Musik inszeniert hat, aber sonst enthält ein Drehbuch traditionell überhaupt keine Angaben über den Musikeinsatz. Ich verstehe nicht, wieso du unbedingt zu diesen 90 % gehören willst. Wieso diese Haltung: "nein, ich will auf Teufel komm raus nicht denken, sondern nur unterhalten werden!" Mit viel Liebe bist du dann jedenfalls nicht an deinem Hobby dran... Ich bin da übrigens fast noch etwas optimistischer: ich denke, dass noch etwas mehr Leute die Musik teils auch bewusst wahrnehmen, sonst würden sich ja so gut wie gar keine Filmmusik-CDs verkaufen. Danke dafür. Auch wichtig, dass du angemerkt hast, dass man von gewohnten Pfaden abweichen muss, um Neues kennenzulernen. Ich konnte noch vor fünf Jahren mit klassischer Musik so gut wie gar nichts anfangen, höchstens vielleicht mit einigen Werken der Moderne - mittlerweile bin ich sogar leidenschaftlicher Schubert-Hörer! Hätte ich damals noch nicht für möglich gehalten. Boneking, vielen Dank für diese wichtige Anmerkung! Ich bin auch dieser Meinung: eine größere Bandbreite an musikalischen Ausdrucksmitteln und eine komplexere Harmonik erzeugen gleichzeitig auch komplexere, vielschichtigere Emotionen. Natürlich stößt die These "je komplexer, desto vielfältiger und emotionaler im Ausdruck" natürlich auch an ihre Grenzen - ist eine Musik zu komplex, ist sie kalt und für Normalsterbliche gar nicht mehr verständlich. Genau das ist z.B. das Problem der seriellen Musik der 50er Jahre. Ein Beispiel wäre hier die Musik von Pierre Boulez: die ist zwar abartig komplex und absolut mathematisch-logisch durchstrukturiert, Emotionen kann diese Musik aber (selbst für mich) nicht mehr transportieren. Hier ein Beispiel aus Pierre Boulez´ serieller Klavierkomposition "Structures", zur Verdeutlichung: [ame] [/ame]Aber: ein "gesundes Maß" an harmonischer, melodischer oder auch rhythmischer Komplexität sorgt für den gewissen "Kick", macht die Musik facettenreich und vieldeutig in ihrer emotionalen Wirkung: man hat mehr Emotionen, vielschichtigere Emotionen, tiefere Emotionen. Ein Beispiel hierfür ein Teil des zweiten Satzes aus Schostakowitschs erstem Cellokonzert: [ame] [/ame]Die Harmonik ist recht herb und stark mit Dissonanzen angereichert (in den schnelleren Parts aus dem ersten Satz dann auch extrem kompliziert zu spielen, v.a. für den Cellisten) - aber eben gleichzeitig unglaublich emotional und tiefschürfend. Hört´s euch wenigstens mal an! Findet ihr nicht auch, dass das emotional vielschichtiger und facettenreicher ist als die dauernd gleichen Standard-Moll-Kadenzen in einem Zimmer-Score? Ich finde, das ist einfach unglaubliche Musik - komplex, aber emotional eine Wucht! Tragik, Melancholie, pure Schönheit... Da erstrecken sich die winterlichen russischen Landschaften vor meinem geistigen Auge, aber gleichzeitig auch das tragische Schicksal des Komponisten, der von Krankheit und einem unmenschlichen Regime bedroht war. Enorm vielschichtige, tiefempfundene Musik! Ähnliches gilt für die großen Komponisten der Filmmusik: Jerry Goldsmith, Alex North, John Williams, Franz Waxman, Bernard Herrmann, etc. - Musik, die komplex ist, aber niemals den emotionalen Draht zum Hörer verliert und eine schier unermessliche Bandbreite von Emotionen auszudrücken vermag... eben durch die facettenreiche, komplexe musikalische Gestaltung! -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Wie gesagt, bist halt ein alter Waldörfler... Für mich gibt es übrigens auch Musik abseits von Filmmusik und Klassik. Ich liebe z.B. die Musik von Moondog (kennen hier bestimmt die wenigsten), oder auch den Avantgarde-Jazz von John Zorn. Auch Popmusik, Electro oder anspruchsvollerem Rap/Hip-Hop kann ich durchaus etwas abgewinnen. Seit kurzem - nicht lachen! - höre ich zwischendurch auch ganz gerne mal 'nen Schlager, die Woche war´s z.B. "Glocken von Rom" von Heike Schäfer. Also, wie ihr seht, ich bin durchaus auch breit gefächert, diese Eigenschaft hat unser Bernd nicht allein für sich gepachtet. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Ja, Beltramis Score ist auch wirklich gelungen, er verbindet da ganz schön seinen eigenen Stil mit den Motiven und charakteristischen Instrumentierungen der Kamen-Scores. Ein paar Minütchen ist das Album zu lang, aber das kann man ja für sich selbst noch ein bisschen straffen durch Programmieren. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Na dann sollte man aber wirklich auch nur Eindrücke formulieren und keine ganzen Analysen... für Analysen braucht man Zeit. Aber Hut ab, davor dass du trotzdem nach dem ersten Hören schon so in die Tiefe gehst bzw. gegangen bist - ich bräuchte da mehrere Hördurchgänge. -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Hast du das jemals anders gemacht? Du kannst doch nicht beim ersten Hören schon alles genau analysieren und beschreiben, unmöglich! Leute, so ist das natürlich nicht gemeint... natürlich erst sich Zeit nehmen und einhören und dann was dazu schreiben. -
Memoriam - Michael Kamen (1948-2003)
Sebastian Schwittay antwortete auf ein Thema in Komponisten Diskussion
Olli, warte noch ein bisschen ab, bis DIE HARD neu aufgelegt wird - dürfte nicht mehr lange dauern. Die alte Club-CD kannst du dir (trotz schöner optischer Aufmachung) eigentlich sparen, die Klangqualität ist schlechter als die der Bootlegs. Verbinde mit der CD trotzdem einiges: ist nicht nur einer meiner Lieblingsscores, die Club-VÖ war darüber hinaus meine erste limitierte CD. Was hab ich mich damals anno 2002 gefreut, als das Ding in der Post war und ich die Musik erstmals abseits des Films hören konnte... -
(Film)Musik: Fühlen und/oder Verstehen?
Sebastian Schwittay antwortete auf Siddls Thema in Filmmusik Diskussion
Ach ja, noch etwas, was ich zu Beginn dieser Diskussion angesprochen habe, mittlerweile aber etwas untergegangen ist: Mephisto und ich geben uns große Mühe, ausführlich zu argumentieren und zu begründen, warum genau wir etwas mögen bzw. musikalisch interessant finden, während einige andere eben gerade mal ein "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" (manchmal sogar auch nur ein "Mist" ) über die virtuellen Lippen bringen. Und jetzt bitte nicht das Argument, man habe nicht genügend musiktheoretische Kenntnisse für längere Ausführungen: um zu beschreiben, wieso man etwas gut oder schlecht findet, ist kein Studium nötig! -
127 hours - AR Rahman
Sebastian Schwittay antwortete auf ronin1975s Thema in Scores & Veröffentlichungen
Einigen wir uns doch wenigstens darauf, den Score nicht als "Mist" zu bezeichnen - ich sehe in dem Score einen durchaus intelligenten konzeptionellen Ansatz, den ich in meiner Kurzkritik von vor zwei Jahren auch beschrieben habe: FilmmusikWelt.de - Kurzkritiken Erläutere doch mal in einer Kritik, warum genau der Score für dich "Mist" ist. Ich argumentiere hier immer seitenlang, warum ich etwas gut oder schlecht finde, und von anderen Seiten kommt dafür dann meist ein Wort (!) - da fühlt man sich manchmal schon ein bisschen veräppelt.